Zusammenfassung
Nach wie vor wird die Delphi-Methode in ihrer ursprünglichen Verfahrensvariante häufig genutzt, um ungewisse Sachverhalte durch Expert_innen bewerten und einschätzen zu lassen. In diesem Beitrag wird untersucht, mit welchen praktischen Herausforderungen man bei der Durchführung derartiger Studien konfrontiert wird und welche Lösungsansätze existieren: von der Identifikation und Rekrutierung der Expert_innen über die Entwicklung des Fragebogens bis hin zur Gestaltung der Befragungsrunden und schließlich zu Fallstricken bei Auswertung und Interpretation. Die Ergebnisse sind großenteils auch auf andere Varianten der Delphi-Methode übertragbar.
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Notes
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Zum breiten Spektrum der Definitionen und Charakterisierungen der Delphi-Methode siehe Häder (2009, S. 19 ff.).
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Die Probleme beginnen allerdings schon bei dem, was als „valide“ oder „korrekt“ angesehen wird. Bei auf die Zukunft bezogenen Items (wie auch bei manch anderen) kann eine Übereinstimmung mit den Tatsachen, falls überhaupt, erst ex post festgestellt werden. Grunwald verweist darauf, dass „die Gleichsetzung von guten und zutreffenden Vorhersagen … sinnlos ist“ (Grunwald 2012, S. 172 f.).
- 3.
Niederberger und Renn (2018, S. 8) verweisen darauf, dass sich das Delphi-Team schon bei der Ansprache der Expert_innen als kompetente Gesprächspartner („Quasi-Expert_innen“) präsentieren muss, d. h. hinreichend mit der Thematik vertraut sein muss.
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Inhaltlich kann man von ihnen seltener neue Impulse erwarten. Gerade unter medial überpräsenten Expert_innen sind statistisch auffällig viele Personen mit festem, fast dogmatischem Meinungszuschnitt vertreten – „Igel“ nach der Typologie von Tetlock (2005).
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Wenn die Teilnehmenden dem zustimmen. Die Anonymität der Bewertung der einzelnen Items wird dadurch nicht aufgehoben.
- 6.
Ein Beispiel sind Angaben über die Frist bis zum Durchbruch bei kontrollierter Kernfusion: Dieser wird seit der ersten technologischen Delphi-Studie in den 1960er Jahren stets in etwa drei, vier Jahrzehnten angenommen.
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Steinmüller, K. (2019). Das „klassische“ Delphi. Praktische Herausforderungen aus Sicht der Zukunftsforschung. In: Niederberger, M., Renn, O. (eds) Delphi-Verfahren in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21657-3_2
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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