Zusammenfassung
Durchschnittlich hat im Jahr 2014 jeder Einwohner der Schweiz für die Gesundheitsversorgung monatliche Kosten von 726 Franken verursacht (BFS, 2016). Davon fallen ca. 45 % für stationäre Behandlungen an, welche Spitäler sowie Pflege- und Altersheime umfassen. Die Kosten für stationäre Behandlungen sind seit dem Jahr 2000 um ca. 60 % angewachsen.
FormalPara
Relevanz
Durchschnittlich hat im Jahr 2014 jeder Einwohner der Schweiz für die Gesundheitsversorgung monatliche Kosten von 726 Franken verursacht (BFS, 2016). Davon fallen ca. 45 % für stationäre Behandlungen an, welche Spitäler sowie Pflege- und Altersheime umfassen. Die Kosten für stationäre Behandlungen sind seit dem Jahr 2000 um ca. 60 % angewachsen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob intensivere und damit teurere Behandlungen in den Spitälern gerechtfertigt sind durch eine bessere Versorgung der Patienten. Dieser Frage geht der folgende Artikel anhand von Notfallpatienten in den USA nach.
Beatrix Eugster
FormalPara
Quelle
Der nachfolgende Text ist eine Zusammenfassung von: Doyle Jr., Joseph J., John A. Graves, Jonathan Gruber und Samuel A. Kleiner (2015), Measuring Returns to Hospital Care: Evidence from Ambulance Referral Patterns, Journal of Political Economy 123, 170–214.
In vielen entwickelten Ländern stellen die steigenden Kosten der Gesundheitsversorgung zunehmend ein Problem dar, insbesondere in Zeiten knapper Staatsbudgets. Einen internationalen Spitzenwert erreichen die USA, welche mittlerweile 18 % des BIPs für das Gesundheitssystem ausgeben. Davon gehen vier Prozentpunkte auf das Konto von Medicare, die bundesstaatliche Krankenversicherung für über 65-Jährige und Menschen mit Behinderung. Joseph Doyle vom MIT und seine Co-Autoren untersuchen in ihrer Studie anhand von Medicare-Daten, ob Spitäler, welche ihre Patienten einer intensiveren und demnach teureren medizinischen Behandlung unterziehen, auch bessere Ergebnisse erzielen. Dabei wird das Ergebnis einer Behandlung anhand der Mortalität innerhalb eines Jahres gemessen.
Das Hauptproblem beim Vergleich von Leistungen von Spitälern besteht darin, dass sich die Patienten nicht zufällig auf Spitäler verteilen. Hoch spezialisierte Spitäler wie z. B. Universitätskliniken sind einerseits teurer, behandeln aber andererseits vermehrt schwerkranke Patienten mit einer systematisch tieferen Überlebenswahrscheinlichkeit. Um die Wirksamkeit von intensiveren Behandlungen zu messen, müssten die Forscher idealerweise Personen mit den genau gleichen medizinischen Voraussetzungen in verschiedenen Spitälern vergleichen. Da aber nicht alle Eigenschaften eines Patienten, welche für den Behandlungserfolg maßgeblich sind, von den Forschern beobachtet werden, ist dies kaum möglich.
Das Hauptproblem zum Beurteilen des Erfolgs medizinischer Behandlungen besteht in der gezielten Auswahl von Spitälern durch Patienten, die sich im Krankheitsgrad und in den Behandlungskosten unterschieden.
Doyle und Co-Autoren nutzen zwei clevere Strategien, um die Problematik der nicht zufälligen Verteilung von Patienten auf Spitäler zu umgehen. Beide Strategien haben gemeinsam, dass die Auswahl des Spitals in Notfällen nicht durch den Patienten selbst, sondern durch die Ambulanz bestimmt wird. Die erste Strategie beruht darauf, dass in gewissen Bezirken der USA mehrere Ambulanzdienste parallel operieren, und dass diese Ambulanzdienste oft eine Präferenz für ein gewisses Spital haben, zu welchem sie ihre Patienten überdurchschnittlich oft hinbringen. Rufen Patienten die Notfallnummer an, so werden sie anhand eines Rotationsprinzips und deshalb unabhängig von ihrer Diagnose oder ihrer Charakteristiken einem der Ambulanzdienste und somit einem der Spitäler zugeteilt. Die zweite Strategie nutzt Daten aus New York, wo pro Gebiet genau ein Notfalldienst eingeteilt ist. Die Autoren vergleichen Notfallpatienten, welche direkt an der Grenze eines Gebiets wohnen. Da die Eigenschaften der Patienten auf beiden Seiten der Gebietsgrenzen jeweils sehr ähnlich sind, sie aber in unterschiedliche Spitäler gebracht werden, können die Resultate verglichen werden, um den Behandlungserfolg eines Spitals zu messen. Die Forscher zeigen für beide Strategien, dass die messbaren Eigenschaften der Patienten über die verschiedenen Notfalldienste hinweg relativ ähnlich sind, während die Spitäler erhebliche Unterschiede in der Behandlungsintensität und in den Medicare-Aufwendungen aufweisen.
Eine Erhöhung der Spitalausgaben pro Patient um US$ 1800 lässt die Mortalität für Patienten, welche per Ambulanz eingeliefert wurden, um 10 % von ca. 37 % auf 33,3 % sinken.
Während bereits die deskriptiven Daten in Abb. 1 auf den Zusammenhang hinweisen, sprechen die Resultate der Studie eine klare Sprache: Eine intensivere Behandlung erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich. Eine Erhöhung der Ausgaben pro Patient um eine Standardabweichung (ca. US$ 1800) führt zu einer Reduktion der Mortalität um 3,7 Prozentpunkte, oder um 10 % der durchschnittlichen Mortalität. Damit erscheint die Wahl des Spitals als entscheidend für die Überlebenswahrscheinlichkeit. Es gilt allerdings zu beachten, dass diese Resultate nur für Notfallpatienten gelten.
Eine mögliche Interpretation der Studienergebnisse liegt in der Berechnung der Kosten pro gerettetem Lebensjahr. Dazu schauen die Autoren, wie hoch die Gesamtkosten der Behandlung im ersten Jahr nach dem Notfall sind. Intuitiv kann eine intensivere Erstbehandlung zu tieferen oder höheren Gesamtkosten im ersten Jahr führen. Einerseits überleben mehr Personen mit schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, welche ihrerseits eine teure Langzeitbehandlung erfordern. Andererseits kann eine intensive Erstbehandlung dazu führen, dass weniger Nachfolgebehandlungen notwendig sind. Die Autoren finden, dass eine Zunahme der Kosten der ersten Behandlung um 10 % die Gesamtkosten innerhalb des ersten Jahres nur um 6 % oder US$ 1500 erhöht. Damit könnten die Gesamtkosten pro gerettetem Lebensjahr auf etwa US$ 80.000 beziffert werden. Es besteht deshalb eine erhebliche Rendite auf intensiven medizinischen Behandlungen, da der „Standardwert eines Lebensjahres“ in der ökonomischen Literatur typischerweise auf US$ 100.000 bis US$ 200.000 geschätzt wird.
Eine intensivere Erstbehandlung zahlt sich aus. Die Gesamtkosten eines zusätzlichen Lebensjahres nach Einlieferung in ein Spital aufgrund eines Notfalls betragen US$ 80.000 und sind somit signifikant tiefer als der „Standardwert eines Lebensjahres“ von US$ 100.000 bis US$ 200.000.
Die Studie trägt damit zur existierenden Literatur bei, welche untersucht, ob höhere Ausgaben im Gesundheitswesen durch bessere Resultate gerechtfertigt sind. Dies ist demnach deutlich zu bejahen. Eine wichtige Einschränkung ist, dass sich die Resultate auf Patienten beschränken, welche durch eine Ambulanz für Notfälle ins Spital geliefert werden.
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Authors and Affiliations
Universität St. Gallen, St. Gallen, Schweiz
Michael Knuchel
Corresponding author
Correspondence to
Michael Knuchel .
Editor information
Editors and Affiliations
St. Gallen, Switzerland
Prof. Dr. Christian Keuschnigg
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