Zusammenfassung
Ob sich zwei Bekannte in der Fußgängerzone begegnen, ob Wartende in die eben eingefahrene U-Bahn drängen, ob Liebende sich darüber verständigen, ob sie sich im nächsten Moment küssen wollen – weder in dem einen noch in dem anderen Fall benötigen die beteiligten Personen dazu viele Worte; vielmehr regulieren sie ihr momentanes Miteinander überwiegend mithilfe körperlichen oder leiblichen Wissens. Dieses Wissen ist kein sprachfähiges, sondern unbewusstes Wissen, vergleichbar dem Wissen, das dazu befähigt, Fahrrad zu fahren, zu tanzen, zu schwimmen o. ä. Auch im Behandlungszimmer des Psychotherapeuten stützen sich die Anwesenden auf unbewusstes körperliches Wissen, wenn sie ihre Interaktion regulieren. Therapeutisch wird dieses Wissen nicht erreicht, indem der Patient in den eigenen seelischen Tiefen schürft, sondern indem der Psychotherapeut dem Patienten als resonantes Gegenüber (Rosa, Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2016) „antwortet“ und darin eigenes subjektives Erleben, das der Patient mit seinem Verhalten geweckt hat, selektiv kenntlich macht.
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Notes
- 1.
Harry Stuck Sullivan (1892–1949) war ein amerikanischer Psychiater und Psychoanalytiker, der u. a. dadurch hervorgetreten ist, dass er die Bedeutung soziologischer Aspekte für die Psychiatrie hervorgehoben und darüber hinaus auch psychotische Patienten mit den Mitteln der Pychotherapie behandelt hat.
- 2.
Dass nichtsprachliche körperliche Handlungen eine feststehende eindeutige Bedeutung haben, ist selten; eine Ausnahme bilden lediglich sog. Embleme wie beispielsweise das Tippen mit dem Finger an die Schläfe.
- 3.
Literatur
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Streeck, U. (2019). Zug um Zug. Aufführungen und körperliches Wissen in der Psychotherapie. In: Ankele, M., Kaiser, C., Ledebur, S. (eds) Aufführen – Aufzeichnen – Anordnen. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20151-7_2
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