Zusammenfassung
Im Beitrag wird das Spannungsfeld zwischen Offenheit und Institutionalisierungsprozessen im Arbeitsfeld der Offenen Kinder- und Jugendarbeit beleuchtet. Anhand eines Fallbeispiels wird im Beitrag zunächst herausgearbeitet, wie das konsequente Sich-Öffnen Jugendarbeitender einer bestimmten Gruppe Jugendlicher gegenüber zum Erfolg und zur Institutionalisierung eines boomenden Jugendzentrums führt. Mit der Einnahme einer räumlichen Perspektive, die auf unterschiedliche Praktiken pädagogischer Ortsgestaltung der Jugendarbeitenden fokussiert, lässt sich aufzeigen, dass die Flautephase, mit der sich die Jugendarbeitenden im Anschluss an die Erfolgsphase konfrontiert sehen, mit Schließungsprozessen erklärt werden kann. Diese stellen paradoxerweise genau die Kehrseite ihrer erfolgreichen Öffnungsprozesse gegenüber „ihren“ Jugendlichen dar, denn Öffnung gegenüber den einen Jugendlichen bedeutet im Fallbeispiel implizit eine Schließung gegenüber anderen Jugendlichen. Öffnende und schließende Praktiken der Jugendarbeitenden werden im letzten Teil des Beitrags unter Bezugnahme auf die von Burkhard Müller eingeführten Figuren des Siedlers und des Trappers genauer analysiert: Wie kann es Jugendarbeitenden gelingen, im alltäglichen „Dschungel“ ihrer offenen Arbeit handlungsfähig zu bleiben, ohne Jugendliche auszuschließen? Kann es überhaupt ein Öffnen ohne Schließen geben?
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Notes
- 1.
Im Projekt wurden in 6 unterschiedlichen Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit in der Schweiz, verteilt über drei Sprachregionen, Erhebungen durchgeführt. Anhand von teilnehmenden Beobachtungen im Jugendtreffalltag, Interviews mit Jugendarbeitenden und Dokumentenanalysen wurden im Rahmen von 6 Fallstudien Daten gewonnen und im Forschungsstil der Grounded Theory (vgl. Strauss und Corbin 1999) ausgewertet. Aufgrund des explorativen Vorgehens im Projekt erfolgte die Datenerhebung und -auswertung zirkulär, d. h. die Zugangs-, Erhebungs- sowie Analysephasen wurden im stetigen Wechsel und aufeinander abgestimmt durchgeführt, um dem fortschreitenden Erkenntnisprozess Rechnung zu tragen.
- 2.
Die Baracke bzw. das offene Angebot wurde in den Anfangsjahren auch von Jugendlichen genutzt, die nicht der Skaterkultur angehörten, sondern anderen Jugendkulturen, oder die aus dem umliegenden Quartier kamen und im Treff einen Teil ihrer Freizeit verbrachten.
- 3.
Wer tatsächlich zuerst auf dem Platz anwesend war, die Jugendarbeit oder die Skater, lässt sich aus den Projektdaten nicht eindeutig rekonstruieren. Denn von den Jugendarbeitenden, die zum Beobachtungszeitpunkt im Treff arbeiteten, war keine und keiner von Anfang an im Jugendarbeitsteam mit dabei. Die Jugendarbeitenden waren, soweit sich dies rekonstruieren lässt, selbst keine Skater.
- 4.
Müller meint mit dem Wechsel von der Siedler- zur Trapperstrategie nicht, vom offenen Angebot zu aufsuchenden Angebotsformen zu wechseln oder diese zu integrieren. Die Trapperstrategie bezieht er auf das Arbeiten der Jugendarbeitenden im offenen Bereich selbst.
Literatur
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Brüschweiler, B., Hüllemann, U., Reutlinger, C. (2018). Institutionalisierte Offenheit – Offene Kinder- und Jugendarbeit als pädagogische Ortsgestalterin. In: Diebäcker, M., Reutlinger, C. (eds) Soziale Arbeit und institutionelle Räume. Sozialraumforschung und Sozialraumarbeit, vol 18. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19500-7_4
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