Zusammenfassung
Der Beitrag formuliert die These, dass die Beliebtheit des Resilienzbegriffs trotz seiner definitorischen Unschärfe mit einer veränderten Wahrnehmung von Unsicherheit, Krisen und Risiken zu erklären ist. Seine Popularität steht in Verbindung zu dem dominanten Selbstbeschreibungsmodus der Reflexiven Moderne – der Krise –, die sich in einer auf Dauer gestellten Unsicherheitswahrnehmung niederschlägt. Auf diese Verunsicherung scheint Resilienz eine hoffnungsvolle Antwort geben zu können, weshalb der Begriff in unterschiedlichen Anwendungskontexten, von der individuellen Stressbewältigung bis hin zu sicherheitspolitischen Legitimationsstrategien, als der vielversprechende Versuch gepriesen wird, unvorhersehbare, krisenhafte Ereignisse aller Art, zunehmend aber auch gesellschaftliche Steuerungsprobleme auf eine ganz neue Weise handhabbar zu machen. Allerdings kann der Resilienzbegriff dieser Hoffnung nicht entsprechen. Hingegen wird mit dessen Einsatz einerseits über die Begründungsbedürftigkeit bestehender gesellschaftlicher Institutionen und Systeme hinweggetäuscht. Dabei werden kritische Auseinandersetzungen umgangen. Einhergehend mit dieser Form der Entpolitisierung der gesellschaftlichen Zukunftsgestaltung und -bewältigung besteht andererseits die Gefahr der Überlastung jeder/s Einzelnen. Letztendlich steht der Resilienzbegriff dem gesellschaftlichen Wandel im Weg.
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Rungius, C., Schneider, E., Weller, C. (2018). Resilienz – Macht – Hoffnung. In: Karidi, M., Schneider, M., Gutwald, R. (eds) Resilienz . Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19222-8_3
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