Zusammenfassung
Der Artikel analysiert die Vor- und Nachteile einer Option zur Einlagerung hoch radioaktiver Reststoffe, die bislang in Deutschland eher geringe Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit, Medien und Politik gefunden hat: die langfristige Oberflächenlagerung. Dabei soll neben den bautechnischen Fragen vornehmlich die normative Rechtfertigungsbasis dieser Option thematisiert werden. Die Option lässt sich einerseits mit einer besonderen Hochschätzung des Wertes von Reversibilität, andererseits aber auch aufgrund von bestimmten Annahmen über die Zeithorizonte der Findung eines Tiefenlagers, dessen Bau und den Prozess der Einlagerung mit einer Unvermeidlichkeitsannahme rechtfertigen. Die Option der Oberflächenlagerung wird dann eine Komponente in einer komplexen Einlagerungsstrategie. Es kann gezeigt werden, dass die Bewertung dieser Option von Annahmen über eine angemessene zeitliche Dauer der Findung eines Tiefenlagers abhängig ist. Die Beziehungen dieser Option zu Freiwilligkeit, Standortfindung, der opportunistischen Logik politischen Handelns („Attentismus“) und der Sicherung gegen unbefugtes Eindringen („security“) werden thematisiert. Der Artikel soll in die Lage versetzen, sich ein begründetes Urteil über die Option der Oberflächenlagerung zu bilden.
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- 1.
BT-Drs. 18/9100.
- 2.
Das Bürgerforum wurde von Moritz Riemann und Konrad Ott konzipiert und geleitet. Weitere Informationen zur Konzeption des Bürgerforums sind in [Bimesdörfer et al. 2016] zu finden.
- 3.
Zum Begriff der prozeduralen Gerechtigkeit siehe Beitrag von M. Riemann.
- 4.
Zum Begriff des Hütekonzeptes siehe [EKRA 2000] oder [Appel et al.].
- 5.
Unter dem Begriff security (deutsch: Sicherung) werden alle Maßnahmen, die sogenannten Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter (SEWD) entgegen wirken sollen, zusammengefasst (siehe hierzu Beiträge von T. Zeiger et al. oder M. Reichardt).
- 6.
Übersetzung: Vertracktes oder verzweigtes Problem (siehe [Röhlig et al. 2014]).
- 7.
Anomie: „Zustand mangelhafter gesellschaftlicher Integration innerhalb eines sozialen Gebildes, der besonders durch Normabweichung und Nichtbeachtung bisher gültiger Verhaltensweisen gekennzeichnet ist.“ [www.duden.de/rechtschreibung/Anomie].
- 8.
K-Drs. 70.
- 9.
BT-Drs. 18/9100.
- 10.
Diese Lösung ist nach EURATOM 2011/70 untersagt, wird aber gerade von Ländern mit vergleichsweise geringen Abfallmengen immer wieder ins Gespräch gebracht (siehe z. B. Beitrag von E. Verhoef et al.).
Literatur
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Birnbacher D (1988) Verantwortung für zukünftige Generationen. Stuttgart: Reclam
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Riemann M, Köhnke D (2016) Interdisziplinarität als Induktion – Von Ingenieuren und Philosophen. In: Smeddinck U, Kuppler S, Chaudry S (Hrsg) Inter- und Transdisziplinarität bei der Entsorgung radioaktiver Reststoffe. Wiesbaden: Springer Vieweg
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Ott, K., Budelmann, H. (2017). Oder vielleicht doch nicht unter der Erde – Überlegungen zur Rolle der Oberflächenlagerung in einer Entsorgungsstrategie. In: Köhnke, D., Reichardt, M., Semper, F. (eds) Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle. Energie in Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19040-8_2
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