Zusammenfassung
Wolf-D. Bukow befasst sich in seinem Aufsatz mit dem Wandel der Urbanität und hier mit der Wiederentdeckung des Quartiers als Raum glokaler gesellschaftlicher Wirklichkeit, also mit den aktuellen Prozessen des urbanen Zusammenlebens in einer diversitäts- und mobilitätsgeprägten Gesellschaft wie wir sie hier und heute vorfinden. Er setzt sich vor diesem Hintergrund mit der Frage auseinander, wie das Zusammenleben in Zukunft gestaltet sein kann und muss. Diese Frage stellt der Autor insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das durch zunehmende Diversität geprägte Zusammenleben immer wieder skandalisiert und problematisiert wird. Dieser problembehafteten Perspektive setzt der Autor jedoch die Geschichte der Stadtgesellschaft entgegen, die zeigt, dass Urbanität auf Mobilität und Diversität basiert und der Umgang damit eigentlich eine triviale Eigenschaft ist. Um die Eigenschaften und Fertigkeiten dieser urbanen Verhandlungspraxis in seiner Komplexität aufzugreifen und für die Gestaltung einer nachhaltigen und inklusiven Stadt nutzbar zu machen, schlägt Bukow vor, den Blick insbesondere auf das Quartier als kleinste emergente Einheit von Stadtgesellschaft zu lenken. Urbanität wird heute vom Quartier repräsentiert. Das Quartier ermöglicht die Anschaulichkeit und Erfassbarkeit, die für den urbanen Raum nicht nur seit je typisch war, sondern heute sogar entscheidend ist. Nicht ein durch Verwaltungsmaßnahmen erzeugter geografisch beliebig abgegrenzter Raum, sondern der durch das alltägliche Zusammenle-ben immer wieder neu realisierte, verdichtete und unmittelbar erfahrbare Raum bietet die für den Alltag als Fußabdruck einer globalen Wirklichkeit wichtigen Möglichkeiten für die Vielen als Viele. Deshalb plädiert der Autor dafür, das Quartier als einen Möglichkeitsraum zu nutzen und es zu einem Modell für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung zu machen.
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Notes
- 1.
Vgl. Bukow und Cudak (2016, S. 9).
- 2.
Zuerst wurde das in biografischen Analysen beobachtet, wo eine Biografizität im Sinn einer aktiven (Re-) Konstruktion des Lebenslaufs aus dem hic et nunc heraus entwickelt wird (Bukow 2017).
- 3.
Leitdifferenzen konstituieren nach Luhmann die Grenzen zwischen Funktionssystem und Umwelt und ermöglichen die eindeutige Selektion im Blick auf die verschiedenen ein System konstituierenden Interaktionsmedien. Als Strategien der Entparadoxierung stellen sie eine Komplexitätsreduktion dar, die zur Effizienzsteigerung führt (Luhmann 2015, S. 57 ff.).
- 4.
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Bukow, WD. (2018). Wandel der Urbanität. Die Wiederentdeckung des Quartiers als Raum glokal-gesellschaftlicher Wirklichkeit. In: Berding, N., Bukow, WD., Cudak, K. (eds) Die kompakte Stadt der Zukunft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18734-7_4
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