- Jana Hoymann,
- Sarah Baum,
- Peter Elsasser &
- Johanna Fick
2.1.1 Politische Rahmenbedingungen
2.1.1.1 Raumordnungspolitik
Unter Raumordnungspolitik werden alle Maßnahmen verstanden, die der Raumordnung dienen. Deren Aufgabe ist es, auf überörtlicher Ebene die raumbedeutsamen Fachplanungen sektorübergreifend zu koordinieren und aufeinander abzustimmen sowie zur Ordnung, Sicherung und Entwicklung der Raumnutzungen und Raumfunktionen beizutragen (vgl. Fürst und Scholles 2008, S. 70). Den rechtlichen Rahmen hierfür bildet das Raumordnungsgesetz (ROG). Nach der darin festgelegten Leitvorstellung der Raumordnung sind der Gesamtraum sowie die Teilräume der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig zu entwickeln (§ 1 (2) ROG). Dies beinhaltet die Zielsetzung, die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang zu bringen, sodass eine dauerhafte, großräumig ausgewogene Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen gewährleistet ist. Dies soll im Rahmen zusammenfassender, überörtlicher und fachübergreifender Raumordnungspläne, durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen erfolgen.
Die Ziele, Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen zu berücksichtigen. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Ansprüche an die Landnutzung sind ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse im Gesamtraum und in den Teilräumen anzustreben. Hierbei ist ein komplexes System unterschiedlicher, teilweise gegenläufiger Ziele und Anforderungen auszutarieren. Neben der Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge ist der Raum im Hinblick auf eine langfristig wettbewerbsfähige und räumlich ausgewogene Wirtschaftsstruktur und wirtschaftsnahe Infrastruktur sowie auf ein ausreichendes und vielfältiges Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu entwickeln. Gleichzeitig ist die Siedlungstätigkeit räumlich zu konzentrieren und die Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen sowie die Flächeninanspruchnahme im Freiraum zu vermeiden bzw. zu minimieren. Für die Land- und Forstwirtschaft sind die räumlichen Voraussetzungen zu erhalten oder zu schaffen, sodass sie ihre Funktion für die Nahrungs- und Rohstoffproduktion erfüllen können. Historisch geprägte und gewachsene Kulturlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen und mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern zu erhalten und die Funktionsfähigkeit der Böden, des Wasserhaushalts, der Tier- und Pflanzenwelt sowie des Klimas einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen zu entwickeln. Belange des Klimawandels werden im Grundsatz Nr. 6 des § 2 (2) ROG explizit aufgegriffen, wonach den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes Rechnung zu tragen ist, sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Strategie „Klimaanpassung“ dienen.
Auf der Ebene der Raumordnung in den einzelnen Bundesländern werden die Vorgaben des ROG aufgegriffen und in Landesplanungsgesetzen umgesetzt und angepasst. In den Ländern sind Raumordnungspläne für das Landesgebiet (landesweiter Raumordnungsplan) und Raumordnungspläne für die Teilräume der Länder (Regionalpläne) aufzustellen. Die Regionalpläne sind aus dem jeweiligen Raumordnungsplan für das Landesgebiet zu entwickeln und dienen der Umsetzung der Ziele und Grundsätze der Landesplanung und deren räumlicher Konkretisierung. Die nachgelagerte kommunale Bauleitplanung hat sich bei der Aufstellung von Bauleitplänen an die Ziele der Raumordnung anzupassen (§ 1 (4) BauGB).
Die Raumordnung auf Bundesebene nimmt zudem Einfluss auf die räumliche Entwicklung durch die Verabschiedung von Leitbildern der Raumordnung, die sich an raumplanerische Entscheidungsträger in Bund und Ländern richten und über empfohlene Handlungsansätze Eingang in die Praxis finden sollen. Die aktuell gültigen Leitbilder stammen aus dem Jahr 2016. Der Klimawandel findet in einem eigenen Leitbild nun deutlich mehr Gewicht als noch in den alten Leitbildern aus dem Jahr 2006, indem ein eigenes Teilziel „Räumliche Strukturen an den Klimawandel anpassen“ verankert wird.
2.1.1.2 Agrarpolitik
Prägend für die landwirtschaftliche Landnutzung ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Sie wurde in mehreren Schritten beginnend mit der Reform im Jahr 1992 von einem auf Preisstützung ausgerichteten Marktordnungssystem in ein marktorientiertes System mit Direktzahlungen überführt. Im Rahmen dieser Reform wurden die gestützten Preise für wichtige Produkte wie Getreide, Rindfleisch, Milch und Zucker sukzessive gesenkt und Einkommenseinbußen in der Landwirtschaft durch Ausgleichszahlungen kompensiert, die in späteren Reformschritten in von der Produktion entkoppelten Direktzahlungen umgewandelt wurden.
Produktionsmengenregulierende Maßnahmen wie Flächenstilllegungen wurden auch vor dem Hintergrund steigender Nachfrage nach Agrarrohstoffen im Jahr 2007 aufgehoben. Verbleibende Regelungen, wie die Quotierung der Produktion von Milch und Zucker, liefen im Jahr 2015 bzw. 2017 aus. Zur Förderung einer umweltverträglichen landwirtschaftlichen Produktion wurden im Rahmen der Entwicklung ländlicher Räume Agrarumweltmaßnahmen eingeführt und darüber hinaus die Gewährung eines Teils der entkoppelten Direktzahlungen an die Einhaltung von Produktionsauflagen geknüpft (Cross Compliance).
Im Zuge der GAP-Reform 2015 wurden die Direktzahlungen stärker auf die Entlohnung von für die Gesellschaft erbrachten Leistungen orientiert. Das sogenannte Greening verpflichtet Landwirte, Höchstanteile bei den Anbaukulturen einzuhalten, Dauergrünland zu erhalten und mindestens 5 % ihrer Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen bereitzustellen und auf diesen dem Klima- und Umweltschutz besonders förderliche Landbewirtschaftungsmethoden anzuwenden (BMEL 2015a). Darüber hinaus können Landwirte wie bisher Agrarumweltmaßnahmen umsetzen, die über die sogenannte zweite Säule der Agrarpolitik gefördert werden und beispielsweise zur Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie beitragen. Beispielsweise dient die Förderung emissionsmindernder Ausbringungstechnik für flüssige Wirtschaftsdünger sowohl der Reduzierung von Nährstoffeinträgen in Gewässer als auch der Minderung von THG-Emissionen (MKULNV 2016).
2.1.1.3 Förderung erneuerbarer Energien
Seit Anfang der 2000er-Jahre hat die Energiepolitik durch die Förderung erneuerbarer Energien, mit der neben Energiesicherheit auch Klimaschutzziele verfolgt werden sollten, für die Landwirtschaft spürbar an Bedeutung gewonnen. Dabei sind die Förderung der energetischen Verwendung von Biomasse sowie die Förderung des Einsatzes von Biokraftstoffen von besonderem Interesse. Im Strombereich schafft das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 in Kraft trat und 2004, 2009, 2012 und 2016 novelliert wurde, über festgesetzte Stromeinspeisepreise Anreize, Biomasse in Strom umzuwandeln. Insbesondere die Einführung eines Bonus für nachwachsende Rohstoffe im Zuge der Novellierung 2004 sowie eines sogenannten Güllebonus mit der Novellierung 2009 lösten einen Boom in der Biogasbranche und der Nachfrage nach Gärsubstraten zur Produktion von Biogas aus (Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik 2007), und wirkten sich auf die landwirtschaftliche Landnutzung aus (Gömann et al. 2013). Ferner kann der Förderung von Windkraft sowie Solarenergie ebenfalls eine gewisse Bedeutung für die Flächennutzung bzw. das Landschaftsbild beigemessen werden.
Die Steigerung der Verwendung regenerativ erzeugten Stroms bzw. von Biokraftstoffen wurde durch die EU-Richtlinien 2001/77/EG bzw. 2003/30/EG vorangetrieben. Demnach sollten in den Mitgliedstaaten der EU bis zum Jahr 2010 ein Stromanteil aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in der EU-15 von 22 % sowie ein Biokraftstoffanteil von 5,75 % an sämtlichen Kraftstoffen erreicht werden. Die Förderung erneuerbarer Energien wurde durch die Richtlinie 2009/28/EG weiterentwickelt. Demnach wird in der Europäischen Union ein Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch von 20 % im Jahr 2020 angestrebt, darunter mindestens 10 % im Verkehrssektor. Für die Mitgliedstaaten wurden unterschiedliche Zielwerte festgelegt; der für Deutschland liegt bei 18 %, wovon 10,9 % aus Bioenergie stammen sollen (BMELV/BMU 2010).
In nationalen Aktionsplänen veröffentlichten die Mitgliedstaaten Informationen zu den sektorspezifischen Zielen für erneuerbare Energie und nationalen Maßnahmen zu deren Verwirklichung. In Deutschland wurden die genannten Richtlinien zur Förderung der erneuerbaren Energien u. a. durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die Biomasseverordnung und das Biokraftstoffquotengesetz (BioKraftQuG 2006) umgesetzt. Während im EEG die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie der Biomasse durch Anreizmechanismen gefördert wird, sollten die Ziele im Biokraftstoffbereich zunächst auch durch eine Mineralölsteuerbefreiung erreicht werden. Der Anreizmechanismus wurde durch die Einführung von Beimischungsquoten ersetzt. Das BioKraftQuG wurde 2009 geändert, um den Einsatz von Biokraftstoffen stärker auf die Reduzierung von THG auszurichten. So wird der Anteil der ab dem Jahr 2015 durch Biokraftstoffe vermiedenen THG-Emissionen stufenweise erhöht, und zwar von 3 % im Jahr 2015 auf 4,5 % bis zum Jahr 2017 und 7 % bis zum Jahr 2020 an der Gesamtmenge Otto- und Dieselkraftstoffs. Zur Erfüllung der Biokraftstoffquoten bzw. THG-Reduktionsquoten können nur nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe anerkannt werden (BLE 2010). Neben den nationalen legislativen Maßnahmen werden auf Bundesland- und Regionalebene Informationskampagnen durchgeführt sowie regionale Programme initiiert (z. B. Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe – 3N, Landeswettbewerb „100-Prozent-Erneuerbare-Energien-Kommune“ in Schleswig-Holstein) (vgl. Bundesregierung 2010).
Für den Verkehrsbereich wird das Mindestziel von 10 % erneuerbarer Energie definiert. Für den Stromverbrauch ist ein Gesamtanteil von mindestens 30 % vorgesehen, aus denen 8 % aus Bioenergie stammen sollen (vgl. Tab. 2.1).
Tab. 2.1 Nationale Ziele des Anteils erneuerbarer Energien (EE) und Bioenergien am Gesamtenergieverbrauch. (Quelle: BMELV/BMU 2010) 2.1.1.4 Naturschutz- und Umweltpolitik
Neben dem Klimaschutz bestehen im Bereich des Natur-, Umwelt- und Ressourcenschutzes vielfältige sektorübergreifende Rahmenbedingungen, die für die Landnutzung von Bedeutung sind. Im Folgenden werden die wichtigsten Regelungen dargestellt.
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Boden
Für den Bodenschutz auf EU-Ebene liegt ein Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie vor (EU-KOM 2006), der die in der Richtlinie 2004/35/EG geregelte Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden aufgreift. Darüber hinaus besteht kein gemeinschaftlicher Rahmen für den Bodenschutz in den Mitgliedstaaten.
In Deutschland steht für den Schutz des Bodens sowie für Altlastenbewertung und -sanierung mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und der dazugehörigen Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) seit Ende der 1990er-Jahre eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage zur Verfügung. Das BBodSchG dient dazu, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen. Es sind schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen. Die auf dem BBodSchG basierenden Bodenschutzgesetze in den Bundesländern sind teilweise um explizite Regelungen bezüglich der Bodenplanungsgebiete im Sinne der Bodensanierung und gebietsbezogenen Bodenschutzes erweitert.
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Wasser
Mit der im Dezember 2000 in Kraft getreten Wasserrahmenrichtlinie (WRRLFootnote 1) wurde der Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers in der Europäischen Gemeinschaft harmonisiert. Das Ziel der Richtlinie ist es, den guten Zustand bzw. das gute ökologische Potenzial und den guten chemischen Zustand aller Oberflächengewässer sowie den guten mengenmäßigen und chemischen Zustand des Grundwassers bis zum Jahr 2015 zu erreichen. Zugleich wurden auch der integrierte Gewässerschutz sowie die koordinierte Bewirtschaftung der Gewässer innerhalb von Flusseinzugsgebieten, auch über die Staats- und Landesgrenzen hinweg, initiiert. Die vorab innerhalb der politischen Grenzen realisierte Bewirtschaftung der Gewässer wird nun entsprechend der Flusseinzugsgebiete koordiniert. Auch für das Grundwasser wird der gute quantitative und chemische Zustand bis 2015 angestrebt, die relevanten Ziele, Qualitätsnormen und Maßnahmen sind in der Grundwasserrichtlinie (Richtlinie 2006/118/EG) formuliert. Es wurden und werden prioritäre Stoffe definiert, wobei sowohl Emissionen und Immissionen sowie Einzelstoffe und Gruppenparameter berücksichtigt werden.
Mit Blick auf die Umsetzung der WRRL und das Erreichen der festgelegten Ziele werden unter anderen auch landnutzungsrelevante Maßnahmen eingesetzt. So fordert die WRRL die Umsetzung und Erfüllung aller Normen und Ziele in den für die Bewirtschaftung der Gewässer relevanten Schutzgebieten, insbesondere in den Natura 2000-Gebieten. Ebenso wird u. a. die Wiederherstellung und Neuschaffung von Feuchtgebieten angestrebt. Zur Vermeidung von Nährstoffeinträgen in Gewässer werden beispielsweise in der Landwirtschaft vielfältige Maßnahmen gefördert und die Einhaltung von Auflagen gefordert, beispielsweise Gewässerrandstreifen zur Verminderung diffuser Nährstoffeinträge.
In Deutschland wurden die wesentlichen Grundsätze der WRRL mit der Novellierung des Wasserhaushaltgesetzes, das 2002 in Kraft getreten ist, umgesetzt und mittels Reglungsaufträgen in die Landeswassergesetze übertragen. Nach Umsetzung der Föderalismusreform 2006 wurde 2009 das deutsche Wasserrecht im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) neu geregelt. Nach dem Inkrafttreten des WHG 2010 und der neuen Grundwasserverordnung wurden die Ziele und Vorgaben der WRRL im deutschen Wasserrecht verankert. Die Übertragung in das jeweilige Landesrecht ist teilweise bereits erfolgt oder aktuell in Bearbeitung. Die Qualitätsnormen für Nitrat und Pflanzenschutzmittel sowie die Kriterien zur Ermittlung signifikanter und anhaltend steigender Schadstoffbelastungstrends wurden in die Grundwasserverordnung, die Düngeverordnung, die Pflanzenschutzmittelverordnung und das Wasserhaushaltsgesetz übernommen.
Ein weiteres wichtiges Instrument zum Schutz der Gewässer ist die Nitrat-Richtlinie (Richtlinie 91/676/EWG). Sie soll verhindern, dass Grund- und Oberflächengewässer durch Nitrateinträge aus der Landwirtschaft verunreinigt werden. Die Richtlinie trat in Deutschland 1996 durch die Düngeverordnung in Kraft, welche 2012 sowie 2017 novelliert wurde.
Die Düngeverordnung ist eine Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen. Wesentlicher Kernpunkt ist hierbei, dass das Ausbringen von Düngemitteln zeitlich und mengenmäßig so erfolgt, dass die Nährstoffe von den Pflanzen größtenteils aufgenommen werden können und Einträge in Gewässer und die Atmosphäre minimiert werden. Neben dem geeigneten Zeitpunkt spielt auch die zur Ausbringung verwendete Technik eine wesentliche Rolle bei der Reduzierung von Austrägen. Des Weiteren muss eine Düngebedarfsermittlung erfolgen, welche die Obergrenze für den Stickstoffbedarf standort- und ertragsbezogen für die angebaute Kultur festlegt. Sperrfristen der Ausbringung sind ein weiterer Bestandteil der Düngeverordnung.
Aus Sicht des Europäischen Gerichtshofes reichen die Vorgaben der novellierten Düngeverordnung allerdings nach wie vor nicht aus, um den Vorgaben der Nitrat-Richtlinie auf nationaler Ebene gerecht zu werden, sodass die Bundesrepublik Deutschland hier nachbessern muss, um die Nitratbelastungen zu reduzieren.
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Naturschutz und Biodiversität
Die Erhaltung und der Schutz der biologischen Vielfalt liegen im Fokus des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD), das 1992 in Rio De Janeiro durch die UNCED beschlossen und 2000 durch das Cartagena-Protokoll und das Nagoya-Protokoll überarbeitet wurde. In der EU bilden die FFH-RichtlinieFootnote 2 und die VogelschutzrichtlinieFootnote 3 den gemeinschaftlichen Rahmen des Naturschutzes und der Biodiversität. Dabei ist für die Landnutzung von Bedeutung, dass zur Wiederherstellung oder Wahrung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse besondere Schutzgebiete auszuweisen, Lebensräume zu pflegen, zerstörte Lebensstätten wiederherzustellen und neue Biotope zu schaffen sind. Die Schutzgebiete sollen ein kohärentes Netzwerk (Natura 2000) ergeben und bilden zusammen mit den Artenschutzbestimmungen für den Naturschutz ein umfassendes rechtliches Instrumentarium zum Lebensraum- und Artenschutz.
Die initiale Umsetzung der Biodiversitätskonvention in deutsches Recht erfolgte 2002 durch die Formulierung des Vorsatzes der Erhaltung und Entwicklung der biologischen Vielfalt in § 1 als Ziel des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Im Jahr 1999 wurden die Konzeption zu den genetischen Ressourcen für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft sowie die Strategie „Forstwirtschaft und biologische Vielfalt“ veröffentlicht. Basierend auf dem Cartagena-Protokoll wurde 2007 die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) erarbeitet und vom Bundeskabinett beschlossen. Übergeordnetes Ziel der NBS ist es, mit einem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten und den Trend umzukehren. Mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes 2009 wurden die Ziele der WRRL auch im deutschen Naturschutzrecht verankert.
Grundsätzlich fällt der Naturschutz in Deutschland in den Kompetenzbereich der Bundesländer, die beispielsweise für die Ausweisung von Natura 2000-Schutzgebieten zuständig sind. Die Bedeutung für die Landnutzung resultiert aus den besonderen Bewirtschaftungsauflagen für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung in den Schutzgebieten sowie in deren Nähe. Auch außerhalb der besonderen Schutzgebiete soll die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes erhalten werden. Lassen sich Eingriffe in Natur und Landschaft, z. B. durch Siedlungs- und Verkehrswegebauten, nicht vermeiden, sind sie nach den §§ 13 ff des BNatSchG durch landschaftspflegerische Maßnahmen (sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) zu kompensieren. Mit diesem Vorgehen wird ein auf alle Schutzgüter des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes bezogener flächendeckender Ansatz verfolgt.
Der Maßnahmenkatalog der europäischen Biodiversitätskommission wurde 2006 veröffentlicht. Des Weiteren wurde 2007 durch das Waldforum der Vereinten Nationen das Übereinkommen zur nachhaltigen Bewirtschaftung und Entwicklung der Wälder verabschiedet, das durch ein begleitendes Arbeitsprogramm zur Umsetzung bis 2015 ergänzt wird. Rechtlich sind diese Regelungen jedoch nicht verbindlich.
2.1.1.5 Forstpolitik
Die rechtliche Basis der Forstpolitik in Deutschland ist das Forstrecht, das einen eigenen Rechtsbereich darstellt (lex specialis). Das Recht zur Gesetzgebung (wie auch deren Vollzug) steht hier nach dem Grundgesetz (GG) grundsätzlich den Ländern zu (Art. 70 (1) GG); Teilbereiche fallen jedoch unter die konkurrierende Gesetzgebung, insbesondere die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (Art. 74 (1) Nr. 17 sowie Art. 91a GG). Entsprechend sind neben dem Bundeswaldgesetz die jeweiligen Landeswaldgesetze forstpolitisch relevant, welche ähnliche, aber nicht identische Regeln aufweisen. Ziele des Bundeswaldgesetzes sind, den Wald zu erhalten, ggf. zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern, die Forstwirtschaft zu fördern und einen Interessensausgleich zwischen Allgemeinheit und Waldbesitzern herzustellen (BWaldG, § 1). Die EU hat, anders als in der Gemeinsamen Agrarpolitik, keine speziellen forstpolitischen Kompetenzen. Auch auf internationaler Ebene existiert keine rechtsverbindliche „Waldkonvention“, wie sie etwa mit der Klimarahmenkonvention UNFCCC 1992 oder der Biodiversitätskonvention UN-CBD 1992 für die Klimapolitik bzw. den Schutz der biologischen Vielfalt verabschiedet worden sind; vielmehr verteilen sich Elemente einer europäischen und internationalen Forstpolitik fragmentiert über etliche andere Politikbereiche (vgl. u. a. Schwoerer 2015).
Die forstliche Förderung in Deutschland erfolgt auf Basis der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) gemeinsam durch Bund und Länder, unter finanzieller Beteiligung der EU. Im Rahmen der GAK entfällt auf den Förderbereich „Forsten“ nur ein relativ geringer Teil der gesamten Fördermittel. So umfasst der derzeit aktuelle GAK-Rahmenplan 2015–2018 insgesamt ein Mittelvolumen von ca. 935 Mio. € für das Jahr 2015, von denen lediglich ca. 49 Mio. € (5,2 %) für Forsten vorgesehen sind (BMEL 2015b). Gefördert werden können Maßnahmen aus vier Bereichen: naturnahe Waldbewirtschaftung (u. a. Waldumbau, Jungbestandspflege), forstwirtschaftliche Infrastruktur (Wegebau, Holzkonservierungsanlagen), forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse (Waldpflege, Mitgliederinformation und Zusammenfassung des Holzangebotes) sowie Erstaufforstung. Bezogen auf die Fläche der Privatwaldbetriebe betragen die tatsächlich ausgeschütteten Fördermittel knapp 15 €/a/ha (Möhring und Mestemacher 2009; vgl. auch Elsasser et al. 2016). Die forstpolitischen Möglichkeiten, über finanzielle Anreize aus der GAK Einfluss auf die Waldbewirtschaftung zu nehmen, sind derzeit also recht begrenzt.
Ähnliches gilt für den Waldklimafonds, aus dem Fördermittel (seit 2013) speziell zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel sowie zur besseren Erschließung des Kohlenstoff-Minderungspotenzials von Wald und Holz zur Verfügung stehen. Der Waldklimafonds ist ein Programmbestandteil des Sondervermögens Energie- und Klimafonds der Bundesregierung. Die Finanzierung erfolgt aus Erlösen der Zertifikatversteigerungen im Europäischen Emissionshandelssystem. Das jährliche Mittelvolumen des Waldklimafonds betrug seither jeweils um 15 Mio. €/a, also etwa ein Drittel der GAK-Förderung (Haushaltsgesetze 2014, S. 3197; 2015, S. 2828; 2016, S. 3032). Aktuell werden daraus überwiegend Forschungs- und Demonstrationsvorhaben gefördert.Footnote 4
Forstpolitisch erwähnenswert sind ferner einige Regeln der internationalen Klimapolitik (ausführlicher dazu Hartje et al. 2015, insb. Kapitel 6). Nach den derzeit gültigen Anrechnungsregeln des Kyoto-Protokolls (KP) müssen Emissionsquellen und -senken auf die Emissionsbilanzen der beteiligten Staaten angerechnet werden, die aus Entwaldung und Aufforstung (KP, Art. 3.3), aus Veränderungen in den bestehenden Wäldern (KP, Art. 3.4) sowie aus Veränderungen in den Holzproduktespeichern stammen (decision 2/CMP.7, UNFCCC 2011). Unter derzeitigen Bedingungen entlastet dies die deutsche Emissionsbilanz. Der finanzielle Gegenwert dieser Entlastung wurde für die erste Verpflichtungsperiode des KP unter den damaligen Bedingungen auf etwa 90 Mio. €/a beziffert (Elsasser 2008). Da das Kyoto-Protokoll ausschließlich Rechtsverhältnisse zwischen Staaten regelt, können die dadurch ermöglichten Erträge forst- und holzwirtschaftlicher Klimaschutzmaßnahmen allerdings nur von den beteiligten Staaten realisiert werden, nicht aber von einzelnen Betrieben. Schließlich bietet auch die Emissionshandelsrichtlinie der Europäischen Union (EU 2003) keinen Hebel zur politischen Lenkung forstbetrieblicher Klimaschutzmaßnahmen, da sie zumindest bis 2020 keine Integration forstlicher Senkenzertifikate in das Europäische Emissionshandelssystem vorsieht (EU 2004, 2009; vgl. auch Ciccarese et al. 2011).
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass der bundesdeutschen Forstpolitik nur relativ schwache rechtliche und finanzielle Instrumente zur Verfügung stehen, welche als Gegengewicht zu Marktentwicklungen und zu Politikmaßnahmen außerhalb des Forstsektors geeignet wären und Ansatzpunkte dafür böten, die Bewirtschaftung der Wälder stärker auf klimapolitische Ziele auszurichten (Hartje et al. 2015, S. 155 f.).
2.1.2 Agrarökonomische Rahmenbedingungen
Die Reformen der GAP hin zu einer stärkeren Ausrichtung der Produktion am Markt schlagen sich in der Entwicklung der Agrarpreise nieder. Bis Mitte des Jahres 2006 sind beispielsweise die Erzeugerpreise für Weizen in Deutschland kontinuierlich gesunken. Seitdem ist ein Anstieg der Preisschwankungen bei einem insgesamt leicht ansteigenden Preisniveau erkennbar. Der Preisanstieg bei Ölsaaten hat im Vergleich zum Getreide einige Jahre früher eingesetzt, sodass sich die relative Wettbewerbskraft zwischen Getreide und Ölsaaten zugunsten von Ölsaaten verschoben hat (Abb. 2.1).
Die Produktivitätsentwicklung gemessen an den Flächenerträgen landwirtschaftlicher Kulturen hat sich sehr unterschiedlich entwickelt. Grundsätzlich ist ein langfristiger Anstieg der Flächenerträge bei allen Kulturen erkennbar. Im Zeitraum von 1950 bis 1995 hat sich beispielsweise der Getreideertrag verdreifacht, wobei der stärkste Zuwachs bei Körnermais und Weizen erzielt wurde. Ab Mitte der 1990er-Jahre ist eine Abflachung des Ertragsanstiegs und Zunahme der mittelfristigen Schwankungen zu beobachten (vgl. Abb. 2.2). Demgegenüber weist der Flächenertrag für Zuckerrüben einen kontinuierlichen Ertragszuwachs bei höheren jährlichen Schwankungen auf.
Die Preisentwicklung für landwirtschaftliche Vorleistungen verlief in den letzten 20 Jahren sehr unterschiedlich für einzelne Produktgruppen (vgl. Abb. 2.3). Seit Längerem sind im Bereich Energie überproportionale Preissteigerungen zu beobachten, welche sich auch auf die Preise von anderen Produktionsfaktoren (z. B. Düngemitteln) ausgewirkt haben. Der Anstieg der Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte hat darüber hinaus zu einer Erhöhung der Nachfrage für landwirtschaftliche Produktionsmittel geführt und dadurch deren Preisniveau angehoben (Offermann et al. 2014).
Die Energiepolitik wirkt sich über den Energiemarkt auf den Produktionssektor der erneuerbaren Energien sowie auf die Produktionskosten (z. B. Treibstoffpreis) aus. Die regionalen Produktionsbedingungen bestimmen die Erträge und Produktionskosten und hängen von Standortbedingungen, von technischen Entwicklungen und den Marktentwicklungen der Produktionsfaktoren ab.
2.1.3 Forstökonomische Rahmenbedingungen
Die bisherige Entwicklung der naturalen Produktion der deutschen Forstwirtschaft kann grob in zwei Phasen eingeteilt werden (Küppers et al. 2009). Bis zum Anfang der 1990er-Jahre blieb der Jahreseinschlag (mit Ausnahme von Kalamitätsjahren) mit unter 30 Mio. m3 Rohholzäquivalenten fast konstant; demgegenüber ist der Verbrauch von Holz seit Ende des Zweiten Weltkrieges kontinuierlich angestiegen. Während der Verbrauch um 1950 noch etwa die gleiche Größenordnung aufwies wie der inländische Jahreseinschlag, lag er Anfang der 1990er-Jahre bei etwa dem zweieinhalbfachen des Jahreseinschlags. Die dadurch entstehende Lücke wurde zum Teil über (Netto-)Einfuhren sowie auch über das steigende Altpapieraufkommen geschlossen. Seit etwa Mitte der 1990er-Jahre wurde der nachhaltige Jahreseinschlag, aufgrund der bestehenden Altersklassenstruktur und begünstigt durch steigende Holzpreise, deutlich gesteigert.Footnote 5 Seit 2004 ist Deutschland nunmehr Nettoexporteur von Holz und holzbasierten Produkten. Da der inländische Holzverbrauch keine ähnlich starke Steigerung aufwies, ist die Lücke zwischen Einschlag und inländischem Verbrauch damit wieder kleiner geworden.
In monetärer Hinsicht lässt sich der Wert der Produktionsleistungen der Forstwirtschaft der Forstwirtschaftlichen Gesamtrechnung entnehmen, welche sich des Testbetriebsnetzes des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft als wesentliche Datenquelle bedient. Die zur Zeit der Manuskripterstellung aktuellsten Daten beziehen sich auf die Jahre bis einschließlich 2009 (Dieter 2011). Die Erzeugung des Wirtschaftsbereiches Forstwirtschaft (Bruttowertschöpfung plus Vorleistungen) betrug danach 2009 3,3 Mrd. €. Im Vergleich zum Zeitraum zwischen 1991 und 2001, in dem die Ergebnisse um etwa 2,5 Mrd. € schwankten, ist der Produktionswert bis 2007 stetig auf ein bisheriges Maximum von 4,4 Mrd. € gestiegen (der darauf folgende Rückgang ist u. a. durch die globale Wirtschaftskrise bedingt). Mehr als die Hälfte des Produktionswertes (56 % bzw. 1,9 Mrd. €) entfällt auf Nadelholz (Stamm- und Faserholz), welches auch wesentlich für die zurückliegende Steigerung des Produktionswertes verantwortlich ist. An zweiter Stelle stehen forstliche Dienstleistungen (21 % bzw. 0,7 Mrd. €). Laubholz (Stamm- und Faserholz) trägt lediglich 7 % bei (0,2 Mrd. €). Die Nachfrage nach Brennholz ist, entgegen der in jüngster Zeit wieder sinkenden Tendenz der Gesamtnachfrage, angestiegen; der Anteil von Brennholz am gesamten Produktionswert des Wirtschaftsbereiches macht inzwischen 10 % aus.
Die NettounternehmensgewinneFootnote 6 ergeben sich, wenn man vom Wert der Erzeugung Vorleistungen, Abschreibungen, Arbeitnehmerentgelte und sonstige Produktionsabgaben abzieht und Subventions-, Pacht- und Zinszahlungen berücksichtigt. Sie sind – nach einer langen defizitären Phase in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts – erst seit 2004 ausnahmslos positiv, allerdings ebenfalls seit 2007 rückgängig. Im Jahr 2009 betrugen die Nettounternehmensgewinne des Wirtschaftsbereiches Forstwirtschaft 192 Mio. €; das sind knapp 6 % des Produktionswertes bzw. durchschnittlich 19 €/ha Holzbodenfläche.
Die Verbesserung der Wirtschaftsergebnisse ist nicht allein auf eine günstige Holzpreisentwicklung zurückzuführen. Sie ist auch Ergebnis gezielter Kosteneinsparungen, die zu erheblichen strukturellen Änderungen in der Forstwirtschaft geführt haben. So werden seit etwa 1990 zunehmend Anteile der forstlichen Arbeiten nicht mehr in Eigenregie, sondern von Dienstleistern ausgeführt. Korrespondierend dazu ist der verwendungsseitige Anteil der Arbeitnehmerentgelte an der Erzeugung des Wirtschaftsbereiches seit den 1990er-Jahren von etwa 70 % auf etwa ein Fünftel gefallen. Insbesondere etliche staatliche Forstverwaltungen sind in jüngerer Zeit betrieblich und organisatorisch neu ausgerichtet worden, indem sie aus der traditionellen Verwaltungsstruktur herausgelöst und zu mehr oder weniger eigenständigen Unternehmen umgestaltet wurden, welche oft wesentlich stärker erwerbswirtschaftlich orientiert sind (Küppers et al. 2009). Dies ist mit einer signifikanten Reduktion der Anzahl von Forstämtern, -revieren und des entsprechenden Fachpersonals verbunden, womit gleichzeitig ein entsprechender Rückgang der forstfachlichen Flächenpräsenz einherging.
2.1.4 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Die sozioökonomische Entwicklung spannt einerseits den Rahmen für die Entwicklung der Siedlungsflächennutzung auf, beeinflusst diese allerdings nur in begrenztem Umfang. Ein Zusammenhang zwischen demographischer Entwicklung und der Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche ist statistisch kaum nachweisbar, vor allem dann, wenn die Bevölkerungszahl rückläufig ist. Infolge einer Verkleinerung der Haushaltsgrößen stieg die Anzahl der Haushalte in den letzten 20 Jahren kontinuierlich an und führte – ebenso wie steigende Haushaltseinkommen – zur Zunahme der pro-Kopf-Inanspruchnahme von Wohnfläche. Seit den 1990er-Jahren überstieg zunächst in Ostdeutschland, später auch in strukturschwachen ländlichen Regionen Westdeutschlands das Wohnungsangebot die Nachfrage (BBSR 2012). Diese hängt in der Regel ursächlich mit dem nicht mehr marktfähigen Ausstattungsstandard von Wohnungen und Wohngebäuden zusammen und führt zu deren Leerstand bei gleichzeitigem Neubau von Wohnungen meist am Siedlungsrand (Dosch 2008, S. 44). Demgegenüber haben Veränderungen ökonomischer Größen wie wirtschaftliche Wertschöpfung und Haushaltseinkommen oder die Beschäftigungsentwicklung entweder keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung für die Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung.
In BMVBS und BBSR (2009) wurden die Einflussfaktoren der Neuinanspruchnahme von Flächen detailliert untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Flächeninanspruchnahme „nicht alleine mit der Nachfrage nach Siedlungsflächen aus Bevölkerung und Wirtschaft erklärt werden kann“. So konnten keine signifikant positiven Zusammenhänge zwischen Flächeninanspruchnahme und Beschäftigtenzahl, BIP oder Beschäftigtendichte gefunden werden. Vielmehr weisen die Ergebnisse darauf hin, dass sich Beschäftigungswachstum und Flächeninanspruchnahme nicht zwingend bedingen. Die Bereitstellung von Gewerbeflächen zieht also nicht unbedingt Beschäftigungseffekte nach sich, wenn es sich z. B. um die Verlagerung eines Betriebsstandortes handelt. Ein weiterer Erklärungsansatz ist der massive Beschäftigungszuwachs der letzten zehn Jahre in den Kernstädten, vor allem im Dienstleistungssektor, der ohne eine weitere Flächeninanspruchnahme vonstatten ging. Dieser Ansatz wird durch die Analyse der Beschäftigtendichte bestätigt. Die Flächenausweisung für Gewerbe-/Industrieentwicklung wird den Untersuchungen zufolge u. a. durch die Bereitstellung von Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur gefördert. Hohe Bodenpreise und der Trend zur höheren Flächenproduktivität bremsen demgegenüber den gewerblichen Flächenverbrauch.
Andererseits bestimmt die Angebotsplanung, d. h. die Baulandausweisung, durch die Kommunen den Flächenverbrauch maßgeblich mit. Üppige Baulandangebote werden in der Regel mit stadtentwicklungspolitischen und fiskalischen Interessen begründet und solange sich das kommunale Einnahmesystem in Deutschland stark an den Bevölkerungszahlen der Gemeinden orientiert, sehen sich Kommunen gezwungen, untereinander um neue Einwohner und insbesondere um junge Familien zu konkurrieren. Daher weisen entsprechende Untersuchungen auf einen Zusammenhang zwischen der Zuwanderung von Personen im für den Eigenheimerwerb relevanten Alter und der Intensität des Flächenverbrauchs hin (Einig 2011).
Bezogen auf die Entwicklung der THG-Emissionen aufgrund von Landnutzungsänderungen im Bereich Siedlung und Verkehr lassen sich bisher keine belastbaren Aussagen ableiten. Durch die Flächeninanspruchnahme werden einerseits Böden versiegelt und andererseits bei der Entwicklung von urbanen Grünflächen auch THG-Senken geschaffen.
Für die Entwicklung der THG-Emissionen sind vor allem wirtschaftliche Entwicklungen relevant, die nicht unmittelbar und zwingend mit einer Änderung von natürlicher oder landwirtschaftlicher Landnutzung hin zu Siedlungs- und Verkehrsfläche einhergehen müssen. So steigen die Emissionen mit stärkerer wirtschaftlicher Entwicklung auch auf bereits bebauten Flächen (BMUB 2013). Eine weitere Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsfläche für wirtschaftliche Nutzungen kann darüber hinaus ebenfalls die THG-Emissionen erhöhen.