1.1 Hintergrund und Problemstellung

Landnutzung wird wie kaum ein anderer Wirtschaftsektor vom Klimawandel beeinflusst. Das Klima ist ein entscheidender Standortfaktor beispielsweise für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturen und deren Erträge, das Wachstum von Bäumen oder für die Entwicklung von Siedlungen und Verkehrsinfrastrukturen. Die auf regional unterschiedliche Klimata ausgerichteten Landnutzungsstrukturen werden sich im Zuge des Klimawandels anpassen (müssen). Landnutzung und Landnutzungsänderungen tragen aber auch zum Klimawandel bei. Neben Änderungen regionaler Kleinklimata beeinflussen durch Landnutzung und Landnutzungsänderungen verursachte Emissionen von Treibhausgasen (THG) den globalen Klimawandel. Beispielsweise entstehen THG-Emissionen durch den landnutzungsbedingten Abbau organischer Substanz im Boden, bei der Düngung oder (Brand-)Rodung von Urwald.

Die Verringerung der THG-Emissionen ist das erklärte Ziel der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC). Die THG-Konzentrationen sollen auf einem Niveau stabilisiert werden, sodass der vom Menschen verursachte Treibhauseffekt möglichst zu keiner gefährlichen Störung des Klimasystems führt. Im Pariser Abkommen vom Dezember 2015 einigten sich die Vertragsstaaten auf eine erforderliche Begrenzung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Temperaturniveau. Dazu müssen laut dem fünften Sachstandsbericht des Panel on Climate Change (IPCC) die weltweiten anthropogenen THG-Emissionen bis 2050 gegenüber 2010 um 40 bis 70 % reduziert werden und im Jahr 2100 nahe oder unter Null liegen (IPCC 2014a, b).

Mit dem auf Basis der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UN 1992) verabschiedeten Kyoto-Protokoll (UNFCCC 1998) haben sich die EU und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, THG-Emissionen zu begrenzen und/oder zu vermeiden. Um die Erreichung festgelegter Einsparungsziele zu überprüfen, wurde beginnend mit der Ratsentscheidung 1993/389/EWG eine europäische Rechtsgrundlage geschaffen, die mehrfach revidiert wurde. Aktuell verbindlich ist die Verordnung (EU) Nr. 525/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013, die mit der Verordnung (EU) Nr. 662/2014 auch bereits einmal nachjustiert wurde. Die Berichterstattung schließt die jährlichen Änderungen in den Bereichen der Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF – Land use, land use change and forestry) mit ein. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollen nationale Programme bzw. ein Gemeinschaftsprogramm aufstellen und durchführen, um die THG-Reduktionsziele zu erreichen. Ein zentrales Instrument zur Reduktion von THG-Emissionen ist das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) (Emissionshandels-Richtlinie 2003/87/EG). Ferner können die nationalen Programme den LULUCF-Bereich einschließen, der derzeit in der EU und den Mitgliedstaaten noch nicht berücksichtigt wird.

Deutschland war gemäß den Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls und der EU-Lastenteilung zu einer Reduktion seiner THG-Emissionen um 21 % im Jahr 2012 bezogen auf die THG-Emissionen im Jahr 1990 verpflichtet (KOM 2007). Die Emissionsminderung lag nach dem National Inventory Report (NIR) (UBA 2016) im Jahr 2013 gegenüber 1990 bei 24 %. Rund 85 % der THG-Emissionen entstanden 2013 bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Aus diesem Grund fokussieren die Anstrengungen, die klimapolitschen Ziele zu erreichen, auf den Energiesektor. Im „Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“ ist eine stufenweise Minderung der THG-Emissionen beschlossen worden. Die geplanten Minderungen betragen, bezogen auf das Referenzjahr 1990, mindestens 40 % im Jahr 2020, 55 % im Jahr 2030, 70 % im Jahr 2040 und 80 bis 95 % im Jahr 2050 (BMWi 2010).

Auf die Landnutzung und Landnutzungsänderungen entfielen 2013 rund 10 % der gesamten THG-Emissionen in Deutschland. Zwar wurden für diese Sektoren keine Reduktionsziele konkretisiert, dennoch sollten angesichts der ambitionierten nationalen Minderungsziele THG-Einsparpotenziale in diesem Bereich in Betracht gezogen werden. Im nationalen Klimaschutzplan 2050 wurden Leitbilder, Meilensteine sowie Maßnahmen zur THG-Minderung festgelegt (BMUB 2016). Im Rahmen der Energiewende soll Biomasse als erneuerbare Energiequelle eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Die THG-Emissionen der Landwirtschaft, die sich 2014 auf ca. 8 % der gesamten THG-Emissionen beliefen, sollen bis zum Jahr 2030 um 18 bis 22 % reduziert werden (BMUB 2016).

Deutschland liegt in der gemäßigten Klimazone Nordwesteuropas und zählt mit einer Fläche von rund 357.000 km2 und etwa 82 Mio. Einwohnern zu den am dichtesten besiedelten Flächenländern der Welt. Angesichts der knappen Flächenverfügbarkeit wird das Land für vielfältige gesellschaftliche Anforderungen intensiv genutzt, vor allem für die Erzeugung von Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Biomasse sowie als Lebens- und Wirtschaftsraum. Im Jahr 2015 waren 52 % Landwirtschaftsfläche, knapp ein Drittel Wald und etwa 14 % Siedlungs- und Verkehrsflächen. Durch die Integration zusätzlicher Ansprüche an die Landnutzung, und zwar des Klimaschutzes sowie der Anpassung an den Klimawandel, nimmt die Konkurrenz um die begrenzte Fläche zu. Dabei ist Klimaschutz nur ein Aspekt der gesellschaftlichen Anforderungen an Landnutzung, die so nachhaltig wie möglich erfolgen soll, damit die Ökosysteme insgesamt intakt bleiben.

Neben dem Klima wird die Landnutzung durch zahlreiche weitere Faktoren wie die Wirtschaft, Demographie, Agrarmärkte, politische Rahmenbedingungen aber auch natürliche Standortfaktoren wie den Boden geprägt. Da die Entwicklungen dieser Faktoren den Landnutzungswandel beeinflussen, spielen sie für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Landmanagementsystemen eine wichtige Rolle. Die folgende Beschreibung der zentralen Herausforderungen in den landnutzenden Sektoren Siedlung und Verkehr, Landwirtschaft und Forstwirtschaft vermittelt einen Überblick über die komplexen Zusammenhänge.

Für die Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung spannt vor allem die wirtschaftliche und demographische Entwicklung den Rahmen auf. Ein zentrales Ziel ist die Verringerung der täglichen Flächeninanspruchnahme von 69 ha/Tag im Jahr 2014 auf 30 ha/Tag bis zum Jahr 2020 (Goetzke et al. 2014). Durch diese Inanspruchnahme gehen produktive Landwirtschaftsfläche und Wald und damit CO2-Speicher kontinuierlich verloren. Ferner wird die Fauna beispielsweise durch Zerschneidung natürlicher Lebensräume stark beeinträchtigt. Bei derartigen Eingriffen in die Natur ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz auf anderen Flächen ein Ausgleich zu schaffen. Diese Kompensationsflächen gehen vorrangig zu Lasten der landwirtschaftlich genutzten Flächen und schmälern zusätzlich zum direkten Flächenverlust für Siedlungen und Verkehr das Produktionspotenzial, vor allem in der Landwirtschaft. Angesichts der langfristigen Planungshorizonte im Sektor Siedlung und Verkehr und der hohen Vulnerabilität gegenüber dem Klimawandel spielen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Dazu gehören z. B. Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, flächenwirksame Anpassungen von Siedlungsstrukturen oder Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes.

Die landwirtschaftliche Landnutzung in Deutschland wird in starkem Maße von der EU bzw. nationalen Agrar-, Umwelt-, Handels- und Energiepolitik beeinflusst. Sie ist durch eine duale Entwicklung gekennzeichnet. Während in Gunstregionen eine Konzentration und Intensivierung des Ackerbaus, Gartenbaus oder der Viehhaltung stattfindet, erfolgt in weniger wettbewerbsfähigen Regionen eine Extensivierung der Produktion. Die ab Anfang der 2000er-Jahre zunehmende Förderung der Biogas- sowie Biokraftstoffproduktion verstärkte die Intensivierung der landwirtschaftlichen Landnutzung. Die von der Landwirtschaft emittierten Treibhausgase beliefen sich im Jahr 2012 auf 7,4 % der deutschen Gesamt-Emissionen (NIR 2014). Ein Drittel davon entfiel auf die in der Nutztierhaltung durch Fermentation und Verdauung entstehenden Methan-Emissionen. Weitere etwa 11 % der landwirtschaftlichen THG-Emissionen traten bei der Lagerung und beim Transport von Wirtschaftsdünger auf. Der verbleibende Großteil waren landnutzungsbedingte THG-Emissionen, vor allem durch die Entwässerung und Nutzung organischer Böden, den Umbruch von Grünland, die Ausbringung von Wirtschaftsdünger sowie den Einsatz mineralischer Düngemittel.

Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Landnutzung wirkt sich darüber hinaus auf die Umwelt und Natur aus. Nach der im Zuge der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie durchzuführenden Bestandsaufnahme der Gewässer weisen rund 60 % der Oberflächengewässer in Deutschland einen unbefriedigenden bis schlechten ökologischen und etwa 12 % einen nicht guten chemischen Zustand auf. Rund ein Drittel der Grundwasserkörper erreichte keinen guten chemischen Zustand. Ein häufiger Grund für die Zielverfehlung sind übermäßige Nährstoffeinträge, vor allem aus intensiver landwirtschaftlicher Nutzung (BMU 2010). Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Landnutzung wirkt sich ebenfalls negativ auf die Artenvielfalt aus (BfN 2015). Da die Düngung sowohl für den Klimaschutz als auch für den Gewässerschutz relevant ist, spielen Landnutzungsstrategien in diesem Bereich eine zentrale Rolle.

Die landwirtschaftliche Landnutzung ist wie kaum ein anderer Sektor vom Wetter, der Witterung und dem Klimawandel betroffen. Allerdings verfügt sie aufgrund der überwiegend annuellen Produktionszyklen über eine hohe Anpassungskapazität an den langfristigen Klimawandel. Anpassungen erfolgen kontinuierlich zumeist durch technischen und züchterischen Fortschritt. Hier besteht ein grundlegender Unterschied zu den langfristig angelegten Infrastrukturen im Siedlungs- und Verkehrsbereich oder den langen Produktionszyklen im Wald. Eine besondere Herausforderung für die landwirtschaftliche Landnutzung stellen extreme Wetterlagen dar, die im Zuge des Klimawandels zunehmen können. So können extreme Trockenheit, extreme Hitze, Starkregen, Hagel oder extremer Frost binnen Tagen oder Wochen den landwirtschaftlichen Betrieben erhebliche Schäden zufügen (Gömann et al. 2015). Die zur Anpassung an extreme Wetterlagen relevanten agronomischen sowie betrieblichen Maßnahmen sind auf das Risikomanagement fokussiert.

Der Wald genießt in Deutschland durch das Bundeswald- und Bundesnaturschutzgesetz einen besonderen Schutz. Waldflächenverluste z. B. durch Siedlungs- und Verkehrsprojekte werden durch gezielte Aufforstung wie auch („natürliche“) Wiederbewaldung an anderen Stellen kompensiert. Land- und Forstwirtschaft sind dabei unterschiedlichen politischen Steuerungsregimen unterworfen. Flächenumwandlungen zwischen beiden bedürfen nach dem Bundeswaldgesetz jeweils der Genehmigung. Daher weist die Waldflächenbilanz im Unterschied zur Landwirtschaftsfläche einen leicht positiven Saldo auf. Aufgrund der langen Produktionszyklen beeinflussen heutige Bewirtschaftungsentscheidungen in der Forstwirtschaft die weitere Zielausrichtung eines Betriebes über mehrere Jahrzehnte. Eine rasche und flexible Anpassung an Umweltänderungen ist daher kaum möglich. Neben marktbedingten Risiken sind naturale Produktionsrisiken (etwa durch Stürme, Trockenheiten oder biotische Schädlinge) längerfristig nur schwierig abzuschätzen – insbesondere, wenn sich diese Produktionsrisiken im Zeitablauf ändern, wie es aufgrund des Klimawandels vorhergesagt wird (Gömann et al. 2015).

Die Forstwirtschaft ist wie die Landwirtschaft durch Kuppelproduktion zwischen privaten und öffentlichen Gütern (z. B. Leistungsfähigkeit der Ökosysteme erhalten, bewahren, wiederherstellen) gekennzeichnet. Änderungen der Waldbewirtschaftung wirken sich daher in der Regel unmittelbar auf die Bereitstellung öffentlicher Güter aus. Während nahezu unstrittig ist, dass der Wald neben der Holzproduktion etliche weitere gesellschaftlich erwünschte Leistungen erbringt und erbringen soll (Leitbild der multifunktionalen Forstwirtschaft), ist es durchaus umstritten, wie das erwünschte Leistungsbündel aus Holzproduktion zur stofflichen und/oder energetischen Nutzung und als wirtschaftliche Basis für Arbeitsplätze, insbesondere im ländlichen Raum, aus Klima-, Wasser- und Naturschutz, aus Jagd- und Erholungsmöglichkeiten räumlich konkret zusammengesetzt sein soll und welche dieser Leistungen ggf. zu Lasten anderer eingeschränkt werden sollen. In diese Auseinandersetzung um solche schwer zu vereinbarenden Anforderungen an die Waldwirtschaft spielen darüber hinaus zunehmend internationale Umweltvereinbarungen auf europäischer Ebene (FFH- und Vogelschutzrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie) wie auch auf UN-Ebene (Klimarahmenkonvention und Kyoto-Protokoll, Biodiversitätskonvention) hinein.

Die genannten Konflikte um die Konkretisierung dessen, was letztlich unter „Multifunktionalität der Waldbewirtschaftung“ verstanden werden soll, prägen auch die Diskussion über geeignete Wege zur Stärkung des Klimaschutzes, zugespitzt in der Frage „höhere Vorratshaltung zugunsten verstärkter Kohlenstoffspeicherung“ versus „vermehrte Holznutzung zugunsten verstärkter Material- und Energiesubstitution“. Fokussiert man allein auf die Kohlenstoffspeicherung im bestehenden Wald, so lassen sich damit politische Forderungen nach Einschlagsverzichten begründen; geht es um die Bindung zusätzlichen Kohlenstoffs durch die Senkenleistung von Wäldern (und Holzprodukten), so rückt die Steigerung und Abschöpfung eines möglichst hohen Zuwachses ins Zentrum. Diese Diskussion wird zusätzlich durch die Forderung verkompliziert, neben Mitigationsmaßnahmen auch Maßnahmen zur Adaptation wie „Anbau trockenresistenter Baumarten“ oder „Risikominimierung durch Baumartenmischung“ durchzuführen, um die bestehenden Wälder an die erwarteten künftigen Klimaänderungen anzupassen.

Es wird deutlich, dass bei einer Untersuchung des Beitrags der Landnutzung zum Klimaschutz vielfältige Aspekte zu berücksichtigen sind, nicht zuletzt notwendige Anpassungen der Landnutzung, die sich aus dem Klimawandel selbst ergeben. Aufgrund der Begrenztheit der Fläche und der ökosystemaren Verbundenheit der Landnutzung haben Flächennutzungsentscheidungen in einem Sektor Rückwirkungen auf die jeweils anderen Landnutzungssektoren. Daher ist eine sektorübergreifende Analyse über die wichtigsten Landnutzer Siedlung und Verkehr sowie Land- und Forstwirtschaft erforderlich. Bei Wirkungsanalysen von THG-Minderungsmaßnahmen sind zahlreiche natürliche sowie ökonomische Faktoren zu berücksichtigen. Die gesellschaftliche Akzeptanz sowie die Integration der Maßnahmen in das vielschichtige Regelwerk der Landnutzung spielen eine wichtige Rolle. Auch hierbei bewertet die Gesellschaft die Landnutzung bzw. Landnutzungsänderungen in der Regel nicht sektoral, sondern als Landschaftsensemble.

Vor diesem Hintergrund wurden in dieser Studie die komplexen Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel in Deutschland betrachtet und analysiert, um den Beitrag unterschiedlicher Landnutzungsstrategien zum Klimaschutz, d. h. zur Erreichung des 2-Grad-Zieles, sektorübergreifend und flächendeckend für Deutschland abzuschätzen und die Auswirkungen der Landnutzungsstrategien unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Umsetzbarkeit integrativ zu bewerten. Dazu wurden Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Anbau- und Bewirtschaftungssystemen sowohl im Hinblick auf den Klimaschutz als auch hinsichtlich ihrer Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel untersucht und darüber hinaus ihr Beitrag zur Energieversorgung eingeschätzt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sollen dazu beitragen, nachhaltige Landnutzungssysteme für Deutschland zu identifizieren, die sich angesichts bestehender Spannungsfelder der Landnutzung in die Praxis des Landmanagements umsetzen lassen. Hierbei ist das vielschichtige Regelwerk der Landnutzung auf den unterschiedlichen Ebenen EU, national, regional und lokal zu berücksichtigen.

1.2 Untersuchungsgegenstand

Nach Gömann und Weingarten (2017) wird unter Landnutzung die Nutzung der Erdoberfläche durch den Menschen verstanden, die durch die Art, die Intensität und den Zweck der Nutzung beschrieben werden kann. Der anthropozentrische Begriff „Landnutzung“ unterscheidet sich damit von dem naturwissenschaftlich geprägten Begriff „Landbedeckung“, der auf die biophysikalischen Eigenschaften der Erdoberfläche abzielt. Landnutzung und Landbedeckung stehen in engen Wechselwirkungen. Landnutzungswandel umfasst sämtliche Änderungen der Landnutzung. Diese Änderungen können sowohl in einem Wechsel der die Fläche sichtbar belegenden Art der Landnutzung als auch in einer Änderung der Intensität der Landnutzung innerhalb einer Nutzungsart bestehen. Sie können zudem schleichend oder abrupt auftreten. Die Nutzung von Land und ihre Änderungen sind wichtige Faktoren für Ökosystemänderungen (Schinninger 2008).

Aufgrund der Beschäftigung verschiedener Fachbereiche mit der Thematik des Nachhaltigen Landmanagements fehlt eine allgemein gültige Definition, ebenso wie eine einheitliche Verwendung des Begriffs, der in breitem Kontext zur Beschreibung des Schutzes von Ressourcen, dem Erhalt der Ökosysteme und der Gewinnung von Mineralien – auch in Bezug zu regionalen räumlichen Planungen und dem Landflächenschutz – gebraucht wird. Nachhaltiges Landmanagement geht natürlich über den Fokus der Studie Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel hinaus und umschließt sowohl die Erhaltung bzw. Regeneration von Böden, Landflächen, natürlichen Ressourcen und Gewässern als auch den Schutz und die Förderung der biologischen Vielfalt zum Erhalt des Lebens (Haber und Bückmann 2013). „Sinn, Ziel und Zweck des nachhaltigen Landmanagements besteht darin, die Auswirkungen der zunehmenden Umweltzerstörung und des Klimawandels durch einen nachhaltigkeitsgerechten Umgang mit den ‚raumbezogenen Ressourcen‘, abzumildern oder abzuwenden“ (Haber und Bückmann 2013, S. 12). Damit stimmen die Ziele des Nachhaltigen Landmanagements mit den Vorgaben des Raumordnungsgesetztes (§ 2 Abs. 2, Ziff. 6), den „Raum in seiner Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Böden, des Wasserhaushalts, der Tier- und Pflanzenwelt sowie des Klimas einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen zu entwickeln, zu sichern oder […] wiederherzustellen“, überein (Haber und Bückmann 2013). Der Fokus der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie liegt, was das Land- bzw. Flächenmanagement betrifft, auf der Notwendigkeit einer sparsamen Flächennutzung in Bezug zur Siedlungsentwicklung (Bundesregierung 2002, zit. nach Haber und Bückmann 2013).

In dem sehr komplexen sozioökonomischen und ökologischen System Landnutzung und Klimawandel fokussiert der konzeptionelle und methodische Rahmen der Studie auf quantitativen Analysen flächenwirksamer Landnutzungsstrategien, die auf produktiven Flächen in der Land- und Forstwirtschaft in erster Linie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten sollen. Auf die möglichen Handlungsfelder in den flächennutzenden Sektoren wird im Kap. 3 ausführlich eingegangen. Das heißt, es werden nur die THG-relevanten Prozesse betrachtet, die direkt mit Landnutzung oder Landnutzungsänderungen verbunden sind. Damit Landnutzungsstrategien zu einem Nachhaltigen Landmanagement beitragen können, gilt es, vielschichtige Aspekte zu berücksichtigen, u. a. auch die Resilienz gegenüber dem Klimawandel. Der Klimawandel und seine Auswirkungen bzw. Anpassungsmöglichkeiten werden in den Analysen zur Landnutzung im Bereich Siedlung und Verkehr sowie im Wald berücksichtigt; die Rückwirkungen veränderter Landnutzung auf den Klimawandel jedoch nicht.

In diesem Kontext spannt die Entwicklung von Siedlungs- und Verkehrsflächen für die für Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung stehende Fläche einen Rahmen auf. Von Siedlungs- und Verkehrsflächen, die 14 % der Landesfläche bedecken, geht ein großer Teil der anthropogen verursachten Treibhausgase aus. Diese entstehen durch die Verbrennung fossiler Energie, z. B. beim Heizen (Klimatisieren) von Wohnraum oder beim Verkehr. Diese Prozesse sowie Maßnahmen zur Minderung der durch sie entstehenden THG-Emissionen, wie die Dämmung von Gebäuden, Kraftstoffeinsparung, aber auch die Erzeugung regenerativer Energien durch Wind- und Photovoltaik, stehen in der Regel in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Landnutzung und werden daher nicht betrachtet. Die für die regenerative Energieerzeugung wie Windkraft oder Freiflächenphotovoltaik benötigten Flächen werden insofern betrachtet, als dass sie für die Land- und Forstwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen und ggf. versiegelt sind. Der Beitrag dieser Anlagen zur THG-Emissionsminderung hängt jedoch entscheidend von Faktoren ab, die in dieser Studie nicht analysiert werden.

Analog zum Bereich Siedlung und Verkehr gibt der in dieser Studie verwendete konzeptionelle und methodische Rahmen auch für die Land- und Forstwirtschaft ein Portfolio der analysierbaren flächenwirksamen Landnutzungsstrategien vor. So handelt es sich bei den oben angesprochenen THG-Emissionen, die bei der Tierhaltung sowie bei der Lagerung und Transport von Wirtschaftsdüngern entstehen, nicht um landnutzungsbedingte Emissionen. THG-emissionsmindernde Maßnahmen aus diesem Bereich werden aus diesem Grund in der Studie nicht explizit berücksichtigt.

Untersuchungsregion

Der Beitrag unterschiedlicher Landnutzungsstrategien und -systeme zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel wurde flächendeckend und regional differenziert für Deutschland analysiert. Zusätzlich wurden mögliche regionalspezifische Hemmnisse bei der Umsetzung von Landnutzungsmaßnahmen und -strategien in zwei unterschiedlichen Fokusregionen untersucht, zum einen die ländliche, durch Land- und Forstwirtschaft geprägte Altmark im Norden Sachsen-Anhalts mit den Landkreisen Altmarkkreis Salzwedel und Stendal und zum anderen die durch die Ballungszentren Köln und Bonn geprägte meist suburbane Rhein-Region mit dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Rheinisch-Bergischen Kreis. Im Folgenden wird ein Überblick über die geographische, klimatische, demographische und wirtschaftliche Ausgangssituation in Deutschland gegeben und die Besonderheiten der Fokusregionen herausgearbeitet.

Deutschland liegt zwischen 47°16′15″ und 55°03′33″ nördlicher Breite und 5°52′01″ und 15°02′37″ östlicher Länge. Es ist geprägt von einem Nord-Süd-Gradienten der Höhenlagen. Dieser wird durch die Mittelgebirge unterbrochen (vgl. Abb. 1.1) und durch Großlandschaften charakterisiert. Die naturräumlichen Großlandschaften sind von Nord nach Süd Nord- und Ostsee, Norddeutsches Tiefland, Mittelgebirgszone und Alpenvorland mit den Alpen. Das Norddeutsche Tiefland gliedert sich in Marschland, das Mecklenburgisch-Vorpommersche Küstengebiet, die Norddeutsche Seenplatte, das zentrale Norddeutsche Tiefland sowie die Lössbörden. Als Mittelgebirge sind zu nennen das Rheinische Schiefergebirge, Niedersächsisch-Hessisches Bergland, der Harz, das Thüringer Becken, die östlichen Mittelgebirge, das Pfälzisch-Saarländische Schichtstufenland, das oberrheinische Tiefland sowie das südwestdeutsche Stufenland. Bereits aus der Nennung der einzelnen naturräumlichen Großregionen wird deutlich, dass für Deutschland eine Vielfalt an Landschaften charakteristisch ist.

Abb. 1.1
figure 1

(Quelle: © GeoBasis-DE/BKG 2016)

Deutschland nach Höhe über N.N.

Das Klima in Deutschland gehört vollständig zum warmgemäßigten Regenklima der mittleren Breiten. Die vorherrschenden westlichen Winde führen das ganze Jahr über feuchte Luftmassen vom Atlantik heran, die zu Niederschlägen führen. Der Einfluss des ozeanischen und des kontinentalen Klimas nimmt von Nordwest nach Südost ab bzw. zu (DWD 2011), sodass Deutschland genau in der Übergangszone dieser beiden Klimazonen liegt. Der Einfluss des Golfstroms führt zu einem relativ hohen Temperaturniveau für die geographische Breitenlage (Minobe et al. 2008). Der ozeanische Einfluss bedingt relativ milde Winter und nicht zu heiße Sommer. Allerdings können sich gelegentlich stabile Hochdruckgebiete bilden, die die Westströmung nachhaltig blockieren und zu sehr kalten Wintern sowie trocknen und heißen Sommern führen (DWD 2011).

Die jährliche Durchschnittstemperatur bezogen auf die Normalperiode 1961–1990 Deutschlands liegt bei 8,2 °C und die entsprechenden Niederschläge liegen bei 789 l m−2 (DWD 2011). Der kälteste Monat des Jahres ist der Januar, mit Durchschnittstemperaturen von +1,6 bis −0,5 °C im Tiefland und bis zu unter −6 °C in den Höhenlagen der Gebirge. Der Juli als der wärmste Monat erreicht im Norddeutschen Tiefland +17 bis +18 °C, im Oberrheingraben sogar +20 °C (Statistisches Bundesamt Deutschland 2011). Die Temperatur- und Niederschlagsverteilung innerhalb Deutschlands ist von der Topographie und der Entfernung vom Meer abhängig und durch die Mittelgebirgszüge und weitreichenden flachen Landschaften stark strukturiert (vgl. Abb. 1.2).

Abb. 1.2
figure 2

(Quelle: DWD 2011)

Jahresmitteltemperatur und Jahresniederschlag 1981 bis 2010.

Der Oberrheingraben zwischen Basel und Frankfurt/Main weist aufgrund typischer Südwest-Wetterlagen mit Luftmassen aus dem westlichen Mittelmeerraum und niedriger Geländehöhen die vergleichsweise wärmsten Sommer- und Wintertemperaturen auf. Besonders warm und trocken sind auch die Täler der Saale und Elbe, die sich im Lee (windabgewandte Seite) von den Mittelgebirgszügen Harz und Thüringer Wald befinden, da Feuchtigkeit schon auf der Luv-Seite durch die erzwungene Hebung der Luftmassen und anschließender Wolkenbildung als Niederschlag der Luft entzogen wird. Insgesamt ist der Osten Deutschlands aufgrund seiner größeren Entfernung zum Atlantik relativ trocken und durch den zunehmenden kontinentalen Einfluss im Sommer relativ warm, sodass die Niederungen im südlichen Ostdeutschland genauso warm sind wie der Südwesten. Der Niederrhein kann hingegen wegen seiner geringen Höhe und seiner Nähe zum Meer die mildesten Winter verzeichnen. Die Küstenregionen weisen wegen der wärmenden Wirkung des Wassers relativ milde, wenn auch windreiche Winter auf. Die Sommer hingegen sind aufgrund der nördlichen Lage, starker Winde und der kühlenden Wirkung des Wassers an der Nordsee vergleichsweise rau. Die Ostseeküste profitiert im Sommer von dem stärkeren Einfluss des Kontinentalklimas, was zu relativ warmen Sommern führt. Das Klima der höheren Lagen der Mittelgebirge ist von niedrigen Temperaturen, hohen Niederschlägen und starken Winden dominiert, wobei dies besonders im Harz, Schwarzwald und Bayrischen Wald ausgeprägt ist (DWD 2011).

Bei unterschiedlichen klimatischen, naturräumlichen und standörtlichen Gegebenheiten bilden sich typische Kulturlandschaften und typische Landnutzungen heraus, deren Wandel unterschiedlich verläuft. Neben Metropolregionen gibt es beispielsweise landwirtschaftlich sehr intensiv genutzte Regionen, aber auch sehr dünn besiedelte agrar- und forstwirtschaftlich geprägte Regionen mit extensiver Nutzung. Darüber hinaus wirkt sich Klima in unterschiedlichen Kulturlandschaften unterschiedlich aus und auch der Klimawandel zeigt sich regional differenziert (vgl. Abschn. 2.2). Während in den fruchtbaren Bördelandschaften die Ackerfläche dominiert, wird in Nordseeküstenregionen, den Mittelgebirgslagen sowie auf den sandigen Böden Ostdeutschlands ein hoher Anteil der Fläche als Grünland oder Wald genutzt. Wettervariabilität und der immer sicherer projizierte Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten stehen in vielfältigen Wechselwirkungen zur Landnutzung (Schaller und Weigel 2007; Zebisch 2005).

Einen Überblick über die regionale Landnutzung bzw. Landbedeckung in Deutschland gibt Abb. 1.3. Deutlich erkennbar sind die Metropolregionen mit ihren verdichteten Siedlungs- und Verkehrsflächen. Im Jahr 2015 betrug die Bevölkerung in Deutschland 82,2 Mio. Menschen. Davon lebten rund 31 % in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern. Innerhalb Deutschlands wurden zwei Fokusregionen ausgewählt, die sich bezüglich der Landnutzung und des Landnutzungswandels stark unterscheiden. Die Altmark ist eine ländlich und agrarisch geprägte Region, die die beiden Landkreise Altmarkkreis Salzwedel und den Landkreis Stendal im Norden Sachsen-Anhalts umfasst. Als Fokusregion Rhein wird die durch die Ballungszentren Köln und Bonn geprägten Landkreise Rhein-Sieg und Rheinisch-Bergischer Kreis in Nordrhein-Westfalen untersucht (vgl. Abb. 1.3).

Abb. 1.3
figure 3

Landnutzung in Deutschland und Fokusregionen Altmark und Rhein

Die Fokusregion Altmark ist mit einer Fläche von 471.588 ha dem größeren Strukturraum „Norddeutsches Tiefland“ zuzuordnen. Sie grenzt im Westen an die Lüneburger Heide und das Wendland, im Norden an die Prignitz. Richtung Osten erfolgt die Abgrenzung mit der Flusslandschaft Elbe und dem Jerichower Land und im Süden grenzt die Altmark an die Magdeburger Börde. Klimatisch herrscht in der Altmark eine mittlere Jahrestemperatur von etwa 9 °C und eine mittlere Niederschlagsmenge von unter 600 mm pro Jahr (vgl. Tab. 1.1).

Tab. 1.1 Tabelle mit Indikatoren zur Charakterisierung. (Quelle: DWD, Statistisches Bundesamt, Destatis, Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen)

Im Jahr 2010 lebten circa 211.000 Einwohner in der Altmark. Das entspricht einer Einwohnerdichte von 45 Einwohnern pro km2. In den Jahren von 1990 bis 2010 nahm die Bevölkerung um 19 % ab. Bis 2030 wird ein weiterer Rückgang um 19 % erwartet. Knapp 70 % der Beschäftigten waren im Dienstleitungssektor und etwa 25 % im produzierenden Gewerbe beschäftigt. In der Land- und Forstwirtschaft waren rund 5 % der Beschäftigten tätig. Damit lag der Anteil der in der Land- und Forstwirtschaft Erwerbstätigen höher als der bundesweite Anteil von 2,2 %. Die Arbeitslosigkeit lag bei 14 % (Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt). Die Altmark verzeichnet ein Pendlerdefizit und ist mit einem Anschluss an den ICE-Hochgeschwindigkeitsverkehr (Stendal) ausgestattet. Der Ausbau der Bundesautobahn 14 Magdeburg – Schwerin ist in der Umsetzung.

Im Jahr 2010 betrug die Landwirtschaftfläche rund 65 %, Wald rund 25 % und Siedlungs- und Verkehrsfläche etwa 7,6 % der Gesamtfläche der Altmark (Wasser- und sonstige Flächen 2,4 %). Landwirtschaftliche Betriebe gaben an, rund 58 % der Gesamtfläche zu nutzen. Etwa 12 % der Fläche ist durch streng geschützte Flächennutzung eingeschränkt. Hierzu zählt beispielsweise der Naturpark Drömling (27.800 ha) im Süden der Altmark. Als Wassereinzugsgebiet ist insbesondere das Einzugsgebiet Elbe hervorzuheben.

In der Fokusregion Altmark liegen Flächennutzungskonflikte vor allem zwischen Naturschutz und Landwirtschaft vor. Die Ausweitung von Flächen zur Biomasseproduktion sowie die Etablierung von Schutzgebieten stehen hier im Vordergrund der Diskussion. Im Verkehrsbereich liegen Konflikte um den Ausbau der Bundesautobahn 14 und den erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen vor (Abschn. 5.3).

Die Fokusregion Rhein umfasst die Landkreise Rhein-Sieg-Kreis und Rheinisch-Bergischer Kreis. Diese gehören administrativ zum Regierungsbezirk Köln und dort zur Planungsregion Bonn/Rhein-Sieg bzw. Köln. Naturräumlich befindet sich die Region mit 159.077 ha Fläche im Übergangsgebiet von der Niederrheinischen Bucht zum Rheinischen Schiefergebirge und ist durch Mittelgebirgs-, Hügel- und Flachlandschaft geprägt. Im Norden grenzt die Region an die Kölner Bucht, im Süden an den Niederwesterwald und das Mittelrheingebiet. In West-Ost-Richtung reicht die Region vom Eifelabhang bis in das Bergische Land. Die mittlere Jahrestemperatur (9,7°C) und der durchschnittliche mittlere Niederschlag (552 mm) liegen höher als in der Altmark.

Im Jahr 2010 lebten in der Fokusregion Rhein 875.663 Menschen, davon entfallen zwei Drittel auf den Rhein-Sieg-Kreis. Im Durchschnitt entspricht das einer Einwohnerdichte von 634 Einwohnern pro km2, 14-fach höher als in der Altmark. Die Prognose zur Bevölkerungsentwicklung bis 2030 zeigt kaum Veränderungen. Über 75 % der Beschäftigten sind im Dienstleistungssektor, etwa 22 % im verarbeitenden Gewerbe und nur knapp 1 % in der Land- und Forstwirtschaft. Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2010 bei 7 % (Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen). Die Region verfügt über eine sehr gute Verkehrsinfrastruktur mit Anschluss an den ICE-Hochgeschwindigkeitsverkehr (Köln), schnellen Anbindungen an die Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf und Frankfurt sowie den Anschlüssen zu den Bundesautobahnen 1, 3 und 4.

Deutlich sind die Unterschiede zur Fokusregion Altmark auch bei der Flächennutzung. Im Jahr 2010 wurden in der Fokusregion Rhein 24 % der Bodenfläche als Siedlungs- und Verkehrsfläche, 33 % als Wald und 41 % als Agrarfläche genutzt (Wasser- und sonstige Flächen 2 %). Wobei die landwirtschaftliche Flächennutzung im Rhein-Sieg-Kreis, die forstliche im Rheinisch-Bergischen-Kreis deutlich ausgeprägter ist.

Der Anteil der streng geschützten Gebiete lag 2010 bei knapp 14 % der Fläche. Hierzu zählt beispielsweise der Naturpark Bergisches Land. Insbesondere im Rheinisch-Bergischen Kreis sind unter anderem aufgrund einer Vielzahl von Talsperren 16.700 ha als Trinkwassereinzugs- bzw. Wasserschutzgebiete ausgewiesen. Landnutzungskonflikte entstehen hier im Gegensatz zur Altmark aus einer stark ausgeprägten Flächennutzungskonkurrenz. Die hohe Bevölkerungsdichte führt insbesondere zu einer hohen Nachfrage nach Flächen zur Siedlungs- und Verkehrsentwicklung, die den Interessen der Landwirtschaft und des Naturschutzes entgegensteht.

1.3 Überblick über den methodischen Ansatz und die Vorgehensweise

Die Analyse und Bewertung nachhaltiger Landnutzungsstrategien, die substanziell zur Minderung von THG-Emissionen beitragen, basiert auf den nachstehenden fünf Säulen:

  1. 1.

    sozioökonomische und bio-physikalische Modellierung,

  2. 2.

    Wirkungsanalyse von Maßnahmen und Strategien,

  3. 3.

    Transdisziplinarität: Einbeziehung von Akteuren,

  4. 4.

    Umsetzungshemnisse in Fokusregionen,

  5. 5.

    Integrierte Bewertung.

Die erste Säule bildet eine integrierte sozioökonomische und bio-physikalische Modellierung, durch die sektorübergreifend die Wechselwirkungen zwischen Landnutzung, THG-Emissionen, Anreicherung bzw. Freisetzung von Kohlenstoff aus den Böden, Nährstoffemissionen, Wasserhaushalt, Gewässerqualität und Ökosystemfunktionen unter Klimawandel abgebildet werden. Der Modellverbund wurde nach einem für die integrierte Modellierung typischen Ansatz konzipiert, wonach Modellsysteme aus einer oder mehreren wissenschaftlichen Disziplinen miteinander in einem Modellverbund gekoppelt werden (Soos 2010).

Der Modellverbund umfasst sowohl etablierte Modelle, die teilweise zu anderen Fragestellungen bereits zusammengearbeitet haben, als auch neu entwickelte Modelle, die in den Verbund eingefügt wurden. Die Modelle wurden isoliert voneinander entwickelt bzw. weiterentwickelt und können daher für sich allein stehend genutzt werden. Im Verbund generieren sie umfassendere und komplementäre Informationen (Geoffrion 1989), die es ermöglichen, Vorgänge in komplexen Systemen zu analysieren. Die Kopplung erfolgt über Schnittstellen, über die ein Datenaustausch zwischen den Modellen stattfindet. Die ausgetauschten Daten sind harmonisiert, sodass die Informationen für die austauschenden Modelle verwertbar sind. Auch werden die zur Kalibrierung dienenden Basisdaten der Modelle weitgehend harmonisiert, um vergleichbare Basisperioden und Simulationsperioden zu gewährleisten. Da ganz Deutschland regional differenziert abgebildet wird, können vertiefende Analysen auch in anderen Regionen innerhalb Deutschlands durchgeführt werden. Der Modellverbund wird ausführlicher im Abschn. 4.2 erläutert.

Mit Hilfe des interdisziplinären Modellverbundes wurden die Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen und Strategien der Landnutzung, die die zweite Säule des methodischen Ansatzes bilden, ermittelt und die jeweiligen Ergebnisse der Wirkungsanalysen anhand einer Indikatorenmatrix komparativ-statisch gegenüber einer Referenzprojektion miteinander verglichen und bewertet. Als Referenzprojektion zur Quantifizierung und Bewertung der Auswirkungen von Maßnahmen und Strategien wurden die zu erwartenden Entwicklungen bis zum Jahr 2030 unter Beibehaltung der derzeit geltenden Rahmenbedingungen sowie bereits beschlossener und im Projektionszeitraum noch umzusetzender Politiken projiziert.

Die Ebene der Maßnahmen umfasst konkrete flächenwirksame Landnutzungsmaßnahmen, die im Wesentlichen einen Beitrag zum Klimaschutz bzw. zur Anpassung an den Klimawandel leisten. Da in der Praxis verschiedene Maßnahmen gleichzeitig umgesetzt werden, die mehr oder minder überlappende Wirkungen haben, werden Einzelmaßnahmen zu Maßnahmenbündeln zusammengefasst, die unterschiedliche Schwerpunkte gesellschaftlicher Ansprüche an Landnutzung aufgreifen. In der Studie repräsentieren die Maßnahmenbündel Strategien der Landnutzung. Da der Fokus der Studie auf der Analyse eines größtmöglichen, effizienten Beitrags der Landnutzung zur Minderung von THG-Emissionen liegt, spielt die Strategie „Klimaschutz eine zentrale Rolle. Darüber hinaus wurden drei weitere Maßnahmenbündel als Strategien der Landnutzung untersucht: eine auf verstärkte Biomasseproduktion zur Bioenergie- bereitstellung, eine auf Natur- und Umweltschutz sowie eine auf Anpassung an den Klimawandel ausgerichtete Landnutzung. Die in den Modellen jeweils operationalisierten Maßnahmen und Strategien werden im Abschn. 4.1 erläutert.

Die dritte Säule stellt die Beteiligung von Akteuren dar. Als Akteure wurden im Rahmen dieser Studie sowohl Vertreter relevanter gesellschaftlicher Gruppen bezeichnet, die professionell mit Flächennutzung, Flächennutzungswandel und -konflikten befasst sind, als auch von Landnutzungsentscheidungen betroffene, auch individuelle, nicht-organisierte sowie selbst solche Entscheidungen treffende Personen. Die Akteure wurden von Anfang an in Beteiligungsprozessen einbezogen, um die praktische Relevanz der Forschung und der avisierten Ergebnisse sicherzustellen. Einerseits stehen Landnutzer in der Praxis vor der Frage, in welcher Weise sie ihre Nutzungen zukünftig entwickeln sollen, andererseits arbeiten Planungsinstitutionen und politische Akteure an Rahmensetzungen, die die Landnutzung gezielt in klimaschutzfreundlichere und an den Klimawandel besser angepasste Formen lenken sollen. Dieser transdisziplinäre Ansatz ging über die Grenzen disziplinärer und interdisziplinärer Forschung hinaus und integrierte lebensweltliche Fragestellungen und Praxisbezug, um von der Wissenschaft sowie Praxis geteilte Problemdefinitionen neues Wissen zu generieren. Lösungsansätze und -wege wurden im Dialog zwischen Wissenschaftlern und Akteuren entwickelt, beispielsweise die Identifizierung effizienter Landnutzungsmaßnahmen, die Entwicklung und Bewertung von Landmanagementstrategien.

In einer vierten Säule wurden konkrete regionale und lokale Umsetzungshemmnisse von Landmanagementstrategien in den beiden oben genannten Fokusregionen Altmark und Rhein untersucht. Hier galt es innerhalb eines transdisziplinären Diskurses, die gesellschaftliche Tragfähigkeit, Effektivität und Umsetzbarkeit von Handlungsoptionen exemplarisch in Regionen mit unterschiedlichen Herausforderungen durch demographische Veränderungen, wirtschaftlichen Strukturwandel oder Klimawandel zu überprüfen.

Die fünfte Säule bildete eine integrierte Bewertung der untersuchten Landnutzungsmaßnahmen und Landmanagementstrategien. In die Bewertung fließen die Ergebnisse der Modellierung, des transdisziplinären Diskurses sowie der Analyse von Handlungsoptionen der Landnutzung einschließlich der institutionellen Gestaltungsoptionen ein. Ein Großteil der für die Bewertung verwendeten Indikatoren basiert auf dem sogenannten Ökosystemleistungsansatz (Ecosystem Services Approach). Dieser Ansatz – und seine weltweite Verbreitung – geht maßgeblich auf den im Auftrag der Vereinten Nationen erstellten Millennium Assessment Report (MA 2005) zurück, in dem Ökosysteme als „ein dynamischer Komplex aus Pflanzen-, Tier- und Mikroorganismusgemeinschaften und nichtlebendiger Umwelt, die zusammen als eine funktionsfähige Einheit interagieren“ definiert wurden.Footnote 1 Ökosystemleistungen beschreiben alle für die Menschen relevanten Produkte eines Ökosystems. Leistungen der Agrar- und Forstökosysteme umfassen beispielsweise u. a. die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Holz, die Bindung von Kohlenstoff, die Regulation des Wasserhaushaltes, die Gewährleistung von Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, Erholungsraum für den Menschen sowie Beiträge zu einem als ästhetisch oder inspirierend empfundenem Landschaftsbild. Die Anwendung des Ökosystemleistungsansatzes in dieser Studie ist in Abschn. 5.1 ausführlich beschrieben.

Im folgenden Kap. 2 wird die aktuelle Situation der Landnutzung in Deutschland und den beiden Fokusregionen dargestellt. Die Wirkungen wesentlicher sozioökonomischer und politischer Treiber auf den Wandel der Landnutzung und Bewirtschaftungsformen werden erläutert und die jeweiligen Herausforderungen mit Blick auf den Klimaschutz und Klimawandel in den landnutzenden Sektoren Siedlung und Verkehr sowie Land- und Forstwirtschaft herausgearbeitet. Ein Fokus liegt auf den landnutzungsbedingten THG-Emissionen.

Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen zur Minderung von THG-Emissionen und zur ressourcenschonenden Landnutzung werden im Kap. 3 beschrieben. Diese wurden im Diskurs mit den Akteuren erarbeitet. Nicht alle der in Kap. 3 adressierten Handlungsfelder und Maßnahmen ließen sich in den modellgestützten Wirkungsanalysen umsetzen. Im Kap. 4 erfolgt eine umfassende Beschreibung der Ergebnisse der Wirkungsanalysen von klimaschutzorientierten Maßnahmen und Strategien der Landnutzung und deren Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel.

Das Kap. 5 beinhaltet die Bewertung der klimatischen, ökologischen und sozioökonomischen Auswirkungen von Landnutzungsstrategien und ihrer Konsequenzen für andere gesellschaftliche Ansprüche. Die Bewertung umfasst eine erweiterte Nutzen-Kosten-Analyse von Ökosystemleistungen, eine Prüfung der Umsetzbarkeit von Maßnahmen in das bestehende rechtliche Regel- und Steuerungsinstrumentarium sowie eine exemplarische Überprüfung der gesellschaftlichen Tragfähigkeit, Effektivität und Umsetzbarkeit in Fokusregionen. Auf dieser Basis erfolgt im Kap. 6 eine Schlussbetrachtung mit Empfehlungen nachhaltiger Landnutzungsstrategien im Hinblick auf die Erreichung von Klimaschutzzielen.