Der Einbezug der Menschen ist ein wesentliches Kriterium für die Akzeptanz des lokalen Geothermie-Projektes ist. Hierzu bieten sich insbesondere Beteiligungsmodelle an. Im Gegensatz zu Aktivitäten im Rahmen der Regelkommunikation oder bei kritischen Ereignissen, die zeitlich klar definierbare Vorgänge und Ereignisse kommunizieren, erfordern Maßnahmen zur Beteiligung von Bürgern am Willensbildungsprozess zeitlich und organisatorisch aufwändigere Formen der Öffentlichkeitsarbeit. Sie können aber eine nachhaltige Wirkung bezüglich der Akzeptanz entfalten. Vor allem die Bürgerbeteiligung ist in der Lage, differierende Meinungen von Bürgerinitiativen und der Öffentlichkeit mit den Interessen von Betreibern und Politik zusammenzuführen.

12.1 Offenlegung von Gutachten

Vor dem Hintergrund der Transparenz ist die Offenlegung von Gutachten ein probates Mittel. In den TIGER-Ergebnissen wird deutlich, dass 37 % der Befragten eine solche wünschen (vgl. Kluge et al. 2016). Insbesondere sind für Bewohner vor Ort die Vorstudie zum Projekt, der Wirtschaftsentwurf der Anlage, aber auch die Gutachten über die Auslastung des Kraftwerks und die Seismik besonders wichtig. Das Bedürfnis, Informationen über die Wirtschaftlichkeit des Projektes zu erhalten, ist besonders ausgeprägt.

Von sehr hoher Bedeutung, mit 63 %, ist der direkte Einbezug, etwa in Entscheidungsprozesse wie z. B. über den (genauen) Standort einer Geothermie-Anlage, über geplante Lärmschutzmaßnahmen, das Aussehen des Kraftwerks und der Gebäude sind für die Öffentlichkeit zentrale Anliegen. Durch die Einbindung werden Betroffene zu Beteiligten und entsprechend der TIGER-Ergebnisse kann dadurch die Akzeptanz verbessert werden.

12.2 Bürgerbeteiligung

Die Menschen wünschen ausdrücklich Möglichkeiten der Beteiligung und Mitbestimmung. So wird aus den TIGER-Daten klar der „runde Tisch“ zur aktiven Mitgestaltung – im Vergleich zu Information durch Informationsveranstaltungen, Tag der offenen Tür, Touren zu anderen Kraftwerken oder dem Bürgertelefon – bevorzugt. Das konventionelle Instrumentarium der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist allein kaum in der Lage, Bedenken und die Wahrnehmung von Risiken unter betroffenen Bürgern zu kanalisieren. StakeholderdialogeFootnote 1 in Form eines Bürgerforums stellen deshalb eine sinnvolle Form des kritischen Dialogs zwischen dem Anspruch technischer Machbarkeit und den wirtschaftlichen Interessen von Betreibern und dem Ziel gesellschaftlicher Akzeptanz dar (Frey 2014).

Ein Bürgerforum sollte die Bevölkerung aktiv und vor allem frühzeitig in das Projekt einbinden. Ablauf und Umsetzung von Bürgerforen tragen Züge eines basisdemokratisch ausgehandelten Interessenausgleichs mit den Bürgern. Derzeit gibt es keine andere interaktive Form der Kommunikation, die geeigneter wäre, sachliche, technische und emotionale Dimensionen eines Geothermie-Projektes mit einvernehmlichen Spielregeln im öffentlichen Raum zu diskutieren.

Wesentlich für das Gelingen einer solchen Form der Bürgerbeteiligung ist es, sie zum richtigen Zeitpunkt mit den jeweils geeigneten Inhalten und Zielen sowie einer sorgsamen personellen Zusammensetzung anzubieten. Je eingehender im Vorfeld die spezifische Situation und Stimmungslage vor Ort erfasst wird, umso besser können Beteiligungsformen ihre vertrauensbildende Wirkung entfalten. Für unterschiedliche Themenschwerpunkte sollten jeweils separate Veranstaltungen durchgeführt werden, um Themenvermischungen zu vermeiden. Eine ausgewogene Darstellung der Tiefen Geothermie mit ihren Vor- und Nachteilen ist wichtig. Bei den verschiedenen Themenschwerpunkten ist es daher von Bedeutung, beide Seiten zu beleuchten. Es handelt sich dabei um:

  • Naturwissenschaftlich-technische Fragestellungen, bei denen es um die Abwägung von möglichen Risiken Tiefer Geothermie geht.

  • Themen, die persönliche Erfahrungen und Ängste von Betroffenen beinhalten.

  • Eine soziologische Betrachtung des Risikos, also wie eine Gesellschaft grundsätzlich mit Risiken umgeht.

Themen, die sich für eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen von Tiefe-Geothermie-Projekten anbieten, sind insbesondere:

  • Einbezug in technische Gestaltungsspielräume (z. B. Lärmschutz, Architektur der Gebäude; siehe Abschn. 15.4).

  • Darstellung der Gutachten über Seismik.

  • Standortwahl.

  • Gestaltung von ökologischen Ausgleichsmaßnahmen.

Ein Bürgerdialog besteht im Wesentlichen aus drei Prozessschritten (Holenstein und Högg 2013, S. 12 ff.):

Die Vorabklärung und die Organisation stellen sicher, dass alle beteiligten Dialogpartner im Vorfeld ihre Standpunkte und Erwartungen uneingeschränkt äußern können. Die Organisation sollte ein unabhängiger Moderator übernehmen, welcher im Vorfeld geeignete Teilnehmer für den Dialog ermittelt. Der Initiator eines Stakeholderdialogs (z. B. der Projektentwickler oder Investor) sollte darauf achten, dem neutralen Moderator freie Hand in der Vorbereitungs- und Konzeptionsphase zu lassen, um eine möglichst ausgewogene Zusammensetzung der Dialogparteien sicherzustellen und damit ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit zu vermitteln.

Vor der eigentlichen Durchführung sind sämtliche Spielregeln der Veranstaltung detailliert und einvernehmlich mit allen Beteiligten abzusprechen: Rederecht, Protokoll und Verwertung der Ergebnisse werden festgelegt.

Der Nachbereitung kommt eine ebenso wichtige Bedeutung zu. Hier entscheidet sich, ob und in welcher Form der aufgenommene Dialog fortgesetzt und wie mit den erzielten Ergebnissen oder Empfehlungen umgegangen wird. Verbleiben diese in der Hand des verantwortlichen Moderators oder gehen sie als Arbeitsauftrag an den Initiator des Dialogs über? In jedem Fall sollten feste Feedbackkanäle für interessierte Bürger auch nach Ende eines Bürgerdialogs aufrechterhalten werden, um dem Dialog nicht das Etikett einer Scheinlegitimation zu geben. Diese Form der Bürgerbeteiligung verlangt vom Dialogmoderator ein hohes Maß an Kompetenz, Professionalität und Neutralität.

12.3 Akzeptanzfördernde technische Möglichkeiten

Neben den oben dargestellten Aktivtäten zur Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit haben auch technische Aspekte einen Einfluss auf die Akzeptanz. Aus den Nennungen der Nachteile (Kap. 9, Abb. 9.2) gehen unter anderem technisch orientierte Risiken hervor, denen im besten Falle bereits in der Planung und Entstehung einer Anlage durch technische Maßnahmen entgegengewirkt werden kann bzw. durch diese vermeidbar sind. Beispiele sind: Erdbeben, Grundwassergefährdung und Lärm. Mögliche Formen der Beeinträchtigungen – was man hört, sieht, riecht oder spürt – können orientiert an den Projektphasen definiert werden. Gestaltungsspielräume entlang der Phasen einer geothermischen Anlage sind in Abschn. 15.4 aufgeführt.