Zusammenfassung
Der polysemantische Begriff „Grenze“ führt immer wieder zu Missverständnissen, widersprüchlichen Deutungen und Kommunikationsproblemen. Um derartige Schwierigkeiten bewältigen zu können, wurde versucht, das grundlegende kognitive Kalkül zu rekonstruieren, auf dessen Grundlage das Konzept der Grenze konstituiert wird. Dazu wird auf die mathematischen Theorien der „Laws of Form“ und der „Fuzzy Sets“ verwiesen, mit deren Hilfe zwei besonders bedeutsame Aspekte des Begriffes „Grenze“ herausgearbeitet werden können. Grenzen sind erstens als Ergebnis kognitiver Prozesse anzusehen, die als Akte der Unterscheidung entstehen und damit auch von jenen Akteuren abhängig sind, die jeweils als „Unterscheider“ auftreten. Dabei ist zweitens zu beachten, dass grenzbildende Distinktionen sowohl zu scharfen als auch zu unscharfen Grenzen führen können. Dies ist auch bei der Betrachtung der Grenzen räumlicher Entitäten zu beachten und bedeutet, dass es keine „natürlichen“ Grenzen von „Räumen“ oder Regionen geben kann.
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Notes
- 1.
Vgl. UniGR-Center for Border Studies: http://www.uni-gr.eu/ueber-uns/unigr-leuchtturmbereiche/border-studies.html.
- 2.
Vergleiche zum Folgenden auch van Houtum und van Naerssen 2002.
- 3.
Die folgenden Überlegungen stellen eine eigenständige Interpretation der Konzepte Spencer-Browns dar und nutzen die Laws of Form als Anregung und Inspirationsquelle. Sie stimmen inhaltlich nicht exakt mit den dort getätigten Aussagen überein.
- 4.
Diese Thematik wird in anderen Abschnitten des vorliegenden Bandes behandelt und daher hier nicht weiter vertieft.
- 5.
Der Autor hat in beiden Regionen seit Jahrzehnten einen Wohnsitz und konnte die Reaktionen beider Populationen gleichsam aus erster Hand teilnehmend beobachten.
- 6.
Ausgenommen sind allerdings die System-Umwelt-Grenzen autopoietischer Systeme. Deren Grenzen sind zwar ebenfalls „gemacht“, die Unterscheider sind aber die Systeme selbst. Sie entstehen auf der Grundlage spezifischer Operationsweisen dieser Systeme durch rekursive Prozesse der Selbstreferenz. Dies gilt etwa für alle Organismen (hier sind es biologische und nicht kognitive Prozesse) sowie für die Ich-Identität des Menschen.
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Weichhart, P. (2018). Grenzen, Territorien und Identitäten. In: Heintel, M., Musil, R., Weixlbaumer, N. (eds) Grenzen. RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18433-9_3
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