Zusammenfassung
Soziale Investitionen sind Angebote des Sozialstaates, deren vorrangiges Ziel nicht die Absicherung von Lebensrisiken durch Transferzahlungen wie Rente, Arbeitslosen- oder Krankengeld ist, sondern vielmehr die Befähigung von Menschen, soziale Notsituationen aus eigener Kraft zu überwinden. Das Kapitel zeigt, dass soziale Investitionen zwar kein neues Phänomen im deutschen Sozialstaat sind, aber seit Beginn der neoliberalen Wende in den 1980er Jahren, insbesondere aber seit den Wohlfahrtsstaatssozialstaaten unter Bundeskanzler Gerhard Schröder erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Am Beispiel der Expansion der U3-Kinderbetreuung wird der Bedeutungszuwachs sozialinvestiver Leistungen im deutschen Wohlfahrtsstaat illustriert und gefragt, welche Rolle der (organisierten) Zivilgesellschaft zukommt.
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Notes
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Employability (zu Deutsch auch Arbeitsmarktfähigkeit oder Beschäftigungsfähigkeit) beschreibt die Fähigkeit eines Menschen am Arbeitsmarkt zu partizipieren, indem er den Anforderungen der Arbeitswelt gerecht wird. Typische Anforderungen sind fachliche Kompetenzen und Fertigkeiten, aber auch physische und psychische Stabilität, Flexibilität und Verfügbarkeit (vgl. ausführlich Kraus 2008).
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Sind beide Ehepartner_innen steuerpflichtig, können sie sich gemeinsam zur Einkommenssteuer veranlagen. Das hat insbesondere bei großen Einkommensunterschieden den Vorteil, dass Steuern eingespart werden, denn die Steuerlast wird dann geteilt.
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Diese Rente wird im Falle des Todes dem oder der hinterbliebenen Ehepartner_in gewährt. Sie soll das Einkommen ersetzen, das das Familienmitglied durch den Tod nicht mehr erbringen kann und beträgt bis zu 55 % der errechneten Rente.
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Zu den Trägern der freien Wohlfahrtspflege zählen die sechs großen Wohlfahrtsverbände Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, der Paritätische, der Arbeiter-Samariter Bund und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden sowie weitere Verbände und Vereinigungen. Sie zeichnen sich durch ihre staatliche Unabhängigkeit und ihre Gemeinnützigkeit aus. Sie verfolgen in erster Linie soziale Ziele und erwirtschaften Gewinne nur um Investitionen oder den Betrieb zu refinanzieren. Vgl. auch den Beitrag von Holger Backhaus-Maul in diesem Band.
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Diese wird in der Regel von einer Tagesmutter oder einem Tagesvater in der eigenen Wohnung oder der Wohnung des Kindes ausgeführt. Sie sind je nach Vorgaben des Bundeslandes qualifiziert und haben eine öffentliche Anerkennung. Eine Tagespflegeperson kann bis zu fünf Kinder betreuen und mit anderen Tagespflegepersonen im Rahmen einer Großtagespflege zusammenarbeiten.
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Schönert, C., Freise, M. (2019). Soziale Investitionen als Strategie im deutschen Wohlfahrtsstaat. In: Freise, M., Zimmer, A. (eds) Zivilgesellschaft und Wohlfahrtsstaat im Wandel. Bürgergesellschaft und Demokratie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16999-2_3
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