Zusammenfassung
Die erste Station auf dem Weg zu den Maxwellschen Gleichungen sind die Gesetze des Strömungsfeldes des Gleichstroms. Ausgehend von einem Versuch, der mit einfachen Mitteln wiederholt werden kann, werden das skalare Potenzialfeld, die elektrischen Feldstärke und das vektorielle Feldstärkefeld ausführlich erläutert. Im Weiteren wird der Differentialoperator „Gradient“ eingeführt und seine Berechnung für das kartesische, zylindrische und sphärische Koordinatensystem im Einzelnen hergeleitet. Gegenstände der folgenden Abschnitte sind die Kirchhoff´schen Sätze und das Ohm´sche Gesetz im elektrischen Strömungsfeld. Die Berechnung der Leistungsdichte im elektrischen Strömungsfeld und die Betrachtung der Stromleitung in metallischen Leitern schließen das Kapitel ab.
Am Beginn der Betrachtungen des Strömungsfeldes des Gleichstroms steht ein Versuch, der mit einfachen Mitteln wiederholt werden kann. Die Messanordnung ist in Abb. 1.1 angegeben. Sie besteht aus einer Plexiglasschale mit zwei Elektroden, die mit einer Spannungsquelle verbunden sind. Die Schale ist mit Leitungswasser gefüllt. Das Wasser ist leitfähig. Der Versuch wird mit einer Spannung von 24 VFootnote 1 durchgeführt.
Für die Versuchsdurchführung wird die Elektrode A mit dem Minuspol eines hochohmigen Voltmeters verbunden, während der andere Pol im Wasser bewegt und dabei an möglichst vielen Punkten die Spannung gemessen wird. In Abb. 1.1 sind als Ergebnisse der Messung die Kurven mit gleichen Messwerten als ausgezogene Linien dargestellt. Diese Linien sind Linien gleichen Potenzials. Sie bilden im vorliegenden Versuch den Rand von Äquipotenzialflächen, die von der Wasseroberfläche bis zum Boden der Glasschale reichen. Da die beiden Elektroden ebenfalls von der Wasseroberfläche bis zum Boden der Glasschale reichen, hängt der Wert des Potenzials in diesem speziellen Fall nicht von der z-Koordinate ab.
Der Bezugspunkt für das Potenzial in Abb. 1.1 ist die Elektrode A. Dieser Bezugspunkt für das Potenzial ist willkürlich. Wenn der Bezugspunkt verändert wird, verändern sich die Formen der Potenzialflächen nicht, nur die Messwerte des Voltmeters, d. h. die Werte der Äquipotenzialflächen verändern sich. Wird der Bezugspunkt z. B. auf die 6 V-Kontur gesetzt, verringern sich alle Potenziale um 6 V (siehe Abb. 1.2). Werden beide Messfühler auf die gleiche Potenzialfläche gesetzt, ist die Anzeige 0 V.
Die Äquipotenzialflächen, deren Konturen in Abb. 1.1 und 1.2 dargestellt sind, sind Teil eines skalaren PotenzialfeldesFootnote 2. Das Potenzial eines Punktes des Potenzialfeldes ist gleich der Spannung zwischen diesem Punkt und einem Referenzpunkt. Demzufolge ist die Spannung zwischen zwei beliebigen Punkten des Potenzialfeldes gleich der Potenzialdifferenz zwischen diesen Punkten.
Bezeichnet man das Potenzial des Punktes a mit \(\varphi_{a}\) und das Potenzial des Punktes b mit \(\varphi_{b}\), dann gilt für die Spannung U ab zwischen diesen Punkten:
Zwischen den beiden Elektroden A und B fließt ein Strom, der bei dem Versuch 23 mA beträgtFootnote 3. Der Strom fließt dabei über den gesamten mit Wasser gefüllten Raum in der Plexiglasschale. In Abb. 1.3 ist dieser Stromfluss durch Stromlinien angedeutet.
Die positive Stromrichtung ist dabei durch folgende Vereinbarung festgelegt:
Der Strom fließt von Orten mit höherem Potenzial zu Orten mit geringerem Potenzial.
Diese Festlegung ist historisch bedingt und beruht auf der damaligen Auffassung, dass der elektrische Strom eine Bewegung positiver Ladungsträger darstellt. Da der elektrische Strom jedoch durch eine Bewegung von Elektronen entsteht, die sich aufgrund ihrer negativen Ladung von Orten eines geringeren Potenzials zu Orten eines höheren Potenzials bewegen, ist durch diese Vereinbarung die positive Stromrichtung der Bewegungsrichtung der Elektronen entgegengesetzt.
Zusätzlich zu den Stromlinien sind in Abb. 1.3 auch Potenzialflächen eingezeichnet. In dem Experiment fließt der Strom von der Elektrode B verteilt über den gesamten Raum in der Glasschale zur Elektrode A. Da entlang der Potenzialflächen kein Potenzialgefälle vorliegt, verläuft die Stromrichtung in jedem Punkt des Potenzialfeldes orthogonal, d. h. im rechten Winkel zu den Potenzialflächen.
Kennzeichnend für den Stromfluss im Raum ist die Stromdichte im betrachteten Raumpunkt. Die Stromdichte ist die Zahl der Ladungsträger, die sich je Zeiteinheit durch eine Fläche um den betrachteten Raumpunkt bewegen, d. h. die Stromstärke je Fläche. Im Grenzfall strebt diese Fläche gegen Null. Die Stromdichte ist im Unterschied zum Potenzial ein Vektor, der in Richtung des Stromflusses zeigt. Sein Betrag entspricht dem Wert der Stromdichte im betreffenden Raumpunkt. Das Strömungsfeld ist infolgedessen ein Vektorfeld Footnote 4. Die Stromdichte wird im Folgenden mit \(\vec{J}\) bezeichnet. Die Einheit der Stromdichte ist \(\mathrm{A}/\mathrm{m}^{2}\). Der Pfeil über dem Buchstaben J deutet an, dass es sich um einen Vektor handelt.
In einer zweidimensionalen Darstellung des Strömungsfeldes kann der Wert der Stromdichte durch die Dichte der Stromlinien angedeutet werden. Je enger die Stromlinien beieinander liegen, umso größer ist die Stromdichte.
Zur Erläuterung des Zusammenhangs zwischen Stromstärke und Stromdichte ist in Abb. 1.4 eine gekrümmte, von Strom durchflossene Fläche A abgebildet. Der Vektor \(\vec{J}\) ist der Vektor der Stromdichte im Bereich des Flächenelementes dA. Da das Flächenelement als sehr klein angenommen wird, ist die Stromstärke im Bereich dA konstant. Der Vektor \(d\vec{A}\) ist ein Vektor, der senkrecht auf der Fläche dA steht. Sein Betrag ist gleich der Fläche dA. Der Vektor \(\vec{J}\) der Stromdichte ist in eine Komponente \(\vec{J}_{t}\), die tangential zur Fläche verläuft, und eine Komponente \(\vec{J}_{n}\), die wie der Vektor \(d\vec{A}\) senkrecht auf dem Flächenelement dA steht, zerlegt. Lediglich der Anteil \(\vec{J}_{n}\) der Stromdichte durchstößt die Fläche A.
Für die Stromstärke dI, die durch das Flächenelement dA tritt, gilt:
d. h.:
Der Multiplikationspunkt in (1.2) bezeichnet das skalare Produkt der beiden Vektoren \(\vec{J}\) und \(d\vec{A}\).
Die gesamte Stromstärke, die durch die Fläche A tritt erhält man durch Integration über die Fläche A:
Das Doppelintegral weist darauf hin, dass über eine Fläche zu integrieren ist.
Das Skalarprodukt ist ein Produkt zweier Vektoren derart, dass das Ergebnis ein SkalarFootnote 5 ist. Für die Bildung des Skalarproduktes müssen die Vektoren die gleiche Anzahl von Komponenten besitzen.
In der Abbildung sind zwei Vektoren \(\vec{A}\) und \(\vec{B}\), die den Winkel β einschließen, in der x-y-Ebene mit ihren Komponenten A x , A y , B x und B y dargestellt. Außerdem sind die Einheitsvektoren \(\vec{e}_{x}\), und \(\vec{e}_{y}\) eingezeichnet.
Es gilt:
Für das Skalarprodukt der beiden Vektoren \(\vec{A}\) und \(\vec{B}\) gilt:
Zum gleichen Ergebnis führt:
Für Vektoren mit x-, y- und z-Komponenten gilt:
In Worten:
Das Skalarprodukt zweier Vektoren ist die Summe der Produkte der entsprechenden Komponenten.
1.1 Elektrische Feldstärke
Die Ursache des Stromflusses in der Versuchsanordnung nach Abb. 1.3 ist die Spannung zwischen den beiden Elektroden. Eine Erhöhung der Spannung hat eine erhöhte Stromstärke zur Folge. Wird ein kleiner Bereich des Strömungsfeldes betrachtet, so ist für die Stromstärke, die ein Flächenelement durchströmt bzw. für die Stromdichte in diesem Flächenelement nicht der Wert des Potenzials dieses Flächenelementes verantwortlich, sondern der Potenzialunterschied zwischen den Potenzialflächen. Für die mathematische Beschreibung des Strömungsfeldes muss deshalb eine zweite Größe definiert werden: die elektrische Feldstärke. Die elektrische Feldstärke ist ein Vektor, der wie die Stromdichte senkrecht auf den Potenzialflächen steht und in Richtung des geringeren Potenzials zeigt. Der Betrag der elektrischen Feldstärke gibt die Abnahme \(d\varphi\) des Potenzials entlang des infinitesimalen Abstandes dn von zwei Potenzialflächen, dividiert durch diesen Abstand, an. Ebenso wie die Stromdichtevektoren bilden auch die Vektoren der elektrischen Feldstärke im Raum ein Vektorfeld.
Zur weiteren Erläuterung des Begriffes elektrische Feldstärke ist in Abb. 1.5 ein Ausschnitt eines zweidimensionalen Potenzialfeldes abgebildet. Dabei sind die Potenzialwerte als Potenzialgebirge dargestellt. Die Netzstruktur in der Abbildung ist erforderlich, um einen dreidimensionalen Eindruck zu erzeugen. Ein zweidimensionales Potenzialfeld kann als Schnitt durch ein dreidimensionales Potenzialfeld, wie es z. B. durch eine Versuchsanordnung nach Abb. 1.2 erzeugt wird, angesehen werden. Hierbei entstehen aus Potenzialflächen Potenziallinien, auf denen die Werte des Potenzials nur von den Koordinaten x und y abhängig sind.
Zusätzlich ist in Abb. 1.5 im rechten Teil ein Ausschnitt des Potenzialfeldes mit zwei Potenziallinien dargestellt. Der Potenzialunterschied \(\varphi_{a}-\varphi_{b}\) von zwei Potenziallinien mit infinitesimalem Abstand dn ist mit \(d\varphi\) bezeichnet. Für den Betrag der elektrischen Feldstärke gilt somit
Dabei ist definitionsgemäß \(d\varphi\) für \(\varphi_{a}> \varphi_{b}\) positiv. Die elektrische Feldstärke hat die Dimension V ∕ m.
In dem Potenzialfeld des Versuches nach Abb. 1.1 ist zu erkennen: Die Feldstärke wird umso größer, je näher der betrachtete Punkt bei einer der beiden Elektroden liegt. Zur Veranschaulichung des Vektorfeldes der elektrischen Feldstärke ist in Abb. 1.6 neben dem Potenzialfeld an einigen, wenigen Punkte die elektrische Feldstärke durch Vektoren angedeutet.
In der Vektoranalysis wird der Vektor, der in Richtung des steilsten Anstiegs eines skalaren Feldes zeigt, als Gradient Footnote 6 bezeichnet. Da der Vektor der elektrischen Feldstärke definitionsgemäß in Richtung der stärksten Abnahme des skalaren Potenzialfeldes \(\varphi(x,y,z)\) zeigt, gilt:
Anstelle der Bezeichnung \(\mathop{\mathrm{grad}}\varphi\) ist auch die Bezeichnung \(\nabla\varphi\) gebräuchlich. Der Operator \(\nabla\) wird als Nabla-Operator bezeichnet.
1.1.1 Erläuterung: Gradient bzw. Nabla-Operator
Der Gradient (\(\mathop{\mathrm{grad}}\)) ist ein mathematischer Differentialoperator, der auf eine skalare Ortsfunktion angewendet wird, im vorliegenden Fall auf ein Potenzialfeld. Das Ergebnis ist ein Vektorfeld (siehe (1.6)). Die Komponenten des Vektors
sind die partiellen Ableitungsoperatoren des Skalarfeldes \(\varphi\) im dreidimensionalen, jeweiligen Koordinatensystem. Im kartesischen Koordinatensystem bedeutet dies:
bzw.:
Der Gradient eines Potenzialfeldes wird danach wie folgt ermittelt:
-
1.
Bestimmung der Änderung des Potenzials \(\varphi(x,y,z)\) beim Fortschreiten in x-Richtung um einen infinitesimalen Betrag und Multiplikation mit dem Einheitsvektor \(\vec{e}_{x}\), der in x-Richtung zeigt.
-
2.
Durchführung der beschriebenen Operationen sinngemäß für die y- und z-Koordinate.
-
3.
Addition der drei Vektoren.
Durch das beschriebene Vorgehen erhält man einen Vektor, der in Richtung der größten Zunahme des Potenzialfeldes zeigt.
Zylinderkoordinaten
Hinsichtlich der r- und z-Koordinate ist wie im Fall der kartesischen Koordinaten vorzugehen. Bei der Bestimmung der α-Koordinate ist zu beachten, dass der Betrag des Einheits-Winkelvektors \(\vec{e}_{\alpha}\), der in Richtung der Tangente des Kreises mit dem Radius r zeigt, in der x-y-Ebene auf dem Bogen des Kreises eine Längenänderung zur Folge hat, die vom Radius r des Kreises abhängt (siehe Abb. 1.7). Eine Änderung des Winkels α von 1 radFootnote 7 hat auf dem Bogen des Kreises mit dem Radius r eine Längenänderung 1 ⋅ r LEFootnote 8 zur Folge. Für den Einheits-Längenvektor \(\vec{e}_{\mathrm{Bogen}}\), d. h. für den Vektor, der in Richtung der Tangente des Kreises mit dem Radius r zeigt und dessen Betrag unabhängig von der Lage des Aufpunktes P im Potenzialfeld gleich eins ist, gilt somit:
Durchführung der Operation \(\nabla\varphi(r,\alpha,z)=\mathop{\mathrm{grad}}\varphi(r,\alpha,z)\) in vier Schritten:
-
1.
Änderung des Potenzials \(\varphi(r,\alpha,z)\) im Punkt P beim Fortschreiten um einen infinitesimalen Betrag in r-Richtung und Multiplikation mit dem Einheitsvektor \(\vec{e}_{r}\), der in r-Richtung zeigt.
-
2.
Änderung des Potenzials \(\varphi(r,\alpha,z)\) beim Fortschreiten um einen infintesimalen Betrag in α-Richtung und Multiplikation mit dem Einheits-Längenvektor, der in α-Richtung zeigt, d. h. mit dem Vektor \(\vec{e}_{\alpha}/r\).
-
3.
Änderung des Potenzials \(\varphi(r,\alpha,z)\) im Punkt P beim Fortschreiten um einen infinitesimalen Betrag in z-Richtung und Multiplikation mit dem Einheitsvektor \(\vec{e}_{z}\), der in z-Richtung zeigt.
-
4.
Addition der drei Werte.
Somit gilt für die Operation Gradient in ZylinderkoordinatenFootnote 9:
Kugelkoordinaten
Für sphärische Koordinaten gilt sinngemäß, was für den Einheitsvektor \(\vec{e}_{\alpha}\)im Falle von Zylinderkoordinaten ausgeführt wurde (siehe Abb. 1.8):
- Einheits-Längenvektor in α-Richtung::
-
\(\frac{1}{r\cdot\sin\vartheta}\cdot\vec{e}_{\alpha}\)
- Einheits-Längenvektor in \(\vartheta\)-Richtung::
-
\(\frac{1}{r}\cdot\vec{e}_{\vartheta}\)
- Einheits-Längenvektor in r-Richtung::
-
\(\vec{e}_{r}\).
In Kugelkoordinaten ist die Operation \(\mathop{\mathrm{grad}}\varphi\) somit wie folgt zu berechnenFootnote 10:
1.2 Die Kirchhoff’schen Sätze im Strömungsfeld
Der erste der beiden Sätze bzw. Regeln, die KirchhoffFootnote 11 für elektrische Netzwerke formuliert hat, lautet wie folgt:
In einem Knotenpunkt eines elektrischen Netzwerkes ist die Summe der zufließenden Ströme gleich der Summe der abfließenden Ströme.
Diese Regel ist, wenn sie auf das elektrische Strömungsfeld angewendet wird, wie folgt zu formulieren:
Die Summe der Ströme, die in eine in sich geschlossene Fläche eintreten, ist ebenso groß wie die Summe der Ströme, die aus dieser Fläche austreten.
In Abb. 1.9 ist dieser Sachverhalt veranschaulicht. Die beiden Ströme I 1 und I 2, die in die Oberfläche des kugelförmigen Raumes eintreten, sind positiv. Die beiden Ströme I 3 und I 4 die aus der Oberfläche austreten, sind mit negativem Vorzeichen zu versehen. Es gilt:
d. h.:
In einem Strömungsfeld sind die Ströme in aller Regel, anders als in Abb. 1.9 dargestellt, nicht auf eng begrenzte Stromwege beschränkt. Die Ströme verteilen sich, wie in Abb. 1.3 angedeutet, im gesamten Raum. Der Strom, der durch ein Flächenelement dA tritt, ist entsprechend (1.2) das skalare Produkt der Stromdichte \(\vec{J}\) mit dem Vektor \(d\vec{A}\), der senkrecht zum Flächenelement dA orientiert ist. Für den Fall einer in sich geschlossenen Fläche ist \(d\vec{A}\) stets nach außen gerichtet (siehe Abb. 1.10).
Für den gesamten Strom I, der aus einer Fläche A austritt, gilt:
Das Doppelintegral weist darauf hin, dass über eine Fläche zu integrieren ist. Ist die Fläche A, wie in Abb. 1.10 dargestellt, in sich geschlossen, so gilt entsprechend (1.10)
Die Ellipse um die Integralzeichen in (1.12) weist darauf hin, dass die Fläche A in sich geschlossen ist. Gleichung (1.12) ist die erste Kirchhoff’sche Regel für das Strömungsfeld.
Die zweite Kirchhoff’sche Regel für Netzwerke sagt aus:
Alle Teilspannungen eines Umlaufs bzw. einer Masche in einem elektrischen Netzwerk addieren sich zu Null. Die Umlaufrichtung kann beliebig gewählt werden. Teilspannungen in Richtung des Umlaufsinnes sind positiv, Teilspannungen entgegen der Umlaufrichtung sind negativ.
In einem Potenzialfeld ist eine Masche ein in sich geschlossener Weg, über den anstelle der Spannung die elektrische Feldstärke aufsummiert wird. In Abb. 1.11 ist ein solcher Weg ausgehend von Punkt a zu Punkt b und wieder zurück zu Punkt a eingezeichnet. Der untere Teil der Abbildung zeigt einen Ausschnitt der Wege zwischen a und b.
Nach (1.4) ist die Feldstärke gleich dem Potenzialunterschied \(d\varphi\) dividiert durch den Abstand der Potenzialflächen, d. h.:
bzw.
Ist \(d\varphi\) positiv, erhöht sich beim Fortschreiten in Richtung von \(d\vec{s}\) das Potenzial. In diesem Fall gilt, da der Vektor der elektrischen Feldstärke definitionsgemäß in Richtung des abnehmenden Potenzials zeigt,
In Abb. 1.11 erniedrigt sich somit das Potenzial beim Fortschreiten in Richtung von \(d\vec{s}\).
Für das Linienintegral der elektrischen Feldstärke entlang des Weges zwischen den Endpunkten a und b und damit für die Spannung U ab zwischen diesen Punkten gilt nach (1.13):
In (1.14) ist \(\varphi_{a}> \varphi_{b}\). Das Linienintegral ausgehend von Punkt b in Richtung Punkt a hat den gleichen Betrag jedoch mit entgegengesetztem Vorzeichen:
Die Summe der beiden Integrale in (1.14) und (1.15) ist somit gleich Null. Dies bedeutet: Im stationären Strömungsfeld ist das Linienintegral der elektrischen Feldstärke auf einem in sich geschlossenen Weg, wenn auf ihm keine Spannungsquellen liegen, gleich Null:
Dies ist die Formulierung des zweiten Kirchhoff’schen Satzes im Strömungsfeld.
Nach (1.6) gilt:
Führt man diese Beziehung in (1.14) ein, so erhält man:
Gleichung (1.17) sagt in Verbindung mit (1.16) aus:
Das Linienintegral der elektrischen Feldstärke zwischen zwei Punkten a und b des elektrischen Feldes ist gleich den Potenzialunterschied zwischen diesen beiden Punkten und unabhängig vom Integrationsweg.
1.3 Das Ohm’sche Gesetz im Strömungsfeld
In Abb. 1.12 sind zwei Potenzialflächen und ein kleines Prisma dargestellt. Der Abstand der Stirnflächen des Prismas ist dn. Die Stirnflächen des Prismas liegen auf Potenzialflächen. Die Seitenflächen des Prismas stehen senkrecht zu den Potenzialflächen, so dass die Stromlinien parallel zu den Seitenflächen verlaufen. In die Stirnfläche mit der Fläche dA tritt ein Strom dI ein. Da die Fläche dA klein ist, gilt für die Stromdichte J:
Der Ohm’sche Widerstand des Prismas ist umgekehrt proportional zur spezifischen LeitfähigkeitFootnote 12 σ und zur Querschnittsfläche dA und proportional zur Länge dn des Prismas. Somit gilt für den Widerstand R des Prismas:
Mit dem Ohm’schen Gesetz erhält man damit den Spannungsabfall \(d\varphi\) entlang des Prismas:
Mit (1.4)
κ = spezifischer WiderstandFootnote 13.
Da der Vektor der Elektrischen Feldstärke in Richtung des Vektors der StromdichteFootnote 14 zeigt, gilt:
1.4 Leistungsdichte im Strömungsfeld
In einem Leiter, durch den der Strom I fließt und an dem die Spannung U abfällt, wird eine LeistungFootnote 15 P von
umgesetztFootnote 16. Besitzt der Leiter den Widerstand R, so gilt wegen
für die im Widerstand R umgesetzte Leistung P:
Betrachtet den prismenförmigen Ausschnitt des Strömungsfeldes in Abb. 1.12, so erhält man mit (1.18) und (1.19) und der sinngemäßen Anwendung von (1.24) die in dem Prisma umgesetzte Leistung dP zu:
In (1.25) ist das Produkt dn ⋅ dA das Elementarvolumen dV des prismenförmigen Ausschnittes des Strömungsfeldes. Für die auf das Elementarvolumen bezogene Leistung, d. h. für die Leistungsdichte p des Strömungsfeldes gilt somit:
Mit (1.22) erhält man für die Leistungsdichte im Strömungsfeld die folgende Beziehung:
1.5 Stromleitung in metallischen Leitern
Die Voraussetzung der Stromleitung im Metallgitter, z. B. eines Kupferleiters, sind die freien Elektronen der Metallatome. Jedes Kupferatom im Gitter stellt ein freies Elektron zur Verfügung, das sich mit hoher Geschwindigkeit an der thermischen Chaosbewegung im Gitter beteiligt. Der quadratische Mittelwert dieser Geschwindigkeit ist zur Temperatur proportional. Der elektrische Stromfluss entsteht infolge der mechanischen Kräfte im elektrischen Feld, welches die Strom- bzw. die Spannungsquelle erzeugt. Hierdurch wird eine gerichtete Bewegung der Leitungselektronen bewirkt. Bei Stromfluss wird die thermische Chaosbewegung der freien Elektronen von der langsamen, gemeinsamen Driftbewegung in Richtung vom Minuspol zum Pluspol überlagert. Die freien Elektronen sind die Träger der negativen Ladung, die positiv geladenen Metallionen sind die Träger der positiven Ladung.
Die Stromstärke ist die Ladungsmenge bzw. Ladung, die sich in der Zeiteinheit durch den Leiterquerschnitt bewegt. Die Einheit der Ladungsmenge ist Coulomb (Einheitszeichen C)Footnote 17. Die Stromstärke von einem AmpereFootnote 18 ist definiert als die elektrische Ladungsmenge, die innerhalb einer Sekunde durch den Querschnitt eines Leiters transportiert wird.
Somit gilt:
Bei einer Stromdichte von \(J=1\,\mathrm{A}/\mathrm{cm}^{2}\) fließt je Sekunde somit eine Ladungsmenge von 1 C bzw. 1 A s durch einen Querschnitt von 1 cm2.
Da die Ladung eines Elektrons
beträgt, entspricht die Ladungsmenge von 1 C bzw. von 1 A s der Ladung von
Elektronen.
Ein Stromfluss der Stromstärke I in einem Leiter ist gleichbedeutend mit einem Transport der Ladungsmenge Q während der Zeit t:
Bei einer Driftgeschwindigkeit v wird im Leiterabschnitt der Länge l eine Elektrizitätsmenge
bewegt.
Bei einem Leiterquerschnitt A gilt damit für die Stromdichte J:
Mit (1.27 ) erhält man für die in dem Leiterabschnitt mit der Querschnittfläche A und der Länge l in Wärme umgesetzte Leistung:
Die freien Elektronen des Leitermaterials bewegen sich infolge der Kraft F, die durch das elektrische Feld auf sie ausgeübt wird. Die für diese Bewegung erforderliche Leistung P ist:
Sie muss dem elektrischen Feld zugeführt werden. Die Leistung P in (1.30) ist gleich der Leistung P in (1.31). Somit gilt für die auf die freien Elektronen wirkende Kraft F:
bzw.:
Da die freien Elektronen negativ geladen sind, wirkt die Kraft F entgegen der Richtung der elektrischen Feldstärke:
Das Integral der Kraft entlang des Weges zwischen zwei Punkten a und b (Wegelement \(d\vec{s}\)) des elektrischen Feldes ist gleich der Arbeit A, die geleistet werden muss, um die Ladung Q von a nach b zu verschieben. Nach (1.32) gilt:
Das rechte Integral in dieser Gleichung ist nach (1.14) die Potenzialdifferenz \(-(\varphi_{a}-\varphi_{b})\) mit \(\varphi_{a}> \varphi_{b}\), d. h. die Spannung −U ab zwischen den Punkten a und b:
Dies bedeutet: Die Spannung zwischen zwei Punkten des elektrischen Feldes ist die Arbeit A, die geleistet werden muss, um eine Ladung von 1 C (positive Ladung) vom Punkt a, dem Punkt des höheren Potenzials, nach Punkt b, dem Punkt mit dem niedrigen Potenzial zu verschieben.
Nach (1.6) gilt:
und somit:
Der Gradient gibt den Anstieg des Potenzialfeldes an. Da die Elektronen negativ geladen sind und \(\varphi_{a}> \varphi_{b}\), muss nach dieser Gleichung Arbeit aufgewendet werden, um Elektronen von einem niedrigen Potenzial auf ein höheres Potenzialniveau, d. h. entgegen der Richtung der elektrischen Feldstärke, zu verschieben.
Notes
- 1.
Das Volt ist die Maßeinheit, die im internationalen Einheitensystem (SI) für die elektrische Spannung festgelegt ist. Sie wurde 1897 nach dem italienischen Physiker Alessandro Volta benannt. Als Einheitenzeichen wird der Großbuchstabe „V“ verwendet. Das Volt ist eine abgeleitete SI-Einheit. Mit den SI-Basiseinheiten Watt (W) und Ampere (A) erhält man:
$$\displaystyle 1\,\mathrm{V}=1\,\frac{\mathrm{W}}{\mathrm{A}}=1\,\frac{\mathrm{N}\,\mathrm{m}}{\mathrm{A}\,\mathrm{s}}=1\,\frac{\mathrm{kg}\,\mathrm{m}^{2}}{\mathrm{A}\,\mathrm{s}^{3}}=1\,\frac{\mathrm{kg}\,\frac{\mathrm{m}^{2}}{\mathrm{s}^{2}}}{\mathrm{A}\,\mathrm{s}}$$Da diese Definition schwerlich für Eichzwecke als genaue Referenz verwendet werden kann, wird seit 1990 die Einheit Volt mittels des Josephson-Effekts und der Josephson-Konstante festgelegt. Die Einheit Ampere (A) wird in Abschn. 3.2.1 eingeführt. Historisch wurde die Definition von einem Volt von dem Weston-Normalelement abgeleitet. Dieses Element liefert bei einer Temperatur von 20 °C eine elektrische Spannung von genau 1,01865 V.
- 2.
Ein Skalarfeld ist eine Funktion, die jedem Punkt eines Raumes eine reelle Zahl (Skalar) zuordnet.
- 3.
Die Einheit Ampere (A) ist eine der vier Basiseinheiten des internationalen Einheitensystems SI. Auf die Definition dieser Einheit wird in Abschn. 3.2.1 eingegangen.
- 4.
Ein Vektorfeld ist eine Funktion, die jedem Punkt eines Raumes einen Vektor zuordnet.
- 5.
Ein Skalar ist eine mathematische Größe, die allein durch die Angabe eines Zahlenwertes charakterisiert ist.
- 6.
Lat. gradus = Schritt.
- 7.
\(360^{\circ}=2\cdot\pi\,\mathrm{rad}\).
- 8.
LE = Längeneinheit.
- 9.
Für r = 0 ist die α-Komponente offensichtlich nicht definiert.
- 10.
Für r = 0 und \(\vartheta=0\) sind die α- und \(\vartheta\)-Komponente offensichtlich nicht definiert.
- 11.
Gustav Robert Kirchhoff, deutscher Physiker, * 1824, † 1887.
- 12.
Einheit der spezifischen Leitfähigkeit σ: \(\frac{\mathrm{S}\,\mathrm{m}}{\mathrm{mm}^{2}}\) oder auch \(\frac{\mathrm{S}}{\mathrm{m}}\) (S = Siemens = \(\frac{1}{\Upomega}\)).
- 13.
Einheit: \(\frac{\Upomega\,\mathrm{mm}^{2}}{\mathrm{m}}\), meist \(\Upomega\,\mathrm{m}\).
- 14.
Der Strom fließt von Orten mit höherem Potenzial zu Orten mit geringerem Potenzial.
- 15.
Leistung = Energie∕Zeit = Energiefluss.
- 16.
P ist die Verlustleistung im Leiter.
- 17.
Charles Augustin de Coulomb, französischer Physiker und Ingenieur, * 1736, † 1806.
- 18.
Die Definition der Stromstärke ist in Abschn. 3.2.1 erklärt. Da die Einheit Ampere eine Basiseinheit ist, ist die Einheit Coulomb eine abgeleitete Einheit.
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Donnevert, J. (2017). Potenzial- und Strömungsfeld des Gleichstroms. In: Die Maxwell'schen Gleichungen. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16647-2_1
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