Zusammenfassung
Dieser Artikel beabsichtigt ein Typologisierungsmodell zu entwickeln, anhand dessen aktuelle Formen von Ausnahmezuständen kategorisiert werden können. Dabei wird argumentiert, dass die situative Einwirkung auf Rechtsnormen und die Rechtsordnung das entscheidende Kriterium darstellt, anhand dessen Ausnahmezustände greifbar gemacht werden können. Als neuartiges Konzept wird dabei auch die Einwirkung von Faktizität auf die Normeninterpretation als Ausnahmezustandsart entwickelt.
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Notes
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Damit befindet sich Schmitt in unmittelbarer Nähe zu Hobbes, dessen souveräne Dezision im Gegensatz zu Schmitt am einhegenden Naturrecht und am Untertanenschutz orientiert ist, während bei Schmitt der Ausnahmezustand als „Norm setzende Instanz“ jeglicher rechtlichen Einhegung entzogen ist (vgl. Hidalgo 2014, S. 378).
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Hier sei auch auf die Begriffsverwendung „rein faktische Herrschaft“ hingewiesen, die sehr exakt die Intention von Faktizität aufgreift.
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Letzteres ist umso problematischer, als es eine bewusste Außerkraftsetzung des Folterverbotes im internationalen Recht darstellt und damit die Menschenwürde als globales Rechtsprinzip in Frage stellt.
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Vgl. Nolen (2015). Das gilt auch vor dem Wandel des Krieges im 21. Jahrhundert, in dem neue asymmetrische Kriegsformen die Abgrenzung zwischen Kämpfern, Kriminellen und Zivilisten ebenso erschweren wie die Identifikation von rechtmäßigen und unrechtmäßigen Kriegsteilnehmern.
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„Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen.“ Art. 14 AEMR.
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„Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“ Art. 33 GFK.
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van Laak, J. (2017). Permanenz des Ausnahmezustands? Eine Typologisierung im Spannungsfeld von Faktizität und Recht. In: Förster, A., Lemke, M. (eds) Die Grenzen der Demokratie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16295-5_2
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