Zusammenfassung
(Selbst-)Reflexion findet erst im Nachhinein statt. Erst über das Aktualisieren von Erlebtem gelingt es, dieses ins Bewusstsein zu heben. Nur was bewusst wird, können wir auch beeinflussen und verändern. Auf dieses Veränderungspotenzial beziehen sich die folgenden Ausführungen zum Thema (Selbst-)Reflexion in der Führung an Fachhochschulen. Verschiedene politische Entwicklungen, internationale Vereinbarungen, Differenzierungs- und Positionierungsprozesse haben zu den großen und komplexen Institutionen geführt, wie wir sie heute kennen. Als geleitete Organisationen mit hierarchischer, leistungs- und konkurrenzorientierter Ausrichtung wurden sie mit aufwendigen Controlling- und Evaluationssystemen ausgestattet. Diese Entwicklung steht in einem Spannungsverhältnis zum Individualisierungstrend mit Bedürfnissen von Mitarbeitenden und Studierenden nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung und zu neuen Führungsmodellen, denen Fachhochschulen ebenfalls Rechnung zu tragen haben. Der folgende Beitrag situiert sich in diesem Kontext. Praxisnah, erfahrungsbasiert, exemplarisch und sich auf Fachliteratur abstützend, will er zeigen, wie lohnend das Einrichten der für (Selbst-)Reflexion nötigen Formen und Zeit-Räume für Führungspersonen, aber auch allgemein für den Aufbau einer offenen und kreativen Kultur der Zusammenarbeit ist; dabei wird nicht verschwiegen, wie anspruchsvoll das Unterfangen ist.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Die Situationen orientieren sich an Erfahrungen aus meinem Führungsalltag. Allfällige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.
- 2.
In der Schweiz existieren in verschiedenen Fachhochschulen meist kurze interne Führungskurse; gesamtschweizerisch bietet der Verein „Higher Education Management der Schweizer Fachhochschulen“, der gemäß Selbstdeklaration „zum Aufbau und der Pflege eines gemeinsamen Verständnisses von Führung und Leitung von Hochschulen beitragen“ will, ein Führungsseminar an (Steuerungsgruppe HEM 2011).
- 3.
Kollegiale Beratung kann im Zuge der Digitalisierung auch über Online-Gefäße stattfinden (vgl. Geißler und Metz 2012).
- 4.
Ich vertrete ein Führungsverständnis, das den Blick gleichermaßen auf das Ganze und auf die einzelnen Personen richtet; das werte-, haltungs-, verhaltens- und kulturbezogene Aspekte mit einbezieht; das darauf abzielt, dass die Mitarbeitenden selbstverantwortlich, intrinsisch motiviert, in der bestmöglichen Teamkonstellation erfüllende und erfolgreiche Leistungen erbringen können; das auf transparente, verlässliche und berechenbare Kommunikation baut; das mir ermöglicht, mir Respekt zu verschaffen und mich gleichzeitig zurückzunehmen, die einzelne Situation, die einzelne Mitarbeiterin/den einzelnen Mitarbeiter ernst zu nehmen, fordernd und verbindlich zu führen, offen und lernbereit zu bleiben, Gefühlen bei mir und anderen Beachtung zu schenken, achtsam mit mir selbst umzugehen, um achtsam und wertschätzend mit anderen umgehen zu können (vgl. u. a. Burla et al. 1995; Lassalle Institut o. J.; Wesche und Fleig 2016; von Au 2016).
- 5.
Beispiele dafür sind – neben den Folgen der Bologna-Reform, die dem (impliziten) Anspruch auf „akademische Freiheit“ widerspricht – fehlende schweizweite Standards zur Erlangung einer Fachhochschulprofessur oder einer Dozentur; die Anforderung, gleichzeitig Wissenschaftler/in und „Unternehmer/in“ zu sein, ein „doppeltes Kompetenzprofil“ zu entwickeln, das Wissenschafts- und Praxiskompetenz verbindet, oder eine zunehmend utilitaristisch geprägte Verwertungslogik, die die Wissenschaftlichkeit der Forschung infrage stellen kann.
Literatur
Au, C. von. (2016). Paradigmenwechsel in der Führung: Traditionelle Führungsansätze, Wandel und Leadership heute. In C. von Au (Hrsg.), Wirksame und nachhaltige Führungsansätze. System, Beziehung, Haltung und Individualität (S. 1–42). Wiesbaden: Springer VS.
Baumann-Habersack, F. (2015). Mit neuer Autorität in Führung. Warum wir heute präsenter, beharrlicher und vernetzter führen müssen. Wiesbaden: Springer Gabler.
Burla, S., Alioth, A., Frei, F., & Müller, W. R. (1995). Die Erfindung von Führung – Vom Mythos der Machbarkeit in der Führungsausbildung (2. Aufl.). Zürich: vdf.
Franz, H. W., & Kopp, R. (2003). Die Kollegiale Fallberatung: ein einfaches und effektives Verfahren zur „Selbstberatung“. Sozialwissenschaften und Berufspraxis, 26(3), 285–294.
Geißler, H., & Metz, M. (2012). E-Coaching und Online-Beratung: Formate, Konzepte, Diskussionen. Wiesbaden: Springer VS.
HFKG (2011). Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich (Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz) vom 30. September 2011 (Stand am 1. Januar 2015). SR 414.20.
Kaduk, S., & Ostmetz, D. (2016). Musterbrecher© – die Kunst, das Spiel zu drehen. In C. von Au (Hrsg.), Wirksame und nachhaltige Führungsansätze. System, Beziehung, Haltung und Individualität (S. 189–203). Wiesbaden: Springer VS.
Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Vahlen.
Lassalle Institut (o. J.). Lassalle-Institut-Modell ®. www.lassalle-institut.org/about/vision/. Zugegriffen: 27. Juni 2016.
Lödermann, A.-M., & Macha, H. (2011). Entwicklung der Führungsqualität durch Kollegiale Beratung. In M. Göhlich, S. M. Weber, C. Schiersmann, & A. Schröer (Hrsg.), Organisation und Führung. Beiträge der Kommission Organisationspädagogik (S. 253–264). Wiesbaden: VS Verlag.
Schimank, U. (2015). Identitätsbedrohungen und Identitätsbehauptung: Professoren in reformbewegten Universitäten. In V. von Groddeck & S. M. Wilz (Hrsg.), Formalität und Informalität in Organisationen (S. 277–296). Wiesbaden: Springer VS.
Schmid, B., Veith, T., & Weidner, I. (2010). Einführung in die kollegiale Beratung. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme.
Steuerungsgruppe HEM (Higher Education Management) (2011). Führen in Fachhochschulen. Referenzrahmen für die Higher Education Management-Weiterbildungsangebote der KFH. www.hem-suisse.ch/images/Referenzrahmen%20Führen%20in%20FH%20def.pdf. Zugegriffen: 15. Juni 2016.
Tietze, K.-O. (2010). Wirkprozesse und personenbezogene Wirkungen von kollegialer Beratung. Theoretische Entwürfe und empirische Forschung. Wiesbaden: VS Verlag.
Tietze, K.-O. (2012). Kollegiale Beratung. Problemlösungen gemeinsam entwickeln (5. Aufl.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Wesche, J. S., & Fleig, L. (2016). Authentic Leadership: Authentische Führung praktizieren und trainieren. In J. Felfe & R. van Dick (Hrsg.), Handbuch Mitarbeiterführung. Wirtschaftspsychologisches Praxiswissen für Fach- und Führungskräfte (S. 3–14). Berlin: Springer.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2017 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Fritze, A. (2017). Zur Bedeutung von (Selbst-)Reflexion im Führungshandeln an Fachhochschulen. In: Truniger, L. (eds) Führen in Hochschulen. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16165-1_16
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-16165-1_16
Published:
Publisher Name: Springer Gabler, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-16164-4
Online ISBN: 978-3-658-16165-1
eBook Packages: Business and Economics (German Language)