Zusammenfassung
Angesichts einer zunehmenden Wahlenthaltung insbesondere sozial schwacher Sichten fordern einige Autoren die Einführung einer Wahlpflicht. Der Artikel widerspricht der damit verbundenen Hoffnung, auf diese Weise zu einer sozial gerechteren Politik und in der Konsequenz auch zu mehr Demokratiezufriedenheit beitragen zu können. Vielmehr ist vor dem Hintergrund einer postdemokratischen Konstellation, in der wesentliche Politikinhalte bereits vorentschieden sind, davon auszugehen, dass die Einführung einer Wahlpflicht die politische Unzufriedenheit auf Seiten sozial Benachteiligter eher verstärken dürfte. Vergibt man ihnen damit doch die Möglichkeit, zumindest symbolisch ihre Unzufriedenheit mit „der Politik“ durch den Akt der Nichtwahl zum Ausdruck zu bringen. In einem zweifelsohne paradoxen Sinne stellt der Akt des Wahlboykotts somit einen moralischen Appell an die Mehrheitsgesellschaft und ihrer Meinungsführer dar, das, was sie alle vier Jahre zelebrieren, nicht nur in seinem symbolischen Gehalt beim Wort zu nehmen.
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Jörke, D. (2017). I prefer not to vote, oder vom Sinn und Unsinn des Wählens in der Postdemokratie. In: Richter, H., Buchstein, H. (eds) Kultur und Praxis der Wahlen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16098-2_5
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