Zusammenfassung
Ausgangspunkt der Analyse ist die Beobachtung, dass sich neben den Partizipationsmitteln auch die kommunikative Reichweite und der Einfluss des Einzelnen auf die Konstituierung politischer Öffentlichkeiten augenscheinlich geändert haben. Jegliche Partizipationshandlungen und Engagementpraktiken sind dabei in die immer stärker werdende mediale Vermittlung und Durchdringung unseres Alltags eingebettet, der aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive als übergreifender Metaprozess der Mediatisierung gefasst werden kann. Dieser mit den anderen gesellschaftlich übergreifenden Prozessen der Digitalisierung, Globalisierung, Ökonomisierung und Individualisierung verbundene Transformationsprozess verschränkt die kommunikativen Handlungen in den verschiedenen (mediatisierten) öffentlichen Kommunikationsräumen in komplexer und oft widersprüchlicher Weise mit individuellen Einstellungen und Verhaltensweisen.
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Diese Orientierung an einem – mittlerweile mediatisierten – Kollektiv erschien bisher allein im freiwilligen Engagement eine besonders hohe Bedeutung zu haben.
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Allein auf dem sozialen Netzwerkdienst Facebook finden sich unzählige politisch motivierte Gruppierungen (im Überblick Marichal, 2013). Das thematische Spektrum dieser Gruppen ist nahezu unerschöpflich und reicht vom Protest gegen Atomkraft über „Laut gegen Nazis“ bis hin zum EM-Boykottaufruf zum Schutz ukrainischer Straßenhunde. Doch nicht nur kommerzielle Plattformen bieten Raum für eine ‚bottom-up‘-organisierte Beteiligung. Das Projekt openstreetmap.org beispielsweise nutzt open source-basierte Wikis, um mit Hilfe von Freiwilligen weltweit Geodaten zu sammeln. Ziel ist die Erstellung einer frei verfügbaren Weltkarte, deren Nutzung nicht an Lizenzen gebunden ist.
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Eine in die gleiche Richtung gehende Kritik äußern Hepp und Pfadenhauer (2014, S. 241) an den scheinbar partizipativen Konsumentenrollen in mediatisierten Geschäftsmodellen.
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Ähnlich identifiziert Berg (2016) im Bereich der Mobilkommunikation im Kontext der Mediatisierungsprozesse (Medien-)Praktiken des Erweitern, Ersetzen und Festhalten.
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Ein Beispiel, das die z. T. dysfunktionale Verbindung von Online-Unterhaltungskultur mit politischen Kontexten exemplarisch verdeutlicht, ist im Frühjahr 2013 die für kurze Zeit auf sozialen Netzwerkdiensten rege geführte Debatte um die Nominierung einer vermutlich rechtsorientierten Rockband für einen deutschen Musikpreis, in der die Vertreter eines Meinungslagers aufgrund einer Namensgleichheit die falschen Adressaten mit ihren Botschaften regelrecht bombardierten ohne dies zu bemerken (http://www.focus.de/digital/internet/facebook/nach-echo-eklat-um-rechtsrock-band-frei-wild-fans-starten-shitstorm-gegen-die-falscheband_aid_935587.html, zugegriffen: 01.06.2016).
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Berücksichtigt man in weiterführenden statistischen Auswertungen weitere Variablen des Surveys wie z. B. Medienkompetenz kann man folgende Hypothese formulieren; Je mehr politisches Interesse eine Person besitzt, je aktiver sie online ist und je mehr Vertrauen sie in die klassische Medien bzw. deren Online-Angebote hat als in andere Online-Quellen, desto mehr Aktivitäten nimmt sie als ziviles Engagement wahr.
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Im Rahmen des Surveys wurde neben der interpersonalen Orientierung hinausgehend auch die massenmediale Orientierung fokussiert.
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Der Index Offline-Engagement setzt sich aus folgenden Items zusammen (α = ,827): Eine öffentliche Veranstaltung besuchen; eine Unterschriftensammlung unterschreiben (nicht im Internet); Unterschriften sammeln; Flugblätter verteilen; bestimmte Produkte boykottieren; bestimmte Produkte kaufen; Leserbrief schreiben; Anstecker/T-Shirt etc. mit einer bestimmten Botschaft tragen; an einer Demonstration teilnehmen; Geld spenden; Blockade-Aktionen durchführen.
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Online-Engagement (α = ,857): E-Mails schreiben oder weiterleiten; einen Artikel/Kommentar im Internet posten; eine Online-Petition unterschreiben; an einer Diskussion im Internet teilnehmen.
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Hier wurden Online- und Offline-Engagement berücksichtig (α = ,863).
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In der Studie werden sieben gesellschaftspolitische Themenfelder differenziert: Energiepolitik und Einsatz gegen Umweltverschmutzung, Armut und soziale Ungerechtigkeit, Tierschutz, Kampf gegen Rassismus/Ausländerfeindlichkeit, Kulturelle Angelegenheiten, Religiöse Angelegenheiten und Globalisierung. Auf eine themenspezifische Auswertung wird in diesem Beitrag aufgrund des begrenzten Umfangs verzichtet.
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Internetnutzung wird mit einem Index basierend auf 17 Items auf einer Skala von 1 („niemals“) bis 7 („mehrfach täglich“) gemessen (α = ,87; Fragestellung: „Wie oft nutzen Sie folgende Onlineanwendungen?“): E-Mails versenden und empfangen; Suchmaschinen nutzen; Wikipedia; Private Netzwerke u. Communitys (z. B. Facebook); Gesprächsforen, Newsgroups, Chat; Weblogs; Fotosammlungen, Fotocommunitys (z. B. flickr, picasa); Onlinespiele; Musik über das Internet hören; RSS-Feeds/Newsfeeds; Video/TV; Onlineshopping; berufliche Netzwerke u. Communitys (z. B. Xing); Twitter; Videoportale (z. B. YouTube); Instant Messaging; einfach so im Internet surfen.
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Auf einer Skala von 1 (keine Nutzung) bis 7 (mehrmals täglich).
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Hepp (2015, S. 178) zeigt auf, dass Transformation ein geeigneterer Begriff zum Verständnis von Medienwandel darstellt, da letzterer allein eine „einfache Feststellung der Veränderung“ sei. Mit Transformation können die „Muster der Veränderung und Beharrung (systematisch) erfasst“ werden.
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Wimmer, J. (2017). Transformation durch Mediatisierung und Digitalisierung? Survey-Ergebnisse zum Stellenwert sozialer Netzwerkseiten und kommunikativer Orientierung für politisches Engagement. In: Göttlich, U., Heinz, L., Herbers, M. (eds) Ko-Orientierung in der Medienrezeption. Medien • Kultur • Kommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14929-1_13
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