Zusammenfassung
Der Beitrag diskutiert die Aufgabengebiete und Grenzen der politischen Erwachsenenbildung und leitet daraus Perspektiven für Forschung, Themenbesetzung in der Bildungspraxis sowie für die Professionalisierung von Erwachsenenbildenden ab. Ausgehend von Entwicklungen rückläufiger Wahlbeteiligung, einer zunehmenden Entkopplung politischer Praxis von großen Teilen des gesellschaftlichen Lebens und steigender milieuspezifischer Politikverdrossenheit argumentieren die Autorin und der Autor, dass diese „Krise der Politik“ keine „Krise der politischen Bildung“ ist und plädieren im Zuge einer kritischen Auseinandersetzung der Deutungshoheit von Politik und Weiterbildungsbeteiligung für das Lernpotenzial weniger etablierter Formen politischer Beteiligung sowie nicht-institutionalisierten Lernarrangements. Die Ausführungen machen deutlich, wie schlecht sich die Idee vom Lebenslangen Lernen derzeit noch mit der deutschen Trennung von allgemeiner, politischer und beruflicher Weiterbildung vereinbaren lässt, verweisen unter Rückgriff auf theoretische Überlegungen und empirische Hinweise jedoch auf die Notwendigkeit, einer engeren Verzahnung.
Schlüsselwörter
Es handelt sich um eine Überarbeitung und Erweiterung unserer Überlegungen aus dem gleichnamigen Beitrag aus Heft 4/2013 von „Der pädagogische Blick“.
1 Politische Bildung in Zeiten der „Krise der Politik“
Historisch hatte Erwachsenenbildung, so Zeuner (2010a), lange Zeit vor allem eine politische Begründung und stand in einem symbiotischen Verhältnis zur Demokratie. Diese auf Emanzipation gegenüber Herrschaft und Abbau autoritärer Strukturen zielende Stoßrichtung von Erwachsenenbildung dominierte bis in die 1970er Jahre, als die beruflich-qualifizierende Funktion zunehmend ins Zentrum rückte und die Bedeutung politisch-emanzipatorischer Intentionen von Erwachsenenbildung zurückging. Damit ist eine Entwicklung benannt, die für die heutige Situation kennzeichnend ist. Zudem zeigt sich im Zuge des Lebenslangen Lernens und vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Spaltungen und Konflikte eine folgenreiche Verschiebung von Verantwortlichkeit: So wie im Bereich qualifizierender Bildung die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit zur Bringschuld der Individuen wird, wird politischer Erwachsenenbildung häufig die Aufgabe zugewiesen, die Individuen im Rahmen von „citizenship education“ zur Übernahme von Verantwortung für das Funktionieren der Zivilgesellschaft zu ermuntern (ebd., S. 170 f.).
Hinzu kommt ferner, dass seit geraumer Zeit von einer „Krise der Politik“, „Krise der politischen Repräsentation“ bzw. „Krise der Demokratie“ die Rede (Zeuner 2010a), die etwa an zurückgehender Wahlbeteiligung und dem Bindungsverlust politischer und politiknaher Institutionen und ihrer Beteiligungsformen festgemacht wird. Diese Entwicklungen erfahren durch die Diagnose der „Postdemokratie“ (Crouch 2008) eine neue Zuspitzung. Behauptet wird darin, dass jenseits von Wahlen und anderen demokratischen Verfahren die „reale Politik hinter verschlossenen Türen“, unter Einflussnahme von Expertinnen und Experten sowie von Beraterinnen und Beratern gemacht wird (ebd., S. 10 ff.). Politik (genauer: die eng an das politische System gekoppelte politische Praxis) hat sich demnach zunehmend entkoppelt von großen Teilen des gesellschaftlichen Lebens und der Akteurinnen bzw. Akteure.
Es sind also verschiedene Prozesse, in die die politische Erwachsenenbildung eingebunden ist. An die skizzierten Krisenszenarien andockend wird häufig auch für die politische Bildung eine „Krise“ konstatiert. Sicherlich hat die politische Bildung, wie oben angedeutet, innerhalb der Erwachsenenbildung an Bedeutung verloren (Ahlheim 2007). Tatsächlich zeugen davon stagnierende Teilnehmendenzahlen (Bremer 2010a). Kürzungen öffentlicher Mittel, ein Druck hin zu mehr „Marktorientierung“ (Rudolf 2002), Schließungen zahlreicher Bildungsstätten seit den 1990er Jahren (Ciupke 2010), ebenso wie der Umstand, dass die politische Bildung im Evaluationsgutachten zur Weiterbildung in NRW (Nuissl et al. 2011) wenig Beachtung findet. Die „Krise“ der politischen Bildung scheint sich demnach auf den ersten Blick gut in den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs um Politik zu fügen.
Bei genauerem Hinsehen wird diese Argumentation jedoch brüchig. So betont Nuissl (2007, S. 72): „Die Krise der politischen Erwachsenenbildung ist in gewisser Weise ein Stereotyp und zieht sich seit mindestens dreißig Jahren durch die Debatten in Praxis und Wissenschaft“. Das lässt sich sogar noch erhärten; Siebert (1990, S. 431) konstatierte schon für die 1950er und 1960er Jahre ein „Motivationsdilemma“ der politischen Bildung, und Buchwald (1934, S. 16 f.) hat bereits in der Zeit der Weimarer Republik festgestellt, dass Themen politischer Bildung gegenüber beruflicher Weiterbildung deutlich weniger Zuspruch fanden. Solche Feststellungen ließen sich beliebig fortsetzen. So hat Faulstich (2012, S. 8 ff.) unlängst bezogen auf die Forderung nach „neuen Formaten“ das „Krisenlamento“ in der politischen Bildung scharf kritisiert.
Es ist also Vorsicht geboten, wenn von einer „Krise“ der politischen Bildung die Rede ist. Was man feststellen kann, ist zunächst das Auseinanderfallen vom vielfach selbst formuliertem Anspruch und tatsächlicher Bedeutung. Das jedoch scheint eher ein für Teile der politischen Bildung immanentes Problem zu sein, das kritisch mit einer gewissen Selbstüberschätzung und vielleicht auch mit der zugewiesenen bzw. eingenommenen Rolle im politischen Feld erklärt werden kann (Bremer 2010a).
Die Gleichung „Krise der Politik“ = „Krise der politischen Bildung“ geht in jedem Fall so nicht auf, es sei denn, man schreibt der politischen Bildung vornehmlich die Aufgabe zu, zur Stabilisierung des politischen Systems im engeren Sinne beizutragen. Das mag vielleicht auf traditionelle und schulbezogene politikdidaktische Ansätze zutreffen; für die politische Erwachsenenbildung jedoch wäre das eine Engführung, die nicht zum weithin anerkannten Prinzip der Adressatinnen-/Adressaten-, Lebenswelt- und Subjektorientierung passen würde.
Im Zuge eines seit den 1990er Jahren immer wieder herbeigeredeten Endes des Projekts emanzipatorisch-politischer Bildung (Kade 1993; Arnold und Siebert 1995) hat das Thema in der Erwachsenenbildung lange Zeit kaum noch eine Rolle gespielt. Doch ganz nach dem Prinzip „tot Gesagte leben länger“ zeigt sich seit einigen Jahren eine erstaunliche Belebung des Diskurses, der von verschiedenen Seiten Impulse bekommt (vgl. zur gewerkschaftlichen Bildung Allespach et al. 2009; zur „kritischen“ politischen Bildung Lösch und Thimmel 2010; Widmaier und Overwien 2013; zur erziehungswissenschaftlichen Debatte Zeuner 2010b; zur bildungssoziologischen Bremer et al. 2013). Die Wüste lebt also. Diese Neubelebung stützt sich zu großen Teilen darauf, dass die skizzierte „Krise der Politik“ eher eine „Krise des politischen Systems“ im engeren Sinne ist, aber keineswegs gleichgesetzt werden kann mit einem generellen Desinteresse an Politik im Sinne der Regelung der „allgemeinen Angelegenheiten“. Für viele Menschen etwa entsteht vor dem Hintergrund der „postdemokratischen“ Entwicklung vielfach das Bild, von grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen zu werden. Enttäuschte Erwartungen führen zu einer Abwendung von etablierten Formen politischer Beteiligung und zu vielfältigem Engagement und Protesten (Marg et al. 2013), die sich häufig auch in unsichtbaren und wenig anerkannten Formen ausdrücken (Calmbach und Borgstedt 2012; Klatt und Walter 2011). Es grummelt also gewaltig und bei vielen wächst der Wunsch, „nicht dermaßen regiert zu werden“ (Foucault 1992, S. 12).
Darin steckt ein enormes Potenzial für Bildungs- und Lernprozesse Erwachsener, was jedoch bisher von der politischen Bildung wie von der Erwachsenenbildung erst in Ansätzen erkannt und aufgenommen wurde. Wir wollen nachfolgend auf einige Diskurse eingehen, die eine Belebung der politischen Bildung kennzeichnen bzw. neue Potenziale erschließen können, um gegenwärtige gesellschaftliche Problemlagen zu bearbeiten, die an die Erwachsenenbildung insgesamt herangetragen werden.
2 Das „Politische“ neu diskutieren
Die angesprochenen „postdemokratischen“ Entwicklungen berühren die zentrale Frage nach dem Gegenstand politischer Bildung. Will man sich nicht nur auf die Politik im engeren Sinn, also bezogen auf das politische System, die etablierten Institutionen und Abläufe, beschränken, dann ist zu fragen: Wie kann man das „Politische“ in modernen, pluralen und formal demokratisch verfassten, aber doch höchst widersprüchlichen Gesellschaften bestimmen, und wie davon ausgehend Ziele politischer Bildung formulieren? Dabei werden zwei unterschiedliche, sich in gewisser Weise widersprechende Entwicklungen aufgegriffen: Einerseits ein nachlassendes Interesse und schwindende Akzeptanz an der (verfassten) Politik („Krise der Politik“), anderseits breite Aktivitäten außerhalb der etablierten Bahnen in zahlreichen Initiativen, Bewegungen und Aktions- und Protestgruppen (Marg et al. 2013). In diesem Zusammenhang hat sich eine lebhafte Debatte darum entwickelt, was nun eigentlich der Kern des Politischen ist. In der politischen Erwachsenenbildung berührt das die immer wieder diskutierte Frage nach dem „engen“ oder „weiten“ Politikbegriff (Hufer 2013).
Dabei werden nicht unbedingt zentrale Dimensionen des Politischen wie Macht, Herrschaft, Konflikt, Öffentlichkeit usw. infrage gestellt, vielmehr geht es darum, wie genau sich solche Dimensionen in modernen Gesellschaften ausdrücken, wo sie sich auffinden lassen, wie sich im Alltag der Menschen zeigen und inwiefern sich daran Bildungs- und Lernprozesse entzünden können.
Im Zuge dieser Debatte werden verstärkt Ansätze aufgenommen, die bisher wenig in der politischen Bildung beachtet wurden und die den Blick für eine in solcher Weise erweiterte Perspektive auf Politik schärfen und auch die für politische Bildung wichtige Frage der Subjektivität neu stellen (vgl. Thon 2013 zum Verhältnis von Politik und Bildung).
Mit Ranciere (2002) lässt sich an dessen Unterscheidung von „Polizei“ (vereinfacht als manifest gewordener Ausdruck einer bestimmten politischen und institutionellen Ordnung) und „Politik“ (als der Prozess bzw. die Bewegung, die diese Ordnungen immer wieder infrage stellt) ansetzen. Ein Kern von Politik lässt sich demnach nicht exakt und letztendlich bestimmen, sodass sich auch der Begründungshorizont politischer Bildung verschiebt, wie Riefling u. a. (2013) ausführen. Ziel politischer Bildung kann dann nicht mehr die Vermittlung eines wahren „Kerns von Politik“ sein (ebd., S. 311) – den gibt es nicht. Bildung wird vielmehr immer dann politisch, wenn Selbstverständlichkeiten, Setzungen, Eindeutigkeiten und Grenzziehungen infrage gestellt werden, die „polizeiliche Ordnung“ durchbrochen wird. Das kann geschehen, wenn etwa thematisiert wird, warum Europa je nach Kontext verschieden bestimmt wird, etwa über die EU, die UEFA, den EurovisionSongContest (ebd., S. 307).
Mit Bourdieu etwa lässt sich das „politische Feld“ (Bourdieu 2001) als spezieller Bereich denken, in dem ein bestimmtes Verständnis von Politik und bestimmten Artikulationsformen in Wert gesetzt wird, andere dagegen als nicht legitim abgewertet und abgewehrt werden (Bremer 2010a). Davon ausgehend kann eine „Politik des politischen Feldes“ und eine „Politik außerhalb des politischen Feldes“ unterschieden werden. Fokussiert wird dann darauf, wie Kräfte und Akteure in diesem Kampf um Wesen und Inhalte von Politik involviert sind oder nicht, wer also wann und wie die Definitionsmacht über die Gegenstände für sich beansprucht. Gefragt werden kann etwa danach: Ist das Private politisch oder ist nur das Öffentliche politisch? Und wenn: Sind Geschlechterrollen privat oder öffentlich? Ist Kopftuchtragen privat oder öffentlich? Um solche Unterscheidungen findet ein ständiges Ringen statt. Aus der Perspektive und vom Standpunkt jener, die im politischen Feld agieren bzw. diesem nahe stehen, erscheinen dann bestimmte Personen oder Gruppen, als „unpolitisch“ (etwa Migrantinnen und Migranten, die sich in Nachbarschaftsvereinen oder Fußballanhänger/-innen, die sich in Fanklubs engagieren) – und werden nicht selten zu „problematischen“ und „defizitäre“ Zielgruppen politischer Bildung (siehe unten). Politische Bildung kann sich aber anders definieren und aus dieser Perspektive Themen und Akteure für sich entdecken, die dem „common sense“ über Politik entgegenstehen. So lässt sich etwa der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und politischer Partizipation und Bildung neu thematisieren (Bremer 2012; Kleemann-Göhring 2013).
Gemeinsam ist den hier exemplarisch skizzierten Ansätzen, Politik im engeren Sinn als eine sozial konstruierte und sozial durchdrungene Sphäre zu begreifen, die also nicht „a priori“ gesetzt werden kann, sondern deren Konstituierung, institutionelle Verfasstheit und Legitimität selbst als Politikum zu begreifen und zu dekonstruieren ist. Immer geht es dabei darum, in kritischer Absicht (Widmaier und Overwien 2013) mit den Selbstverständlichkeiten, der „Orthodoxie“, dem „common sense“ über Politik zu brechen. Bei all dem ist immer die Frage, wie die politische Bildung in diese Prozesse verstrickt ist und welche Themen, Akteure, Prozesse als relevant eingestuft werden.
Damit wird es möglich, Politik jenseits der „Krise der Politik“ zu füllen und Perspektiven für eine politische Bildung zu entwerfen, die nicht vom „Krisenlamento“ geprägt ist, sondern neue Potenziale entdecken kann.
3 Milieuspezifität von politischer Bildung und Partizipation reflektieren
Diese neuen Perspektiven auf den Gegenstand politischer Bildung eröffnen auch andere Handlungskonzepte für die Bearbeitung des Problems der „sozialen“ oder „doppelten Selektivität“ (Faulstich 1981), das im Kontext von Chancengleichheit zu den drängendsten Aufgaben der Erwachsenenbildung insgesamt zählt. In der politischen Bildung wurde diesem Problem lange Zeit wenig Beachtung geschenkt. Sieberts (1990, S. 432 f.) Feststellung, dass „die politischen Bildungsangebote […] nicht in erster Linie von denjenigen in Anspruch genommen [werden], für die sie konzipiert sind, nämlich von den politisch und sozial benachteiligten Gruppen, sondern am ehesten von der intellektuellen bürgerlichen Mittelschicht“, wurde auch in späteren Studien im Kern bestätigt (Flaig et al. 1993; Barz et al. 2004, S. 119; Fritz et al. 2006, S. 126). Dabei dominierten oft vereinfachende Sichtweisen, die die geringere Partizipationsbereitschaft bzw. Teilnahme „bildungsferner“ Gruppen an politischer Bildung aus einer „Defizitperspektive“ betrachten (ausführlicher: Bremer 2010b). Benachteiligte Gruppen stehen demnach aufgrund (bedauernswerter) geringer ökonomischer und kultureller Ressourcen, mangelnder Reflexivität und fehlendem Bewusstsein Politik und politischer Bildung distanziert gegenüber. Entsprechende Studien (vgl. etwa Neugebauer 2007) werden oft als Beleg für das Vorhandensein „politischer“ und „unpolitischer“ Milieus gelesen (Detjen 2007).
Dass sich die Sache nicht ganz so einfach verhält, wird unmittelbar klar, wenn man sich andere Studien ansieht. So arbeitet Munsch (2010) heraus, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund (denen häufig eine geringe Partizipationsbereitschaft attestiert wird), sehr wohl engagieren, allerdings auf andere Weise, außerhalb der etablierten Bahnen. Ähnlich finden Klatt und Walter (2011) bei sozial Benachteiligten ein „verborgenes, informelles Engagement“ (ebd., S. 196), das häufig nicht sichtbar wird, u. a. auch deshalb, weil die Menschen selbst ihr Handeln in Begriffen ausdrücken („Helfen“, „füreinander einstehen“), auf die empirische Untersuchungen oft nicht eingestellt sind. Calmbach und Borgstedt (2012) holen in ihrer Studie zu Lebenswelten „bildungsferner“ Jugendlicher das „unsichtbare Politikprogramm“ dieser vermeintlich „unpolitischen“ Gruppe plausibel ans Licht. Und Pape (2011) weist in ihrer Untersuchung nach, dass funktionale Analphabeten zumeist deswegen als „unpolitisch“ oder „politisch desinteressiert“ erscheinen, weil politisches Engagement und politische Artikulation oft eine bestimmte Form der Beherrschung der Schriftsprache voraussetzt (vgl. auch Korfkamp 2008).
Hier wird erkennbar, dass die Frage „politisch/unpolitisch“ eng damit verknüpft ist, wer die Deutungshoheit über den Gegenstand „Politik“ hat, womit mit Bourdieu auf Kämpfe im „politischen Feld“ verwiesen ist (s. o.). Verstärkt ist in diesem Zusammenhang auf komplexe Mechanismen des Selbst- und Fremdausschlusses aus dem „politischen Spiel“ hingewiesen worden (Bremer 2008, 2012), die in der Bildungsarbeit systematischer berücksichtigt werden müssen. Dabei kann Bezug genommen werden auf Einsichten zur Milieuspezifität von Bildung und Politik.
Tab. 1 zeigt holzschnittartig, dass die oberen Milieus, gestützt auf einen Habitus, der Selbstsicherheit und Souveränität ermöglicht, sich am ehesten selbst im politischen Feld platzieren und repräsentieren können. Alle anderen Milieus sind dabei mehr auf soziale Netze, Institutionen und intermediäre Verbände angewiesen. Am stärksten leiden die unterprivilegierten Milieus darunter, dass ihre Artikulationsformen im politischen Feld entwertet und nicht anerkannt werden. Hier wäre zu fragen, in welchen Institutionen, Vereinen und Verbänden sie überhaupt „zu Hause“ sind, und wie diese zum politischen Feld, und ob dazu auch Einrichtungen der politischen Bildung gehören?
Für die politische Erwachsenenbildung wird hierdurch offensichtlich, dass zentrale Intentionen wie Emanzipation, Mündigkeit, Partizipation usw., immer konkret auf die Alltags- und Lebenssituation der Lernenden zu beziehen ist. Das ist nicht selten damit verbunden, ein althergebrachtes Verständnis von Politik und politischer Bildung „gegen den Strich“ zu bürsten und die Fragen des „Politisch-Werdens“ anders zu beantworten.
4 Politisches Lernen in den Blick nehmen
Ein dritter Diskurs, der für die Erschließung neuer Potenziale für die politische Erwachsenenbildung bedeutsam ist, dreht sich um das politische Lernen. Lernen nämlich bleibt im Kontext politischer Bildung in der Regel unterbelichtet; die seit den 1990er Jahren in der Erwachsenenbildung geführte lebhafte Debatte zum Lernen ist in der politischen Bildung nur ansatzweise aufgenommen worden.
Studien zur politischen Erwachsenenbildung konzentrieren sich etwa auf die Analyse von Themen, Zielgruppen und die Entwicklungsperspektiven institutionalisierter politischer Bildungsarbeit (Fritz et al. 2006; Ahlheim und Heger 2006). Die damit implizierten Lernprozesse sind entweder nicht im Blick oder werden nicht näher theoretisch diskutiert. Es scheint vielfach ein „common sense“ über Lernen als eine irgendwie vollzogene Verhaltensänderung zu bestehen, für die es keiner näheren Analyse bedarf. Im Kontext der schulbezogenen Politikdidaktik wird demgegenüber vielfach die Entwicklung allgemeiner Kompetenzen, wie Demokratiekompetenz, Partizipations- oder Bürgerkompetenz, fokussiert (etwa Weißeno et al. 2010), die notwendig für die Aneignung oder den Erhalt eines demokratischen Bewusstseins seien und zur Teilhabe an Gesellschaft befähigen sollen (Massing 2009). Verbunden ist mit dieser Perspektive oft die Annahme einer Herstellbarkeit bestimmter Wissensbestände. In der Gleichsetzung von Lehr- und Lernzielen wird dann schnell ein Lehr-Lern-Kurzschluss evoziert (Holzkamp 2004; Lange 2011, S. 97).
Um die eingangs skizzierten Krisenszenarien politischer Bildungsarbeit zu überwinden braucht es ein Wissen darüber, wie sich individuelles Lernen mit Bezug auf die Sphäre des Politischen konkret vollzieht. Aufgrund welcher Lerninteressen und -gründe werden vom Einzelnen Lernhandlungen initiiert oder auch nicht? Welche Lernwege werden dafür eingeschlagen und welche Lernformen favorisiert? Um diese Fragen zu klären, ist es wichtig, Subjekte als aktive Individuen zu denken, die eingebunden in soziale Kontexte sind, welche in unterschiedlicher Weise zu politischer Teilhabe privilegieren oder nicht privilegieren, und dass Lernen als eine spezifische Form sozialen Handelns sichtbar wird. Klaus Holzkamps subjektwissenschaftliche Lerntheorie und Pierre Bourdieus Habitus-Feld-Theorie bieten hier interessante Ansätze, um die Perspektive auf politisches Lernen und Handeln zu erweitern (Bremer und Trumann 2013; Trumann 2013). Lernen vollzieht sich etwa für Holzkamp (2004) dann, wenn sich im alltäglichen Handeln Problemsituationen ergeben, zu deren Bewältigung die vorhandenen Fähigkeiten nicht ausreichen, es dem Einzelnen aber im Sinne größer Weltverfügung dennoch sinnvoll erscheint, diesen lernender Weise zu begegnen. Eine eigene empirische Untersuchung zum Lernen in Bürgerinitiativen hat diese Perspektive aufgegriffen und darauf gestützt selbst initiierte politische Lern-Handlungspraxen analysiert (Trumann 2013). Dabei konnte ein Lern-Handlungsraum expliziert werden, der es ermöglicht, selbst initiierte Lernhandlungen in ihrer Vielschichtigkeit sichtbar zu machen. Das damit freigesetzte detailliertere Wissen über deren Charakter lässt die häufig entgegengebrachte Skepsis gegenüber der Wertigkeit selbst initiierten Lern-Handlungspraxen hinterfragbar werden. Deutlich wird, dass die einseitige Fokussierung institutionalisierten Lernens die Komplexität individuellen Lernhandelns nicht ausreichend zu fassen vermag. Die Analyse politischen Lernens aus Subjektperspektive öffnet demgegenüber den Blick für die Potenziale selbst initiierten politischen Lernens für gesellschaftliche Transformationsprozesse und für die politische Bildungsarbeit.
5 Die Vielfalt von Lernorten und -formen wahrnehmen und anerkennen
Die Diskussion zu politischer Bildungsarbeit berührt immer auch die Frage von Lernorten und -formaten, die aktuell in der Erwachsenenbildung verstärkt aufgegriffen wird (Bernhard et al. 2015, Bremer und Trumann 2011). Lange galten Bildungsstätten, Heimvolkshochschulen oder Akademien als die Bildungsorte, denen aufgrund ihrer Herausgehobenheit aus dem Alltag zentrale Bedeutung zukam (Ciupke 2010). Mit Abstand von alltäglichen Handeln, Verpflichtungen und einengenden Zeitregimen wird hier ein selbstbestimmtes und gemeinschaftliches Lernen fokussiert, „dass nicht aufgenötigt wird, sondern sich zwanglos von selbst ergibt“ (ebd., S. 318). Auch wenn diese Aspekte gerade im Strudel der Ökonomisierung von Bildungsprozessen und der zeitlichen Verdichtung von Biografien eher wichtiger als unwichtiger werden sollten, wird heute vermehrt diskutiert, inwiefern das Konzept „Bildungsstätte“ noch anschlussfähig für Lebensentwürfe und Milieus ist (Ameln 2014; AdB 2012). Es stellt sich also hier die Frage, wie über politische relevante Lernorte und -formate neu nachgedacht werden kann. Hier ist auf die bereits erwähnte stärkere Lebensweltorientierung zu verweisen. So kann etwa durch Exkursionen, Erkundungen, Stadteilinitiativen u. ä. Lernen und Erleben verbunden werden und dies dann als Moment der Unterbrechung der Alltagskontinuitäten dienen (Faulstich 2012). Zur Beschreibung von Lernorten unterscheidet Ciupke (2010, S. 318) zwischen inszenierten (Museen, Gedenkstätten, Denkmälern etc.) und nicht inszenierten Lernorten und konstatiert, dass somit jeder Ort, Lernort sein könne (zur pädagogischen Aneignung von Lernorten: Kraus 2010). Noch weiter führt die Einordnung von Faulstich und Haberzeth (2010), die die große Bandbreite möglicher Lernorte anhand ihres Inszenierungsgrades systematisieren. Inspirierend ist hier insbesondere die Analyse des Lernorts „Schrottplatz“.
Wenn jeder Ort Lernort sein könne, dann ist zur Initiierung von Lernen nach jedoch wichtig, dass der jeweilige Ort als solcher gelesen würde (Ciupke 2010). An diesem Punkt stellt sich die Frage, wie sich dieses Lesen vollziehen soll und wer liest? Die Frage von Lernorten und Formaten ist damit eng verbunden mit der Frage von Befugnis und Befähigung (Bourdieu 2001). Wer ist befähigt zu lesen und welches Lesen ist das „richtige“ Lesen? Ciupke (2010, S. 322) verweist darauf, dass Formate, die mit bestimmten normativen Vorannahmen über richtiges Lernen und seine Organisation nicht kompatibel seien, oftmals administrativen Argwohn ausgesetzt seien, auch wenn sie nachgefragt würden. Auch hier trifft man dann wieder auf den zuvor angesprochenen scheinbaren „common sense“, der nicht nur „richtiges“ Lernen, sondern auch „richtige“ Lernorte festsetzt. Politisches Lernen wird dabei häufig auf institutionalisierte Bildungsarbeit reduziert, informelle und selbst initiierte Lernhandlungen (Vereinen, Initiativen etc.) werden demgegenüber in ihrer Wertigkeit herabgestuft (Trumann 2013). Bezug nehmend auf die Krisenszenarien politischer Bildung (etwa geringe Teilnehmendenzahl) zeigt sich in dieser Gegenüberstellung, in welche Zwickmühle sich politische Bildungsarbeit selbst manövriert – das eine wird nicht nachgefragt und das andere nicht anerkannt. Ein Ausweg besteht darin, die Aufgaben, Ziele, Inhalte etc. politischer Bildungsarbeit aus den lebensweltlichen politischen Praxen der Menschen zu generieren. Also: Welche Ort und Lernformate werden für den jeweils Einzelnen bedeutsam und welche Aufgabe resultiert daraus für institutionalisierte Bildungsarbeit? Dazu bedarf es einer Analyse informeller Lernorte und der darin eingelagerten individuellen Lernpraxen. Wir haben diese Perspektive beispielsweise aufgenommen in unseren Überlegungen zur Verbindung von politischem Lernen und Handeln in Aktionsformen wie Flashmobs oder Urban Gardening (Ludwig et al. 2011). Interessant sind auch politikwissenschaftliche Analysen unkonventioneller politischer Partizipationsformen etwa zu Graffiti, Leserbriefen oder der Occupy-Bewegung (vgl. Nève und Olteanu 2013).
Faulstich (2012, S. 9) konstatiert, dass „als Heilmittel gegen Teilnahmeschwund und Bedeutsamkeitsverlust innovative Methoden und Formate [im Rahmen politischer Bildungsarbeit] angesagt“ sind und somit durchaus lebensweltliche Praxen und Artikulationsformen aufgenommen werden. So spielen die digitalen Medien und E-Learning-Angebote eine große Rolle, werden Flashmobs durchgeführt, Graffiti-Workshops angeboten u. v. m. Zwei Aspekte erscheinen hier durchaus problematisch. Zum einen geht durch eine Okkupierung und quasi ‚Verschulung‘ dieser Formate ihr ursprünglicher Reiz des Unkonventionellen vermutlich verloren (Ludwig et al. 2011). Zum anderen bedarf diese Entwicklung neuer Formate einer lerntheoretischen Reflexion, die aber zumeist ausbleibt. Faulstich (2012, S. 10) verweist hier etwa skeptisch darauf, dass „Umtriebigkeit größere Zielklarheit eher behindert und dass damit Chancen expansiven Lernens verspielt werden“ können. Vielmehr sollte es um gegenseitige Anerkennungsprozesse unterschiedlicher Felder und Praktiken in einem gemeinsamen Lern-Handlungsraum gehen, indem institutionelle politische Bildungsarbeit bei Bedarf Support bereitstellen kann und unkonventionelle Aktionsformen als kreativer Impulsgeber für politisches Handeln und Lernen dienen können. Insgesamt zeigt die zuletzt intensiv geführte Debatte um neue Lernorte und -formate in der politischen Bildung, dass auch hier große Potenziale liegen, es aber kurzschlüssig wäre, die neuen Orte und Formate schon an sich als Allheilmittel zur Lösung von Problemen in der politischen Bildungsarbeit zu sehen; vielmehr bedarf es einer gründlichen Reflexion der Passungen zu subjektiven und milieuspezifischen Kontexten der Adressatinnen und Adressaten.
6 Die Einheit von beruflicher und politischer Bildung denken
Die Verbindung von politischer Bildung mit anderen Bereichen ist in der Erwachsenenbildung schon früh und oft diskutiert worden. Borinski (1954) sah die politische Bildung als ein Prinzip, das „alle Unterrichtsgebiete durchdringen und zu einer Einheit zusammenfassen“ muss (ebd., S. 64). Tietgens legte 1976 ein Konzept zur „Einheit beruflicher und allgemeiner Bildung“ vor, mit dem eine „Balance und gegenseitige Durchdringung von Qualifikationsinteressen und Emanzipationsinteressen“ anzustreben sei (Tietgens 2010, S. 245). Faulstich (2004, S. 88) betont, dass „Bildung in einem umfassenden Sinn nicht in den Schachteln des „Beruflichen“, des „Allgemeinen“ oder eines Besonderen „Politischen““ stattfindet.
In der „community“ der politischen Bildung wird die Integrationsdebatte häufig als irritierend wahrgenommen und dem gegenüber der Eigensinn der politischen Bildung betont, die eben einer anderen, nicht „funktionalen“ und auf „Verwertung“ zielenden Logik folgt. Zudem existiert oft die durchaus berechtigte Sorge, dass die Integrationsdebatte bildungspolitisch und ökonomisch instrumentalisiert wird und für manche lediglich als Vorwand für Kürzungen im Bereich politischer Bildung dient. Es ist also in gewisser Weise heikel, Forderungen nach der Integration beruflicher und politischer Bildung zu stellen. Der Sache nach ist gleichwohl zu betonen, dass das Lernen von Erwachsenen sich „immer schon in einer integrierten Realität“ vollzieht (Faulstich 1991, S. 198).
7 Exkurs: Gesellschaftsbild und Weiterbildung
In unserer Untersuchung zum Zusammenhang von Gesellschaftsbild und Weiterbildung (Bremer et al. 2015) konnten wir den engen Zusammenhang von beruflichen und politischen Dimension von Weiterbildung erneut aufzeigen. Dem als qualitativen Längsschnitt angelegten Projekt lag die These zugrunde, dass die Teilnahme an Weiterbildung mit Vorstellungen zusammenhängt, die eigene soziale Lage und gesellschaftliche Stellung durch Weiterbildung verbessern bzw. absichern zu können. Dabei stellen längerfristige Weiterbildungssituationen, in unserem Fall zweijährige Umschulungen bzw. das Nachholen von Schulabschlüssen, eine Moratoriums-Phase dar, in der bisherige soziale und politische Ordnungsvorstellungen (also Gesellschaftsbilder) sowie eigene Handlungsoptionen abhängig von Biografie, Habitus und Milieu überprüft werden und Umorientierungen erfolgen können (siehe Tab. 2).
Auf die Ergebnisse kann hier im Detail nicht eingegangen werden. Wir konnten sechs verschiedene und in Varianten unterteilbare Gesellschaftsbilder finden, die in verschiedener Weise mit eigenen Handlungsprinzipien und mit der gegenwärtigen beruflichen Weiterbildungserfahrung verbunden sind. Sichtbar wurde auch, dass die Weiterbildung selbst tendenziell individualistische Handlungsstrategien beförderte. Generell gab es ein eher starkes Interesse an Politik und viel Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen, zumeist bezogen auf die eigenen Weiterbildungserfahrungen und verbunden mit großer Skepsis gegenüber der verfassten Politik und ihrer Repräsentanten (Bremer et al. 2015, S. 227 ff.)
Insgesamt bestätigt sich durch die Untersuchung die These von der „integrierten Realität“ des Lernens Erwachsener, d. h., dass die berufliche Weiterbildungsphase und die damit verbundene Antizipation der sozialen Laufbahn auf engste verknüpft ist mit der Wahrnehmung gesellschaftlich-politischer Fragen wie Gerechtigkeit, Chancengleichheit und den Möglichkeiten der eigenen partizipatorischen Einflussnahme. Damit bekommt zum einen die Integrationsdiskussion empirisch basiert neue Impulse. Wichtig ist, das (vermeintlich private und einer rein sachlichen Logik folgende) berufliche und das (vermeintlich öffentliche und entscheidbare) außerberufliche nicht gegeneinander auszuspielen. Die politische Bildung zugespitzt als Oase der Emanzipation, Befreiung und Selbstbestimmung zu sehen, die gegen eine tendenziell „deformierende“, „knechtende“ und auf reine Anpassung zielende fachliche Bildung verteidigt werden muss, ist wenig sinnvoll. Zum anderen impliziert das aber auch, dass die Integrationsdebatte nicht nur an die politische Bildung zu adressieren ist, sondern mindestens genauso an den „Mainstream“ der beruflichen Bildung, die gerade im Zuge einer verengt geführten Kompetenzdebatte die politische Dimension von beruflichen Weiterbildungsprozessen zumeist ausblendet.
8 Erwachsenenbildung als politische Bildung
Insgesamt zeigt sich, dass die „Krise“ der politischen Bildung keinesfalls unvermeidlich ist. Nötig ist jedoch, dass politische Bildung ihren Gegenstand, ihre Ziele und ihr Verhältnis zu den Adressatinnen und Adressaten in eine erweitere Perspektive stellt und sich Potenziale erschließt, wie wir das an den umrissenen Themenfeldern exemplarisch angedeutet haben. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass die Disziplin der Erwachsenenbildung ihr Verhältnis zur politischen Bildung neu justiert. Zu lange wurde die politische, überfachliche und überindividuelle Dimension in den Bildungsprozessen Erwachsener sträflich vernachlässigt. Die Erwachsenenbildung könnte hier, in Verbindung mit dem Inklusionsgedanken (Kronauer 2010), wieder an ihre historische Aufgabe anknüpfen, nämlich Teil des Demokratisierungsprozesses der Gesellschaft zu sein. Die Voraussetzungen dafür sind gar nicht mal schlecht. Wie eingangs erwähnt: Das gesellschaftliche Rumoren hat allenthalben zugenommen. Im Bildungswesen wächst das Unbehagen an der „Ökonomisierung von Bildung“ (Timm et al. 2010; Pasuchin 2012).
Damit ist aber auch auf die Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen verwiesen, hier im Speziellen für die Erwachsenenbildung. Wenn man nämlich politische Bildung im Sinne Borinskis als „Querschnittsaufgabe“ sieht, die alle Bildungsbereiche durchzieht, dann muss zugleich betont werden, dass diese politische Dimension in den entsprechenden Lernprozessen nicht von allein an die Oberfläche kommt; „sie muss den Fachthemen durch politisch-didaktische Reflexion abgerungen werden“ (Allespach et al. 2009, S. 13). Nötig ist ein erwachsenenpädagogisches „Know How“, d. h. das Entwickeln eines pädagogischen Gespürs und Handlungsrepertoires, das um diese Dimensionen weiß und ihnen in der Bildungsarbeit entsprechenden Platz einräumt. Vor diesem Hintergrund ist es dann problematisch, dass politische Bildung innerhalb der universitären Erwachsenenbildung nicht oder wenig curricular verankert ist (Bremer 2013). Für eine Erwachsenenbildung, die sich dem Bildungsgedanken in breiter Form verpflichtet sieht, wäre es wichtig, die Balance zwischen den verschiedenen Dimensionen von Bildung neu auszutarieren.
Literatur
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Ahlheim, K. (2007). Ungleichheit und Anpassung. Die „Modernisierung“ der Weiterbildung. In K. Ahlheim (Hrsg.), Ungleichheit und Anpassung, (S. 33–51). Hannover: Offizin.
Ahlheim, K., & Heger, B. (2006). Wirklichkeit und Wirkung politischer Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts: Wochenschau Verlag.
Allespach, M., Meyer, H., & Wentzel, L. (2009). Politische Erwachsenenbildung. Marburg: Schüren.
Ameln, F. v. (2014). Lernort Heimvolkshochschulen. Eine empirische Studie. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
Arnold, R., & Siebert, H. (1995). Konstruktivistische Erwachsenenbildung. Baltmannsweiler: Schneider.
Barz, H., & Tippelt, R. (Hrsg.). (2004). Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland. Band 2. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
Bernhard, C., Kraus, K., Schreiber-Barsch, S., & Stang, R. (Hrsg.) (2015). Erwachsenenbildung Raum: Theoretische Perspektiven – professionelles Handeln – Rahmungen des Lernens. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
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Bremer, H., Trumann, J. (2017). Politische Erwachsenenbildung in politischen Zeiten. In: Münk, D., Walter, M. (eds) Lebenslanges Lernen im sozialstrukturellen Wandel. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14355-8_5
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