Zusammenfassung
Zu Beginn wird die instrumentalistische Denkweise in der Ökonomie, wie sie von Milton Friedman begründet wurde, vorgestellt. Anschließend wird der Begriff der Viabilität aus dem radikalen Konstruktivismus nach Glasersfeld entlehnt, um Aussagen über den Zweck instrumentalistischer Modellbildung in der Wissenschaft zu tätigen. Die instrumentalistische Rechtfertigung der Effizienzmarkthypothese wird daraufhin überprüft: Es wird gezeigt, dass die Effizienzmarkthypothese auch auf Basis einer instrumentalistischen Sichtweise verworfen werden müsste, da sie das Viabilitätskriterium nicht erfüllt. Mithilfe des Konzepts der nichttrivialen Maschine von Heinz von Foerster wird eine instrumentalistische Alternativerklärung für die Unprognostizierbarkeit von Kursverläufen angeboten.
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Es ist allerdings fraglich, ob die Maximierungshypothese ein geeignetes Beispiel für instrumentalistische Modellbildung ist. Denn ein Grund für instrumentalistische Modellbildung liegt darin, das Induktionsproblem zu vermeiden. Die Annahme, dass ein Geschäftsmann über „alle für die Maximierung notwendigen Informationen“ verfügt, steht jedoch in Widerspruch zum Induktionsproblem und führt weiterhin zu dem Problem, dass dem Geschäftsmann eine höhere Erkenntnisfähigkeit zugesprochen wird als dem die jeweilige Fragestellung untersuchenden Wissenschaftler (siehe dazu die Schilderung des Problems der Verbundhypothese in Kap. 3).
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Diese Argumentationen finden in der Regel ohne expliziten Verweis auf wissenschaftstheoretische Konzepte statt. Deshalb sind etwaige diesbezügliche Inkonsistenzen in der Modellkonzeption weniger auffällig.
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Bei der Beschreibung der Hypothese selbst wird der Informationsbegriff nicht näher erläutert. Fama (1991, S. 1576–1610) beschreibt jedoch unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Effizienzmarkthypothese empirisch untersucht werden kann. Dies kann einerseits erfolgen indem untersucht wird, ob Informationen, die auf effizienten Märkten keinen Einfluss auf die Marktpreisbewertung haben sollten, dennoch in der Lage sind, Marktpreisentwicklungen (zukünftige Erträge, die bei rationaler Bewertung den Marktpreis bestimmen) vorherzusagen. Dazu zählen beispielsweise Informationen über Erträge in der Vergangenheit und Insider Informationen. Anderseits kann der Einfluss von neuen Ereignissen, die bei rationaler Bewertung einen Einfluss auf den Marktpreis haben sollten, dazu herangezogen werden, um die tatsächlichen Marktpreisänderungen und die Geschwindigkeit, mit der diese erfolgen, zu untersuchen.
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Wie bereits in Kap. 2 dargestellt, klammert die Effizienzmarkthypothese ebenfalls die individuellen Prozesse der Informationsverarbeitung durch die Marktteilnehmer aus. Denn aus dem Effizienzpostulat folgt, dass die individuellen Prozesse der Informationsverarbeitung nicht beachtet werden müssen.
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Die kognitive Wende entstand als Reaktion auf den Behaviorismus und klammerte kognitive Prozesse nicht mehr aus wissenschaftlichen Erklärungsmodellen aus (Miller 2003, S. 141–143).
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Beispielsweise können die in Abschn. 2.3 zitierten Experimente zu Preisblasen als Hinweise darauf interpretiert werden, dass die Marktteilnehmer lernen: mit zunehmender Erfahrung im experimentellen Marktsetting verbessern die Marktteilnehmer ihre Performance.
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Für einen Überblick über die Auswirkungen der Stimmung auf das Investorenverhalten siehe zum Beispiel Shu (2010, S. 268–270).
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Da dieses Marktmodell als Alternativhypothese im Sinne des Instrumentalismus konzipiert ist, ist die Realitätsnähe der Annahme des repräsentativen Investors ebenso irrelevant wie die Realitätsnähe der Rationalitätsannahme der Effizienzmarkthypothese.
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Gemeint sind hier wiederum in Analogie zur Effizienzmarkthypothese „fundamentale“ Informationen.
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Die Auswirkungen der Investorenstimmung sind empirisch besser untersucht als das Lernverhalten von Investoren.
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Die englischsprachige Bezeichnung „High Sentiment“, die einen positiven Wert im „Sentiment Index“ bezeichnet, wird mit Optimismus übersetzt. Zur Messung der Investorenstimmung in der Studie siehe Mian und Sankaraguruswamy (2012, S. 1361–1362).
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Die genannte Studie untersucht die Auswirkung der Stimmung auf die Verarbeitung der Informationen, nicht aber die Auswirkung der Informationen auf die Stimmung. Die Kausalrichtung Stimmung → Informationsverarbeitung/Kognition scheint mehr Beachtung in der Forschung zu finden als die Kausalrichtung Informationsverarbeitung/Kognition → Stimmung. In psychologischen Emotionstheorien finden sich jedoch Überlegungen, dass den Emotionen kognitive Bewertungsprozesse zu Grunde liegen (Lazarus 1982, S. 1019–1024). In Analogie zu den Emotionstheorien wird für das Beispiel Modell angenommen, dass positive Einschätzungen im Rahmen von kognitiven Prozessen des sich mit seiner Umwelt auseinandersetzenden Individuums zu positiven Stimmungen führen, während negative Einschätzungen zu negativen Stimmungen führen.
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Ein zunehmender Wert bei der Investorenstimmung wird wiederum mit Optimismus übersetzt. Für die Erläuterung der verwendeten Messmethode für die Investorenstimmung siehe Vieira (Vieira 2011, S. 1215).
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Zur Berechnung des unerwarteten Anteils bei Änderungen der Leitzinsfestsetzung siehe Kurov (2010, S. 140).
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Kurov (2010, S. 140–141) verwendet zwei unterschiedliche Messmethoden für die Investorenstimmung.
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An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die Stimmungslage im Beispiel Modell aus Gründen der besseren Darstellbarkeit stark vereinfacht als dichotome Variable ausgewiesen wird, während sie in den zitierten Studien zur Investorenstimmung als stetige Variable konzipiert ist.
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Dies hängt unter anderem davon ab, ob es gelingt, mit der Vielfalt der möglichen Regeln umzugehen. Auf dieses Problem wird in Kap. 6 in Zusammenhang mit agentenbasierten Marktmodellen eingegangen.
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Janous, G. (2016). Die Effizienzmarkthypothese als instrumentalistisches Marktmodell. In: Zum Verhältnis von Markt und Individuum auf Finanzmärkten. Forschung und Praxis an der FHWien der WKW. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13724-3_4
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