Skip to main content

Wir assistieren uns zu Tode

Leben mit Assistenzsystemen zwischen Kompetenz und Komfort

  • Chapter
  • First Online:
Assistive Gesellschaft

Part of the book series: Öffentliche Wissenschaft und gesellschaftlicher Wandel ((OEWGW))

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird Assistenzgesellschaft verstanden als eine in allen Lebensbereichen mit intelligenten künstlichen Assistenten interagierende Gesellschaft. Einige Schritte hierzu sind mit heutigen persönlichen Assistenzsystemen, sozialen Robotern und umfassender Smartphone-Assistenz bereits getan. Forschungs- und Entwicklungsvisionen zielen mit technischer Assistenz vermehrt auf Komfort und so darauf, das Leben simpel und einfach zu machen. Es besteht jedoch eine grundsätzliche Spannung zwischen komfortorientierter Assistenztechnik, die bei Widerständen vorauseilend beispringt, und dem kompetenzbasierten Selbst-Können und eigenmächtigen Überwinden der widerständigen Welt. Kompetenz bildet sich am Widerstand – Komfort trifft ihn erst gar nicht an. Wie kann in diesem Spannungsverhältnis assistiertes Handeln gestaltet werden, um von Gratifikationen technischer Assistenz zu profitieren, ohne sich um die Grundlage eigener Entwicklungsmöglichkeiten zu bringen und in Assistenzabhängigkeiten zu geraten? Wie genießt man Komfort, ohne Kompetenz aufs Spiel zu setzen? Ein Lösungsansatz wäre eine kompetenzsensible höherstufige Assistenz, die um des Kompetenzerhalts willen Komfortleistungen verweigern kann. Die Assistenzgesellschaft wird aufmüpfige Assistenten brauchen, wenn sie noch etwas selbst können will.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 34.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Dessen mythologische Gallionsfigur ist der viellistige, technisch versierte Odysseus, daher einer seiner Beinamen polymechanos.

  2. 2.

    Idealisiert ist dieses Kalkül, weil technische Anstrengungsübernahme stets auch Wartungsanstrengungen, Betriebs- und Unterhaltskosten, Ressourcenbereitstellung, Bewältigung oder Kompensation negativer Effekte etc. beinhaltet.

  3. 3.

    Vgl. Böhle und Bopp (2014); auch Companion Technology (SFB Transregio 62 2016).

  4. 4.

    GA Project (2012).

  5. 5.

    Schroder et al. (2009).

  6. 6.

    Z. B. der Sex-Roboter Roxxxy: „We have been designing ‚Roxxxy TrueCompanion‘, your TrueCompanion.com sex robot, for many years, making sure that she: knows your name, your likes and dislikes, can carry on a discussion and expresses her love to you and be your loving friend. She can talk to you, listen to you and feel your touch. She can even have an orgasm!“ (TrueCompanion 2016). Auch hier ist die tatsächliche Performance im Gegensatz zum Werbeversprechen zu prüfen. Roxxxy scheint aber gemäß diesem Versprechen von der Last zu befreien, menschliche Sexualpartner finden und halten zu können. Sollten die Sexroboter eine Form des embodied porn umsetzen, ließe dies gemessen an der heutigen Verbreitung und Rolle von Pornographie entsprechende Schlüsse für die inter-humane Sexualität in einer intim assistierten Assistenzgesellschaft zu.

  7. 7.

    Hinzu kommen weitere Rollen aus dem therapeutischen Bereich, wie das robotische Therapietier Paro (PARO 2014).

  8. 8.

    Platon: Phaidros 274b–276a.

  9. 9.

    Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es den Beruf des Gasriechers, dessen Aufgabe darin bestand, Lecks an Stadtgasleitungen zu erschnüffeln, wozu er einen sensiblen und geschulten Geruchssinn benötigte.

  10. 10.

    „Hear: 360° microphones and natural language processing let you talk to Jibo from anywhere in the room. Speak: Hands-free reminders and messages, so you’ll never forget and can always be in touch.“ Jibo (2016).

  11. 11.

    Nochmals Pepper: „ …he’s a companion able to communicate with you through the most intuitive interface we know: voice …“ (Aldebaran Robots 2016a).

  12. 12.

    Inzwischen sind Aufzüge und Rolltreppen derart verbreitet, dass wir andere Assistenzsysteme nutzen, um trotz dieses Komforts eine gänzliche Angewiesenheit zu verhindern, seien es Fitnessstudiogeräte wie Stepper und Beinpresse oder Fitness-Apps, -Wearables und Quantified Self Tracker (in der Rolle des Coaches), die unsere Schritte und Stufen zählen und uns ermahnen, uns mehr zu bewegen.

  13. 13.

    Diese Fragen orientieren sich an der AMTIR-Heuristik zu Effekten neuer Mensch-Technik-Relationen (Gransche et al. 2014; vgl. auch Gransche und Shala 2014).

  14. 14.

    Double Robotics (2016).

  15. 15.

    Eine erste Wegbereitung zu dieser Form von integrierter Forschung ist in Deutschland im Bereich der Gestaltung künftiger Mensch-Technik-Interaktion bereits gestartet. Das Bundesforschungsministerium BMBF hat ein Referat gegründet für den Bereich Mensch-Technik-Interaktion im demografischen Wandel, MTI DW (2016). Auch erfahren Sozial- und Geisteswissenschaften in Ansätzen eine steigende Integration in technologische Forschung beispielsweise durch die in „Horizon 2020“ EU-Forschungsprojekten obligatorischen Ethics-Arbeitspakete oder durch die national verstärkt geforderte Einbeziehung von ELSI-Aspekten (Ethical-Legal-Social-Issues).

Literatur

  • Aldebaran Robots. 2016a. Pepper Gallery. https://www.aldebaran.com/en/press/gallery/pepper. Zugegriffen: 13. März 2016.

  • Aldebaran Robots. 2016b. Who is Pepper? https://www.aldebaran.com/en/cool-robots/pepper. Zugegriffen: 10. März 2016.

  • Amazon. 2016. Amazon Echo: Always Ready, Connected, and Fast. http://www.amazon.com/Amazon-SK705DI-Echo/dp/B00X4WHP5E. Zugegriffen: 10. März 2016.

  • Blumenberg, Hans. 2009. Geistesgeschichte der Technik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Böhle, Knud, und Kolja Bopp. 2014. What a vision: The artificial companion: A piece of vision assessment including an expert survey. Science, Technology & Innovation Studies 10 (1): 155–186.

    Google Scholar 

  • Brandes, Helga. 1994. Die Entstehung eines weiblichen Lesepublikums im 18. Jahrhundert. In Lesen und Schreiben im 17. und 18. Jahrhundert: Studien zu ihrer Bewertung in Deutschland, England, Frankreich, Hrsg. Paul Goetsch, 125–133. ScriptOralia 65. Tübingen: G. Narr.

    Google Scholar 

  • Carrer, Luigi , Hrsg. 1836. Lirici italiani del secolo decimosesto. Venezia: L. Plet. con annotazioni di Luigi Carrer.

    Google Scholar 

  • Double Robotics. 2016. Double. http://www.doublerobotics.com/. Zugegriffen: 13. März 2016.

  • Fritsch, Ahasver. 2015. Diskurs über den heutigen Gebrauch und Missbrauch der ›neuen Nachrichten‹, die man »Neue Zeitungen« nennt: (1676). In Die frühesten Schriften für und wider die Zeitung, Hrsg. Jürgen Wilke, 47–60. Baden-Baden: Nomos (ex libris kommunikation, 17).

    Google Scholar 

  • GA Project. 2012. Guardian Angels for a Smarter Life: FET Flagship project. http://www.ga-project.eu/project. Zugegriffen: 13. März 2016.

  • Gransche, Bruno, und Erduana Shala. 2014. AMTIR-Heuristik. http://www.amtir-heuristik.de/index.html. Zugegriffen: 13. März 2016.

  • Gransche, Bruno, Erduana Shala, Christoph Hubig, et al. 2014. Wandel von Autonomie und Kontrolle durch neue Mensch-Technik-Interaktionen: Grundsatzfragen autonomieorientierter Mensch-Technik-Verhältnisse. Stuttgart: Fraunhofer.

    Google Scholar 

  • Hartmann, Johann L. 2015. Unzeitige Neue-Zeitungs-Sucht und Vorwitziger Kriegs-Discoursen Flucht (1679). In Die frühesten Schriften für und wider die Zeitung, Hrsg. Jürgen Wilke, 135–158. Baden-Baden: Nomos (ex libris kommunikation, 17).

    Google Scholar 

  • Hubig, Christoph. 2007. Die Kunst des Möglichen II: Grundlinien einer dialektischen Philosophie der Technik; Ethik der Technik als provisorische Moral, Bd. 2. Bielefeld: Transcript.

    Book  Google Scholar 

  • Huxley, Aldous. 1932. Brave new world. New York: Harper Perennial Modern Classics.

    Google Scholar 

  • Jibo. 2016. Jibo, The World’s First Family Robot. https://www.jibo.com/. Zugegriffen: 13. März 2016.

  • MTI DW. 2016. Mensch-Technik-Interaktion im demografischen Wandel. http://www.mtidw.de/. Zugegriffen 20. Juni 2016.

  • Ortega y Gasset, José. 1952. „Betrachtungen über die Technik: Der Intellektuelle und der Andere. (1939)“ In Signale unserer Zeit: Essays. Sonderausgabe, 445–512. Stuttgart: Europäischer Buchklub. (Meditaciòn de la técnica, 1939).

    Google Scholar 

  • PARO. 2014. PARO Therapeutic Robot. http://www.parorobots.com. Zugegriffen: 13. März 2016.

  • Postman, Neil. 1985. Amusing ourselves to death: Public discourse in the age of show business. New York: Viking.

    Google Scholar 

  • Rosa, Hartmut. 2005. Beschleunigung: Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Schroder, Marc, Elisabetta Bevacqua, Florian Eyben, Hatice Gunes, Dirk Heylen, Mark ter Maat, et al. 2009. A demonstration of audiovisual sensitive artificial listeners. In: 3rd international conference on affective computing and intelligent interaction and workshops, 2009. ACII 2009, 4722: 1–2. doi:10.1109/ACII.2009.5349530.

  • SFB Transregio 62. 2016. Companion Technology. http://www.sfb-trr-62.de. Zugegriffen: 30. Nov. 2016.

  • True Companion. 2016. True Companion: World’s first Sex Robot – Always turned on and ready to talk or play. http://www.truecompanion.com/shop/about-us. Zugegriffen: 13. März 2016.

  • Weinert, Franz E. 2014. Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In Leistungsmessungen in Schulen, 3. Aufl., Hrsg. v. Franz E. Weinert 17–32. Pädagogik 2001, 4. Weinheim: Beltz.

    Google Scholar 

  • Wiegerling, Klaus. 2011. Philosophie intelligenter Welten. Paderborn: Fink.

    Google Scholar 

  • Wilke, Jürgen, Hrsg. 2015. Die frühesten Schriften für und wider die Zeitung. Christophorus Besold (1629), Ahasver Fritsch (1676), Christian Weise (1676), Tobias Peucer (1690), Johann Ludwig Hartmann (1679), Daniel Hartnack (1688). Baden-Baden: Nomos (ex libris kommunikation, 17).

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Bruno Gransche .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2017 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

About this chapter

Cite this chapter

Gransche, B. (2017). Wir assistieren uns zu Tode. In: Biniok, P., Lettkemann, E. (eds) Assistive Gesellschaft. Öffentliche Wissenschaft und gesellschaftlicher Wandel. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13720-5_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-13720-5_4

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-13719-9

  • Online ISBN: 978-3-658-13720-5

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics