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Nietzsche in Carcosa. Der Nihilismus und die ewige Wiederkehr des Bösen in True Detective 1

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Zusammenfassung

Auf philosophische Spurensuche begibt sich Eike Brock in seinem Text. Er ermittelt als „metaphysical detective“ an einem Ort, an dem sich Krimi und Nihilismus begegnen. Die Serie spielt, so Brock, auf der dunklen Seite des Mondes und gleicht im großen Ganzen einem knapp achtstündigen Ritt auf dem Rücken des Nihilismus. Im Gegensatz zu einer ganzen Reihe von Kritikern nimmt Brock die vielfältigen Motive des Nihilismus und Pessimismus ernst und unterzieht sie einer genaueren Untersuchung vor dem Hintergrund einer gründlichen Nietzschelektüre. Eine besondere Bedeutung hat für Brok dabei vor allem der Gedanke der ewigen Wiederkunft des Gleichen, den er als wiederkehrendes Motiv in True Detective identifiziert, wobei der Wiederkunftsgedanke vor allem mit dem Problem des Bösen in Verbindung gebracht wird.

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Notes

  1. 1.

    Eigentlich handelt es sich um eine Mini- bzw. Anthologieserie, d. h. um je eine Staffel, bestehend aus acht Episoden, die eine abgeschlossene Geschichte erzählt.

  2. 2.

    Ich zitiere Nietzsche hier und im Folgenden wie in der Nietzscheforschung üblich nach der Kritischen Studienausgabe (KSA) und unter Verwendung der dort gängigen Siglen.

  3. 3.

    Den Nihilismus kann man sich ‚einhandeln‘ durch Bilder, die sich ins Gedächtnis einbrennen, obschon man wünschte, sie nie gesehen zu haben. So ergeht es in True Detective vor allem Martin Hart, der krampfhaft bemüht ist, das reiche und reichlich grausame Bildmaterial auszublenden, das sich während der vielen Jahre, die er als Polizeibeamter bei der Mordkommission arbeitete, angesammelt hat. Seine Strategien: Alkoholkonsum und Affären, um „Dampf abzulassen“, konfligieren indes mit seinem Familienleben, das er im Laufe der Zeit zunehmend instrumentalisiert. Er bemüht sich nämlich, die ‚heile‘ Familie ebenfalls gegen den unheiligen bilder- und erfahrungsinduzierten Nihilismus in Stellung zu bringen. Die Familie soll sein Refugium sein. Unterdessen hat die Familie unter dieser Instrumentalisierung und unter Martys ‚Heile-Welt-Forderung‘: die Familie möge ihm doch bitte das Gegenbild zur ‚kaputten‘ Welt liefern, schwer zu leiden. Später, als Marty alleine lebt und dem alternden, vom Leben gezeichneten Detective die Abblendung der schmerzhaften Bilder durch die Fokussierung auf Affären zunehmend versperrt wird, versucht er die Bilder seiner Erinnerung u. a. durch Überdeckung mit Fernsehbildern in Schach zu halten. Alle Aus- und Abblendungsstrategien erweisen sich indes als unwirksam, als Rust Cohle seinen (Ex-)Partner gegen Ende der Serie bittet, ihm dabei zu helfen, den noch immer nicht gefassten Serienmörder endlich zu stellen. Marty zögert zwar zuerst; dann aber führt Cohle dem Unentschlossenen ein Snuffvideo vor (in dessen Besitz er auf illegale Weise gelangt ist). Das Video zeigt die Opferung Marie Fontenots, eines vermissten Mädchens, auf deren Verschwinden die beiden Detectives im Zuge ihrer Untersuchungen im Fall Dora Kelly Lange aufmerksam wurden. Die Bilder der Opferung sind so schrecklich (zwar sehen wir sie als SerienzuschauerInnen nicht, jedoch dürfen wir Martys Reaktion auf den Film entsprechend deuten), dass herkömmliche Verdrängungsstrategien vor ihnen kapitulieren müssen. Wegsehen kommt nun eigentlich nicht mehr in Frage. Rust Cohle hat ebendas erkannt und einen dem entsprechenden Entschluss gefasst: „I won’t revert my eyes. Not again“ (TD 1:7). Auch Marty beschließt, nachdem er das Video – wenn auch nicht bis zum schrecklichen Ende – gesehen hat, die Flucht nach vorne anzutreten und Rust zu helfen.

  4. 4.

    Zum Verhältnis zwischen Nihilismus und Pessimismus vgl. Brock 2015, S. 5 f. (Anm. 8). Grundsätzlich gilt, wie Dahlkvist 2007, S. 222 richtig bemerkt, dass der Pessimismus für Nietzsche „a form of nihilism rather than a problem in its own right“ darstellt, so dass ich es für gerechtfertigt halte, im Rahmen dieses Aufsatzes auf die Filigranunterscheidung zwischen Nihilismus und Pessimismus zu verzichten.

  5. 5.

    Die Unterkapitel II.1–II.3 setzen sich aus gekürzten und stellenweise umgeschriebenen Abschnitten des achten Kapitels meiner Dissertationsschrift zusammen (vgl. Brock 2015, S. 313–326).

  6. 6.

    Der frühe Nietzsche des Tragödienbuches steht noch deutlich unter dem Einfluss Schopenhauers und entwirft eine Kosmologie, der zufolge die Welt aus einem metaphysischen Grund hervorgegangen ist, den er das Ur-Eine nennt. Dieses Ur-Eine ist eine Art dionysisches Brodeln, das im tiefsten Kern schöpferisch, nicht umhinkommt, sich beständig kreativ zu entladen. Es leidet gleichsam unter permanenten Wehen. Die Welt ist die durch das Ur-Eine selbst geborene Bühne, auf der es fortan immerzu gebären und seinen Schmerz gleichsam in die Geborenen auslagern kann. Nietzsche hat diese metaphysische Konzeption seines ersten Buches später als „Artisten-Metaphysik“ kritisiert. Vgl. GT Vorrede 2; KSA 1, 13.

  7. 7.

    Diese beiden Zufälligkeiten gehören indessen nicht zufällig zueinander. Diese Zusammengehörigkeit hat Max Scheler hervorgehoben: „Der Mensch muß den eigenartigen Zufall, die Kontingenz der Tatsache, daß überhaupt Welt ist und nicht vielmehr nicht ist und daß er selbst ist und nicht vielmehr nicht ist, mit anschaulicher Notwendigkeit in demselben Augenblicke entdecken, wo er sich überhaupt der Welt und seiner selbst bewußt geworden ist (…)“ (Scheler 1976, S. 68).

  8. 8.

    Überhaupt steht die zunehmend ungeschützte Familie im Fokus des zeitgenössischen Horrors in Literatur und Film. Vgl. Dath 2014.

  9. 9.

    So Cohle in TD 1:3.

  10. 10.

    Cohle, der sich im Unterschied zu Hart nicht als Christ versteht, hat dabei eine ganz eigene Strategie entwickelt. Auf Harts Frage, wofür das Kreuz in seiner Wohnung hänge, wenn er doch kein Christ sei, erklärt Cohle seinem verdutzen Partner: „That’s a form of meditation. […] I contemplate the moment in the garden, the idea of allowing your own cruxifixion“ (TD 1:1).

  11. 11.

    Wirklich bezweifelt Maggie Hart Rusts so entschiedene Antwort, indem sie gleich mehrfach in die Rolle des Advocatus diaboli für Rustin Cohle schlüpft, indem sie z. B. dessen Integrität hervorhebt. Umso dramatischer und moralisch fragwürdiger ist in diesem Kontext allerdings, dass sie diese Integrität selbst boykottiert, als sie Rust mit dem bewussten Vorsatz aufsucht, ihn zu verführen, um sich an ihrem untreuen Ehemann Marty zu rächen. Als der ‚schwach gewordene‘ Rust schließlich begreift, dass es Maggie nur um Rache geht, fühlt er sich benutzt und angeekelt. Es scheint sonach, als habe er den Glauben an die eigene Integrität durchaus nicht aufgegeben. Vgl. TD 1:6.

  12. 12.

    Vgl. http://quoteinvestigator.com/2011/11/07/rough-men/.

  13. 13.

    Grenier 1993.

  14. 14.

    Vgl. Connole 2014.

  15. 15.

    Vgl. z. B. Calia 2014.

  16. 16.

    Ledoux sprach eben noch von schwarzen Sternen am Himmel (vgl. TD 1:5 und dazu Chambers 2014, S. 13).

  17. 17.

    Das Thema Schlaflosigkeit spielt eine große Rolle in True Detective 1 und zwar eine so große Rolle, dass sie eine eigene Abhandlung durchaus rechtfertigen würde. Diese Abhandlung müsste sich dann jedoch stärker auf den Einfluss des chronisch schlaflosen Cioran auf True Detective konzentrieren als auf Nietzsches Einfluss. Nichtsdestotrotz käme man nicht umhin, Zarathustras Rede Von den Lehrstühlen der Tugend (Z I Lehrstühlen; KSA 4, 32–34) zu beachten, da es darin um den guten Schlaf als Sinn des Lebens geht. Es wäre immerhin eine diskussionswürdige These, dass in einer Welt, wie sie True Detective beschreibt, der gute Schlaf das Maximum des guten Lebens ist.

Literatur

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Brock, E. (2017). Nietzsche in Carcosa. Der Nihilismus und die ewige Wiederkehr des Bösen in True Detective 1 . In: Arenhövel, M., Besand, A., Sanders, O. (eds) Wissenssümpfe. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13590-4_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-13590-4_4

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