Qualitative Forschung spielt in der Psychologie trotz namhafter Einzelbeiträge (Mayring 2012; Mruck und Mey 2010) eine untergeordnete Rolle. Der folgende ÜberblickFootnote 85 in den Bereichen Psychotherapie und Beratung zeigt zunächst die breite Rezeption von Metapherntheorien im Kontext von Beratung und Psychotherapie, ohne dass sich die AutorInnen explizit innerhalb des qualitativen Forschungsparadigmas verorten. Danach werden Studien zur Metaphorik in weiteren Teilbereichen der akademischen Psychologie skizziert, wobei auffällt, dass in der Literatur zwischen den Bereichen von Psychotherapie und Beratung und dem der restlichen Subdisziplinen kaum Berührungen existieren – ein Befund, der nicht nur für die Metapherntheorie gilt. Die Ausdehnung des Unterkapitels zur klinischen Psychologie zeigt, dass das Phänomen der Metaphern hier häufiger bedacht wird als in anderen Subdisziplinen. Unabhängig davon sind es in fast allen Bereichen der Psychologie Anstöße aus der kognitiven Linguistik, die allzu enge Definitionen von Metaphern und wenig ertragreiche Erhebungs- und Auswertungsmethoden infrage stellten. Daher wird es nicht darum gehen, die älteren psychologischen Theorien der Metapher vorzustellen (vgl. die Übersichten in Huber 2005, S. 69–89; Gibbs 2006; Schmitt 2001a), sondern die vorhandenen Studien dahin gehend zu selektieren, ob sie methodische oder inhaltliche Anregungen für die Weiterentwicklung der systematischen Metaphernanalyse als qualitative Methode bieten.
Wegen des Umfangs des Unterkapitels kann darauf verwiesen werden, dass psychologische Aspekte der Diskussion bereits in vorigen Abschnitten erwähnt wurden: das Phänomen des „tacit knowledge“ nach Polányi (Abschn. 3.6.1), die sozialpsychologische Theorie der Sozialen Repräsentationen nach Moscovici (Abschn. 3.3), die sozialpsychologische Nutzung von Bourdieus Begriff des Habitus bei Schachtner (Abschn. 3.2) und mein Beitrag zur Metaphernanalyse als Forschungsinstrument der Alltagspsychologie (Abschn. 3.4) wurden bereits behandelt.
4.6.1 Klinische Psychologie
In der (weit gefassten) Subdisziplin der klinischen Psychologie ist eine umfangreiche, auch sehr heterogene Literatur zur Analyse und zur Nutzung von Metaphern in der helfenden Interaktion entstanden.Footnote 86 Dieser Abschnitt zur Metaphernanalyse in Psychotherapie und Beratung lässt sich ausdifferenzieren in systemische oder Schulen übergreifende Ansätze (Abschn. 4.6.1.1) und die Psychoanalyse (Abschn. 4.6.1.2).
4.6.1.1 Beratungs- und Psychotherapieforschung
Die Literatur, welche die kognitive Metapherntheorie und beratendes Handeln außerhalb der Psychoanalyse thematisiert, ist im Laufe der letzten Jahre gewachsen und lässt sich inzwischen in zwei Gruppen unterteilen:
-
a)
Die kognitive Metapherntheorie wird als Forschungsmethode genutzt, um therapeutische bzw. Beratungsprozesse aufzuklären. Die Ergebnisse dieser Studien können also als Vergleichshorizonte für weitere Studien genutzt werden.
-
b)
Die kognitive Metapherntheorie wird als direkter Hinweis zur Intervention verwendet. Diese Texte werden erwähnt, weil sie Hinweise zu dem Thema geben, wie ein individueller (und indirekt sozialer bzw. kultureller) Wandel durch Metaphernanalysen abgebildet werden kann.
In dieser Reihenfolge werden im Folgenden die Publikationen diskutiert.
4.6.1.1.1 Die kognitive Linguistik als Forschungsmethode in Psychotherapie und Beratung
C. von Kleist hat in Interviewanalysen (1987, vgl. 1984), die deutschsprachige Diskussion eröffnet und versucht, den bereits bei Black (1983a, b) angesprochenen Modellcharakter von Metaphern in der Selbstdarstellung von Psychotherapieklienten nachzuweisen; sie folgt in der Analyse der Therapiegespräche den Anregungen von Lakoff und Johnson (1980). In einem Beispiel (1987, S. 119 ff.) zeigt sie, dass eine Studentin das metaphorische Selbstkonzept hat, ein „Haus“ zu sein: In Prüfungssituationen „gehen die Rollläden runter“, von Fragen fühlt sie sich „gelöchert“, sie kann dann nichts mehr sagen und möchte sich „abschotten“. Der Kontakt mit der Herkunftsfamilie war auf den Streit um „Standpunkte“ begrenzt. Mit dieser Metaphorik, die Zu- und Abnahme von Nähe und Distanz nicht beschreiben kann, lässt sich neben der Prüfungsangst die grundlegende Problematik der Klientin verstehen: Nähe, Intimität, Körperkontakt waren und sind für sie schwer auszuhalten und zu erwidern; sie gerät in Panik, wenn ihr etwas zu „nahe“ kommt oder sie sich „in die Enge getrieben“ fühlt. Auf ihre Interpretationserfahrung zurückgreifend, vermutet von Kleist, dass solche „verarmten“ metaphorischen Modelle auf früheren Erfahrungen und Konfliktlösungen basieren (ebd., S. 123).Footnote 87
Aber nicht nur KlientInnen gebrauchen Metaphern, auch Therapeuten. Najavits (1993) hat versucht, durch eine Fragebogenstudie, in der PsychotherapeutInnen Metaphern für ihr Tun angeboten wurden, die Selbstkonzeptualisierungen des therapeutischen Handelns zu finden. Verifiziert wurden: „Psychotherapy is art, teaching, healing, science, detective work, parenting, technical procedure, spiritual quest, philosophical dialogue, acting, sales, hard labor, writing a novel, playing a game, war, handling wastes“ (ebd., S. 294). Sie merkt an, dass diese empirische Vorgehensweise an der Oberfläche bleibt. – In meiner Studie zur Konzeptualisierung des psychosozialen Helfens in den offenen Settings der Einzelfall- und Familienhilfe (Schmitt 1995) konnten neun für die Selbstreflexion der Professionellen wirksamen metaphorischen Konzepte rekonstruiert werden: Helfen ist „auf den Weg bringen“, knüpft Bindungen, ist Durchblicken und Klären, ist Entlasten und Unterstützen, Nachhilfe, ist Arbeit und Produktion, ist Einmischen und Abgrenzen (Behältermetaphorik), ist Geben (und Nehmen); schließlich existiert eine starke metaphorische Verräumlichung des Sprechens als An-sprechen, Reden „über“, „darum Herumreden“. Im Kontrast zu Najavits wird deutlich, dass eher eine rekonstruierende als eine testende Herangehensweise dem Phänomen näher kommt (vgl. ausführliche Darstellung im Abschn. 4.3.5).
Beratung und Psychotherapie sind jedoch Phänomene, die durch die gegenseitige Steuerung der Interagierenden durch Metaphern konstituiert werden, sodass die Rekonstruktion der kognitiven Muster eines/einer Interaktanden/in nur begrenzt Aufschlüsse über das Geschehen ergeben kann. Angus (1996) hat in ihrer kasuistisch angelegten Vergleichsstudie daher Therapietranskripte statt Interviews genutzt. Sie bezieht sich zwar auf Lakoff und Johnson (1980), aber eine mit der kognitiven Linguistik vergleichbare Methodik wird nicht recht deutlich. Der Befund ist jedoch überraschend: In erfolgreichen Therapien ist die Zahl der neuen Metaphern im Verlauf der Therapie, verglichen mit nicht erfolgreichen Therapien, geringer. Allerdings ist diese Aussage aus einem schmalen empirischen Korpus von insgesamt sechs Therapien bezogen. Ihre erklärende These lautet, dass in erfolgreichen Therapien KlientInnen und TherapeutInnen schneller ein gemeinsames metaphorisches Konzept des Lebensproblems entwickeln und daher die Zahl neuer Metaphern nicht steigt wie in Therapien, in denen KlientIn und TherapeutIn mit immer neuen Metaphern um weiteres Verständnis ringen. In einer exemplarischen Studie mit 20 Sitzungen einer erfolgreichen Beratung bei einer Trennung wird vor allem die gelebte Metapher der Klientin, Beziehungen seien ein Kampf, rekonstruiert. Im Verlauf des Beispiels lassen sich immer mehr Details (z. B. auch vergangene Misshandlungen) in die Metapher integrieren, dann wird diese Metapher relativiert und distanziert zugunsten der neuen Metapher, dass Beziehungen auch gegenseitige Unterstützung bedeuten können. Dieser Prozess deutet an, dass die Entfaltungen einer Metapher in hohem Maße der intersubjektiven Verhandlung von Themen entspringen; neuere Studien integrieren bei ähnlichen Resultaten daher diskursanalytische Ansätze (Tay 2013).
Eine andere Form der psychischen Veränderung wird in einer späteren Studie (Angus und Korman 2002) für Metaphern der Depression geschildert: Anhand von zwei erfolgreichen Therapien, in denen auch die Metaphorik des Kampfes zentral vorkommt, wird erarbeitet, dass hier nicht die Einführung einer neuen Metapher, sondern die Ausdifferenzierung der vorhandenen Bildlichkeit eine entscheidende Rolle spielt: Die erste Therapie entwickelt im Rahmen der Depressionsbehandlung die Metaphorik, Beziehungen (und das Leben) seien ein Kampf, hin zu dem Subkonzept, dass Kämpfen Verlieren bedeutet. Dann wird die gegenwärtige Beziehungssituation als Verhandlungspause im Kampf im weiteren Verlauf exploriert, bis am erfolgreich gewerteten Therapieende das Subkonzept dominiert, dass Kampf (im Leben und in der Beziehung) Gewinnen bedeute (dies gilt auch in der katamnestischen Nachuntersuchung). In der zweiten Therapie verändert sich die Metaphorik, dass Beziehung Kampf sei, zu einem „inneren Kampf“, zu einem intrapersonalen Problem der Integration gegensätzlicher Selbstanteile.
Angus und Korman sprechen von „dialektischen“ oder „nicht-linearen“ Veränderungen in der Psychotherapie, weil es um die Redefinition eines Selbst und seines Verhältnisses zur Welt gehe. Auch hier vertreten sie die Idee, dass die Etablierung eines gemeinsamen metaphorischen Konzepts wichtig für die gelingende Arbeitsbeziehung wie die Problembearbeitung sei. Leider ist der Bezug auf die kognitive Metapherntheorie auch in dieser späten Studie auf Lakoff und Johnson (1980) eingeschränkt; die nur kurz angedeutete Methodik ist ähnlich der hier im zweiten Kapitel vorgeschlagenen zweigeteilt in eine Metaphern identifizierende und dann Konzept rekonstruierende Phase (ähnlich, mit einfachen Häufigkeitsangaben: Angus 1992). Nebenbei wird der immense Aufwand qualitativer Psychotherapieforschung deutlich: Selbst eine einzige Kurzpsychotherapie bedeutet, 20 bis 30 Sitzungen transkribieren und auswerten zu müssen, da nicht-lineare Veränderungsdynamiken eine Auswahl von zu analysierenden Therapiestunden willkürlich erscheinen lassen (ähnlich Gelo und Morgenthaler 2012). Verkürzungen, wie sie McMullen (1989) vorführt, indem sie trainierte Rater direkt beim Hören des Bandes (ohne Transkription) codieren lässt, scheinen hoch unzuverlässig. – Trotz der kleinen Fallzahl (vier KlientInnen und zwei TherapeutInnen) ist die ältere Studie von Rasmussen und Angus (1996) zu erwähnen, die nach den Therapiestunden die Therapeuten wie KlientInnen in einem Nachinterview darum bat, Sequenzen, in denen Metaphern verwendet wurden, zu erläutern. Diese wurden auf einem Video wiederholt. Es zeigte sich, dass auch für Außenstehende als „tot“ geltende Metaphern für die Befragten in dem Kontext der Therapiesituation oft eine besondere und jeweils eigene Bedeutung hatten (ähnlich: Angus und Rennie 1989). Das gleiche Material wurde offenbar auch als Grundlage für die Studie von Rasmussen und Angus (1997) verwendet; mit einer Orientierung an der Auswertung nach Glaser und Strauss wird Borderline-Betroffenen stärker ein Verharren im „wörtlichen Modus“ als im metaphorischen oder figurativen Modus zugeschrieben, also eine weniger reflexive und Bedeutungen explorierende Haltung. Die Aufgabe der TherapeutInnen sei es daher, die geäußerten Bedeutungen der KlientInnen mit einer Borderline-Erkrankung stärker zu validieren. Aufgrund der kleinen Fallzahl scheint die Verallgemeinerung zur Borderline-Erkrankung (vgl. auch Meares 1993) zwar praktisch nachvollziehbar, jedoch noch nicht sicher bestätigt.
Zur Depression äußern sich Levitt et al. (2000). Sie nutzen wiederum den Vergleich gelingender und nicht gelingender Therapien und beschränken sich in ihrer weitgehend quantitativen Metaphernanalyse auf ein einziges metaphorisches Konzept, „Depression ist Last“:
Results indicate that, in the good outcome dyad, metaphors of ‚being burdened‘ were transformed into metaphors of ‚unloading the burden‘ over the course of the therapy, while there was no transformation evident in the poor-outcome dyad (ebd., S. 151).
Also findet auch hier der therapeutisch gestützte Wandel innerhalb einer dominierenden Metaphorik statt, hier von der „Last“ zur „Entlastung“ (vgl. ebenfalls zu den Veränderungen einer Metaphorik in der Therapie: Jung 2009). McMullen und Conway (2002) versuchen in der Analyse von nicht weniger als 471 Sitzungen aus 21 Therapien bei Depressionen mit einer älteren Operationalisierung des Metaphernbegriffs dennoch metaphorische Konzepte der Depression nach Lakoff und Johnson quantitativ zu eruieren. Sie erhalten nur vier Konzepte: „depression is darkness“, „depression is weight“ und „depression is captor“, mehr als 90 % aller metaphorischen Ausdrücke seien der Metapher „depression is descent“ (Abstieg) geschuldet. Die oben schon genannte Metaphorik des Kampfes bei der Depression fehlt. Hier wird, auch im Vergleich zur folgenden Studie, deutlich, dass eine verlässliche Methodik mehr Konzepte zu gewinnen imstande ist (vgl. auch McMullen 1989).Footnote 88
Die gründlichste Studie zur Metaphorik der Depression liefert Barkfelt (2003, vgl. Schmitt 2004b): Sie rekonstruiert aus den Texten von neun AutorInnen, die das Erleben einer klinischen Depression schildern, die metaphorischen Konzepte der Depressionsbeschreibung und leitet davon ein mehrstufiges Muster der therapeutischen Nutzung von Metaphern ab. Die Fallauswahl ließe sich mit der Suche nach gelungenen Extrembeispielen (Flick 2007a, S. 165) beschreiben: Es wurden die Texte von AutorInnen untersucht, die als SchriftstellerInnen oder TherapeutInnen eine entwickelte Kompetenz vermuten ließen, das sprachraubende Erleben der Depression wenigstens nachträglich metaphorisch zu erfassen. Die gründliche Empirie enthält quantitative Elemente (sie zählt nicht weniger als 3296, ohne Wiederholungen immer noch 2489 manifeste Metaphern in den neun Texten), andererseits wird eine sinnhaft-rekonstruierende Vorgehensweise entwickelt, die der in Kap. 5 vorgeschlagenen Methodik nahesteht (ebd., S. 70–258): Die Autorin beschreibt zunächst die phasenspezifische Verteilung der Metaphorik (ebd., S. 84 f.); hier fällt auf, dass 52 % der Metaphern den (allmählichen) Beginn der Depression schildern, noch 38 % die eigentliche Erkrankungsphase und nur noch zehn Prozent der Metaphern werden für die Gesundung benutzt – ein irritierendes Ergebnis. Die Autorin diskutiert die Hypothese, dass das Schreibziel, die sprachliche Aneignung und Überwindung des Erlittenen zu dieser Verteilung beigetragen habe; möglicherweise steht das Schreiben selbst für die Gesundung und bedarf der Metaphorisierung nicht mehr. Plausibel ist ebenso, dass der depressive Sprachverlust nur durch metaphorische Konzeptualisierung überwunden werden kann – ähnlich argumentiert Surmann (2002) zur Sprache von Menschen mit epileptischen Bewusstseinsverlusten. An dieser Stelle beschränke ich mich auf die Erwähnung der fünf häufigsten von 26 metaphorischen Szenarien der Depression: Die Metaphorik von Kampf und Krieg kommt am häufigsten vor – die Depression ist eine Feindin, die Erkrankung wird als Angriff wahrgenommen, die Betroffenen nehmen sich als Opfer, mit dem Rücken an der Wand und als Verwundete wahr (ebd., S. 158 f.). Die zweithäufigste Bildlichkeit nutzt die visuelle Wahrnehmung: Depression ist Dunkelheit, das Leben wird als Verfinsterung des Geistes gesehen, rabenschwarze Mutlosigkeit erfüllt sie (ebd., S. 152 f.). Die Metaphorik des Wegs ist als schreckliche Reise in eine öde, unwirtliche Welt präsent (ebd., S. 114 f.); es folgt in der Häufigkeit als Bildquelle das Wasser, in dem die Betroffenen unterzugehen glauben, oder sie erleben sich mit untauglicher Ausrüstung ohne Navigation auf einem Meer ausgesetzt (ebd., S. 127 f.). Damit schon angeklungen, jedoch als separates Bildfeld zu eruieren ist die Metaphorik der Tiefe, das „Loch“, in das man stürzt, das „Fallen ins Bodenlose“ wird ebenfalls genannt (ebd., S. 139 f.). – Diese kurze Zusammenstellung kann keinen Eindruck von den überraschenden Neu- und Umprägungen konventioneller Metaphorik geben, die bei den einzelnen AutorInnen zu finden sind; ebenso muss hier auf die sehr interessanten Ausführungen zur Gebäude-, Folter-, Verlust- und anderen Metaphoriken verzichtet werden. Es folgen Überlegungen, wie diese Metaphern zur Verständnissicherung („validierungsorientierte Metaphern“), zur therapeutischen Intervention im engeren Sinne („genesungsorientierte Metaphern“) und zur späteren Prophylaxe eines Rückfalls („prophylaxeorientierte Metaphern“) eingesetzt werden können (ebd., S. 218 f.). Das Kapitel schließt ab mit einem umfangreichen Beleg auf das wichtigste, hinter vielen Metaphern liegende Schema des Behälters (ebd., S. 238–251): Die Depression wird in vielen Konzepten (als Gefängnis, als Loch, als Unwetterzone, als Landschaft) vom Schema des Behälters geprägt.
Die etwas ältere Studie von Kronberger (1999) zu den Alltagsvorstellungen der Depression ist in manchen Teilen als Gegenentwurf zu Barkfelts Studie zu lesen: Kronberger ging es nicht vorrangig um Betroffene, sondern um sozial geteilte Wahrnehmungsmuster einer Depression, das heißt um kollektive Erwartungen an das Phänomen, Erklärungen, Bewertungen und daraus folgende Umgangsweisen. Sie folgt einer frühen Fassung der hier vorgestellten Methodik und entwickelt aus neun Tiefeninterviews, die nach dem Kriterium der maximalen Variation der Perspektive ausgesucht worden waren, sechs zentrale metaphorische Konzepte: „Depression ist Gefangenschaft“, „Depression ist körperliche Krankheit, Lähmung bzw. eine Wunde“, „Depression ist das Tragen einer schweren Last, die niederdrückt“, „Depression ist in ein Loch fallen“, „Depression ist eine Sackgasse oder das Auftauchen unüberwindbarer Hindernisse“ und „Depression ist geschlagen werden“ (ebd., S. 93 f.). Die deutlich geringere Zahl von metaphorischen Konzepten lässt sich damit erklären, dass gerade nicht sprachlich elaborierte und fachlich vorgebildete ProbandInnen gesucht wurden und die Erhebung sich auf Interviews und nicht auf publizierte Texte bezog. Im Gegensatz zu Barkfelts Studie sieht Kronberger hinter fast allen Konzepten der Depression das Szenario des Wegs, auf dem depressive Menschen in unterschiedlicher Form behindert werden.
In einer spannenden Einzelfallstudie beschreibt sie dann am Beispiel einer Frau, die ihre Depression überwunden hat, dass sich die Metapher der Arbeit verändert: Zunächst galt „Leben ist Arbeit“ und die Depression wurde als Unfähigkeit zu arbeiten erlebt. Nach überwundener Depression spricht sie davon, für sich selbst zu arbeiten, das heißt sich selbst etwas Gutes zu tun: Der Wechsel geschieht innerhalb einer Metapher. Jedoch ändern sich andere Metaphern komplett: Während sie sich in der Erinnerung beschreibt als Dornröschen, das auf einen aufweckenden Prinzen wartet, und als Fliege, die im Netz der Depression zappelt, beschreibt sie sich zum Zeitpunkt des Interviews als Spinne im Netz. Der Wandel wird sowohl durch Veränderung innerhalb eines metaphorischen Konzepts wie durch Wechsel verschiedener metaphorischer Konzepte bewirkt. Die Autorin bezieht sich bei ihrer Beschreibung auf Buchholz (1996, insbes. S. 251 f.): Einerseits sei die Differenzierung eines metaphorischen Konzepts, andererseits die Dynamisierung als Wechsel zwischen verschiedenen metaphorischen Konzepten Kennzeichen des Wandels. Dieses Ergebnis umspannt die oben referierten Studien von Angus (1996), Levitt et al. (2000) sowie Angus und Kormann (2002) (vgl. Abschn. 5.7.11 zu den Möglichkeiten der Metaphernanalyse, Veränderungen abzubilden).
Neben der Depression ist die Alkoholabhängigkeit in mehreren Teilstudien thematisiert worden (Schmitt 2002a, b; Schmitt et al. 2003; Schmitt 2009b, c). Alkoholkonsum nutzt die Bewegungsmetaphorik („über die Stränge schlagen“), Abstinenz firmiert meistens als Stillstand („auf die Bremse treten“). Kontrolle ist meist in visuellen („klar bleiben“) oder akustischen Metaphern („da habe ich mir gesagt“) verfasst. Alkohol dient als „gute Gabe“ dem sozialen Austausch und der Selbstbelohnung; die Metaphorik der Höhen und Tiefen schildert Stimmungen und psychosoziale Gesamtlagen, „gehobene Stimmung“ und „Abstürze“. Die Person selbst wird als Behälter thematisiert („zu“ sein); ihr steht die Metaphorik des fließenden Wassers („eingießen“) gegenüber. Alkohol wird als Nahrungsmittel und als Medikament metaphorisiert. Alkohol dient dem Vergessen, das als Abschied vom bisherigen Selbst bebildert wird. Die Metaphorik des Kampfs sowohl im Trinken wie in der Abstinenz ist deutlich. Zu den wesentlichen interpretatorischen Schlussfolgerungen gehört, dass die Metaphern der Abstinenz vor diesem Hintergrund fast alle negativ konnotiert sind: „Nüchternheit“ steht der der Metaphorik des Alkohols als Lebensmittel gegenüber, „Trockenheit“ ist gegenüber „feuchtfröhlicher“ Entgrenzung kein Wunschzustand, und „Enthaltsamkeit“ entwickelt die doppelte Konnotierung, in diesem Zustand kein richtiger Mann mehr zu sein. Die Metaphernanalyse deckt hier ein Zielproblem auf, das in der Beratung bisher nicht besonders ernst genommen zu werden scheint.
Ziegler (2008; vgl. Ziegler 2012) untersucht in ihrer Studie, wie von einer schizophrenen Erkrankung Betroffene und Angehörige das Leiden benennen und welche Unterschiede und Anschlussmöglichkeiten im Sprachgebrauch der beiden Gruppen existieren. Als Datengrundlage nutzt sie im Kontext der Theorie der Sozialen Repräsentationen „natürliche“ Daten: verschriftlichte Erfahrungsberichte von Betroffenen wie Angehörigen, die nicht für die Forschung erstellt wurden, sondern als Selbstzeugnisse in Büchern, Ratgebern und Zeitschriften vorlagen. In ihrer Arbeit findet sich eine 80-seitige Darstellung der Metaphern der Betroffenen, die ein breites Spektrum abdecken: Höhen und Tiefen, die Behältermetapher (Grenzen, Innenraum, Außenraum), Schizophrenie als Gegenstand oder Substanz (Auflösungserscheinungen), Person/Lebewesen (Herrscher, Feind, Macht u. a.), Wahnsinn und Krieg, als Weg, als Gefangenschaft, als Last, als (verfallendes, verschlossenes) Bauwerk, als (verändertes) Sehen, als Geben und Nehmen (Defizit, Überdosis, Bereicherung, Handel), als „Gemachtes“ (Handwerk und Produktion), als physikalische Kraft und andere. Das scheint darauf hinzudeuten, dass die mit einem engeren oder konventionellen Metaphernbegriff operierenden Studien, in denen ein Verschwinden metaphorischer Sprache bei Menschen mit einer schizophrenen Verletzlichkeit berichtet wurde, dem Phänomen nicht gerecht werden (Spitzer et al. 1994; Heinz et al. 1996). Eine Differenz der Metaphern von Angehörigen und Betroffenen zeigt sich darin, dass Letztere die Erkrankung oft außerhalb von sich selbst lokalisieren (z. B. als äußeren Feind), während die Angehörigen die Erkrankung als Entität innerhalb der betroffenen Person konstruieren (Ziegler 2008, S. 205 f.).
Auch wenn oben argumentiert wurde, dass Interaktionsstudien für den Bereich von Beratung und Psychotherapie präzisere Hinweise geben als Interviewstudien, so sind die Arbeiten von Barkfelt (2003), Kronberger (1999), Ziegler (2008) und Schmitt (2002a, b) sinnvoll zur Information und Ausbildung von Professionellen über die Selbst- und Weltbilder der KlientInnen.
Oberlechner (2005) diskutiert die Wichtigkeit von Metaphern in den von Rogers sich ableitenden Formen der Gesprächspsychotherapie. Aufbauend auf den bisher für andere Therapieformen diskutierten Funktionen hebt er als Funktionen des metaphorisch vermittelten Gesprächs den Beziehungsaufbau, das Verstehen und Symbolisieren von Emotionen, die Verdeutlichung stillschweigender Annahmen, den Ausdruck von Widerstand und den Aufbau neuer gemeinsamer Bezugssysteme hervor. Wichtige Bereiche der Metaphorisierung sind für ihn Selbst, Beziehung und Veränderung. Im Gegensatz zu den eher technisch-handwerklich orientierten Umgangsformen mit der Metapher plädiert er für die Rekonstruktion der persönlichen Bedeutungen der Metaphorik.
Einen Beitrag zu einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Herangehensweise versuchen Rhodes und Jakes (2004) in ihrer Studie zur Metaphorik von Menschen mit Wahnerleben. Ihre Methodik der Untersuchung wird jedoch nicht elaboriert; die Untersuchungen bleiben auf eine zentrale Wahnidee fokussiert und erheben nicht alle (und eventuell gegenläufigen, für eine Rekonvaleszenz vermutlich wichtigen) Metaphern. Ihre Thesen lauten: Für einige der Betroffenen ist die Metapher für das Selbst schon vor der Psychose da und bringt in der Psychose neue Details hervor; bei anderen ist der metaphorische Prozess Resultat des psychotischen Denkens selbst; und nicht zuletzt können auch alltägliche Metaphern psychotisches Erleben abbilden, sodass durch ihre Nutzung die Psychose ausgestaltet wird. Die AutorInnen gehen nachvollziehbar davon aus, dass die von ihnen als metaphorisch erkannten Wahngedanken für die Betroffenen buchstäbliche Wahrheit sind und allenfalls in Momenten des Zögerns die Metaphern infrage gestellt werden können. An dieser Stelle setzen die Überlegungen von Fowler et al. (1995, S. 56 f.) an, die ebenfalls im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie Wahninhalte neben anderen kognitiven Erklärungen als „unsignalisierte“ Metaphern für Wünsche, Hoffnungen und Probleme deuten, deren Transformation jedoch sicherer Bindung und langer Exploration bedarf (ebd., S. 141). Im Rahmen einer konstruktivistischen und narrativen „Wende“ verweisen auch Meichenbaum (1995, 1999) bei posttraumatischen Störungen und Gonçalves (1995) auf die Nutzung von Metaphern innerhalb der kognitiven Verhaltenstherapie.
Einen wenig beleuchteten Aspekt von Therapien untersucht Wittorf (1999): Wie wird die Abschlussphase von Psychotherapien von KlientInnen und TherapeutInnen metaphorisch gefasst? Wittorf fragte nach expliziten Bildern für das Ende der Therapie und fand die Konzepte vom Therapieende als Verlust, aber auch als Ziel, als Aufbruch, Wachstum, Wandel, aber auch ein Konflikt (Bindung vs. Autonomie), als Prüfung und als Hoffnung auf eine bleibende Verbindung. Neben der in der Studie dokumentierten möglichen Problematik, dass KlientInnen und TherapeutInnen unterschiedliche Bilder für das Ende der gemeinsamen Arbeit haben und sich damit missverstehend verabschieden, wird in der Diskussion deutlich, wie sehr auch die Metaphern dazu dienen, widersprüchliche Affekte zu binden und zu normalisieren. Hier wären nach dieser Anregung Analysen der direkten Interaktion sehr spannend.
Levold (2005) hat den Begriff der Resilienz, der als Bezeichnung psychosozialer Gesundheit und Widerstandsfähigkeit unter beeinträchtigenden Umständen in den Gesundheits- und Sozialwissenschaften eine kurze, aber steile Karriere gezeigt und sich dabei zu einer immer weniger fassbaren Größe ausdifferenziert hat, in seinen metaphorischen Spiegelungen materialreich dokumentiert. Die von ihm gesammelten metaphorischen Konzepte der Resilienz können als Vergleichshorizont zu spezifischeren Sondierungen dienen: Resilienz wird in Bildern des unzerbrechlichen, aber flexiblen Objekts geschildert, als Organismus per se, als Gegengewicht gegen Belastungen, in Balance-, Kampf-, Container-, Wege- und Netzwerkmetaphern; auch als Wert und Gabe. Levolds Aufsatz zu Familien „zwischen Heimstatt und Cyberspace“ (2003) versucht für eine realistische Familientherapie mit breiter Sammlung in unterschiedlichen Medien, wie sie in dem oben genannten Prozedere als erster Schritt geschildert wird, gegenwärtige Metaphern für Familien. Er findet Familie als „kostbares Gut“, aber auch in Metaphern des Staats, als Organismus, als Ort, als Aufgabe, für die man ausgebildet sein muss (Elternseminare!), als Unternehmen und als postmodernes Netzwerk. Diese Funde können ähnlich seiner oben erwähnten Studie als Vergleichsfolie im Rahmen einer Untersuchung zu Metaphern der Familie in einer bestimmten Gruppe bzw. einem bestimmten Milieu dienen. Weitere Metaphern der Familie (u. a. als Kultur) diskutiert Rosenblatt (1994).
Abschließend wird die Studie von Kupferberg und Green (2005) diskutiert, um auf einige forschungsmethodische Probleme hinzuweisen, die sich in dem Schriftgut, das sich auf Lakoff und Johnson beruft, immer wieder finden (vgl. auch Schmitt 2006c). Kupferberg und Green stellen sich in ihrem Buch mit dem Untertitel „Metaphorical Negotiation in Problem Discourse“ die Frage, wie Individuen in heutigen Medien über ihre Lebensprobleme sprechen. Sie greifen in ihrer methodologischen Selbstverortung zunächst auf Foucaults Theorie der Formierung der Subjekte durch Straf-, Erziehungs-, medizinische und psychologische Diskurspraktiken zurück. Sie kritisieren jedoch, dass Foucault tatsächliche lokale Diskursmechanismen nicht untersucht habe. Die auf ihn zurückgehende Critical Discourse Analysis (CDA) untersuche zwar reale Kommunikation, jedoch mit Voreingenommenheit, das heißt, sie sei auf Auswertungskategorien wie Hegemonie, Ideologie, Klasse, Gender, Rasse, Diskriminierung und Interessen, Macht oder Status eingeschränkt. Die AutorInnen dagegen zitieren zustimmend ein Vorgehen, das reale Kommunikation nach einer Variante der Konversationsanalyse, der „institutional conversation analysis“ (ICA) mikroanalytisch untersucht. Damit wollen sie die Analyse historischer „macro forces“ und die mikroanalytische Beschreibung individueller Ausdrucks- und Handlungsmöglichkeiten gleichermaßen fassen. Ihnen erscheint dieser doppelte Zugriff freilich noch nicht ausreichend, sie ziehen in ihrem „functional approach to discourse“ noch den narrativen Ansatz nach Bruner und Brockmeier hinzu, ergänzen die Konversationsanalyse um die Möglichkeit, Kontextwissen ad hoc zur Interpretation einzubringen. Als tatsächliche Auswertungsmethode erwähnen sie jedoch noch kurz „a qualitative method that is located in the middle of the interpretative continuum between the phenomenological and hermeneutic poles“ (ebd., S. 39), die von der Analyse von Positionierungen der Sprechakteure nach Bamberg inspiriert sei (ohne beides auszuführen). Darüber hinaus ergänzen sie diese methodischen Zugänge um ein „Four-World-Model“, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Welt des Klienten und die Gegenwart des Therapeuten in der Interpretation präsent halten soll. Aber auch das reicht ihnen nicht: Als sechste methodische Überlegung wird die These eingeführt, figurative Sprache spiele eine bedeutende Rolle in der (gemeinsamen) Bedeutungsherstellung in Problemgesprächen. Die dazugehörende Diskussion von Lakoffs und Johnsons kognitiver Linguistik gipfelt jedoch in dem Vorwurf, dass dort menschliche Kommunikation auf die linguistische Manifestation von konzeptuellen Mustern reduziert werde – so kann man Lakoff und Johnson misslesen, wenn man übersieht, dass deren kognitive Linguistik einer anderen Disziplin mit anderen Aufgaben entstammt und die Bezugnahme auf diesen Ansatz in den Sozialwissenschaften erst der Entwicklung einer eigenständigen Methode bedarf (Schmitt 2003). Zentrale Errungenschaften des Ansatzes von Lakoff und Johnson werden nicht erfasstFootnote 89 – eine andere und ältere Metapherntheorie hätte es wohl auch getan.
Insgesamt wird diese tour de force durch verschiedenste methodische Möglichkeiten der Textinterpretation auf 40 nicht sehr dicht bedruckten Seiten präsentiert. Die Studie erweist sich dennoch als anregend: Das Material besteht aus einer umfangreichen Sammlung von ins Englische übersetzten Problemgesprächen aus israelischen Radiosendungen samt den vorselektierenden Gesprächen mit den AnruferInnen, Mitschriften von Telefonhotlines (da dort eine Aufzeichnung verboten war) und schriftlichen Dokumenten aus problemorientierten Internetforen. Wie wird Bedeutung von Laien und Professionellen in dieser medienvermittelten Kommunikation hergestellt, wie präsentiert und (re-)konfiguriert sich ein Selbst auf diesen Bühnen? Kupferberg und Green fassen diese Sphären als Orte ernst zu nehmender Problemkommunikation auf, nicht ganz unähnlich der Provokation, die Nestmanns (1988) Untersuchung über die Problemkommunikation mit TaxifahrerInnen, GastwirtInnen, FriseurInnen und MasseurInnen im deutschen Sprachraum darstellte.
Die Interpretation von insgesamt 21 Fallvignetten umfasst dann drei Viertel des Buches. Es sind genaue Lektüren der Kommunikationsabläufe, die sehr breit kommentiert werden; medienorientierte Selektionen und Ausschlüsse werden dabei ebenso thematisiert wie metaphorische Zuspitzungen. Nur noch ab und zu wird auf die zu Beginn des Buchs entfaltete Methodenvielfalt angespielt – diese diente offensichtlich eher als Erlaubnis, unterschiedliche Auffälligkeiten interpretieren zu dürfen. Mehrfach wird auch auf psychoanalytische Theoriebestände zurückgegriffen, auch wenn diese am Anfang noch gar nicht benannt wurden, ebenso werden entwicklungspsychologische Hintergrundannahmen zur Pubertät wie Theorien der Sucht fallbezogen genutzt. – Gerade auch die Limitationen der jeweiligen Medien werden deutlich. Insbesondere zeigt sich als entfaltungsverhindernde Machtstruktur im Radiogespräch die Vorauswahl der interessanten Problempräsentierenden, die unter hohem Zeitdruck einen Unterhaltungswert erbringen sollen und deren Überformung durch ratschlagende Instantlösungen der Professionellen alles andere als therapeutisch gelungen ist. Ob es aber zu dieser Einsicht den Rückgriff auf Foucault gebraucht hätte, erscheint fraglich. Dagegen wird kasuistisch sehr schön herausgearbeitet, wie in einer gelingenden Besprechung von Schwierigkeiten Metapher und Narration einander ergänzen und aufeinander verweisen und wie Problempräsentierende, die nur abstrakte Bilder zeigen oder denen eine bildliche Zuspitzung ihrer Narration unter diesen Umständen nicht gelingt, von diesen Kontexten nicht profitieren. Gelingende, das heißt Anschlussmöglichkeiten erweiternde und misslingende Interventionen sind unter dem Mikroskop des informierten Kommentars gut präsentiert.
Insgesamt werden als klinisch relevante Themen verhandelt: Trennungsängste, psychotische Krisen, Suizidalität, Coming-out, Einsamkeit und diverse Abhängigkeiten. Das Resümee, dass metaphorische Figuren in Beratungen „shorten processes and make them more effectiv“ (ebd., S. 176), übernimmt unkritisch eine gängige ökonomische Metaphorik.
4.6.1.1.2 Fazit der nicht-psychoanalytischen Studien
Wenn wir diese Studien im Hinblick auf Hinweise für eine qualitativ forschende Metaphernanalyse diskutieren, so ist festzuhalten:
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Besonders die unterschiedlichen Studien zur Metaphorik der Depression und ihrer Behandlung zeigen, dass Metaphernanalysen eine verlässliche Systematik brauchen, um ihren Gegenstand in der Breite und Tiefe der tatsächlich vorgefundenen Metaphorik zu erfassen.
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Sampling und Medien der Datenerhebungen scheinen eine erhebliche Rolle zu spielen, wenn man die Studien von Kronberger (1999) und Barkfelt (2003) vergleicht und die unterschiedlichen medienbedingten Effekte in Kupferberg und Green wahrnimmt.
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Der Wandel im Erleben einer Person kann als Veränderung innerhalb eines metaphorischen Konzepts wie im Wechsel der metaphorischen Konzepte abgebildet werden, ferner kann sich das gesamte metaphorische System einer Person in seinen Relationen verändern (wird in Abschn. 5.7.11 erneut diskutiert). Verlaufsuntersuchungen erfordern jedoch aufwendige Erhebungen und Auswertungen (Angus und Kormann 2002).
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Die Arbeiten von Angus (1996), Angus und Kormann (2002), Kupferberg und Green (2005) und Schulze (2007, dargestellt in Abschn. 4.3.3) zeigen, dass die Erhebung von metaphorischen Passungen und Nichtpassungen im Gespräch für die Erforschung kommunikativer Abläufe wesentliche Beiträge liefert. Der Schluss von metaphorischen Konzepten der BeraterInnen und TherapeutInnen oder jenen der KlientInnen auf Beratungsdynamiken muss daher vage bleiben. Die Analysen therapeutischer Gespräche sind daher auf eine erweiterte Methodik angewiesen, die situationale Referenzen einbezieht (McMullen 2008).
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So sehr sich Metaphern als relevante Bestandteile identitätsstiftender Kommunikation zeigen und von unmittelbarer beraterisch-therapeutischer Relevanz sind, so sehr verführt das Phänomen auch zu einer unsystematischen Interpretation, wie es am Beispiel von Kupferberg und Green (2005) zu sehen war. Neben hier nicht weiter ausgeführten weiteren Einschränkungen (nicht immer nachvollziehbare Samplingstrategien, fehlende Diskussion von Gütekriterien qualitativer Forschung) wurde das Buch hier diskutiert, weil es neben dem Wert als methodisch abschreckendes Beispiel auch sinnvolle Hinweise generiert:
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Die Verbindung von Metaphern und Narrationen in einem Gespräch oder Interview wurde bisher wenig elaboriert – die entsprechenden Hypothesen von Kupferberg und Green (2005) sind als explorative Hinweise unbedingt wertvoll (ebd., S. 131 ff., vgl. die Überlegungen zu Metapher und Narration in Abschn. 3.4.3).
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Auch die oben zitierten sowie weitere Metaphernanalysen von therapeutischen Gesprächen (im Gegensatz zu Interviews oder anderen Textsorten) sind meines Erachtens bisher methodisch noch nicht überzeugend gelungen. Dass wir dazu nur „rules of the thumb“ hätten (Buchholz und von Kleist 1997, S. 295 f.), ist nicht einleuchtend, vergleicht man dies mit pragmalinguistischen Studien (Cameron und Deignan 2006; Cameron 2010).
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Die Publikation von Kupferberg und Green (2005) ist auch lesbar als Dokument einer kritischen Phase qualitativer Forschung: Die Inflation heterogener Forschungsstile und Ansätze hat zu einer Fülle geführt, die eine synkretistische Rezeption nach sich zieht: Statt solcher „Methodenkombinationen“ mit der Metaphernanalyse als farbenfroher Garnitur scheint es sinnvoller, die Ergebnisse weniger und reflektiert ausgewählter Herangehensweisen in ihren Ergebnissen zu triangulieren, als deren interne Möglichkeiten zur Prüfung des Verstehens durch wilde Kombinationen in der Interpretationsphase zu verwischen.
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Diese Studien lassen sich zu einem Horizont zusammenfassen, vor dessen Hintergrund sich die Besonderheiten der Metaphorisierung spezifischer Personen oder zum Beispiel spezifischer psychischer Störungen aufweisen lässt (zur besonderen Rolle dieses Verfahrensschritts einer systematischen Metaphernanalyse vgl. Abschn. 5.4).
4.6.1.1.3 Weitere Hinweise zu Metaphern, Beratung und Behandlung
Die folgenden Studien haben entweder weniger gut ausgearbeitete Bezüge zur kognitiven Linguistik, gehen quantitativ vor oder verstehen sich eher als praktische Hinweise zum Umgang mit Metaphern in der Beratung und Therapie. Sie werden im Hinblick auf Hinweise für eine qualitativ vorgehende systematische Metaphernanalyse diskutiert, ohne ihnen in ihrer Gänze gerecht werden zu wollen.Footnote 90
Pollio et al. (1977) rekonstruierten in klassischen Fragebogenstudien an Studierenden eine signifikante Korrelation zwischen persönlicher „Integrität“ bzw. Flexibilität des kognitiven Stils und der Häufigkeit des Metapherngebrauchs; desintegrierte oder „unreife“ Studenten gebrauchten sichtlich weniger Metaphern. Pollio et al. folgerten aus ihrer Studie, dass ein breites Vokabular an Metaphern mit effektiveren Strategien korreliert, mit persönlichen Problemen umzugehen (ebd., S. 92 f.). Pollio et al. verglichen auch das Gesprächsverhalten von Verhaltens-, Gestalt- und Gesprächstherapeuten und stellten ähnliche Häufigkeit in der Benutzung von Metaphern im therapeutischen Prozess fest (ebd., S. 101 f.). Sie weisen anhand ihrer quantitativen Einschätzung durch das Rating von „Einsicht“ nach, es sei ertragreicher, die Metaphern von Patienten weiterzuverfolgen als neue Metaphern einzubringen (Pollio et al. 1977, S. 147 f.), was auch den oben diskutierten Arbeiten von Angus (1996), Angus und Kormann (2002) sowie Ingram (1994) zu entnehmen ist.Footnote 91
Einen Hinweis zum Zusammenhang zwischen Reichtum an metaphorischen Wendungen und psychischer Gesundheit, der die Studie von Pollio et al. bestätigt, bieten die Beobachtungen von Grubrich-Simitis (1984), die in den Analysen mit durch KZ-Haft traumatisierten Menschen sowie auch in den Therapien mit deren Nachkommen kaum bildliche Wendungen fand. Sie folgert, dass extreme Traumatisierungen die Fähigkeiten zur Metaphernbildung beeinträchtigen; sie fand bei ihren PatientInnen einen konkretistischen, „buchstäblichen“ Umgang mit sich und ihrer Umwelt und wenig modulierbare Affekte. Eine ähnliche Defizithypothese vertritt störungsübergreifend Buchholz (1996). Ziegler hält in ihrer oben genannten Untersuchung dagegen:
Die Metaphernvielfalt, die im Denken und Sprechen Betroffener im Rückblick auf das schizophrene Geschehen deutlich wird, steht im Widerspruch zu Untersuchungen, die betonen, dass psychisch kranken Menschen nur einige wenige metaphorische Modelle zur Verfügung stehen, die ihre Sichtweisen auf das Krankheitsgeschehen einschränken (Ziegler 2008, S. 204).
Freilich ist zu fragen, ob hier nicht mit dem (erfolgreich möglichen) Rückblick auf das Geschehen und der Nutzung von Dokumenten, die schizophren Erkrankte formuliert haben, Hinweise auf zwei Bedingungen einer erfolgreichen Kompensation vorliegen (zeitlicher Abstand, psychische Verarbeitung); und es muss offen bleiben, ob diese Effekte nicht abhängig von der Art der psychischen Störung sind.
Die oben skizzierten Überlegungen zur Passung von KlientInnen- und TherapeutInnen-Metaphern werden von Kopp (1995) in einem konsequenten Sinn entfaltet (vgl. Schmitt 2001b), der hier diskutiert wird, obschon er keine qualitative Forschung, sondern ein in mehreren Ausbildungszyklen revidiertes Trainingsmanual für die Therapeutenausbildung vorstellt. Es ist insofern für qualitative Forschung spannend, als es Antworten auf die Frage enthält, wie sich Veränderungen der Selbst- und Fremdwahrnehmung in Metaphern abbilden lassen. Das Manual enthält zwei mehrstufige Vorgehensweisen, die KlientInnen dazu einladen sollen, beiläufig gebrauchte Metaphern („mein Ex-Mann bricht wie eine Lokomotive in mein Haus ein“) ernst zu nehmen, diese bildliche Szene vertieft auszuformulieren („ich bin dann bloß ein Tunnel für ihn“) und die dazugehörenden Gefühle zu explorieren. Dann nutzt Kopp eine ältere imaginative Technik, indem er die KlientInnen fragt, ob sie das Bild auch verändern möchten – und was sie am Bild ändern möchten (z. B. „ich möchte ihn entgleisen lassen“). Zuletzt erfragt er, welche Folgen die Veränderung der Metapher auf das praktische Handeln haben könnte, und vertieft diese Optionen. – Die zweite Vorgehensweise bezieht Kindheitserinnerungen ein: Nach der Schilderung gegenwärtiger Schwierigkeiten bittet er seine KlientInnen, sich an eine dazu passende Szene aus der Kindheit zu erinnern. Er lässt sich diese und die dazugehörigen Emotionen detailliert schildern. Danach erfragt er ausführlich, was sich der/die KlientIn stattdessen gewünscht hätte und wie diese Szene damals hätte anders enden sollen. Im nächsten Schritt nutzt er diese veränderte Szene als Metapher, indem er wiederum nachfragt, ob sich diese imaginären Veränderungen auch auf das gegenwärtige Problem übertragen lassen und wie sich gewünschte Veränderungen heute neu ausbuchstabieren bzw. handelnd realisieren lassen könnten. Die Metapher ist hier also nicht von Anfang an vorhanden, stattdessen werden Kindheitserinnerungen und deren Transformation als Metaphern genutzt (sozusagen als angeleitete szenische Hermeneutik in praktischer Absicht).
Kopps Ausführung zur Metapherntheorie (ebd., S. 91–107) schließt an Lakoff und Johnson an, ohne deren differenziertes Begriffsgerüst zu nutzen. Die Reichweite der Beschreibung von Lakoff und Johnson, so schlägt er vor, umfasse den Bereich der soziokulturellen Metaphorik; davon trennt er den Bereich persönlicher Metaphorik und den der Metaphorik familiärer Systeme ab. Die persönliche Metaphorik unterteilt er in sechs Gegenstandsbereiche, die er „metaphorms“ nennt: Metaphorisierungen des Selbst, des/der anderen, des Lebens sowie Metaphorisierungen des Verhältnisses Selbst – Selbst, Selbst – andere(r), Selbst – Leben. In diesen sechs „metaphorms“ drücke sich die Persönlichkeit aus; der Verfasser begründet diese Kategorisierung nicht ausführlich. Er betont, dass die Metaphorisierungen des Individuums natürlich nicht unabhängig von der umgebenden familiären, soziokulturellen und transkulturellen sprachlich-bildlichen Welt seien, sondern in einem gegenseitigen Durchdringungsverhältnis stünden.
Auch wenn der Buchtitel „metaphor therapy“ es so suggeriert: Kopp will keine neue Therapieschule begründen, sondern verweist darauf, dass diese Vorgehensweise in unterschiedliche Therapieformen zu integrieren sei. Im zweiten Hauptteil des Buches überprüft er verschiedene Therapieschulen (Psychoanalyse nach Freud und nach Jung, Hypnotherapie nach Erickson, kognitiv-behaviorale Therapie, Individualtherapie nach Adler, strukturale und strategische Familientherapie) daraufhin, welche Rolle Metaphern bisher in der jeweiligen Therapie übernehmen. Im zweiten Schritt zeigt er, dass eine metaphernorientierte Therapie die Interventionen dieser Ansätze integrieren könnte. Er geht davon aus, dass nicht nur KlientInnen ihre Welt durch metaphorische Denkweisen strukturieren, sondern auch therapeutische Theorien metaphorische Strukturierungen der (therapeutischen, beratenden) Realität seien. Für die kognitive Verhaltenstherapie sind Kopps Anregungen inzwischen in der Dissertation von Styliani (2006) aufgenommen worden. Die umfangreichste und aktuellste Darstellung der Nutzung von Metaphern in der kognitiven Verhaltenstherapie, die sich auch auf Lakoff und Johnson bezieht, leisten Stott et al. (2010); neben einem pragmatischen Modell der Metaphernverwendung sind viele Anwendungsbeispiele im Hinblick die therapeutische metaphorische Konzeptualisierung von Kognition und Metakognition, Depression, Angsterkrankungen, bipolaren Erkrankungen, Psychosen, Essstörungen und der Elternarbeit zu finden.
Kopp legt unbedingten Wert darauf, mit den Metaphern bzw. den als Metaphern gebrauchten Erinnerungen der KlientInnen zu arbeiten und grenzt sich damit deutlich von Ansätzen ab, die vom Therapeuten generierte Metaphern favorisieren (u. a. Hypnotherapie, NLP). Letztere haben nach der Publikation von Gordon (1985, org. 1978) nicht nur in der deutschsprachigen therapeutischen Szene den Begriff der Metapher ausschließlich als von TherapeutInnen konstruierte allegorische Beispielerzählung und damit anhaltende Missverständnisse geprägt. Gordon (1985) entwickelt detailliert eine Strategie zur Konstruktion von passenden Metaphern; Schwerpunkt seiner Methodik ist das Abbilden der Struktur der Problembeschreibung des Klienten in einer neuen und entwicklungsfähigen Allegorie (ähnlich: Strong 1989). Dagegen legen Bacon (1998) und Mohl (1998) fertige Geschichten aus der „Zauberwerkstatt“ (Mohl) vor. Gansen (2003a, b) hat Gehalt und Gestalt dieser Geschichten einer vernichtenden Kritik unterzogen und herausgearbeitet, dass diese suggestiv eingesetzten Allegorien vorhandene Probleme normieren und einem Ziel von Beratung und Psychotherapie, Reflexion zu entfalten und Freiheitsgrade zu gewinnen, widersprechen. Kritisch kommentiert auch Cederborg (2000) anhand eines familientherapeutischen Beispiels die fatale Langzeitwirkung von wenig der Situation angemessenen, vorher festgelegten Metaphern.
Steiner und Hirsch (1988) versuchen, eine Typologie von Grundmetaphern als Orientierungshilfe für Therapien zu finden und stellen eine Systematik von Metaphern für (Familien-)Therapeuten vor, der Wert ihres Beitrags liegt in den Beispielen. Ihr Metaphernbegriff ist sehr weit, sie begreifen auch Therapietheorien als Metaphern (ebd., S. 205 f.). Therapie verstehen sie im systemischen Sinn als Konstruktion einer neuen Realität durch eine fruchtbare Metapher. Sie könne dem familiären Chaos einen neuen Definitionsrahmen geben; dies funktioniere allerdings nur, wenn die benützte Metapher die Struktur der problematischen Situation der Klienten enthalte (ebd., S. 209). Differenzierter versuchen Klar und Wolf (1997a, b) systemische und Familientherapie als mehrstufige Bearbeitung metaphorischer Muster zu begreifen: als Musterkonstruktion (Abstimmung KlientIn/TherapeutIn), Musterevaluation (Thema und seine Varianten, Ausnahmen, Zuspitzungen, angrenzende Themen) und Musterunterbrechung. Auch sie schlagen für die einzelnen Stufen Metaphern vor (Wohnungsmetapher: Verräumlichung des Problems und Konkretisierung, Arbeit mit inneren Personen: Personalisierung abstrakter Phänomene wie Angst, alter Beziehungen und Ungeheuern zur Drastifizierung von Befürchtungen). Von ähnlichen theoretischen Hintergrundannahmen ausgehend, jedoch erheblich stärker empirisch gesättigt liefert Roderburg (1997, 1998) eine gesprächsanalytische Kommentierung der Wirkung von Metaphern in lösungsorientierten Kurzzeitpsychotherapien. Auch Berlin et al. (1991) geben einen kurzen Überblick über bisherige Studien zu Metaphern und Beratung. Sie beziehen sich auf Lakoff und Johnson, jedoch weicht ihre Terminologie, von „generative“ statt „conceptual“ metaphors zu sprechen, davon ab. Sie schildern interessanterweise die Metaphorik, dass Psychotherapie auch Krieg sei (diese Metapher fehlt in Schmitt 1995 und allen oben genannten Therapiestudien), und stellen einige der von Lakoff und Johnson gefundenen Metaphern als Verstehenshilfen heraus. Zuletzt geben sie eine Übersicht der hilfreichen Funktionen von Metaphern, ohne die Warnung zu vergessen, dass therapeutische Metaphern nicht unbedingt immer verstanden werden.
Auch die folgenden, nicht aus dem familien- oder hypnotherapeutischen Bereich stammenden Studien reduzieren Metaphern auf ihre instrumentelle Nützlichkeit und lassen sich mit der Metapher, dass Metaphern ein Werkzeug seien, zusammenfassen. Dies hat Bock (1981) in seiner Studie über den Einfluss von Metaphern auf ein Problemlöseverhalten experimentell untersucht. Er konnte belegen, dass unterschiedliche Metaphern aktivierende oder resignative Implikationen der zu Beratenden nach sich zogen. Auch Engel und Sickendieck (2004) gehören zu denjenigen, die im deutschen Sprachraum außerhalb der Psychoanalyse auf die Wichtigkeit von Narrationen und Metaphern im therapeutischen Geschehen hinweisen. Sie geben Empfehlungen, auf welche unterschiedlichen Weisen Metaphern genutzt werden können. Die Verknüpfung von Narration und Metapher, die sich oben bei der Diskussion von Kupferberg und Green (2005) als relevant für gelingende therapeutische Kommunikation dargestellt und im Abschn. 3.4 auch als theoretisches Problem skizziert wurde, wird von ihnen nicht diskutiert.
Ganz im Gegensatz zu diesen pragmatischen Anwendungsvorschlägen stehen die Überlegungen von Fischer (2003). Er begreift „Metaphernreflexion als Sinn stiftendes Verfahren“ (ebd., S. 38 ff.) und entwickelt zur „Dekonstruktion“ der Klientenmetaphern pragmatische Hinweise auf zwei Ebenen: Zunächst fördert die Dekontextualisierung der gebrauchten Metapher durch Ernstnehmen und Hervorheben den Verlust der unreflektierten Selbstverständlichkeit. Dann folgt ein „metakommunikatives Thematisieren“, das aus mehreren Formen besteht: einer Erweiterung des Sinnreservoirs der Metapher durch Ausschöpfung bisher impliziter Bezüge; einer Erschöpfung der Metapher durch Verdinglichung, Wörtlichnahme oder Übertreibung, einer Metamorphose der Metapher durch Umdeutung („Wovor schützt das graue Monster?“ für: „Depression“) und einer Metapherndekonstruktion im engeren Sinn durch Hinweis auf Brüche und Inkonsistenzen, um dann neue Metaphern zu finden. Weniger kritisch-dekonstruierend beschreibt Retzer (1993) die Notwendigkeit, die Metaphern der in seinen drastischen Beispielen meist schizophren erkrankten Menschen anzunehmen und als gemeinsamen Bedeutungsraum zu pflegen, darin den Überlegungen von Angus (1996) und Angus und Kormann (2002) (s. o.) nahe. Retzer (1995) geht auch davon aus, dass die metaphorischen Problempräsentationen der KlientInnen irritiert werden sollten, um Lösungsmetaphern zu ermöglichen. Eine Literaturübersicht über Metaphern in der Supervision ohne klaren Begriff der Metapher geben Guiffrida et al. (2007).
Der „dekonstruktive“, sprachliche Verdinglichungen auflösende Ansatz vor allem der systemischen Ansätze impliziert, dass psychische „Krankheiten“ selbst als Metapher anzusehen sind, in der körperliche Funktionsstörungen auf die psychosoziale Verfassung eines Subjekts übertragen werden. Besonders Szasz (1974, insbes, S. X–XI) besteht darauf, dass die Bezeichnung „Krankheit“ für psychische Phänomene „nur“ eine Metapher sei – damit übersieht er, dass jede Metapher sowohl hervorhebende wie verdeckende Seiten hat. Seine Argumentation, ein Verhalten, das andere als psychotisch bezeichnen würden, zum Bereich der freien Ausübung selbst geplanter Absichten zu zählen oder es, im Falle von Vergehen, einfach als kriminelles Handeln zu bestrafen, negiert das Phänomen. Vorsichtiger argumentiert Sarbin (2000), der die metaphorische Konzeptualisierung psychischer Abweichungen in Metaphern der körperlichen „Krankheit“ auch historisch belegt, ohne das damit verbundene Phänomen infrage zu stellen.Footnote 92
4.6.1.1.4 Fazit der praxeologischen Studien
Als implizite Annahme fast aller therapeutischen Ansätze lässt sich formulieren, dass Leid erzeugende Denkmuster als inadäquate Metaphern des Selbst und des Selbst-Umwelt-Verhältnisses begriffen werden. Die Durchsicht der Anweisungen für beratendes und therapeutisches Handeln verweist auf anwendungsorientierte Aufgabenstellungen von Metaphernanalysen:
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Therapeutisches Handeln lässt sich a) als Ausdifferenzierung vorhandener oder b) als Vermittlung neuer Sprachbilder sowie c) als Dekonstruktion alter Metaphern verstehen (Fischer 2003). Das Aufgreifen der Sprache der KlientInnen kann es ermöglichen, deren Welt aus dem Innern der damit ausgedrückten Selbst- und Weltsicht zu verstehen und Handlungsweisen zu entwickeln, die deren Sicht der Welt nicht überfordert und zunächst das therapeutische Bündnis fördert.
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Mit Kopp (1995) und Carveth (1993) ist anzunehmen, dass die psychotherapeutischen Theoriegebäude selbst auf metaphorischen Formulierungen aufbauen (für die Gesprächspsychotherapie Leihener 1997).
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Die ausführlichste Übersicht, welche die unterschiedlichen Ratschläge für die Arbeit mit Metaphern gliedert und systematisiert, bietet Kopp (1995, vgl. auch Schmitt 2009c in Abschn. 4.3.6).
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Konsens scheint bei den differenzierteren bzw. sich auf Lakoff und Johnson stützenden AutorInnen zu sein, dass KlientInnen wie TherapeutInnen schon immer in Bildern sprechen. Und in stockenden und beiderseits frustrierenden Beratungsprozessen blockieren eventuell unterschiedliche Metaphern die Verständigung. Metaphernanalyse wird hier zur Supervision (vgl. Schmitt 2000b).
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Trotz einiger Einschränkungen generieren diese Arbeiten Vergleichsmöglichkeiten und machen auf das Fehlen spezifischer Metaphern aufmerksam, so etwa Berlin et al. (1991) in der sonst vermiedenen Metapher, dass Beratung oder Therapie auch als Krieg konzeptualisiert werden könne.
4.6.1.2 Psychoanalyse
Die Psychoanalyse hat sich mehrfach mit Metaphern beschäftigt; eine Übersicht über diese Einzeluntersuchungen gibt Buchholz (1993a, S. 321 ff., vgl. auch Buchholz 2005a; Buchholz und Gödde 2005; Soldt 2005). Der psychoanalytische Beitrag hat sich oft an der Nähe des Metaphernbegriffs zu Freuds Symbolbegriff orientiert: Freud selbst hat zwar die Metaphorik selten betrachtet, sie zum Beispiel in der Beschreibung der Techniken des Witzes kurz gewürdigt (Freud 1982c, S. 38). Der psychoanalytische Begriff des Symbols überschneidet sich mit dem hier verwendeten Begriff der Metapher; so zählt Freud Worte wie „Luftschiff“ und „Zeppelin“ zu den in neuer Zeit gebildeten Symbolen, die übertragene Bedeutungen annehmen können (Freud 1900, S. 347). Den Charakter des Verborgenen, Anstößigen, gar Sexuellen haben Metaphern nur im Einzelfall. Wie für die älteste Theorie der Metaphorik geht Freud davon aus, dass Symbole durch einen Vergleich gebildet werden (Freud 1916, S. 161 f.). Ebenso wie gängige Metaphern sind Symbole kollektiv wirksam (Freud 1916, S. 173). Ähnlich den Metaphern in der Alltagspraxis enthält die Traumdeutung Möglichkeiten, ein Symbol auch wörtlich und nicht symbolisch zu verstehen: Eine eindeutige Zuordnung von Symbol und Symbolisiertem existiert also nicht (Freud 1900, S. 346 f.). So lassen sich (psychoanalytisch begriffene) Symbole als Sonderfall des sehr viel umfassenderen Metaphernbegriffs von Lakoff und Johnson kennzeichnen.Footnote 93 Lorenzer (1970, 1986) hat in seiner Kritik des psychoanalytischen Symbolbegriffs die Differenzierung angeregt, dass neben sprachsymbolischen Interaktionsformen die in Gestik, Mimik, kindlichem Spiel, Kunst und anderen „präsentativen“ Kommunikationsformen enthaltenen „sinnlich-symbolischen Interaktionsformen“ als Symbol im psychoanalytischen Sinn diskutiert werden. Auch Letztere ließen sich als metaphorische Konzepte deuten – ein diesbezüglicher Versuch (Schmitt 1995, S. 80–84) hat jedoch keine Weiterentwicklungen erfahren.
Wesentlicher für die Debatte dürfte jedoch sein, dass sich Freud von der eigenen Bildlichkeit reflexiv immer wieder zu distanzieren vermochte und den Konstruktionscharakter zentraler Begriffe der Psychoanalyse immer wieder hervorhob – eine Übersicht dieser Stellen sammelt Leary (2000).
4.6.1.2.1 Buchholz, von Kleist
Jenseits dieser Überlegungen hat sich im deutschen Sprachraum eine spezifische Verbindung von Metaphernanalyse und Psychoanalyse entwickelt, die mit den Namen Michael B. Buchholz und Cornelia von Kleist verbunden ist. Sie versuchen nicht, einen bestimmten psychoanalytischen Begriff mit dem des metaphorischen Konzepts zu verbinden; ihre Studien sind Vertiefungen insbesondere von zwei Annahmen: Psychoanalytische Theorie ist vor allem als Geflecht von Metaphern zu begreifen, und das Geschehen zwischen KlientIn und TherapeutIn ist eine durch Metaphern strukturierte Interaktion. Buchholz formuliert die erste These so:
… wir können uns nicht mehr auf den ‚Trieb‘, das ‚Selbst‘ oder andere Substanzen berufen, ohne zugleich anzugeben, in welchen interaktiven Situationen des Sprechens solche Metaphern entstanden sind und wie umgekehrt solche Konzeptualisierungen unser therapeutisches Handeln steuern (ders. 1993a, S. 9).
Auch Carveth (1993) hat rekonstruiert, dass die Psychoanalyse ein metaphorisches Unternehmen ist: Zwischen Dampfmaschine und fragiler Vase zeige sich die psychoanalytische Metatheorie als Vielzahl komplementärer metaphorischer Modelle (ebd., S. 24 f.). Carveth diskutiert von Freuds Metaphern des „Triebs“ (ebd., S. 35 f.) über die bekannteren Vergleiche, der Analytiker sei ein „Spiegel“ oder ein „Chirurg“ (ebd., S. 42), bis hin zu militärischen und chemischen Metaphern auch die Grenzen und Ergänzungsverhältnisse der freudschen Bildlichkeit. Dass auch die Metapher des Detektivs nach dem Muster Sherlock Holmes’ im psychoanalytischen Schriftgut einiges zur Selbstdefinition beiträgt, belegt Spence (1993).
Buchholz (1996) nutzt diese Überlegungen zur Selbstbestimmung: Er konstatiert eine Grundlagenkrise der Psychoanalyse und sieht weder in der Neuorientierung an Freud noch in der klinischen Falldiskussion die beste Strategie zur Gewinnung eines neuen Selbstverständnisses. Er schlägt eine „Psychoanalyse der Psychoanalyse“ vor, die vertiefen könnte, dass psychoanalytische Begriffe (Trieb, Unbewusstes, Ich …) zwar metaphorische Konstruktionen sind, die offene Horizonte für Behandlungserfahrung und Selbststeuerung bieten, jedoch ebenso dogmatisch versteinern können (ebd., S. 13 ff.). Dieser Hinweis, dass psychoanalytische Theorie vor allem als Geflecht von Metaphern zu begreifen ist (vgl. Wurmser 1983; Borbely 2008), wäre auch für andere Therapieformen zu untersuchen (vgl. White 2011 für spätere psychoanalytische Theoretiker, Leihener 1997 für die Gesprächspsychotherapie).
Der zweite Gedanke, dass das Geschehen zwischen KlientIn und TherapeutIn eine durch Metaphern strukturierte Interaktion ist, wird in Buchholz (1993b) formuliert. Buchholz und Kleist (1995) führen diesen Gedanken als qualitative Untersuchung fort: Mit einer psychoanalytisch inspirierten Metaphernanalyse, die um Elemente der Konversationsanalyse ergänzt wird, rekonstruieren sie die Muster, in denen „Therapie“ wahrgenommen wird: Wenn zum Beispiel ein Patient eine Psychoanalyse als „Beichten“ begreift, das Berühren unangenehmer Themen als „Buße“ hinnimmt und nach der Äußerung seiner Einfälle eine erlösende Absolution erwartet, so folgt er einem bildlichen Komplex, der konzeptuellen Metapher: Therapie ist Beichte. Entsprechende, ebenfalls metaphorische Vorstellungen eines psychoanalytischen Therapeuten lassen sich in Formulierungen vom „Spiegeln“, „undurchsichtig Sein“ und der „Introspektion“ finden, einer visuellen Metaphorik nach dem Muster: Therapie ist In-sich-Hineinschauen. Buchholz und von Kleist nennen nun die metaphorische Vorstellung des Klienten von der Therapie eine „Prozessfantasie“, die des Therapeuten „Prozessmodell“. Ihre Metaphernanalyse konzentriert sich nun selektiv auf Redewendungen, die es erlauben, Prozessfantasie und -modell zu rekonstruieren und die Interaktion der beiden, ihre Passung oder Nichtpassung, zu verfolgen.
Sie rekonstruieren anhand eines Transkripts einer Psychotherapie (ebd.) eine räumliche Fantasie des Klienten, der das Spiel „Such mich in der Themenlandschaft“ betreibt; der Therapeut „funktioniert“ jedoch nach der oben genannten „Spiegel“-Metapher, die impliziert, der Patient möge sich selbst suchen und finden. Unschwer ist es nun vorauszusagen, dass es zu kommunikativen Krisen kommen muss: Gespräch und Themenfindung kommen nicht in Gang, der Patient fordert versteckt mehr Engagement des Therapeuten, der Therapeut werde schließlich dafür bezahlt – und meint damit, er solle nach dem Wunsch des Patienten funktionieren und ihn führen; der Therapeut versucht seine Regeln zu explizieren und weist auf die Gefahr für die Autonomie des Patienten hin, wenn er dessen Wunsch folgen würde. Für diese Struktur der Interaktionskrise konstruieren Buchholz und von Kleist eine eigene Metapher: Die Therapie sei zum „Jagdspiel“ geworden, in der jeder seine Regeln mit unterschiedlichen kommunikativen Strategien dem Gegenüber aufzudrängen versucht. Diese Prozessvorstellungen steuern die Identität der Beteiligten in der Interaktion, prallen auch bei Nichtpassung aufeinander, wodurch die Teilnehmer (im Idealfall) gezwungen sind, ihre (Sprech-) Handlungsabsichten offener zu dokumentieren und bei gelungenem Verstehen in neuen und transzendierenden Bildern die kommunikative Krise zu lösen.Footnote 94
Die Rolle des Körpers als Metapherngenerator wird in späteren Publikationen stärker in den Mittelpunkt gerückt: Buchholz (1996) entwickelt einige Übereinstimmungen von kognitiver Linguistik und Psychoanalyse, die er zu einer „interaktiven Ökologie von Gefühlen“ weiterentwickelt. Lakoff und Johnson haben darauf hingewiesen, dass das Begreifen von Gefühlen in Substantiven wie: „Meine Wut kam endlich heraus“ ihnen den Charakter von gegenständlicher Substanz zuschreibt, als wären sie versteckt schon immer da, als könnten sie nur „verleugnet“ oder „verschoben“ werden, wenn man sie nicht „ausdrückt“. Diese Substanzialisierung von Erfahrungen und Empfindungen, die jedoch in bestimmten Situationen erzeugt werden und ohne diese gar nicht zureichend verstanden werden können, analysieren Lakoff und Johnson als kognitives und kollektives Muster der Erfahrungsorganisation. Buchholz ergänzt vor psychoanalytischem Hintergrund, dass durch solche Verdinglichung irritierend-diffuse Grenzen zu beruhigend-harten Begrenzungen werden (ders. 1996, S. 161). Im Folgenden werden typische Metaphern für Neid, Wut, Ärger, Liebe diskutiert, in denen sich Raumvorstellungen und Körperempfindungen (z. B. „vor Zorn platzen“) mischen, bevor auf dahinterliegende einfache kognitive Schemata (z. B. „Behälter“) eingegangen wird. Buchholz zeigt, dass kognitive Linguistik und Psychoanalyse in Betonung des Körpers als Ausgang aller Erfahrung konvergieren (vgl. auch Buchholz 2002, 2005a).
Weitere von ihm diskutierte Schemata sind das „Verbindungs-“ bzw. „Linkschema“, dessen Metaphern um Verbindungen kreisen: „Netzwerk“, „Verstrickung“, „Kontakte knüpfen“ etc., das Kraftschema (was mich „bedrückt“, um jemand „kämpfen“) und das „Pfadschema“ (es „kam“ überraschend, wie soll es „weitergehen“) (vgl. Abschn. 2.1.3). Buchholz versucht nun in einer computergestützten Recherche alle diese Schemata in der ausführlichen Analyse einer Therapie zu analysieren und rekonstruiert sowohl die subjektive Krankheitstheorie und Prozessvorstellung des Patienten wie die Handlungslogik des Therapeuten für jedes Schema separat. Danach wagt er aufgrund der Schemata eine Prognose, wie sich innerhalb der Metaphoriken eine therapeutische Veränderung zeigen könnte: durch eine Differenzierung innerhalb eines Schemas, durch eine dynamische Veränderung des Schemas oder durch eine neue, transzendierende konzeptuelle Metapher.Footnote 95 Momente solcher Veränderungen werden dann in der Analyse einer mittleren und der letzten Therapiesitzung diskutiert, ebenso die „Techniken“ des Therapeuten im Rahmen seiner metaphorischen Modelle.
Buchholz und von Kleist haben in der qualitativen Studie „Szenarien des Kontakts“ (dies. 1997; vgl. Buchholz 1997) einen anderen Ansatz versucht: In dieser Untersuchung interessiert, was mit dem Wort „Kontakt“ in psychotherapeutischer Interaktion gemeint und gedacht wird. Die alltägliche Selbstverständlichkeit im Umgang mit diesem Wort zerrinnt, sobald man sieht, dass einige Menschen Kontakt „anbieten“, manche Kontakte „knüpfen“, dritte Kontakt „machen“ und andere „in“ Kontakt „sind“. Die Bedeutung des Wortes „Kontakt“ unterscheidet sich offenbar je nach Person von KlientIn, TherapeutIn und Situation, und offenbar sind auch jeweils andere Interaktionen damit imaginiert. Die Stichprobe umfasst 30 Abschlussinterviews nach stationärer Psychotherapie und fast zu jedem davon noch ein Interview mit den entsprechenden PsychotherapeutInnen und KomplementärtherapeutInnen (Krankenpflegende, Körper- und GestaltungstherapeutInnen), insgesamt 82 Interviews. Die AutorInnen nehmen eine in der qualitativen Metaphernanalyse wenig benutzte Spur auf: Lakoff (1987, S. 397) hatte versucht, die unterschiedlichen konzeptuellen Metaphern der Emotion „Wut“ zu einem einzigen Szenario zusammenzusetzen (vgl. Abschn. 2.1.7), ein ähnlicher Versuch in Schmitt (1995, S. 221 f.) begrenzt sich auf ein einziges Szenario des psychosozialen Helfens. Hatte von Kleist Metaphern für die Selbstdarstellung von KlientInnen, Buchholz Metaphern für die Fantasien der KlientInnen über den Prozess der Therapie oder hinter den Metaphern liegende Schemata analysiert, so setzen sie nun metaphorische Konzepte zu mehreren Szenarien zusammen. Im Ergebnis wird daraus eine Sammlung von vier überindividuellen imaginativen Szenarien der Gestaltung von „Kontakt“ im Rückblick auf die stationäre Psychotherapie:
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das „Szenario der schrittweisen Annäherung“, nicht nur von der Wegmetapher ausgestaltet, von der „Kontaktanzeige“ bis hin zur (körperlich gedachten) Entgrenzung, mit differenzierten Möglichkeiten des Zwischen-, Fort- und Rückschritts, mit der Möglichkeit von zu hohem Tempo ohne Aushandlung der Zwischenstufen, von Orientierungsverlusten und Hemmungen;
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das „Szenario der elektromagnetischen Kontaktkräfte“, wo es funkt oder nicht, null oder eins nur gibt: das am wenigsten differenzierte Muster. Hier lässt sich aus eigenen Forschungen (Schmitt 1995) anfügen, dass sich für dieses Szenario auch sonst keine Metaphern des Helfens finden lassen;
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das Szenario der Bindung zwischen „seidenem Faden und reißfestem Tau“, die Metaphorik des „Knüpfens“ von Kontakten, also vom Festigen, Pflegen, Abreißen und Wiederanknüpfen des „Kontaktfadens“;
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das Szenario der Wandlung im „Sicheinlassen“, im als „Gefäß“ gedachten Kontakt; das therapeutisch mächtigste und auch risikoreichste. Hier geht es um Kontrolle und Kontrollverlust, Festigen und Verflüssigen der Grenzen, der Wandlung in der Auflösung oder der Traumatisierung im „Reinfall“.
Für jedes Szenario werden unterschiedliche Verlaufsmöglichkeiten, Risiken und Fehlentwicklungen diskutiert. Hier zeigt sich, dass eine prozessuale interaktive Diagnostik einer nosologisch orientierten Diagnostik (z. B. nach ICD-10) nicht immer folgt. Der Wert der Szenarien liegt darin, den Zusammenhang auch zwischen unterschiedlichen konzeptuellen Metaphern zu studieren, um damit komplexe, aber typische Ablaufmuster der Interaktion rekonstruieren zu können. Ein forschungsmethodisches Problem liegt darin, dass in der Mischung ähnlicher metaphorischer Konzepte in jedem Szenario die Grenzen zwischen diesen fließend werden. Auch werden Widersprüche zwischen metaphorischen Konzepten überblendet, sodass weitere Studien zur Brauchbarkeit des Szenariobegriffs notwendig erscheinen.
Darüber hinaus irritiert, dass die Metaphorik des Gebens und Nehmens nicht gefunden wird, die anderweitig (Schmitt 1995, mit Verweis auf Mauss 1990: König 1997) als zentrales Element therapeutischer Beziehung diskutiert wird.Footnote 96 Dennoch können Buchholz und von Kleist sehr umfassend und gründlich zeigen, dass das Geschehen zwischen KlientIn und psychoanalytischer TherapeutIn eine durch Metaphern strukturierte Interaktion ist und Begriffe wie „Übertragung“ und „Gegenübertragung“ als metaphorisch strukturierte Beziehungserwartungen reformuliert werden können.
Eine weitere metaphernanalytische Einzelfallstudie beschreibt die Bearbeitung des als „Widerstand“ beschriebenen Phänomens als Weiterentwicklung der Bedeutungshorizonte alltäglicher Metaphern im Gespräch (Buchholz 1993c), eine andere (Buchholz 1994c) rekonstruiert die Metaphorik einer Psychose im familiären Kontext als sinnvolles Denkmuster. Buchholz (2003) nennt zwei Möglichkeiten der Analyse von Metaphern im therapeutischen Gespräch: Das „Arbeiten innerhalb der Metapher“ bedeute das Aufnehmen und „Mitgehen“ mit der Metapher durch die TherapeutInnen, die „Arbeit an der Metapher“ umfasse deren Reflexion, Dezentrierung, die Sicht von exzentrischer Position auf die Metapher (ebd., S. 71 f.) Ziel einer therapeutischen Analyse von Metaphern sei es, die Übersteuerung unserer Erfahrungen durch eine Metapher aufzuheben (ebd., S. 81).
Die Stärke weiterer Publikationen von Buchholz liegt oft in der Entfaltung der Implikationen einzelner Metaphern. Buchholz (1994b) diskutiert am Beispiel der Fremdenfeindlichkeit einige Metaphern des öffentlichen Diskurses (vom vollen Boot, dem europäischen Haus und der Festung Europa, des öffentlichen Verstehens der rechtsextremen Brandanschläge als „Abreagieren“ vermeintlich Deklassierter).Footnote 97 Buchholz (2000) gibt viele Beispiele, wie auch Diskurse der Autonomie und der Intimität ebenfalls metaphorisch verfasst sind.
Von Kleist (2001) hat bilanzierend die unterschiedlichen hier diskutierten Anregungen, welche die Metaphernanalyse für die Psychoanalyse, aber auch die Psychoanalyse für die Metaphernanalyse bieten kann, zusammengestellt und dabei auch auf den Wert des Behälterschemas zum Begreifen psychotischen Erlebens hingewiesen. Unter Mitarbeit von Buchholz ist die Studie von Bulla et al. (2005) entstanden, die aus Gruppenpsychotherapien von Sexualstraftätern im Gefängnis vor allem die Metapher vom sexuellen „Druck“ rekonstruiert, für den die Beteiligten in ihrer subjektiven Einschätzung nicht verantwortlich seien. Damit sind externalisierende Schuldzuschreibungen verbunden, dass beispielsweise die Ehefrau diesem „Druck“ nicht nachkam und deshalb das Kind zum Ausagieren des „Drucks“ genommen wurde. Eine weitere entschuldigende Metaphorik findet sich bei den Tätern, welche die Kinder filmten und dies mit wissenschaftlichen Motiven (und Metaphern der Forschung) rechtfertigen. Die dritte Schuld negierende Metapher findet sich darin, dass Pädophilie eine „Sucht“ sei, gegen die man wie bei jeder anderen Sucht (angeblich) nichts tun könne. Eine Variante dieser Selbstentschuldung ist das Bild der Pädophilie als „natürlicher Neigung“, die von der Gesellschaft tabuisiert werde. Zuletzt eignet sich die Konzeptualisierung des Therapieprozesses als „Beichte“ zur Abwehr von Verantwortlichkeit. Die Folgestudie (Buchholz et al. 2008) arbeitet diese Aspekte umfassender heraus, ohne das Verfahren der Mischung von Konversationsanalyse, Narrationsanalyse und Metaphernanalyse zu präzisieren (vgl. auch Buchholz et al. 2009).
4.6.1.2.2 Weitere psychoanalytische Studien
Das weitere psychoanalytische Schrifttum soll hier nur gestreift werden, wenn es weitere Hinweise für die Praxis der Metaphernanalyse, die von ihr abgeleiteten praktischen Interventionen oder zur Theorie einer metaphernanalytisch gestützten Beratung und Therapie beitragen kann.
In diesen Kontext gehört die frühe Publikation von Ekstein und Wallerstein (1956). In zwei Fallvignetten werden die Möglichkeiten der metaphorischen Intervention herausgearbeitet: Zunächst wird gezeigt, wie ein psychisch krankes Kind nach einer klassisch-psychoanalytischen Interpretation, in der seine Beziehungsbeschreibung zu einer Mitschülerin als Beschreibung seiner Beziehung zu seiner Mutter gedeutet wird, psychotisch dekompensiert. Anschließend wird gezeigt, wie es im psychotischen Zustand durch metaphorisches Mitagieren und damit verbundenem Bindungsangebot wieder etwas stabiler wird. Hier wird das „Interpretieren innerhalb der Metaphern“ erheblich wichtiger als das Anbieten neuer Metaphern. Der spätere Aufsatz von Caruth und Ekstein (1966) begrenzt die Arbeit innerhalb der Metapher bei schizophrenen und borderlineerkrankten Menschen auf eine nur vorbereitende, wenn auch notwendige Funktion vor dem klassischen Deuten. Das Arbeiten innerhalb der Metaphern der KlientInnen erzeuge eine Art von Empathie, die das Risiko habe, die Grenzen zwischen KlientIn und TherapeutIn zu verwischen; und sie äußern Skepsis gegenüber einer Hypostasierung der Metapher als universellem therapeutischen „Werkzeug“.
Rauchfleisch (1982) ist von diesen Ansätzen inspiriert und nutzt metaphorische Intervention in Phasen dysphorischer Gereiztheit bei Menschen mit dissozialen Persönlichkeitsstörungen: Er erinnert in solchen Momenten an Elemente aus ihren Träumen und nutzt sie als Metapher (z. B. das Bild des rasenden Elefanten), einfache Zeichnungen zur Symbolisierung der momentanen affektiven Lage oder Wolken, Wetter und Tagesabläufe als Vergleich (es gebe z. B. nicht nur blauen Himmel und schwarze Nacht). In seiner Diskussion gerade der einfachsten Metaphern in psychisch äußerst angespannten Situationen wird das Bemühen deutlich, damit auch die therapeutische Beziehung zu erhalten.
Babits (2001) nimmt bei der Frage, ob mit den Metaphern der KlientInnen oder denen der TherapeutInnen gearbeitet werden sollte, eine dritte Position ein. Es sei wichtiger, dass Klient und Therapeut gemeinsame Metaphern finden und ausarbeiten: „What is crucial, from a relational viewpoint, is not whether the patient or therapist generates the metaphor but that it will be developed between them“ (ebd., S. 23). Er vergleicht das Arbeiten mit Metaphern mit Winnicotts Vorstellungen, dass Metaphern in der Psychotherapie wie Kultur oder Spiel einen Übergangsraum als Raum der Möglichkeiten ergäben, in dem mit Bedeutungen probierend gespielt werden könne. Gleichzeitig ermöglicht das Explorieren metaphorischer Implikationen ein sicheres und „haltendes“ Arbeitsbündnis.
Siegelman (1990) bietet ein mit Lakoff und Johnson aufgeklärtes Metaphernverständnis, ohne theoretisch genau zu sein („basic metaphors“ statt „conceptual metaphors“), referiert aber gründlich die angelsächsische psychoanalytische Diskussion vor 1990. Vor allem die Bezüge zur Entwicklungspsychologie sind hier gründlicher ausgearbeitet als in der bisher zitierten Literatur. Lachauer (2005) beschreibt, von Buchholz inspiriert, das Gewinnen eines inneren Bildes (oder mehrerer) als Entwicklung eines Fokus zur Behandlung. Möller et al. (2009) rekonstruieren acht verschiedene metaphorische Konzepte in Supervisionssitzungen von PsychoanalytikerInnen (vgl. auch Mitterhofer 2012). Psyche wird vor allem als Gefäß wahrgenommen, Psychotherapie als (Fort-)Bewegung, Hilfestellung, Kampf, Naturgewalt, Arbeitsbeziehung, Sichtbarmachen von Verborgenem, Spiel, technisches Konstrukt und Erziehung. Die AutorInnen sehen bei Lakoff und Johnson eine Vernachlässigung der diachronen bzw. historischen Perspektive, das heißt der Veränderung von Metaphern; darauf wird im Abschn. 5.7.11 als Fragestellung nicht nur im psychotherapeutischen Geschehen eingegangen.
4.6.1.2.3 Zusammenfassung
Dass es sinnvoll war, den psychoanalytischen Beitrag zur Metaphernanalyse separat zu behandeln, zeigt das Fazit, das als Zuspitzung und Vertiefung des in Abschn. 4.6.1.1.4 formulierten Resümees für die Studien aus anderen therapeutischen Schulen gelesen werden kann:
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Deutlicher als in nicht-psychoanalytischen Studien hat Buchholz wiederholt formuliert, dass Therapietheorien metaphorische Gebilde sind, die bestimmte Interaktionen und Denkweisen ermöglichen und andere behindern. Therapietheorien sind also selbst als Gegenstand metaphernanalytischer Untersuchungen ernst zu nehmen.
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Von den (metaphorischen) Therapietheorien kann nicht unmittelbar auf (metaphorische) Prozessmodelle der konkreten TherapeutInnen geschlossen werden.
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Die Erwartungen der KlientInnen an die Behandlung als metaphorische Prozessfantasie sind essenziell für den Verlauf einer Behandlung, ihre Passung, Nichtpassung und adaptierende Verhandlung ein zentrales Thema.
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Untersuchungen von Therapien und Beratungen sind auf eine Methodik angewiesen, die Prozesse abbildet. Wie Metaphernanalysen und Konversationsanalysen nachvollziehbar aufeinander bezogen werden, muss derzeit noch offen bleiben (vgl. auch Schröder 2012, 2015).
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Sowohl die Studien von Buchholz und von Kleist (1997) zu Kontakt wie die Studien von Buchholz et al. (2008, 2009) zur Negation von Schuld bei Sexualstraftätern deuten an, dass für Affekte die Konstruktion komplexer Metaphernszenarien ein Ziel jenseits von metaphorischen Konzepten sein könnte.
4.6.2 Weitere Subdisziplinen der Psychologie
Die Hintanstellung der Subdisziplinen der akademischen Psychologie in dieser Gliederung hat, wie erwähnt, ihre Begründung darin, dass in diesen Bereichen für eine Metaphernanalyse als qualitative sozialwissenschaftliche Forschungsmethode sehr viel weniger Anregungen, verglichen mit dem Feld von Beratungs- und Therapieforschung, zu finden sind. Es gibt jedoch spezifisch psychologische Beiträge, die zur Diskussion beitragen. Eine andere Schwierigkeit dieses Kapitels ergibt sich aus der Tatsache, dass das Phänomen der Metapher in der Perspektive von Lakoff und Johnson nicht mehr nur ein Thema der Sprachpsychologie ist, sondern auch eines der kognitiven Psychologie, der Sozialpsychologie und der Entwicklungspsychologie. Einige Autoren wie zum Beispiel Gibbs (2002, 2006, 2008) sind in verschiedenen Bereichen präsent, und so mag die Einteilung überscharfe Grenzen stiften, die manchen Forschenden nicht ganz gerecht wird, aber eine erste Orientierung ermöglichen soll.
4.6.2.1 Sprachpsychologie
Die Rolle der Metaphern in der deutschsprachigen psychologischen Forschung ist durch Abwesenheit mit Ausnahmen gekennzeichnet.Footnote 98 In den gängigen Lehrbüchern der Psychologie kommen Metaphern im Stichwortverzeichnis nicht vor, beispielsweise im neuesten Lehrbuch der Sprachpsychologie von Galliker (2013) oder der Übersicht zu Sprache und Denken von Beyer und Gerlach (2011). In älteren zentralen Publikationen des Fachs werden Metaphern nur kursorisch erwähnt (Herrmann 1995; Langenmayr 1997). Dennoch finden sich immer wieder wenig beachtete Studien aus unterschiedlichen Teilfächern der Psychologie, die nahelegen, dass Metaphern für Wahrnehmung, Sprechen, Denken und Fühlen ein wesentliches Element bilden. Stählin (1914) hatte in einer ersten empirischen Untersuchung die Metapher einer „unbewussten Analogietätigkeit“ des Geistes zugeordnet und dabei einer begrenzten Anzahl Metaphoriken eine Vielzahl von Kategorien zu ihrer Einteilung gegenübergestellt. Folgenreicher – jedenfalls in der sprachwissenschaftlichen Debatte – wird erst Bühlers Sprachpsychologie (1934). Er begreift die Metapher nicht als schmückendes Beiwerk, sondern als ubiquitäres Phänomen der Sprache; wer erst einmal angefangen habe, darauf zu achten, „dem erscheint die menschliche Rede bald ebenso aufgebaut aus Metaphern wie der Schwarzwald aus Bäumen“ (Bühler 1934, S. 342). Er „definiert“ eine Metapher als das Sehen eines Objekts auf einer fotografischen Platte (sein Beispiel: dominierender Besucher eines Salons) durch eine andere fotografische Platte mit anderem Gegenstand (Löwen), was ein „Differenzbild“ ergebe, in dem sich die passenden Eigenschaften herausfilterten: „Salonlöwe“. Seine „Definition“ ist selbst eine metaphorische Übertragung. Bühler weist der metaphorischen Sprache vier Funktionen zu, die wir heute weitgehend als „kognitive“ beschreiben würden: Metaphern ermöglichen es, neue Sachverhalte zu beschreiben, andere drastisch zu charakterisieren, drittens erleichtern sie, Unbekanntes durch Bekanntes darzustellen, und zuletzt erlauben Metaphern, tabuisierte und anstößige Themen auf eine verhüllende Weise anzusprechen (ders., S. 342, S. 352 f.).
Solche Wertschätzung findet die Metapher in der Psychologie dann lange nicht mehr; sie kommt nicht vor oder stört. Als Störung, genauer: als „semantische Anomalie“ ist sie vor allem in Hörmanns Sprachpsychologie (1972) lebendig. Immerhin verhilft sie Hörmann, sich von den in den 60ern dominierenden Modellen der generativen Grammatik bzw. generativen Semantik zu distanzieren, deren Modell eine grammatische Struktur und ein Lexikon mit Wortbedeutungen, aber keine Bezüge zu situativem Kontext der Äußerung, Person der Sprechenden, gesellschaftlicher und kultureller Umwelt der Gesprächssituation vorsah. So war metaphorisches Sprechen nur begrenzt zu verstehen; Hörmann (auch 1977, 1980) führt die intentionale Komponente „Sinnkonstanz“ als Bedingung des Verstehens ein: Kommunikation verläuft für den Verstehenden in der Regel unter der Prämisse, sinnvoll zu sein. So bezieht Hörmann auffällige, den Verstehensvorgang verzögernde Metaphoriken ein, die beim Empfänger neue kognitive Prozesse („Konstruktion eines Bildes“) auslösten, erfasst jedoch nicht die schon bei Bühler benannten alltäglichen Metaphern.
In der Psychologie finden sich ab den 70er-Jahren vermehrt Publikationen im Kontext dieser sich nicht durchsetzenden Bemühungen um eine konsensfähige Konzeptualisierung metaphorischer Sprache. Neben den schon erwähnten grundsätzlichen Überlegungen Hörmanns sind es einige empirische Untersuchungen in der Entwicklungspsychologie, die sich auf Piaget oder Vygotskij stützen (Augst 1978, gegensätzlich: Paprotté 1985). Bock (1981) untersucht in einem experimentellen Design die Wirkung unterschiedlicher Metaphern auf das aktive oder passive Bewältigen eines Problems, später dokumentiert er Metaphern im Kontext der medialen Bewältigung von Tschernobyl (Bock und Krammel 1989). Das gewachsene Interesse der psychologischen Forschung an der Metapher zerstreut sich jedoch auch hier in heterogenen theoretischen Konzepten mit geringer Reichweite und unterschiedlichen Operationalisierungen metaphorischer SpracheFootnote 99; die experimentelle Psychologie imponiert durch kunstvolle Prozeduren der Messung der Verstehensgeschwindigkeit von Metaphern unter ebenso kunstvollen Begleitumständen (vgl. Pollio 1984; Herrmann 1995), deren ökologische Validität im Hinblick auf irgendeine Lebenspraxis zu bezweifeln ist.
In der englischsprachigen Literatur sind die Hinweise auf Metaphern zu diesem Zeitpunkt umfassender: Sie weisen der Metapher einen systematischen Stellenwert in der kognitiven Psychologie zu (Ortony 1979, 1993). Der wichtigste Anstoß, sich dem Phänomen wieder zu nähern, kommt von außen: Die kognitive Linguistik von Lakoff und Johnson hat in verschiedenen Teilbereichen der Psychologie interessante Folgestudien angeregt, die freilich auf neue Überlegungen innerhalb der Disziplin zurückgreifen konnten und für qualitative Forschung ergänzende Perspektiven bieten. So hat Rumelhart (1979, 1993) sehr radikal eine Selbstverständlichkeit infrage gestellt: Für ihn existiert keine Trennung von metaphorischer und wörtlicher Bezeichnung, denn alles Verstehen ist nur durch die in der Ontogenese erworbenen Schemata möglich, „wörtliches“ Bezeichnen ist in diesem Sinn eher ein Sonderfall einer Schemaanwendung. Gibbs (1993) hat diese Anregung aufgenommen und die von Lakoff und Johnson entwickelten Begriffe des metaphorischen Konzepts und des kinästhetischen Schemas genutzt, um nicht nur Metaphern, sondern auch andere figurative Sprache (Ironie, Metonymie, Übertreibung, Untertreibung, Redewendungen u. a.) als schemabasierte Verstehensmöglichkeiten zu rekonstruieren. Besonderen Wert hat er in zwei Publikationen (2002, 2006) darauf gelegt, dass die von älteren Psychologen experimentell gemessenen unterschiedlichen Verstehensgeschwindigkeiten von (neuer) Metaphorik und „wörtlicher“ Sprache sehr kontextabhängig sind und von einem verkürzten Verständnis der Metapher ausgehen. In seinen Experimenten belegt er, dass die in der Lebenswelt häufig gebrauchten figurativen Schemata wie konventionalisierte Metaphern und scheinbar „wörtliche“ Sprache ähnlich schnell verstanden werden. Diese radikale, die Definition von Lakoff überschreitende Position (vgl. Lakoff 1993, S. 205 f.) wird von PsychologInnen bestritten, die Metaphern im Gegensatz zu wörtlicher Sprache definieren, auch wenn sie konzedieren müssen, dass ein Großteil der Sprache metaphorischen Ursprungs ist (Bowdle und Gentner 2005). In der deutschen Sprachpsychologie lebt jedoch das alte Modell der Metapher als Störung fort, die Metapher wird immer noch als „Auseinanderfallen von Geäußertem und Gemeintem“ (Groeben und Christmann 2006, S. 639 ff.) gefasst – hier sind keine Anregungen für eine an der kognitiven Linguistik orientierte Metaphernanalyse zu erwarten. Der Hauptteil der im Folgenden genannten Untersuchungen berührt das Verstehen von Metaphern; zur Metaphernproduktion finden sich nur vereinzelte Studien (Corts und Meyers 2002).
4.6.2.2 Allgemeine Psychologie
Die Funde, die sich der Allgemeinen Psychologie zurechnen lassen, berühren drei Bereiche: zunächst die Selbstthematisierung, wie psychologische Theorien durch Metaphern motiviert sein könnten; dann die Emotionspsychologie, zuletzt das Thema Intelligenz.
Zur Theoriebildung in der Psychologie finden sich bereits frühe Arbeiten, die das Potenzial auch einer rudimentären Metaphernanalyse zur Selbstreflexion aufscheinen lassen. Ohne Berührung mit der modernen Metapherndiskussion bezog sich Herzog (1984) auf den Ansatz von Black und sah in der psychologischen Theoriebildung Maschinen-, Handlungs- und Organismusmodelle. Gigerenzer (1988) beschrieb am Beispiel der sogenannten „kognitiven Wende“ der Psychologie, in der Computer und Statistik zu beherrschenden Metaphern für das Verständnis des menschlichen Geistes und damit zu Theorien über kognitive Prozesse wurden. Denken wurde als intuitive Statistik der Kalkulation des Alltags gefasst, und Gigerenzer beobachtet: „Werkzeuge des Forschers, welche analytischen Charakter besitzen und als unverzichtbar angesehen werden, zeigen eine Tendenz, zu Theorien über die kognitiven Funktionen der untersuchten Personen zu werden“ (ebd., S. 93). Ihre Idealität (Präzision, Vorhersagbarkeit) werde übertragen; und er arbeitet den Siegeszug der Metapher „Kognition als intuitive Statistik“ als innere Kosten-Nutzen-Berechnungen bei Entscheidungen heraus. Es werde lange übersehen, dass die Statistik als heterogenes Gebilde nicht wirklich zur Metapher tauge und Differenzen verschiedener Ansätze der Statistik im Bild untergingen, andere Probleme (Frage der Messung, Minimierung von Messfehlern) übersehen sowie Versuchsartefakte mit dieser Metapher produziert würden (ähnlich Gigerenzer et al. 1999; vgl. kritisch: Jäger 1994). Kuhn (1993) wie Boyd (1993) gehen davon aus, dass Metaphern in der Wissenschaft – und damit auch in der Psychologie – nicht nur eine heuristische Funktion haben, sondern auch theoriekonstituierend wirken, zumindest so lange, bis ihre analogen Implikationen ausgeschöpft und neue Ereignisse nicht mehr zu integrieren sind. Boyd nennt als Beispiele das bohrsche Atommodell mit seinem Bild von Sonne und Planeten (Atomkern/Elektronen), in der Psychologie das „Mind-as-a-Machine“-Paradigma: Der menschliche Geist funktioniere wie die Informationsverarbeitung eines Computers.Footnote 100
Im Kontext der Emotionspsychologie existieren bereits Studien, die den Ansatz von Lakoff und Johnson berühren, zumal Lakoff (1987) mit seiner Fallstudie zur metaphorischen Konzeptualisierung der Emotion „Wut“ Vorarbeiten geleistet hat: Die unverzichtbare Rolle bildhafter Sprache in der Äußerung, aber auch der Wahrnehmung von Emotionen anderer Menschen diskutieren Ortony und Fainsilber (1989) und Gibbs et al. (2002) mit experimentellen Befunden (vgl. auch Shen 1999). Kövecses (2002) beharrt auf der Rolle kulturell vergleichbarer metaphorischer Konzepte von Emotionen. Eine psychologische Handlungstheorie muss darüber hinaus die in Metaphern immer auch mitschwingenden Emotionen einbeziehen – Mees (1999) stellt dazu ein komplexes Modell vor, das sich in Teilen auf Lakoff und Johnson bezieht. Averill (1990) knüpft für seine historische Übersicht über Theorien der Emotion ebenfalls an Lakoff und Johnson an, dass gerade Gefühle mit Metaphern ausgedrückt werden, wie umgekehrt durch die Zuschreibung von Gefühlen unbelebte Dinge zu lebenden Wesen werden: „Der Himmel ängstigt …“, die „Natur ist friedlich“. Er diskutiert die Metaphern für Emotionen in der Antike, bevor er die modernen Bilder der Psychologie in ihrem Auftreten und ihren theoretischen Erweiterungen ausarbeitet; er findet sechs zentrale Metaphern in Theorien der Psychologie: „inner feelings, works of the flesh, the beast within, diseases of the mind, driving force, and putting on a show“ (ebd., S. 104). Insbesondere die letzte Metapher, Gefühle als soziale Rolle zu begreifen, lässt Anschlüsse zur Soziologie zu. Hochschild (1990) nennt im Rahmen spätkapitalistischer Gesellschaften die Notwendigkeit neuer Metaphern: Emotionen als Arbeit, „Gefühlsarbeit“, um sich in divergenten Rollen immer wieder zurechtzufinden, und die Metapher des (Aus-)Tauschs von Gefühlen. Buchholz (1996, S. 167 f.) beschreibt die dazu notwendige metaphorische Substanzialisierung von Gefühlen als flüssige oder feste Stoffe (Gefühle „haben“ und „loswerden“, von Gefühlen „überschwemmt“ werden) als häufiges Phänomen.
Die Intelligenz sieht Sternberg (1990) in den Theorien der Psychologie als geografische Metapher („cognitive map“), als Computermetapher, in Bildern der biologischen Leistungsfähigkeit (Tempo und Präzision der Verarbeitung), der erkenntnistheoretischen „Metapher“, wie überhaupt erkannt werden kann (Piaget), der anthropologischen „Metapher“ (welche Form nimmt Intelligenz als kulturelle Erfindung an?), der soziologischen „Metapher“ (wie werden soziale Prozesse in der Entwicklung verinnerlicht?) und der Systemmetapher für den Geist. Diese zum Teil wenig bildhaften Formulierungen zeigen, dass Sternbergs Begriff der Metapher präzisierungsbedürftig ist: Sein Systematisierungsversuch der Theorien der Intelligenz ist nach der Innen-Außen-Dichotomie der Behältermetaphorik gegliedert (als „von innen“ kommende oder durch Umwelt in das Innere verlegte bzw. dort angeregte), und diese metaphorische Vorstrukturierung erfasst mehr oder weniger gut die von ihm benannten Theorien. Diese Behältermetaphorik ist eine von ihm selbst nicht erkannte metaphorische Struktur mit ihren inhärenten Hervorhebungen und Ausblendungen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass einzelne Teilbereiche der Allgemeinen Psychologie in ersten Studien diskutiert sind – nicht mehr.
4.6.2.3 Methodik: Qualitativ forschende Metaphernanalyse
Man kann die von Lakoff und Johnson vorgetragene Form linguistischer Beweisführung – die bloße Präsentation passender Beispiele – als ungenügend für psychologische oder sozialwissenschaftliche Forschung abtun (vgl. die ausführliche Kritik im Abschn. 2.1.9), man kann sie aber auch als Herausforderung sehen: In der deutschsprachigen Psychologie haben bisher vor allem qualitativ forschende Ansätze die Aufgabe angenommen, die Thesen von Lakoff und Johnson auf empirisch belastbare Füße zu stellen. Sie lassen sich in drei kurz aufeinanderfolgende Generationen aufteilen:
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Die erste Generation (Wiedemann 1986; Straub und Sichler 1989; von Kleist 1987) versucht die Auswertung von einzelnen Metaphern in Interviews bzw. Therapietranskripten und entwickelt daran erste methodische Hinweise zur Metaphernanalyse.
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Darauf aufbauend kann sich die zweite Generation größeren Projekten bei der Untersuchung von Psychotherapieprozessen und Konzepten des psychosozialen Helfens zuwenden und systematische Vorgehensweisen entwickeln: in Verbindung mit psychoanalytischen und ethnomethodologischen Vorgehensweisen Buchholz (1996), Buchholz und von Kleist (1995, 1997, vgl. Abschn. 4.6.1.2), als eigenständige qualitative Forschungsmethode Schmitt (1995, 1997, 2003, 2005).
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Die dritte Generation von MetaphernforscherInnen stieß sich wiederum an der vorigen ab, um neue Auswertungsverfahren zu entwickeln: Schachtner (1999) kombinierte Metaphernanalysen mit der Grounded Theory nach Strauss, um metaphorische Muster ärztlichen Handelns zu rekonstruieren, Moser (2000a) verband den Ansatz von Lakoff und Johnson mit quantitativen Methoden (s. u. Abschn. 4.6.2.6), um unterschiedliche Selbstkonzepte von Hochschulabsolventen zu beschreiben.
Eine klare Schwerpunktsetzung ist derzeit nicht zu erkennen, eher eine Fortführung durch Forschende der zweiten Generation. Darüber hinaus sind auch Versuche mit ungeklärter Methodik in der phänomenologischen Psychologie zu finden: Stelter (1996, insbes. S. 147–150) sammelt Metaphern für den Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Sport, ohne die Identifikation von Metaphern und die Systematisierung ihrer Inhalte methodisch zu diskutieren. Horton (2004) untersucht die Metaphern für die Veränderungen im mittleren Lebensalter und präsentiert fünf Fallstudien, in denen jedoch die Äußerung jeder Person auf eine zentrale Metapher reduziert wird. Super und Harkness (2003) haben in einer Untersuchung mit quantitativen und qualitativen Anteilen in Interviews mit Eltern und psychiatrischen Professionellen auf die sechs von Pepper (1942) vordefinierten „Wurzelmetaphern“ zurückgegriffenFootnote 101. Sie fanden dabei zur Beschreibung kindlicher Entwicklung stabile Präferenzen für einzelne Metaphernfelder. Ähnlich argumentiert Seifert (2000) anhand einer Studie über die soziale Konstruktion von Kindheit, in der ebenfalls auf Peppers „root metaphors“ zurückgegriffen wird.
4.6.2.4 Kognitive Psychologie
Die Kognitive Psychologie ist, wie bereits Moser (2001) umfangreich belegt hat, der Bereich, in dem Lakoff und Johnson noch am nachhaltigsten in der nicht-klinischen Psychologie gewirkt haben. Es ist gleichzeitig der Bereich, in dem das psychologische Experiment in kontrollierter Laborumgebung mit spezifischen Testaufgaben und teils künstlich hergestellten Metaphern dominiert, sodass die ökologische Validität der Ergebnisse etwa für die Frage, wie Metaphern Handeln anleiten, ebenso wie für die Theoriebildung bezweifelt werden darf und für die qualitative Forschung kaum Anregungen zu entnehmen sind. So zieht Huber (2005) ein skeptisches Fazit für den Zusammenhang von Handlung und Kognition in seiner Übersicht kognitionspsychologischer Ansätze der Metaphorik (ebd., S. 136), aber auch er erhebt kein reales Verhalten von Führungskräften, sondern solches im Rahmen eines computergestützten Planspielszenarios.Footnote 102 Eine imaginäre Firmenleitung nutzt in ihren Ansprachen an die Versuchspersonen als Teammitglieder Metaphern aus dem Feld Unternehmen als Maschine, als Mannschaft und als Garten. Die Reaktionen der Versuchspersonen wurden protokolliert. Die Maschinen-Metapher wurde am stärksten abgelehnt und wurde dennoch in den Protokollen der Befragten am häufigsten übernommen (ebd., S. 287). Auch die anderen Metaphern zeigten gegenüber der Kontrollgruppe mit einem neutralen Stimulus sprachliche Übernahmen.
Metaphern zeigten sich als Problem der künstlichen Intelligenz (Barnden 2008) bereits in den Schwachstellen der maschinellen Übersetzung von Texten (Schneider 1996), und die Schwierigkeiten, das Verstehen von Metaphern künstlich zu simulieren, führte zu komplexen Konstruktionen (Hausser 1996) wie zur Einsicht, dass es gerade die leibgebundene Metaphorik ist, die uns von der Maschine unterscheidet (Radman 1996). Wenn Metaphern als handlungsleitende Kognitionen ernst genommen werden können, dann gelingt dies nicht im Rahmen hierarchisch-sequenzieller Vorstellungen der bisherigen Handlungstheorien (Schachtner 1999, S. 27 f.), denn Metaphern implizieren vielfältige Organisationsweisen des Denkens, von denen die mit der Metapher der Hierarchie beschriebene nur eine unter anderen ist. Die umfangreichste Übersicht über die experimentellen Befunde zu den Implikationen der kognitiven Metapherntheorie nach Lakoff und Johnson finden sich in der bereits erwähnten Publikation von Gibbs (2006, kürzer: ders. 2008). Darin setzt er die These des „embodiment“, dass alle kognitiven Funktionen sich aus einem körperlichen Funktionieren in einer sinnvollen Umwelt heraus entwickeln und sich davon nicht ablösen lassen, in schärfsten Gegensatz zu der bisherigen und meist impliziten Grundannahme aller „cognitive sciences“, dass geistige Funktionen als algorithmisches Prozessieren von Symbolen begriffen werden können: „understanding cognition as an embodied activity demands recognition of the situated dynamics that serve to generate meaningful behavior in a complex world“ (ebd., S. 11). Sein Buch sammelt Befunde aus den Bereichen des Selbstverständnisses als Person, der Wahrnehmung und Handlung, der Konzeptbildung, der Sprach- und Denkentwicklung, der Emotionspsychologie und anderen mehr und verbindet Schemata aus sensorischer Wahrnehmung und körperlicher Aktion, ohne die stark moderierende Funktion der umgebenden Kultur zu vergessen. Das hat Konsequenzen für die Methodik der Forschung – in seinem Schlusswort (ebd., S. 277) bittet er zu bedenken, dass „phenomenological reports“ unter anderem auch etwas zum Verständnis menschlicher Symbolbildung betragen könnten. Auch wenn die Möglichkeiten qualitativer Forschung als „phenomenological report“ nicht wirklich begriffen sind, so lässt sich doch hier anknüpfen.
4.6.2.5 Entwicklungspsychologie
Der Gegenstand der Entwicklungspsychologie ist unvermeidlich metaphorisch konstituiert:Footnote 103 Ob der Einfluss der Außenwelt auf das Kind in Form einer „prägenden“ Einwirkung eines Münzstempels gedacht wird oder man davon redet, dass angeborene Anlagen „reifen“, verweist schon auf zwei wichtige Metaphernkomplexe, die technischen und organismischen Bildvorräte zur Beschreibung des Menschen (Billmann-Mahecha 1990). In den letzten 50 Jahren sind Metaphern in Latinisierungen vom „Prozess“Footnote 104 oder der „Transformation“Footnote 105 versteckt worden, ohne die impliziten Denkmuster der Wegmetaphorik oder des handwerklich-technischen Veränderns verleugnen zu können. Entwicklungspsychologie ist ohne Metaphern nicht vor- und darstellbar.
Publikationen zur Geschichte der Entwicklungspsychologie verdeutlichen (z. B. Montada 1998), dass der Lebensabschnitt der Kindheit nicht immer in dieser Form existiert hat. Montada beschreibt mit Hinweis auf ArièsFootnote 106 das vormoderne metaphorische Deutungsmuster, dass Kinder ab einem bestimmten Alter übergangslos „kleine Erwachsene“ gewesen seien. Schon in Montadas Übersicht wird deutlich, dass auch die späteren Konzepte der Entwicklung „bloß“ metaphorischer Natur waren: Sei es die Idee der altersgerechten „Aufgaben“ und „Werke“ von Comenius, eine Metapher, die das Leben als Schule oder Lehre konzipiert; sei es Rousseaus Naturmetaphorik („Wachstum“, „Reifung“, „Entfaltung“, polare naturmetaphorische Entgegensetzungen: „Verbildung“, „Verderbnis“, „Verbiegung“), sei es die Fadenmetaphorik der „Entwicklung“ oder die Kombination aus Weg- und Höhenmetaphorik in den „Stufen“ des individuellen „Fortschritts“, als sei dieser eine Treppe oder Leiter. Die Verräumlichung der Zeit in „Phasen“ der Entwicklung ist ebenso ein metaphorisches Konstrukt wie die Übertragung der phylogenetischen Entwicklung auf die Individualentwicklung (Haeckel, „biogenetisches Grundgesetz“). Piaget bezieht sich mit „Assimilation“ und „Akkommodation“ auf visuelle Metaphern, die ihrerseits auf Metaphern aus der älteren Biologie zurückgehen.Footnote 107 Die Entwicklung von entwicklungspsychologischen „Messinstrumenten“ in Form von Intelligenz- und anderen Tests zeigt sich schließlich als metaphorische Konstruktion von zeitgemäßer Rationalität. Das Fehlen einer Studie über den Wandel zentraler Metaphoriken der Entwicklungspsychologie ist zu bedauern; eine wichtige, aber nicht weiter verfolgte Vorarbeit dafür liefert Billmann-Mahecha (1990) in ihrer Studie zu „idealen Entwürfe[n] und Vorstellungen, die sich eine Epoche oder auch eine soziale Gruppe von Kindern macht“ (ebd., S. 94). Ohne als metaphernanalytische Arbeit angelegt zu sein, arbeitet sie einige Metaphern der Betrachtung von Kindheit heraus, so die Wahrnehmung von Kindern als „unkontrollierte“ (und zu beherrschende) Natur oder im Gegenbild als „reine“ Natur, die durch Erziehung „veredelt“ werden kann. Die Analyse einer Metapher zur Kritik des entwicklungspsychologischen Experimentierens nutzt Smith (1997): „Wissen“ wird in einer auch wissenschaftsüblichen Metapher als „Stoff“ gesehen, den man „hat“ oder „erwirbt“ – eine verdinglichende Metaphorik, als deren Schattenseite sich in der Forschung die Nichtwahrnehmung von Kontext und Interaktion beim Wissenserwerb zeigt. Den gleichen Gedanken hat Sfard (1996), sie vergleicht die Metaphorik des Lernens als „Aneignung“ mit der des Lernens als „Teilhabe“ in psychologischen Theorien auf eine sehr differenzierte Weise.
Die Entwicklungspsychologie begrenzt sich nicht mehr auf den Bereich kindlicher Entwicklungen, aber es ist noch keine systematische entwicklungspsychologische Untersuchung zu Verlauf und Veränderung metaphorischen Denkens in späteren Altersphasen bekannt. Der folgende Abschnitt referiert daher zunächst ältere quantitative entwicklungspsychologische Beiträge zur Entwicklung des metaphorischen Verstehens bei Kindern, weil diese auf eine Problematik verweisen, die für qualitative Forschung relevant ist: Das kindliche Verständnis und der Gebrauch von Metaphern differiert erheblich von dem Erwachsener. Eine qualitative Metaphernanalyse kann daher nicht darauf verzichten, sich bei quantitativ gewonnenen Befunden zu informieren.
Augst (1978) untersuchte vor dem Hintergrund der piagetschen Entwicklungspsychologie die Entwicklung des Verstehens von Metaphern. Er legte Kindern konventionelle und lexikalisierte Sprachbilder wie etwa „Glühbirne“ vor; Achtjährige konnten ein Viertel davon verstehen, Elfjährige die Hälfte, 15-Jährige drei Viertel derselben. Er analysierte, dass Kinder Formen und Funktionen übertragen und eher Substantivmetaphern erkennen (die erwähnte „Glühbirne“); Erwachsene erkennen häufiger Adjektivmetaphern und übertragen Sinn, Qualität, Relation („warmes Wasser“ vs. „warme Begrüßung“). Nach seiner Auffassung müssen Kinder die Periode des formal-logischen Denkens im Sinne Piagets erreicht haben, um das Wissen um die Konventionalität der Bezeichnungen zu erwerben, damit sie Metaphern verstehen. Ohne dieses Wissen ist seiner Auffassung nach für sie der Name eines Objekts noch Teil desselben (Pars pro Toto), was ein Metaphernverständnis erschwert.
Auch Reyna (1985) reformuliert Piaget, weicht aber von Augst ab: Ein Kind ab zwei Jahren kann in symbolischen Spielen (z. B. einen Bauklotz für eine Eisenbahn zu halten) Bedeutungen übertragen. Im Alter ab drei Jahren produzieren Kinder aus ähnlicher Wahrnehmung heraus spontan solche ungewohnten Metaphern. Ab sechs Jahren wird fantasiert, was die Erwachsenen mit ihren Metaphern meinen: „Versteinert“ sei jemand vielleicht durch den Spruch einer Hexe (ebd., S. 149), Kinder realisieren die konventionelle Bedeutung des „Versteinerns“ noch nicht. Solche Fähigkeiten der fantasierenden Komplettierung des Verstehens verlieren sich ab neun Jahren in einer „buchstäblichen“ Phase, in der auch wenige Metaphern produziert werden. Reyna legte Kindern Geschichten vor, die mit einer konventionellen Metapher endeten, zum Beispiel nach einer Erzählung eines Streits mit einem wütenden Vater wurde formuliert: „Der Donner erschütterte den Jungen“. Aufgabe der Kinder war es, die Geschichte weiterzuerzählen. Sie erfanden oft szenische Komplettierungen (z. B. der Vater hätte in diesem Fall etwas umgestoßen, was den Donner erzeugt habe). Reyna formuliert, dass bei Kindern zwischen sechs und neun Jahren eine „magische“ Zwischenphase vor dem erwachsenenüblichen Verstehen einer Metapher festzustellen sei (ebd., S. 176).
Winner (1988) kann im Wesentlichen die Befunde von Augst und Reyna bestätigen, auch sie erforscht nur das Verstehen lexikalisierter Metaphern. Sie lässt Kinder nach der Darbietung einer wie bei Reyna mit einer Metapher endenden Geschichte diese je nach Alter mit Puppen fortspielen, erzählend vervollständigen oder einen Multiple-Choice-Test mit Paraphrasierungen durcharbeiten. Im Unterschied zu Piaget geht sie davon aus, dass für das Verständnis von Metaphern weniger die Stufe der Denkoperationen, die das Kind erreicht hat, wichtig ist, sondern sein materiales Wissen über die Welt.
Solche Ergebnisse sind von dem Metaphernbegriff der jeweiligen Untersuchung abhängig. Paprotté (1985) wendet sich gegen Augst und andere, die Piagets Hypothese bestätigen, Kinder gebrauchten Metaphern erst mit elf Jahren. Indem er Bedeutungsextension im kindlichen Sprachgebrauch (ebd., S. 408) als metaphorisches Prinzip nimmt, auch das Komplexdenken der Kinder im Sinne Wygotskis hier integriert, ist für ihn metaphorisches Übertragen der Anfang allen Denkens und Sprechens (ebd., S. 418 f.). Eine ähnliche Auffassung vertritt Leondar (1975), die sich ebenfalls auf Wygotski stützt. Diese Betrachtung der Metapher als zentrale kognitive Operation stützt den Ansatz der kognitiven Linguistik. Kinder können ab dem Vorschulalter bis zum Alter von etwa elf Jahren konventionelle Metaphorik nicht erklären (was eine Schwierigkeit vieler Untersuchungsdesigns aufdeckt), können aber diese Metaphorik schon benutzen (zum Teil in abweichender, auch konkretistischer Form). Vorschulkinder produzieren im Vergleich mit anderen Altersstufen die meisten unkonventionellen Metaphern.Footnote 108
Darüber hinaus fällt auf, dass die Forschung vor allem auf die von Piaget postulierten Niveaus des Denkens bei Kindern bezogen ist und Verstehen nicht als Interaktion konzipiert wird, wie es neuere Ansätze der Entwicklungspsychologie nahelegen (Faltermaier et al. 2002, S. 27 f.). Statt der Analyse realer Kommunikation in natürlichen Settings wird in der Regel kunstvolles Experimentieren vorgeführt, die einbezogenen Kinder waren in sehr kontrollierte Vorgehensweisen eingebunden und hatten wenige Möglichkeiten zur eigenen Strukturierung der Situation. Ihre Spontansprache interessiert meist nicht, nur ihr Reagieren auf metaphorische Redeweisen lexikalisierter Art, die ihrer Lebenswelt fremd sind und deren Auswahl meist unbegründet bleibt – leider auch noch in neueren Studien (Schaunig et al. 2004). Wenn auch so das Prinzip der Offenheit für die Leistungen der Untersuchten (Mey 2003a) aus qualitativer Sicht gröblich verletzt wird, so ist diesen Studien zugutezuhalten, dass sie auf eine paradoxe Weise ein anderes qualitatives Postulat massiv rechtfertigen: das sogenannte Fremdheitspostulat, das „ein selbstverständliches In-Eins-Setzen von eigenen Konzepten mit denen der untersuchten Kultur oder Personen(-gruppe) untersagt“ (Mey 2003a, S. 325; vgl. Mey 2003b).Footnote 109 Diese Studien machen darauf aufmerksam, dass Kinder sich und die Welt in anderen (metaphorischen) Konzepten begreifen. In diesem Sinn hat Cameron (1996) dafür argumentiert, dass kindliches Wissen und Können als „domain knowledge“ den Prozess der Metaphorisierung beeinflusst und ohne Kontextanalysen kaum adäquat zu beurteilen ist. Daher ist die bloße Übernahme von metaphorischen Konzepten, wie sie Lakoff und Johnson (1980) formulieren, auf kindliches Denken unangemessen; die einzelnen Konzepte müssen daher kritisch überprüft und ihre Entwicklung muss rekonstruiert werden, was Lakoff und Johnson (1999, S. 46–49, s. u.) nachzeichnen. Auch die hier vorgeschlagene systematische Metaphernanalyse folgt der Annahme, dass metaphorische Konzepte für Personen, Gruppen und Kulturen immer wieder neu rekonstruiert werden müssen und nur ein Kernbereich von metaphorischen Konzepten den Status von linguistischen Universalien innehaben kann. Je nach körperlichen Voraussetzungen, je nach kulturellem Kontext, je nach dem Entwicklungsstand der psychischen Integration von Körper und Kultur und je nach Phänomen, das für das Subjekt eine Rolle spielt, werden abweichende und neue metaphorische Konzepte für möglich gehalten. Die bisherige Interpretationserfahrung legt nahe, dass metaphorische Konzepte umso spezifischer formuliert werden können, je genauer der Forschungsfokus und je abgegrenzter das Untersuchungsfeld ist. Zu ähnlichen Schlüssen kommen von linguistischer Seite Cameron und Low (1999), die in einem immer noch sehr empfehlenswerten Übersichtsartikel die Theorie von Lakoff und Johnson für die pädagogische Forschung zum Spracherwerb (Muttersprache, Fremdsprache, Sprachbehinderungen) aufbereiten und die Besonderheit alltäglicher Metaphorik in realen Diskursen gegenüber Textanalysen verdeutlichen.
Lakoff und Johnson stützen sich in ihrem letzten gemeinsamen Buch bei der Suche nach empirisch-entwicklungspsychologischer Untermauerung (Lakoff und Johnson 1999, S. 46–49) auf die Untersuchungen von Christopher Johnson (1997). Dieser rekonstruiert am Beispiel einer Längsschnittaufnahme der Sprachentwicklung eines Kindes die Entwicklung des Gebrauchs der Metaphorik in zwei Phasen. Zunächst seien in einer Phase der „conflation“ (Lakoff und Johnson 1999, S. 48; vgl. C. Johnson 1997, S. 155 ff.) die beiden kognitiven Bereiche „Wissen“ und „Sehen“, die sich später im Konzept „Wissen ist Sehen“ metaphorisch überlappen, neurologisch wie im Alltag des Kindes handelnd eng verbunden („coactive“): Das Sehen eines Gegenstands fällt mit dem Wissen vom Vorhandensein des Gegenstands zusammen. Der Vorgang des Sehens ist also der sensomotorische Begleitumstand vieler Erfahrungen des Wissens und damit Ausgangspunkt der metaphorischen Übertragung, wie wir sie in metaphorischen Alltagswendungen vom „Einsehen“ bis zur „Übersicht“ gebrauchen. Hier wird der Bereich des Sehens zum Bildspender für den Zielbereich des Wissens. Diese Argumentation zeichnet empirisch rekonstruierend eine Hypothese nach, die bereits in Lakoff und Johnson (1980) formuliert wurde. Dort findet sich auch ein kurzer Bezug auf Piaget und dessen Schemabegriff: Indem ein Kind lerne, Gegenstände durch Wegwerfen, Heranholen und Auseinandernehmen zu verändern, erwerbe es das prototypische Schema für Kausalität (mit sich selbst als kausalem Akteur), das metaphorisch auf andere Lebens- und Denkbereiche übertragen werde (ebd., S. 69 f.). Eine solche Argumentation zeigt, dass es sich nicht nur um Sprache, sondern um die Möglichkeit des DenkensFootnote 110 überhaupt handelt: Die Autoren gehen 1999 von einem kognitiven Unbewussten als dem Resultat aller ontogenetisch frühen und unterhalb der Bewusstseinsschwelle ablaufenden (nicht nur metaphorischen) Kategorisierungen aus. – Insgesamt sind bei ihnen solche Bezüge zur Entwicklungspsychologie jedoch selten.Footnote 111
Inzwischen gibt es erste entwicklungspsychologisch-quantitative Studien, die sich auf Lakoff und Johnson beziehen: Özçalişkan (2003) untersucht die Entwicklung von Bewegungsmetaphern bei drei- bis fünfjährigen englisch- und türkischsprachigen Kindern. Sowohl die Quellen der Metaphorisierung (also die unterschiedlichen Bewegungen im Raum) wie die Ziele der Metaphorisierung (z. B. Emotionen) variieren wenig zwischen den Sprachen, allenfalls Häufigkeitsunterschiede sind zu bemerken. Özçalişkan legt Wert darauf, dass das kindliche Verstehen der Metapher vom Kontext gestützt wird. Experimentelle Belege, denen zufolge passende emotionale Kontexte dazu führen, dass bereits Schulanfänger ein konventionelles Metaphernverständnis demonstrieren, liefern auch Waggoner et al. (1997). Diese Sensibilität für die Umwelt des Kindes und die Folgen für die kindliche Metaphernkompetenz ist in einer anderen Studie mit kognitiv-linguistischem Hintergrund bei Dent-Read (1997) zu finden, sie präsentiert eine naturalistische Studie zur Entwicklung visueller Metaphorik mit einem Kind ab dem zehnten Monat. Gibbs (2006) hat in einem Kapitel (ebd., S. 208–238) den jetzigen Stand der Entwicklungspsychologie in kognitiv-linguistischer Perspektive diskutiert. Vor allem die Hinweise auf die verzögerte Bildung verschiedener Konzepte bei Kindern mit angeborenen Einschränkungen, aber auch solchen, wie sie in Situationen sozialer Deprivation entstehen, sind für qualitative Forschung relevant. Gleichzeitig kritisiert er Piaget, der seiner Auffassung nach zunächst eine zu strenge Kopplung von sensomotorischen Schemata und kognitiven Funktionen angenommen und die Emanzipation kognitiver Funktionen von der leiblichen Basis mit zunehmendem Entwicklungsalter überschätzt habe.Footnote 112
Zusammenfassen lässt sich, dass hier – ähnlich den Befunden in der Psychotherapie – die Kontexte der Erhebung von sprachlichem Material bedeutsamer sind, als es die auf universelle Muster orientierte kognitive Linguistik vermutet. Darüber hinaus müssen Metaphern stärker vom Standpunkt der handelnden Kinder aus interpretiert werden. Nicht zuletzt riskiert die Orientierung an den metaphorischen Mustern der Erwachsenen eine Interpretation kindlicher Äußerung als defizitär.
4.6.2.6 Sozialpsychologie
Auch die Sozialpsychologie hat sich durch die Entdeckung, dass in metaphorischen Konzepten Normen, Werte und Einstellungen verdichtet sind, neu inspirieren lassen (Moser 2001). So lassen sich im Rahmen einer „linguistischen Wende der Sozialpsychologie“ (Flick 1995, S. 11) in der englischen Sozialpsychologie (Potter, Wetherell 1995) und im sozialen Konstruktionismus (Gergen 1996) zwei Strömungen identifizieren, in denen die (unsystematische) Analyse von Metaphern bei der Untersuchung interessierender Phänomene genutzt wird (vgl. Abschn. 3.5.1). Den Ansatz der Analyse der „sozialen Repräsentationen“ nach Moscovici hat Wagner (1997) auf der Ebene kulturell üblicher Metaphern mit der kognitiven Metapherntheorie verbunden (ausführlich s. o. in Abschn. 3.3). Ebenfalls der Sozialpsychologie zuzurechnen ist Schachtners Verbindung von Metaphernanalyse und dem Begriff des Habitus nach Bourdieu (dies. 1999, vgl. ausführlich in Abschn. 3.2).Footnote 113
Eine explizit metaphernanalytische Studie legt Moser (2000a) vor, die deshalb besondere Aufmerksamkeit verdient, weil sie qualitative und quantitative Methoden kombiniert, und daher als modellhafte Studie umfassender dargestellt werden soll (ausführlicher: Schmitt 2001c). Moser untersucht in ihrer Dissertation die Relevanz der symbolischen Umwelt für das Selbstkonzept.Footnote 114 Sie diskutiert daher nach dem Einleitungskapitel zunächst kognitive Modelle des Selbstkonzepts, die Rolle des Schemabegriffs und die kognitive Architektur der (Selbst-)Schemata. Dieser Tradition stellt sie jene AutorInnen gegenüber, die ein narratives und diskursives Selbst beschreiben und damit die Rolle der Sprache zur Konstitution von Selbst und Umwelt betonen. Während in beiden Ansätzen das Selbst den Fokus des Forschungsinteresses bildet, zeigt ihre Zusammenfassung ökopsychologischer Ansätze, dass die soziale Genese des Selbst und der Einfluss seiner dinglichen Umwelt von einem kognitionspsychologischen Ansatz aus kaum bedacht werden kann. Beide Stränge der Forschung verbindet nun die Autorin in der Konstruktion einer „symbolischen Umwelt“: Analog zur dinglichen Umwelt bezeichnet sie damit jene kulturellen Bedeutungszuschreibungen, die von den Subjekten erst angeeignet werden müssen.
Kulturelle Bedeutungszuschreibung findet vor allem im Medium der Sprache statt, und so fokussiert das dritte Kapitel die kognitive Linguistik sensu Lakoff und Johnson und die prominente Rolle der Metaphern innerhalb dieser Theorie. Es referiert Untersuchungen zu den metaphorischen Modellen ganzer Sprachgemeinschaften, bestimmter sozialer Gruppen und einzelner Menschen. Zusammenfassend fordert Moser die Analyse von Metaphern zur Beschreibung der symbolischen Umwelt des Selbst: Metaphern stellen Handlungs- und Wissensschemata dar und ermöglichen Integration neuen Wissens; gleichzeitig ist das Selbst ein Phänomen, über das nur metaphorisch gesprochen werden kann. Schließlich induzieren kulturelle, technische und soziale Entwicklungen neue Metaphern der Selbstbeschreibung und lassen sich damit als umweltsensible und historische Indikatoren interpretieren.
Nach dieser Zusammenführung von Hauptlinien der kognitiven Selbstkonzeptforschung, der kognitiven Metapherntheorie und der Ökopsychologie werden im vierten Kapitel Gemeinsamkeiten dieser Theorien (u. a. Schemabegriff) diskutiert und Metaphern als „mind settings“ angesprochen, die selbstrelevante Aussagen sowohl ermöglichen wie anderen Menschen gegenüber präsentieren und dabei bahnende/selektierende Effekte haben. Als symbolische Umwelten sind Metaphern gleichermaßen „innen“ wie „außen“ angesiedelt und damit ein vielversprechendes Material für die Antwort auf die Frage, „wie Sprache, Umwelt und Selbstkognition zusammenhängen“ (Untertitel der Dissertation).
Nach dieser theoretischen Einführung stellt die Autorin ein komplexes Erhebungsmodell dar: Sie interessierte sich in einer Voruntersuchung zunächst für den Umbruch zwischen zwei Lebensabschnitten und erhob in einer Fragebogenstudie an zunächst 226 Studierenden in der Endphase des Studiums die aktuelle und die erwartete Lebensform in beruflicher und privater Hinsicht. Es ließen sich drei Gruppen bilden: Familienorientierte, Paarorientierte und Singleorientierte, die im Hinblick auf Gestaltung und Verteilung von Ressourcen auf Privat- und Berufsleben deutlich zu unterscheiden waren. Die Autorin befragte jeweils vier extreme VertreterInnen dieser Gruppen mit einem halb standardisierten Leitfadeninterview zu „Erfolg“ und „Beziehung“. Das dabei entstandene Textmaterial wurde dreifach analysiert: inhaltsanalytisch und deduktiv nach den bisher theoretisch abgeleiteten Kategorien des Leitfadeninterviews zu Erfolg, Beziehung und Selbstkonzept; metaphernanalytisch zu den Herkunftsbereichen der Sprachbilder; schließlich wurde mit Inhaltsanalysen aus allen Textstellen mit Aussagen zum Selbstkonzept ein Kategoriensystem entwickelt.
Moser ordnete zunächst alle Metaphern nach Metaphernspendebereichen (z. B. „eine Niederlage einstecken“ zu „Kampf“) und fand insgesamt 21 Quellbereiche, die sie in „Erfahrungsbereiche“ (z. B. Spiel, Sport), „Sinneserfahrungen“ (z. B. visuell) und „Vorstellungsschemata“ (z. B. Gefäß) unterteilt. Auf vier Quellbereiche (Wissenschaft/Technik, Gefäß, Weg, visuell) fielen bereits 47 % der insgesamt 3899 metaphorischen Sprechweisen. Die Häufigkeit metaphorischer Aussagen schwankte in ihrer Codierung zwischen 1,9 und 3,1 % pro Interview. Überraschend ist, dass Männer und Frauen ähnlich häufig die gleichen Quellbereiche der Metaphorik nutzten.Footnote 115 Die Gruppe der Familienorientierten tendierte eher zu Gefäßmetaphern (Innen-Außen-Abgrenzung), die Paarorientierten eher zu taktilen Metaphern, die Singleorientierten zeigten keine signifikanten Abweichungen. Stärker als die Gruppenzugehörigkeit fiel jedoch auf, dass „fast alle Personen sich durch einen für sie typischen Metaphernspendebereich auszeichnen“ (ebd., S. 85).
Die Analyse der Selbstkonzeptaspekte folgte einer Unterteilung in „actual self“, „ideal self“, „ought self“, „negative self“, „self change“, „social self“ und „gender role“, die sich an die im zweiten Kapitel diskutierten AutorInnen anlehnt. Die Häufigkeiten der Erwähnung unterschiedlicher Selbstkonzeptaspekte zeigen nur schwache Geschlechts- und Gruppenunterschiede, die individuellen Unterschiede sind durchweg stärker.
Die Inhaltsanalyse fokussiert die Bereiche: aktuelle Lebenssituation, Erfolg, Misserfolg, gute Beziehungen, schlechte Beziehungen, Geschlecht und Erfolg, Geschlecht und Beziehung. Im Einzelnen: „Erfolg“ präsentiert sich eher in der Wegmetaphorik, interessanterweise selten ist die Kampfmetaphorik. „Misserfolg“ hingegen wird eher durch visuelle, Wirtschafts- und Naturmetaphern beschrieben. Gute Beziehungen regen eher Gewichts- und Nähe-Distanz-Metaphern an, hier sind Wegmetaphern unterrepräsentiert. Schlechte Beziehungen legen mehr Körper- und Krankheitsmetaphern nahe (ebd., S. 106 f.). Die Gruppe der Familienorientierten nutzt für die Themen „Erfolg“ und „gute Beziehung“ weniger Technikmetaphern als die beiden anderen Gruppen, dafür Gefäß- und Gewichtsmetaphern für ihre Beziehungen; die Singleorientierten verhalten sich komplementär dazu. Die Interviewten nahmen die verschiedenen Aspekte des Selbst unterschiedlich wahr: Das „actual self“ wird eher in Gewichtsmetaphern beschrieben, das „ideal self“ auffällig selten durch Metaphern des Kampfs, und in Aussagen zur „gender role“ sind taktile Metaphern überdurchschnittlich oft vertreten. Die Verteilung der metaphorischen Konzepte des Selbst weicht wiederum zwischen den Personen stärker als zwischen den Gruppen voneinander ab.
Insgesamt fällt die geringe Zahl (21) der Spendebereiche für Metaphern auf – ein Ergebnis, das sich mit Annahmen von Lakoff und Johnson wie auch eigenen Ergebnissen deckt (Schmitt 1995). Metaphernanalysen ergeben offenbar einen überschaubaren Bereich kulturell üblicher Metaphorisierungen und damit symbolischer Prägungen. Gruppentypische und individuelle Besonderheiten zeigen sich vor dieser kulturellen Folie kaum als Neuprägung von Metaphern, sondern mehr als spezifische Auswahl und damit als Einschränkung des kulturell üblichen Repertoires. Ein klinisch bedeutendes Ergebnis der Untersuchung besteht darin, dass die Befragten in der Beschreibung ihres „ideal self“ die von ihnen gewohnten Metaphern für andere Bereiche des Selbst nicht benutzten, sondern die Metaphorik wechselten. Die Autorin folgert, dass für Entwicklungen der Person „die bewährte metaphorische Strukturierung des Selbstkonzepts verlassen und eine andere Art der metaphorischen Strukturierung gesucht [wird, R. S.], die neue und veränderte Sinnzusammenhänge stiften kann“ (Moser 2000a, S. 201). Dieser Befund legt nahe, Fantasien und Überlegungen zur Zukunft therapeutisch zu nutzen, wie es systemische Ansätze (Shazer 2003) bereits vorführen.
In der Gesamtschau der Arbeit fällt zunächst auf, dass die Autorin in einem zentralen Punkt Lakoff und Johnson nicht folgt, sondern die Metaphern zunächst nach Quellbereichen sortiert, ohne dann ausdrücklich metaphorische Konzepte als Gleichung von Quell- und Zielbereich einer Metapher zu bilden (wie „Zeit ist Geld“, „das Selbst ist ein Wanderer o. ä.“). Implizit thematisiert sie metaphorische Konzepte in der Diskussion der Zielbereiche „Erfolg“ und „Beziehung“, die sie in Bezug zu den verschiedenen Quellbereichen der Metaphorik setzt.Footnote 116 Die Vor- und Nachteile dieses Vorgehens halten sich die Waage: Die Studie legt wichtige Ergebnisse wie etwa zur geringen Geschlechtsabhängigkeit der Metaphernverwendung vor, und auf zukünftige Bestätigungen wie Einschränkungen dieser Befunde kann man gespannt sein. Andererseits wäre bei einer Rekonstruktion von metaphorischen Konzepten nach Lakoff und Johnson aufgefallen, dass sich in der Konstruktion eines Quellbereichs „Technik und Wissenschaft“ unterschiedslos alte handwerkliche Metaphern mit der Computermetaphorik vermischen. Die Autorin stellt hierzu selbst kritische Überlegungen an (ebd., S. 194), weitere semantische Differenzierungen für andere Quellbereiche wären mit der Bildung metaphorischer Konzepte möglich. In einer neueren Arbeit hat die Autorin die Befunde an einem größeren Sample von Interviews (N = 63) verifizieren können (Moser 2007). Sie hat in einer weiteren Arbeit die Metaphernanalyse als psychologische Wissensmanagementmethode entfaltet und an einem Workshopbeispiel diskutiert (Moser 2004, vgl. Moser 2003, 2005).
Moser verweist mehrfach auf den Befund, dass die individuelle Verwendung der Metaphorik von der Verteilung in der Gruppe abweicht. Hat die Metaphernanalyse ihr Potenzial in der Analyse des Einzelfalls? Andererseits finden sich in der Literatur Hinweise, dass sich Unterscheidungen beispielsweise zwischen afrikanischer und europäischer Kultur im Gebrauch verschiedener metaphorischer Konzepte rekonstruieren lassen (Wolf 1996). Sind also Kulturen relativ homogene „symbolische Umwelten“? (vgl. Abschn. 2.1.6)
Baxter (1992) legt eine vom Aufbau her einfachere Studie vor, ihr ging es darum, wie Paarbeziehungen metaphorisiert wurden: „relationship development as work“, „as a journey of discovery“, „relationship development as an uncontrollable force“, als „danger“, „organism“, „economic exchange“ und „game“. Diese Metaphern werden als kulturelle Erzählungen gesehen („folk logics“), die individuelles Verhalten informieren und orientieren. Allerdings lässt sich in dieser Studie die Interviewführung kritisieren, denn es wurde die Metapher vorgegeben, die Beziehung analog zu den Kapiteln eines Buches zu erzählen; die Auswertung orientiert sich an dem überzeugenden Verfahren von Koch und Deetz (1991), sodass verwundert, dass die AutorInnen ihre Ergebnisse als „root metaphors“ im Sinne Peppers (1942) benennen, obschon sie metaphorische Konzepte meinen. Landau et al. (2010) versuchen den Begriff der „sozialen Kognition“ mit Rückgriff auf Lakoff und Johnson als Forschungsperspektive der Sozialpsychologie zu etablieren – der Entwurf macht deutlich, dass diese Perspektive nach wie vor eine ungewohnte ist.
Als Fazit bleibt das Modell von Moser (2000a) als Beispiel für eine komplexe metaphernanalytische Studie, die quantitative und qualitative Vorgehensweisen sinnhaft aufeinander bezieht, auch wenn nicht alle Errungenschaften der kognitiven Linguistik genutzt werden.
4.6.2.7 Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie
Oberlechner und Mayer-Schönberger (2003) kritisieren Lakoff und Johnson mit dem oft gehörten Argument, diese analysierten „nur“ die kognitive oder lexikalische Sphäre, die lokal situierte konkrete Recherche werde von ihnen nicht unternommen. Deswegen ziehen Oberlechner und Mayer-Schönberger diskursanalytische Überlegungen hinzu (ebd., S. 162). Diese Kritik übersieht den linguistischen Kontext von Lakoff und Johnson sowie die damit gegebene Aufgabe, innerhalb der Sozialwissenschaften selbst eine differenzierte Methodik zur Metaphernanalyse zu entwickeln. Die Autoren finden bekannte Konstrukte: Leitung wird als Krieg, als Spiel, als Sport, Kunst, Maschine und als religiöses Tun gefasst, jedoch ohne Bezug auf ein konkretes Sample, was nicht mit ihrer eigenen Kritik zu vereinbaren ist. Konkret arbeiten sie einige Metaphern und deren Implikationen an einem einzigen Interview eher als Fallbeispiel heraus. Was Oberlechner und Schönberger verdeutlichen, ist, dass es mit der Rekonstruktion der Konzepte nicht getan ist, sondern deren Implikationen („entailments“) erst herausgearbeitet werden müssen – das unterscheidet auch den hier vorliegenden Entwurf (vgl. die Heuristik zur Interpretationsfindung in Abschn. 5.7) vom ersten Versuch (Schmitt 1995). Konkret vergleichen sie mithilfe einer Tabelle die Implikationen verschiedener Metaphern – das ist in diesem Fall eine didaktisch gute Möglichkeit bei der schwierigen Darstellung der Ergebnisse einer Metaphernanalyse (Abschn. 5.9).
Die Metaphorik der Geldmärkte ist in der Arbeit von Oberlechner et al. (2004) das Untersuchungsobjekt. Diese Märkte erscheinen den Protagonisten des Finanzwesens in den Experteninterviews als Basar, Maschine, Jagd, Sport und Krieg, aber auch als lebendes Wesen oder als Ozean. Die AutorInnen sehen als psychologische Implikation, dass diese Metaphern dazu dienen, das unberechenbare Gegenüber sowohl der Handelspartner wie des Marktes verständlich zu machen und in unterschiedlichen Formen die Möglichkeit der Vorhersage zu suggerieren. Interessant ist die Variation in der Erhebung, denn neben den unbewusst gebrauchten Metaphern wurden die Interviewten aufgefordert, selbst ein Bild für den Markt zu benennen (vgl. auch Oberlechner 2004, S. 185–188). Die bewusst und die ungewusst gebrauchten metaphorischen Konzepte sind zwar meistens identisch; aber sie differieren deutlich in ihrer Häufigkeit; so wird die Kriegsmetapher an dritter Stelle der implizit gebrauchten Metaphern, aber an fünfter Stelle der explizit gebrauchten Metaphern genutzt und tauscht den Platz in der Rangskala mit der Sportmetapher, die als explizite Metapher offenbar weniger verfänglich erscheint. Oberlechner (2004) begründet dies mit dem Wissen um die soziale Erwünschtheit bestimmter Metaphern. Bedeutend ist ebenfalls, dass in den Interviews mit diesen PraktikerInnen der Finanzmärkte organische und interaktive Metaphern das Reden über den Markt dominierten, ganz im Gegensatz zur wirtschaftswissenschaftlichen Theoriebildung, die mechanische Metaphern bevorzuge. Deren Suggestion von Vorhersagbarkeit überzeugt die PraktikerInnen offenbar nicht.
El-Sawad (2005) weist bei seiner Studie über das Verstehen von „Karriere“ bei Angestellten in mittlerer Position nach, dass quer durch verschiedene Metaphernbereiche das Merkmal „Kontrolle“ zentral ist.
Kurz sei auf die Arbeit von Huber (2005) verwiesen, der eine experimentelle Untersuchung in virtuellem Setting zur Frage vornimmt, ob die Vorgabe von Metaphern zu bestimmten Handlungs- und Kommunikationsformen in der Vorgesetzten-Mitarbeiter-Kommunikation führt. Er wendet sich polemisch gegen qualitative Forschung: „An dieser Stelle ist festzuhalten, dass sowohl Buchholz wie Schmitt nicht experimentell geforscht haben, sondern ihre Ergebnisse zur handlungsleitenden Wirkung von Metaphern aus einigen kasuistischen post-hoc-Analysen und Interpretationen gewonnen haben“ (ebd., S. 134). Sein Experiment verpflichtet in einem virtuellen Rollenspiel Personen, die als Betriebsleiter ausgewählt wurden, eine der drei unternehmerischen Leitbilder „Das Unternehmen ist eine Maschine“, „Das Unternehmen ist eine Mannschaft“ und „Das Unternehmen ist ein Garten“ gegenüber einer untergeordneten Mitarbeiterin bei problematischer Geschäftsentwicklung umzusetzen. Gemessen wurden die drei komplex gemessenen Variablen: „Situation Awareness“, „Handlungswirkung“ und „kommunikative Führungshandlung“ (ebd., S. 187). Er kommt zu dem Ergebnis: „Die Effekte des Faktors Metaphernpriming auf die abhängigen Variablen sind mit einer Ausnahme durchgängig signifikant“ (ebd., S. 278). Natürlich kann diese kurze Skizzierung die Komplexität des Versuchsaufbaus nicht wiedergeben, aber wichtige Einschränkungen sind dennoch formulierbar: Es handelte sich nicht um wirklich betroffene PraktikerInnen in wirklichen Situationen. Die metaphorischen Priming-Stimuli sind völlig unterkomplex und bilden die Vielzahl anderer, zum Teil oben diskutierter Metaphern nicht ab. Und der Versuchsaufbau unterstellt, dass es einzelne metaphorische Muster seien, die das Handeln anleiten, nicht komplexe Netze unterschiedlicher metaphorischer Konzepte. Die vielfältige Einbindung realer Verhältnisse ist auch in einem technisch ausdifferenzierten Experiment nicht nachzuspielen, die Verallgemeinerung dieser Ergebnisse auf die Lebenswelt des Führungshandelns ist nur begrenzt gegeben. Aus qualitativ-forschender Sicht erscheint die experimentelle Absicherung einer Handlungsleitung durch Metaphern mithilfe einer Simulation, aus der die soziale und biografische Komplexität eliminiert wurde, nur begrenzt möglich.
4.6.2.8 Kulturpsychologie
Für die Kulturpsychologie haben Straub und Seitz (1998) Metaphern erhoben, um eine vergleichende Typik im Erleben und der Beschreibung historischer Umbrüche zu entwickeln. In Abschn. 1.4.5 ist bereits beschrieben worden, dass diese Autoren in die Gefahr geraten, ohne systematische Methodik komplexe metaphorische Szenarien zu verkürzen, wenn in ihrer historisch-psychologischen Analyse etwa der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische „Großdeutschland“ im Jahr 1938 durch eine Interviewte metaphorisch (nur) als „Einverleibung“ und als „Aufspringen auf einen fahrenden Zug“ rekonstruiert wird – es dürfte weitere metaphorische Konzepte dieses Ereignisses gegeben haben, und die Fokussierung auf „resonante“, das heißt auffällige Metaphern hat das Risiko einer weiteren Verkürzung (ausführlichere Kritik folgt in Abschn. 5.11.6).
In den Kontext der Kulturpsychologie ist, wenn auch mit ganz anderem Hintergrund, Koenigsberg (2005a, b, 2008) zu zählen. Aus psychoanalytischer Perspektive interpretiert er Texte von Hitler und diesem nahestehenden Autoren und nimmt sie aufgrund ihrer historischen Wirkung als Kristallisationspunkt eines metaphorischen Konzepts: Hitler habe das Volk als Körper identifiziert, in dem die einzelnen Bestandteile (Zellen wie Organe) eine dem Ganzen dienende Funktion (und damit keine Freiheit) haben. Die jüdische Bevölkerung wird als Bakterien begriffen, die der Zersetzung dienen, die Endlösung ist eine Reinigung bzw. Desinfektion. Koenigsberg arbeitet heraus, dass in Hitlers prägenden Jahren die Entdeckung der Bakterien und erste Impfungen wie Schutzmaßnahmen durch die Entdeckungen von Koch, Pasteur und Virchow populärwissenschaftlich rezipiert wurden. Die biologistische Rhetorik wird mit diesen Verweisen in das zeitgenössische kulturelle Klima eingebettet. Die Metaphorik vom Staat als Körper ist jedoch deutlich älter und geht bis auf die Antike zurück (vgl. Peil, S. 1983), und Koenigsberg geht nicht auf andere, erheblich breitere Studien zur Metaphorik des Faschismus (z. B. Nieraad 1977) ein. Er formuliert darüber hinaus keine Hinweise zu seiner konkreten Methode, und die Übergänge zur Psychoanalyse brauchten mehr als nur die Gleichsetzung, dass auch bei Sigmund Freud und Melanie Klein das Außen als Projektion des Körpers gedacht werde (vgl. das entsprechende Abschn. 4.6.1.2). Schließlich wird die ausschließliche Reduktion öffentlicher Diskurse auf die Bildquelle „Körper“ den intertextuellen und kulturellen Dynamiken nicht gerecht. Die bisherigen kulturpsychologischen Arbeiten überzeugen vor allem methodisch nicht.
4.6.2.9 Geschichte der Psychologie
Die Geschichte der Psychologie lässt sich auch als die Geschichte ihrer Metaphern schreiben und hier zeigt sich wie in der Soziologie eine Reihe differenzierter Publikationen, die in kritischer Weise die metaphorische Konzeptualisierung der Psychologie rekonstruieren und somit die Möglichkeit der Metaphernanalyse zur Selbstreflexion der Wissenschaften exemplifizieren (vgl. Abschn. 1.3.6 und 5.10.6). Dieser Befund könnte zur Interpretation verführen, es in dieser Hinsicht mit einem Fach zu tun zu haben, das seine alltagsweltlichen Denkvoraussetzungen in besonderer Weise reflektiert, weil es von ihnen in ebenso besonderer Weise abhängig ist. Freilich gibt es keinen Anlass, dies zu glauben, schaut man sich die nicht vorhandene Rezeption dieser Studien an. Die vorliegende Darstellung entfaltet an einem Autor (Draaisma 1999) die breite Möglichkeit der historisch differenten metaphorischen Konzeptualisierung psychologischer „Gegenstände“, bevor kleinere Arbeiten referiert werden.
Draaisma schreibt eine Geschichte der Psychologie des Gedächtnisses als Geschichte ihrer jeweils bestimmenden Metaphern. Er erinnert an Blumenbergs Ansatz, Philosophiegeschichte als Geschichte ihrer dominierenden Hintergrundbilder zu begreifen, wenn er Metaphern als „Leitfossilien“ in einer archäologischen Erkundung des Nachdenkens über das Gedächtnis nutzt. So kann er eine Kontinuität über den Beginn der akademischen Psychologie feststellen: Mit der Einführung experimentell-naturwissenschaftlicher Methoden durch Ebbinghaus sei nur ein methodologischer, kein theoretischer Neuanfang verbunden, denn die Bilder für das Gedächtnis wiederholten sich und damit auch die Vorzüge und Schwachstellen der aus diesen metaphorischen Kernen entwickelten Theorien. Der Autor beginnt in der griechischen Philosophie mit Bildern für das Gedächtnis als Wachstafel, als Taubenschlag, als Lagerraum, Keller, Höhle und Schatzkammer. Das Mittelalter sieht das Buch als Metapher des Gedächtnisses; zu Beginn des 17. Jahrhunderts versinnbildlicht die durch den Buchdruck ermöglichte Fülle von Büchern auch das innere Chaos. Wie bereits bei den antiken Beispielen rekonstruiert Draaisma konkrete Lebensbezüge als Hintergrund der Metaphorisierung. Ein Befund kehrt immer wieder: Die äußeren Techniken der Speicherung von Wissen (Schrift, Bibliothek, später Fotografie, Edisons Phonograf, Computer, Holografie) kehren gleichnishaft in den theoretischen Beschreibungen des Gedächtnisses wieder. Exemplarisch an Robert Hooke und dessen Schrift „Micrographia“ von 1667 verdeutlicht er, wie sich zeitgenössische physikalische Theorien des Lichts mit der Metaphorik des Lagerhauses verbinden lassen; die Sinnesorgane figurieren als „Boten“ für die „Sinnesdaten“. Dabei tauchen dann Worte wie „long term store“ und andere auf, welche die moderne Metapher, das Gedächtnis sei ein „Speicher“ (eines Computers), bereits aufscheinen lassen. Zur Lesbarkeit des Buches trägt bei, dass der Autor solche Vorwegnahmen und Bezüge zur aktuellen Gedächtnisforschung immer wieder einstreut.
Hatte die Aufklärung diese physikalische Metaphorik bevorzugt, fand die Romantik in der Landschaft ihr Bild des Gedächtnisses (C. G. Carus). In die gleiche Zeit fallen die Entdeckungen der Neurologen Gall, Flourens und Broca – die Ära der räumlichen Lokalisierungen von Hirnfunktionen beginnt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden zwei technische Apparate als Metapher für die Psychologie des Gedächtnisses wichtig: Edisons Phonograf ermöglicht die Konservierung von Sprache, indem er Schallschwingungen mit einer Nadel in eine Wachsplatte ritzt; diese Rillen führen beim Abspielen die Nadel, die mit einer Membran verbunden ist. Als Bild findet sich dieser Vorgang in der Theorie des Gedächtnisses von Guyau um 1880 wieder, nach der die Schwingungen der Nadel mit den „Vibrationen“ der Gehirnzellen übereinstimmten und die Rillen mit den „Assoziationswegen“. Ebbinghaus und seine zeitgleichen Versuche trennen uns von solchen dinglichen Metaphorisierungen des Gedächtnisses durch mathematische Formeln des Behaltens und Vergessens – doch in seiner Interpretation dieser Befunde greift Ebbinghaus wieder auf die Metaphorik von Platons Wachstafel zurück: Wiederholen ist ein festeres „Eingraben“ der „Spuren“.
Ein Kapitel widmet sich dem zweiten, hier doppelt „bildgebenden“ Apparat, der Camera Obscura bzw. der Fotografie – analog zum Vorgehen beim Entwickeln der Bilder scheint das Gedächtnis für einige Forscher (Draper, Ladd, Kußmaul) eine lichtempfindliche Platte zu sein, auf der sich chemische Reaktionen abspielen.
Eine neue Metaphorik wird von Tolman und Hull in den 1920er-Jahren entwickelt. Dass Elemente der Computermetaphorik hier schon fast vollständig erscheinen, weil Lernen und Vergessen in komplexen Schaltkreisen mit Batterien, Widerständen und Glühbirnchen simuliert wurde, irritiert nur kurz: Clark Hull war, so erfahren wir hier, Ingenieur, der in seiner Studienzeit eine „logic machine“ entworfen hatte, die mit einer Kurbelumdrehung alle gültigen Schlüsse eines Syllogismus produzierte. Nach einem Rückblick auf die Geschichte der Rechenmaschinen und ihres Einflusses auf das Begreifen des Menschen als Mechanismus finden wir Alan Turings Hypothese, der Menschen sei eine symbolverarbeitende und intelligente Maschine. Draaisma zeigt, dass der Behaviorismus und die antagonistische Strömung der künstlichen Intelligenz auf den gleichen Metaphernvorrat zurückgreifen: Gehirn und rechnende Maschine werden in eins gesetzt. Die Ablehnung des Behaviorismus, innere Prozesse in Augenschein zu nehmen, nutzte die mechanische Metaphorik jedoch nur für das Beschreiben von Verhalten, nicht für das Prozedieren von Informationen wie in der künstlichen Intelligenz (KI). Das Kapitel schließt mit umfangreichen Anmerkungen zur Metaphorik des Computers, der jedoch nicht unangefochten als moderne Quelle einer Metapher des Gedächtnisses dient. Die Erfindung des Hologramms durch Gabor in den frühen 1960er-Jahren bot einigen Psychologen (Lashley, Pribram) ein besseres Bild an, um unter anderem die verteilte Speicherung im Gehirn und die Menge der gespeicherten Informationen zu erklären. Sie wurde abgelöst durch die Metapher der neuronalen Netzwerke, deren Zustände ein Speichern und Wiedererkennen von Informationen erlauben. Sie war in der gleichen Zeit (1943) wie Turings Überlegungen als Versuch entstanden, neuronale Netzwerke in binärer Logik zu formulieren. Erst nach einer Neuformulierung der mathematischen Grundlagen der Netzwerktheorie durch Hopfield (1982) setzten sie sich als Metapher für die Gedächtnisforschung durch. Dieser sogenannte „Konnektionismus“, seine Vorzüge gegenüber der Computermetapher und seine Nachteile in der Erklärung mancher Gedächtnisfunktionen füllen das letzte große Kapitel. Ein Epilog beschreibt die in den unterschiedlichen Metaphern vorkommenden Gemeinsamkeiten, die in den Bildern für das Gedächtnis jeweils anders ausgeleuchtet wurden. Er erinnert daran, dass die zunehmend auf technische Zusammenhänge orientierten Bilder dem Prestige der jungen Wissenschaft Psychologie zugutekamen. Das Gedächtnis der Psychologie selbst sei vielleicht ein freudscher Wunderblock, der schon entwickelte Einsichten wieder verberge, und so fielen die Wiederholungen nicht auf.
Draaisma greift ohne Verweis auf die moderneren Ansätze von Lakoff und Johnson auf Blacks Interaktionstheorie der Metapher zurück. Dieser Ansatz stellt bereits die kognitiven Implikationen des Metapherngebrauchs heraus, sowohl seine heuristisch-fruchtbaren wie Erkenntnis behindernden Folgen (vgl. Abschn. 2.1.8.4). Er ermöglicht ohne den Begriff des metaphorischen Konzepts, die Vielfalt der Metaphorik vergleichsweise gut zu strukturieren (vgl. dagegen Assmann 1991). Diese Beschränkung auf das methodisch Notwendige hat zunächst zu einer sehr unfreundlichen Aufnahme des Buches geführt (Pethes 2000). Draaisma hat, um es mit einer Metapher zu beschreiben, nicht die Linsen seines Mikroskops weiterpoliert, sondern einmal durch dieses Mikroskop geschaut. Auch der erwähnte Kritiker räumt ein, dass die Liste der rekonstruierten Metaphoriken für das Gedächtnis reichhaltig sei, ebenso, dass Draaismas Integration von Naturwissenschaft und Informatik in einem kulturwissenschaftlichen Ansatz geboten sei.
Der Sammelband von Leary (2000, org. 1990) bietet einige heterogene Beiträge zu den einzelnen Subdisziplinen, die hier bilanzierend angesprochen werden sollen, da sie ebenfalls verdeutlichen, dass die Psychologie in allen Bereichen auf terminologisierten Metaphern des Alltags aufbaut.
Leary (2000) nutzt eine der radikaleren Definitionen von Metapher, dass alles Wissen aus metaphorischen Übertragungen entstanden sei; der Unterschied zwischen „wörtlicher“ und metaphorischer Sprache bestehe nur aus ihrem Grad an Konventionalisierung (ebd., S. 6). Er streift kurz Metaphern für Geist und Psyche in der Antike, am Beginn der modernen Wissenschaft, in der Biologie und den Sozialwissenschaften, bevor er einen breiteren Überblick über die Geschichte der gebräuchlichsten physikalischen und mechanischen Metaphern in der Psychologie gibt. Er hebt Sigmund Freud und dessen Bewusstsein, metaphorische Konstruktionen kritisch zu gebrauchen, heraus sowie den ihm darin verwandten William James. Sie seien „keenly aware of the metaphorical nature of psychological knowledge“ (ebd., S. 21), ein Wissen, das mit der positivistischen Veränderung der Psychologie und ihren theoretisch bedeutungslosen Katalogsammlungen verloren gegangen sei. Pribrams Überlegungen zur Rolle der Metapher in der Neuropsychologie (ders. 2000) gehen von einem (nicht explizierten) konventionellen Verständnis der Metapher aus. Er findet für sein Fach die Metaphern der Signalverarbeitung in der Telekommunikation, der kybernetischen Systeme, der Computer und der Holografie für das Verständnis der neuronalen Verarbeitung. Am Schluss unterscheidet er Metapher, Analogie (Nachdenken über die Metapher) und Modell mit präziser Kopplung einer Organisation von Daten an eine andere Organisation wie zum Beispiel eine mathematische Formulierung (ebd., S. 97).
Enttäuschend ist die Darstellung der historischen Metaphern der Motivationspsychologie bei McReynolds (2000), der die Metaphorik der Motivierungen in Anlehnung an Peppers fixierte „Wurzelmetaphern“ ordnet (vgl. Abschn. 2.1.8.3): Der Mensch unterliege in diesen Theorien entweder äußeren kontrollierenden Mächten (z. B. Gott), die Personen handelten als Agenten ihrer selbst, es gebe inhärente Tendenzen und der Mensch sei „von Natur aus“ zu bestimmten Handlungen motiviert, Personen seien als Organismen körperlichen Prozessen, die zur Motivierung führen, unterworfen, schließlich nennt er die Maschinenmetapher mit den inneren Kräften des Antriebs. Diese „Metaphern“ sind recht abstrakt gefasst, auch sind die Konzepte eher mit Gedanken als mit konkretem linguistischen Material der Theorieformulierung gefüllt.
Stärker an Lakoff und Johnson orientiert, fügen Hoffman et al. (2000) für die bereits mehrfach erwähnte Kognitive Psychologie das metaphorische Konzept „Denken ist Sehen“ hinzu und deuten den Terminus „Vorstellungen“ von Ebbinghaus als dramatische Metapher. Die Übersicht aktuellerer Theorien der Kognition fügt die erwarteten hinzu (computer, threshold, feedback, loop, memory trace, image representations). Bruner und Fleisher-Feldman (2000) erwähnen noch die Metapher der „nackten Wahrheit“ für das Bewusstsein, aber der Metaphernbegriff bleibt wie in einer späteren Studie (Bruner 1997) unklar (vgl. den Kommentar in Abschn. 3.4.3).
Smith (2000) findet im Behaviorismus neben den zu erwartenden mechanischen Metaphern und der Landkarte für das Gehirn (Tolman) bei Skinner überraschenderweise in der Selektion von Verhaltensweisen durch ihre Konsequenzen das Konzept einer biologischen Ökonomie wieder, wie es von Darwin entwickelt wurde – diese Neuinterpretation Skinners verweist darauf, dass Interpretationen von Metaphern vom Wissen und den erworbenen Fähigkeiten der InterpretInnen, Bezüge herzustellen, sehr abhängig sind (vgl. Schmitt 2003).
Gergen (2000) bezieht sich auf keine elaborierte Theorie der Metapher, nutzt aber die Konzeptschreibweise der kognitiven Linguistik und findet für die Sozialpsychologie die Konzepte, dass Gruppen als menschliche Organismen, der Mensch als Tier, soziales Leben als physikalische Struktur oder als Laboratorium für Tiere, Gesellschaft als Sammlung bedeutungsvoller Beziehungen, als Marktplatz und als Bühne metaphorisiert wurde.
Weniger durch die Breite der gefundenen als durch die Tiefe einiger ausgewählter Metaphern zeichnet sich der Beitrag von Sarbin (2000) zu psychischen Krisen bzw. Extremzuständen aus. Überraschenderweise lässt sich die Metapher, dass psychische Krisen körperliche Krankheiten seien, bereits im 16. Jahrhundert finden, eine Interpretation, die sich, so belegt er, nicht in Hexenprozessen durchsetzen konnte. Geist („mind“) wird in der Folgezeit zunehmend mit körperlichen Metaphern versehen (ein starker, schwacher … Geist). Dem entspricht die Auffassung der Aufklärer (u. a. Esquirol), denen fremde Völker, Kinder und psychisch Exaltierte als psychisch-biologisch „unterentwickelt“ galten und die meinten, dies sei durch (forciertes) Lernen zu beheben. Seine Detailschärfe (u. a. in der Diskussion von Kraepelins und Bleulers Begriff der Schizophrenie) steht im Gegensatz zu dem an Pepper orientierten und wenig differenzierenden Metaphernbegriff.
Danziger (2000) geht es nicht um eine einzige Metapher der Psychologie, sondern um die Wendung gegen einen Naturalismus, als hätte die Psychologie gegenständliche Objekte (Wille, Motiv, Kognition, Emotion etc.) (ebd., S. 334 f.). Anhand der Geschichte mechanischer Metaphern (ebd., S. 349 f.) zeigt er die Verheimlichung der lebensweltlichen Quellen der metaphorischen Konstruktion psychologischer „Sachverhalte“ und ihrer künstlichen Einteilungen (ähnlich Danziger 1997). Die Psychologie und ihre Metaphern sind ohne die Kenntnis der Anforderungen einer Gesellschaft nicht zu verstehen (vgl. auch Kvale 2003). Danzigers Analyse der metaphorischen Denkmuster in der Geschichte psychologischer Diskurse ist allgemeingültig formuliert:
… the analysis of metaphor becomes historically interesting, for we can use it to improve our understanding of patterns of psychological thought that were characteristic of a period, or a culture, or a particular intellectual community. … Such metaphors are used pervasively over relatively long periods, and typically their users do not seem to regard them as ‚mere‘ metaphors but as expressing some kind of literal truth (Danziger 2000, S. 331 f.).
Einen quantitativen Ansatz in der Verteilung von Metaphern in der Geschichtsschreibung der Psychologie unternehmen Gentner und Grudin (1985), indem sie im Zehnjahresabstand in je einer Ausgabe der ältesten Zeitschrift der wissenschaftlichen Psychologie in den USA, der 1894 gegründeten „Psychological Review“, die Metaphern für den Zielbereich „mind“ auszählen. Ihr Resümee:
The chief finding was that the nature of the mental metaphors changed over time. Spatial metaphors and animate-being metaphors predominated in the early stages, then declined in favour of systems metaphors, often taken from mathematics and the physical sciences. A secondary finding was that the number of mental metaphors varied (ebd., S. 181).
Sie finden allerdings aufgrund ihres konventionellen rhetorischen Metaphernbegriffs nur 265 verschiedene Metaphern, die sie letztendlich in vier Hauptkategorien einteilen: Bilder für lebende Wesen, neurologische, räumliche und Systemmetaphern. Diese Vergröberung, die nicht geschehen wäre, wenn sie sich an dem Begriff des metaphorischen Konzepts orientiert hätten, führt dazu, wie sie (ebd., S. 190) eingestehen, dass Aktivitäten wie Suchen und Erkennen, die dem Computer zugeschrieben werden, eben auch ein lebendiges Wesen betreffen könnten. Die Abstraktion zu wenigen zentralen Kategorien, die nicht am Ort des Kontextes einem Konzept sensibel zugeordnet werden, verschleift Differenzen.
Als Resümee dieser Skizze unterschiedlicher Rekonstruktionen der Metaphern, welche die Psychologie konstruieren, lässt sich festhalten, dass trotz unterschiedlicher, aber in großen Teilen vorhandener Gründlichkeit bei der Auswertung der gleichen Teilgebiete der Psychologie doch verschiedene Metaphern in den Vordergrund gestellt werden. Es fehlt eine stringente Methodik, der Metaphernbegriff wird selten expliziert.Footnote 117 Dennoch wird Danzigers Fazit, dass die Konstrukte der Psychologie in aller Regel unreflektierte Verdinglichungen seien, die ein falsches gegenständliches Wissen vortäuschen, immer eindrücklicher. Insbesondere die technischen Errungenschaften einer Zeit dienen als Blaupausen psychologischer Konstruktionen des Imaginären.
4.6.3 Zusammenfassung
Ein Fazit über die gesamte Breite psychologischer Metaphernforschung kann an dem eben notierten Fazit zur Rolle der Metapher in der Geschichte der psychologischen Begriffsbildung anschließen, denn auch in den Abschnitten zu Beratung und Psychotherapie wie zur Entwicklungspsychologie konnte verdeutlicht werden, dass die Begriffe der Psychologie verdinglichten Metaphern des Alltags entstammen.
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Für metaphernanalytische Forschungen in der Psychologie bedeutet dies, dass jede Fragestellung bereits im Licht vorkonstruierter Muster operiert. Das ist unvermeidlich und es stellt sich die Frage, wie diese Vorstrukturierung in den jeweiligen Studien wenigstens graduell reflexiv eingeholt werden kann.
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Viele psychotherapeutische Studien wie einige aus der Entwicklungspsychologie haben die hohe Kontextabhängigkeit sowohl des Verstehens wie des Produzierens von Metaphern belegt. Damit ist sowohl der materielle und soziale Kontext des Gesprächs gemeint wie der unmittelbare Kotext vorausgegangener Sprechäußerungen. Dies scheint mit derzeitigen Mitteln nicht sicher methodisierbar zu sein und legt eine Forschungsmethodik nahe, die eine hermeneutische Offenheit zur Erschließung möglicher Einflussnahmen gewährleistet.
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Eine heterogene Methodik auch innerhalb der Werke von AutorInnen, die sich auf Lakoff und Johnson beziehen, erschwert eine Vergleichbarkeit. Dennoch ist ein Stand erreicht, in dem einzelne Arbeiten reflexiv aufeinander bezogen werden können und das Fehlen von metaphorischen Mustern Anlass zur Methodenkritik und inhaltlichen Überlegungen bietet – so sind Berlin et al. (1991) die einzigen, die auf die offenbar verdeckte Kampfmetaphorik im Kontext des Beratens gestoßen sind. Es ist also möglich, die vorhandenen Studien als Hintergrund, vor dem die Besonderheiten des eigenen Samples herausgehoben werden können, zu nutzen – dies wird in der vorzustellenden Methodik (Abschn. 5.4.1) einen Schritt der Interpretationsgewinnung darstellen.
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Die Studien zur Beratung und Psychotherapie, der Entwicklungspsychologie und der Geschichte der Psychologie, die sich der Forschungsmethode der Metaphernanalyse (in allen Varianten) bedienen, lassen sich der Dynamisierung, das heißt der Veränderung von individuellen und kollektiven Kognitionen zuordnen. Es sollte daher eine kommentierende Übersicht formuliert werden, in welcher Weise Metaphernanalysen Veränderungen abbilden können (ausführlicher Abschn. 5.7.11).
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Außerhalb solcher Interessen ist der Großteil der psychologischen Studien eher an der Persistenz von individuellen und kulturellen Denkmustern interessiert, nicht an Veränderungen, wobei diese Muster oft als individuelle Eigenschaft (Erkrankung, Fähigkeit, Besonderheit) betrachtet werden. Kennzeichnend für viele dieser Studien ist, dass soziale Problemlagen und kulturelle Rahmungen kaum wahrgenommen werden.
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Die gegenseitige Ergänzung von qualitativen und quantitativen Studien ist ein Desiderat; der in dieser Hinsicht modellbildenden Studie von Moser (2000a) sind bisher keine weiteren gefolgt.
Wie wird die Psychologie das Phänomen metaphorischer Sprache weiter behandeln? Wie vor allem die klinischen Beiträge zeigen, sind wesentliche Thematisierungen metaphorischen Sprechens und die Anwendung einer qualitativen Methodik im Kontext angewandter Psychologie anzusiedeln. Das Phänomen „Metapher“ scheint inkompatibel zur sogenannten „Grundlagenforschung“ in der Psychologie: Eine in realer Kommunikation gebrauchte Metapher benötigt zu ihrem Verständnis nicht weniger als eine komplette Szene mit mindestens zwei Menschen vor dem vierfach gestaffelten Hintergrund ihrer aktuellen Situation, ihrer jeweiligen Biografien, ihrer Einbettung in eine gegenwärtige Gesellschaft und zuletzt der historischen Tiefe ihrer Kultur, die ihre vielfältige Semantik erst bereitstellt. In den Untersuchungen der „angewandten“ Psychologie nötigt der Kontext dieser Komplexität häufig Verkürzungen auf. In der spezialisierten Ausdifferenzierung des akademischen Systems der psychologischen „Grundlagenforschung“ ist jedoch kein Ansatz in Sicht, der dieser Komplexität gerecht werden könnte, auch kaum eine Bereitschaft, die Implikationen der kognitiven Linguistik ernst zu nehmen. Die „Grundlagenforschung“ hat ihre Grundlagen in der gelebten Komplexität des Alltags und des Berufs längst vernachlässigt, da sie mit dem bisherigen Methodenarsenal nicht erfassbar sind, und eliminiert komplexe Phänomene wie das der alltagssprachlichen Metaphorik aus ihrem Forschungskanon. Jüttemann hat an dieser Stelle folgenlos provoziert, ob dieses Verhältnis nicht umzukehren sei, ob nicht die alltägliche Sinndeutung der Ausgang einer neuen Psychologie sein könnte: „Jede im fachwissenschaftlichen Rahmen mögliche (tatsächliche) Entdeckung hat ihren Ursprung in der vorsprachlichen Alltagspsychologie …“ (Jüttemann 1992, S. 147). Nehmen wir das ernst, dann erweist sich die Rede von der „Grundlagenforschung“ selbst als fatal wirksame Metaphorik, als Konstruktions- und Rechtfertigungsmuster eines autonomen akademischen Systems, als bildgesteuerte Prioritätensetzung: erst die „Grundlage“, dann die „Anwendung“ – beides kaum zutreffend, denn Erstere ist weniger in tiefem Grund (aber auch nicht auf der Höhe), sondern in ihrem Verhältnis dazu kaum in einer räumlichen Metapher zu bestimmen, und „angewandte“ Forschung ist vermutlich weniger „Anwendung“, sondern Reflexion etwa der gerade in einer Beratung geäußerten Metaphorisierungen. Der Ort des Nachdenkens über das Phänomen Metapher wird vermutlich die „angewandte“ Psychologie bleiben; vielleicht findet sich noch zu ihrer Selbstbeschreibung eine weniger einschränkende Metapher.