Zusammenfassung
Die Zielsetzungen städtischer Integrationspolitiken gleichen sich zunehmend an, doch in den jeweiligen Umsetzungspraktiken vor Ort zeigen sich deutliche Unterschiede. Der Beitrag untersucht am Beispiel der Politik der ‚Interkulturellen Öffnung‘ der Verwaltung in Berlin und des darunter formulierten Ziels der Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit ‚Migrationshintergrund‘ die Herausbildung unterschiedlicher Umsetzungspraktiken auf der lokalen Ebene der Berliner Bezirke. Es wird gezeigt, dass zum Verständnis lokaler Variationen neben den lokalen politischen und administrativen Gegebenheiten auch bedeutsam wird, auf welche Weise migrationsbedingte Vielfalt und darauf bezogene Problemlagen in den jeweiligen städtischen Räumen verortet werden. Verräumlichtes Wissen über Migration und Vielfalt in der Stadt wird von Behördenmitarbeitenden mobilisiert, um Handlungsbedarf zu begründen und die Verwaltungspraktiken nach außen darzustellen und zu legitimieren.
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Ich danke den Herausgeber_innen, den Teilnehmer_innen der Tagung „Variationen des Städtischen – Variationen lokaler Politik?“ im Januar 2015 sowie Andreas Pott und Maren Wilmes für ihre konstruktiven Anmerkungen zu früheren Versionen dieses Beitrags.
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Häufig erwähnte Etappen sind dabei die Modifikation des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 1999, das Zuwanderungsgesetz von 2005 und der ‚Nationale Integrationsplan‘ aus dem Jahr 2007.
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Die Begriffe ‚Migrationshintergrund‘ und ‚Migrant_in‘ werden hier in Anführungszeichen gesetzt, um den konstruierten, kontextabhängigen und kontingenten Charakter der Kategorien und der damit Bezeichneten zu verdeutlichen.
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Bezirke haben zwar rechtlich nicht den Status einer Kommune, da sie keine eigenständigen Gebietskörperschaften sind, sondern „Selbstverwaltungseinheiten Berlins ohne Rechtspersönlichkeit“ (vgl. § 2, Abs. 1 Bezirksverwaltungsgesetz; vgl. Musil und Kirchner 2012, S. 19). Jedoch haben Bezirke ihre eigenen Verwaltungsapparate, Parlamente (die Bezirksverordnetenversammlungen) und weitreichende Eigenständigkeit in den hier interessierenden Fragen der Integrationspolitik und Personaleinstellung.
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Der Beitrag basiert auf einem Dissertationsprojekt zur Produktion migrationsbezogener Vielfalt in städtischen Verwaltungen, das am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück (IMIS) durchgeführt wird.
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Die Perspektive ähnelt der politikwissenschaftlichen Implementationsforschung (u. a. Mayntz 1983), der Hauptfokus liegt jedoch auf den Verwaltungsorganisationen als ‚Adressaten‘ der Politik der Interkulturellen Öffnung.
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Eine solche essentialisierende Vorstellung von ‚Stadt‘ wird am Eigenlogik-Ansatz kritisiert (vgl. Kemper und Vogelpohl 2011).
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Für eine diskurstheoretische Raumkonzeption vgl. Glasze (2013).
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In Berlin wurde seit den 1990er Jahren aufgrund von Strukturreformen infolge der Wende und der hohen Verschuldung in großem Umfang Personal im Öffentlichen Dienst abgebaut. Erst in jüngster Zeit wurde der Einstellungsstopp für neue Beschäftigte gelockert.
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Die Namen der Bezirke sind anonymisiert, nicht nur um die Anonymität der Interviewpartner_innen so weit wie möglich zu wahren, sondern auch um den Blick weg von den konkreten Fallbeispielen auf die Gegebenheiten zu richten, die die Herausbildung lokal unterschiedlicher Praktiken beeinflussen.
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Zum Datenmaterial siehe Abschn. 2. Im Folgenden wird nur bei direkten Zitaten die konkrete Quelle genannt.
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Lang, C. (2017). Von ‚typischen‘ und ‚untypischen‘ Einwanderungsbezirken: Migrationsbedingte Vielfalt und die Interkulturelle Öffnung lokaler Verwaltungen in Berlin. In: Barbehön, M., Münch, S. (eds) Variationen des Städtischen – Variationen lokaler Politik. Stadtforschung aktuell. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13394-8_14
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