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Zusammenfassung

In der Einleitung kam Ludwig Mies van der Rohe zu Wort und damit ein typischer Vertreter der Moderne des 20. Jahrhunderts. Die Rückschau auf diese so wirkungsreiche Epoche in der Baugeschichte gerät durchaus ambivalent. Zweifellos gelang die Lösung der sozialen Frage und damit eines Problems, das die meisten Architekten der damaligen Avantgarde beschäftigt hatte. Doch zu welchem Preis? Gebaute Monotonie und eine Uniformität der Tristesse waren die Folgen eines Funktionalismus, der sich vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch als Exekutive der Bauwirtschaft begriff. Gegen den totalitär gewordenen Universalismus der Moderne musste sich Widerstand formieren. Widerstand mit dem Ziel, der Architektur Formenreichtum, Geschichte und Tradition zurückzugeben, diese also zu re-semantisieren, wie Heinrich Klotz (1935–1999) es in Anlehnung an Charles Jencks (*1939) Schlüsselschrift zur Postmoderne „Die Sprache der postmodernen Architektur“ so trefflich ausdrückte. Im Prozess des Wandels von der Moderne zur Postmoderne spielte der sog. architektonische Strukturalismus eine Rolle. Drei Niederländer gelten als Hauptvertreter dieser Richtung: Aldo van Eyck (1918–1999), Herman Hertzberger (*1932) und N. John Habraken (*1928). Allen gemeinsam ist, dass sie die Bedürfnisse der einzelnen Menschen wieder ernst nehmen und diese nicht als Kollektiv betrachten, das durch einen rationalistischen Planerwillen gesteuert wird. Identität und Individualität sind auch die Themen, die Alt und Neu (wieder) verbinden und einen sensiblen Umgang mit historischen Baubestand möglich machen. Freilich lösen sich die Niederländer nicht ganz von dem Erbe der Moderne, sondern synthetisieren es – sie humanisieren sozusagen die industrielle Produktionsweise. Als Beispiel mag van Eycks Projekt „Städtisches Waisenhaus“ (1957–1960) in Amsterdam dienen. Mittels vorfabrizierter Module wurde aus vielen Einzelelementen eine Struktur aufgebaut und damit das Spannungsfeld von Individualität und Kollektiv aufgegriffen: „So kommt ein sehr freizügiges Gefüge zustande, das in seinem Charakter von der Absicht des Zusammensetzen und Differenzierens bestimmt wird. Die einzelnen Elemente treten an die Stelle von umfassenden Großräumen, die eine Einheit von vornherein statuieren, nicht aber das Zustandekommen dieser Einheit veranschaulichen.“ (Klotz 1985, S. 116–117) Auch Herzberger schrieb sich mit einer Clusterstruktur in den niederländischen Strukturalismus ein. Die Versicherung „Central Beheer“ ließ seinerzeit ihr Verwaltungsgebäude von ihm errichten (1968–1972). Bürokuben fügen sich darin in verschiedenen Höhen übereinander und werden über Laufstege miteinander verbunden. Die entstehenden Freiräume addieren sich zu Atrien, in denen die Bürozellen teils in der Anmutung von Balkonen sind. Herzberger geht noch einen Schritt weiter und lässt den Nutzern Gestaltungsspielraum bei der Möblierung, Einrichtung und Dekoration ihrer Bürozellen: „Die Arbeit wird vermenschlicht, die Anonymität verflüchtigt sich, das aus Individualitäten aufgebaute Ganze wird sowohl räumlich-architektonisch als auch sozial erfahrbar. Die Architektur hat eine unmittelbare ethische Qualität, sie lässt durch formale Differenzen soziale Individualisierung zu, indem gleichzeitig das kollektive Ganze sowohl formal als auch sozial veranschaulicht wurde und fühlbar bleibt.“ (Klotz 1985, S. 117–118)

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References

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Habscheid-Führer, T., Grothaus, C.J. (2016). Architektonischer Strukturalismus. In: Über den Zusammenhang von Unternehmenskultur und Architektur. essentials. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13349-8_3

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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