Zusammenfassung
Feministische Technikforschung untersucht die Verwobenheit von Geschlechterverhältnissen mit technologischer Forschung und Entwicklung. Ihre aktuelle Geschichte beginnt im Zusammenhang der sog. Zweiten Internationalen Frauenbewegungen in den 1970er-Jahren. In diesem Beitrag werden konzeptuelle Grundlagen und methodische Entwicklungen feministischer Erforschung von „Technikverhältnissen“ dargelegt. Das „Manifest für Cyborgs“ (Haraway) stellt die Basis für die Überwindung der Verknüpfung von Männlichkeit und Technik dar. Es wird gezeigt, wie auf dem Weg der Vervielfältigung von Interessensartikulation und technischen Sichtweisen in Designteams (Balsamo) eine gleichberechtigte Vielfalt zur kreativen Chance wird. Anschließend wird erörtert, wie die Erkenntnis der Dynamik des Mensch-Maschine-Verhältnisses (Suchman) zur Grundlage für die Möglichkeit feministischer Verschiebungen von Geschlechternormen in den Technowissenschaften wird. Vorschläge für empirische Anwendungen, wie z. B. Mind Scripting (Allhutter) und Diffractive Design (Bath) werden präsentiert. Die Chancen experimenteller Praktiken bei der Nutzung digitaler Medientechnologien und ihrer Erforschung, vielfältige und unvorhersehbare Subjektpositionen einzunehmen, werden ausgelotet.
Schlüsselwörter
- Geschlechtertechnikforschung
- Mensch-Maschine
- Technologische Vorstellungskraft
- Dichotomienverwischung
- Gleichberechtigte Vielfalt
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Literatur
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Ernst, W. (2019). Technikverhältnisse: Methoden feministischer Technikforschung. In: Kortendiek, B., Riegraf, B., Sabisch, K. (eds) Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Geschlecht und Gesellschaft, vol 65. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12496-0_41
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