Abstract
Die soziale Gerechtigkeit ist ein stetig wiederkehrendes Thema in der politischen Öffentlichkeit Deutschlands: Grundsatzfragen nach der sozialen Ungleichheit, der Verteilung von Vermögen und der Schere zwischen Arm und Reich entzünden sich regelmäßig an Langzeitthemen wie Arbeitslosigkeit, Steuern und Sozialleistungen, aber auch anlässlich der Bankenrettung in der Finanz- und Wirtschaftskrise und bei Skandalen wie der Steueraffäre um Uli Hoeneß. Dabei wird entweder eine übermäßige Umverteilung zulasten der gesellschaftlichen Leistungsträger kritisiert oder eine Kluft zwischen ökonomischen Eliten und dem „kleinen Bürger“ aufgezeigt, die an der Steuerungsfähigkeit des Staates zweifeln lässt (Ullmann 2013). Zuletzt wurde das Thema im ansonsten schwach polarisierten Bundestagswahlkampf 2013 von den damaligen Oppositionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken auf die Agenda gebracht und von den Medien aufgegriffen. Der Schwerpunkt der Debatte lag dabei – im Anschluss an die aufsehenerregende Präsentation des Vierten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung im März 2013 – auf der möglichen Wiedereinführung der Vermögensteuer. Die Präsentation des Berichts hatte bereits Wochen zuvor hohe mediale Wellen geschlagen, weil eine Vorabversion, die noch nicht in der Regierung abgestimmt war, in die Öffentlichkeit gelangt war (Janssen 2013). Insbesondere ein Satz war dabei umstritten: „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt“. Sowohl der Entwurf als auch die Endversion riefen ähnliche Forderungen von Seiten der Opposition im Bundestag und von zivilgesellschaftlichen Organisationen hervor: Die Oppositionsfraktionen forderten in Reaktionen auf den Entwurf eine „Steuererhöhung für Spitzenverdiener“ (Joachim Poß, SPD), eine „Millionärsteuer“ (Matthias Höhn, Die Linke) und drohten damit, „die wachsende Armut zum Wahlkampfthema zu machen“ (Ralf Stegner, SPD). Zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Plattform UmFAIRteilen sowie Campact erneuerten nach der Publikation der Endversion ihre Forderungen nach der „Wiedereinführung einer dauerhaften Vermögensteuer, die Erhebung einer einmaligen, europaweit koordinierten Vermögensabgabe und eine wirksame Bekämpfung von Steuerhinterziehung“ (Annette Sawatzki, Campact). Stimmen aus der Regierung und aus den Interessenverbänden der Wirtschaft (DIHK, BDI) erteilten diesen Forderungen eine Absage. Die Vermögensteuer hat auch hier wieder ihr Potenzial als Gegenstand einer breiten gesellschaftlichen Stellvertreterdebatte über das Thema soziale Gerechtigkeit bewiesen. Sie kann in der öffentlichen Meinung zum Symbol für Sozialausgleich werden. Gleichzeitig stellt sie gerade die Oppositionsparteien vor die Herausforderung, mehrheitsfähige Modelle zu ihrer Umsetzung zu entwickeln. Dabei entwickeln sich auch innerhalb der Parteien kontroverse Diskussionen, die eine einheitliche öffentliche Parteilinie gefährden können.
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Lichtenstein, D., Rhomberg, M., Böhme, M. (2016). Konsonant oder interessengeleitet? Eine Frame-Analyse zur Berichterstattung über die Vermögensteuer im Wahljahr 2013. In: Machin, A., Stehr, N. (eds) Understanding Inequality: Social Costs and Benefits. zu | schriften der Zeppelin Universität. zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11663-7_16
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