Zusammenfassung
Der Systemzusammenbruch 1918/19, der den monarchischen Absolutismus und das evangelische landesherrliche Kirchenregiment beendete, war für die katholische Kirche weniger traumatisch als für den eng mit der nationalen Bewegung des 19. Jahrhunderts und den Reichsstrukturen verwobenen Protestantismus. Deren rechtlichen Status tangierte die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 kaum: Zwar erfüllte die Aussicht eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts die Kirche mit Sorge, doch war der Status quo im post-kulturkämpferischen Kaiserreich nicht attraktiv genug, um die Systemtransformation generell abzulehnen. Zugleich verhinderte die Indifferenzthese Papst Leos XIII. den positiven theoretischen Zugang zur Demokratie. Von päpstlicher Seite unterblieb eine Stellungnahme zur deutschen Systemfrage. Seine neuscholastische Lehre sah in Staatsformen historische Zufälligkeiten, die daran zu messen seien, ob sie dem naturrechtlichen „Gemeinwohl“ dienten, verstanden als „Sicherung der institutionellen Integrität der katholischen Kirche“ in einem Staat. Der Demokratie sprach die kirchliche Lehre keinen Selbstzweck, keine prinzipielle Überlegenheit gegenüber autoritären Systemen zu; „der Grad katholischer Demokratiefreundlichkeit richtete sich nach dem Grad demokratischer Kirchenfreundlichkeit“. Darüber hinaus auf demokratischen Errungenschaften wie umfassenden Freiheitsrechten oder Pluralismus für alle Gesellschaftsgruppen zu insistieren, war der katholischen Lehre wesensfremd.
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Scholz, B. (2016). Die Kirchen und die Weimarer Republik (1918/19-33). In: Die Kirchen und der deutsche Nationalstaat. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11508-1_6
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