Zusammenfassung
Die historische Herausbildung von Unterricht als einem Interaktionssystem war von Kontroversen um die Art und Weise der Gruppierung von Schülern in Klassen begleitet. Der Beitrag skizziert zunächst die Kontroverse, die um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert im Rahmen der Reform des preußischen Gymnasialschulwesens um die Frage der Klassenorganisation ausgetragen wurde und analysiert die Argumente, die für das System der Fach- bzw. das System der Jahrgangsklassen vorgebracht wurden. Am Beispiel zweier Gymnasien in Berlin und Potsdam wird dann gezeigt, dass sich in der Realität praktischen Erfordernissen entsprechend verschiedene Mischformen bildeten. Dass sich am Ende die Jahrgangsklasse als organisatorische Form durchsetzen konnte, erscheint so nicht als linearer Prozess und/oder Resultat politischer Entscheidungen. Vielmehr erwies sich die Jahrgangsklasse letztlich als die für die Durchsetzung des Leistungsprinzips und damit der modernen Schule als meritokratische Organisation angemessenere Form.
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Notes
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Anders als in den Elementarschulen, wo die praktische Frage nach den Möglichkeiten der Beschulung großer Schülermassen angesichts weniger ausgebildeter Lehrer entstand, stellten sich die Probleme im Reformprozess des höheren Schulwesens. Als zwischen ca. 1788 und 1837 aus den gelehrten Schulen Gymnasien wurden und „der staatliche Zugriff auf das Erziehungswesen in gesellschaftspolitischer Absicht“ (Jeismann 1996/1974, S. 125) sich durchsetzte, ging es darum, durch staatliche Regulierung die Qualität der Ergebnisse der Beschulung einerseits zu verbessern und andererseits die Schule zum Bestandteil eines Allokationssystems zu entwickeln. Dabei kam den Auseinandersetzungen um unterschiedliche Möglichkeiten, Klassen zu bilden – so mehr oder weniger quellennah argumentierende historische Studien (u. a. Furck 1961; Dohse 1963; Ingenkamp 1969; Herrlitz 1973; Jeismann 1996/1974; Apel 1984) – eine wichtige Rolle zu.
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Diese beiden Aspekte – Klasse als Begriff für eine Abfolge von Stufen im schulischen Lehrgang, in einem aufeinanderfolgenden Gang der Aneignung von Wissen und Fertigkeiten (seit Comenius eine der entscheidenden didaktischen Fragen) und als Begriff für eine nach gewissen Kriterien separierte, wiedererkennbare Gruppe von Schüler_innen – kennt auch noch unsere heutige Umgangssprache: So kommt der Schüler in die nächste Klasse und bleibt doch Mitglied seiner Klasse.
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Für die Darstellung wurden folgende Schriften ausgewertet: Gedike, F. (1788). Neue Nachricht von der Einrichtung des Friedrichswerderschen Gymnasiums; Stephani, H. (1794). Vorzug der Specialklassen vor den Generalclassen; Etzler, C. F. (1796). Beyträge zur Kritik des Schulunterrichts (Kap. V: Ueber das Klassensystem auf Schulen); Niemeyer, A. H. (1835). Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts für Eltern, Hauslehrer und Schulmänner; Steffenhagen, A. (1848). Das Parallelsystem und das Classensystem an den deutschen Gymnasien. – Auf Graffs und Herbarts bekannte Auseinandersetzung mit der Frage der Klassenorganisation wird nur am Rande eingegangen (vgl. dazu Muth 1976).
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Zur Durchsetzung der Autorität eines Direktors, der den Gesamtlehrgang koordiniert vgl. Ariès (1975/1960), S. 278. Mit der Funktion des Direktors endete demnach die Praxis, dass Lehrer um der Schulgeldmaximierung willen wahllos Schüler um sich scharten und lehrten, was ihnen am liebsten war. Dergleichen bemängelt Niemeyer noch 1835 (S. 501).
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Quellengrundlage sind ein Bericht Friedrich Gedikes über die Einrichtung des Friedrichswerderschen Gymnasiums, angefertigt anlässlich der öffentlichen Prüfung im März 1788 (vgl. Gedike 1788), und die Jahresberichte des Potsdamer Gymnasiums am Militairwaisenhaus von 1821 bis 1836 (BBF/Schuljahresberichte Brandenburg. Bd. 51, 1–17).
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BBF. Schuljahresberichte Brandenburg. Bd. 51, 6 (1825): Kgl. Gymnasium Potsdam 1824/25, S. 10.
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BBF. Schuljahresberichte Brandenburg. Bd. 51, 8 (1828): Kgl. Gymnasium Potsdam 1827/28, S. 27.
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Ebd. Statistische Tabellen für die Jahre 1825 (18,5-20), 1827 (17-20,5), 1830 (19-20,5), 1831 (17,5-20,5).
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Ariès beschreibt, dass es im 16. Jahrhundert nicht ungewöhnlich war, dass ältere Schüler in den Anfangsklassen saßen. „Tatsächlich schenkte man der Unterrichtsstufe stets mehr Aufmerksamkeit als dem Alter. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts besaß die Klasse nicht die demographische Homogenität, die sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts kennzeichnete, wenn sie sich dieser auch immer mehr annäherte“ (Ariès 1975/1960, S. 284).
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BBF. Schuljahresberichte Brandenburg. Bd. 51, 6 (1825): Kgl. Gymnasium Potsdam 1824/25, S. 9.
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Ebd.
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Die Bestimmung sah vor, dass „1) für den ganzen Gymnasial-Unterricht […] eine Zeit von 9 Jahren angenommen [wird], von denen 2 Jahre auf die untere, 3 Jahre auf die mittlere, und 4 Jahre auf die obere Bildungsstufe kommen. 2) Hiernach sollen die Lehrcursus von IV, V und VI einjährig, von III, II und I zweijährig sein. 3) Wird eine der drei oberen Classen in zwei Unterabtheilungen getheilt, so sollen diese als eine Classe gerechnet und der Unterricht für beide Abtheilungen in je einjährige Lehrcurse vertheilt werden“ (BBF. Schuljahresberichte Brandenburg. Bd. 51, 17 (1836): Kgl. Gymnasium Potsdam 1835/1836, S. 25).
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BBF. Schuljahresberichte Brandenburg. Bd. 51, 6 (1825): Kgl. Gymnasium Potsdam 1824/1825, S. 10.
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Runderlass des Ministeriums der Geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten (v. Ladenberg) an das Königliche Provinzialschulkollegium zu Koblenz vom 12. Mai 1840, zit. nach ebd., S. 193.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen
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Scholz, J., Reh, S. (2016). Auseinandersetzungen um die Organisation von Schulklassen. Verschiedenheit der Individuen, Leistungsprinzip und die moderne Schule um 1800. In: Groppe, C., Kluchert, G., Matthes, E. (eds) Bildung und Differenz. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10003-2_5
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