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Gibt es objektive Gesten und Mimik? Zum leiblichen Gedächtnis als Typisierungen leiblichen Sinns

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Der Körper als soziales Gedächtnis

Zusammenfassung

Der Beitrag widmet sich der Frage, ob es objektive Gesten und Mimik gibt und adressiert damit die Problematik der Inkorporation. Indem die phänomenologischen Ansätze von Maurice Merleau-Ponty und Herman Coenen miteinander verbunden werden, wird gezeigt, dass die Gedächtnisleistung des leiblichen Gedächtnisses aus Typisierungen leiblichen Sinns besteht. Objektive Gesten und Mimik liegen demnach, so die These, die anhand einer Sequenz aus dem Arbeitsalltag in einem Krankenhaus illustriert wird, als habituelle Typen im leiblichen Gedächtnis vor.

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Notes

  1. 1.

    Der vorliegende Aufsatz und der ihm vorausgegangene Vortrag sind in der Zeit entstanden, als ich Vertretungsprofessorin für ›Prozessorientierte Soziologie‹ an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt war. Ich möchte mich ganz herzlich bei meinen Kollegen und Kolleginnen für den gedanklichen Austausch bedanken. Mein ganz besonderer Dank gilt Joost van Loon.

  2. 2.

    Auch Mannheim und Panofsky entwerfen zwei Formen von Sozialität, über die alle sozialen Sinngebilde zugänglich sind. Die Zwischenleiblichkeit ist mit der eingangs erwähnten »vorikonographischen« Deutung von Panofsky beziehungsweise dem »objektiven Sinn« von Mannheim vergleichbar, weil letztere auch auf praktisches Wissen Bezug nehmen. Dem Dialog entsprechen die »ikonographische« Deutung und der »Ausdruckssinn«, da sie auf theoretisches Wissen rekurrieren. Allerdings lassen Panofsky und Mannheim außen vor, wie gemeinsam geteilte Deutungen auf diesen Ebenen hergestellt werden. Sie legen keine Theorie der Intersubjektivität vor, wie Merleau-Ponty dies für die Zwischenleiblichkeit und den Dialog getan hat.

  3. 3.

    Die Ergebnisse beschränken sich ausschließlich auf Spanien. Die Analyse von deutschen Erinnerungszeremonien wird zwar angekündigt, aber nicht ausgeführt.

  4. 4.

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  5. 5.

    Alfred Schütz (1993, 115 ff.) hat die zweckrationale Konstruktion eines Um-zu-Motivs als Merkmal einer Handlung betrachtet. Während Schütz jedoch visuelle Verhaltensäußerungen nur als Bestandteil von Habitualisierungen begriff, die bewusst angeeignet werden und dann ins Vorbewusste absinken, wurde der Handlungsbegriff in Kissmann (2014a) auf so genannte Gewohnheitshandlungen erweitert. Gewohnheitshandeln umfasst vorbewusst angeeignete Verhaltensweisen wie z. B. die Präferenz für bestimmte Geschmacksrichtungen beim Essen (vgl. zum Beispiel Bourdieu 1987).

  6. 6.

    Einige exemplarische Auswertungsschritte dieser Sequenz sowie ein Überblick über die Ergebnisse sind in Kissmann (2014a) dargestellt. Die Herstellung hegemonialer Männlichkeiten im OP ist in Kissmann (2014b) beschrieben. In letzterer Veröffentlichung finden sich auch die Strategien der hier skizzierten leitenden OP-Schwester im Umgang mit hegemonialen Männlichkeiten.

  7. 7.

    Die von mir entwickelte hermeneutische Videoanalyse stellt eine Video-Interaktionsanalyse dar und muss als solche immer Bestandteil einer breiten Ethnographie sein. Sie unterscheidet sich damit von der Film- und Fernsehanalyse von zum Beispiel Keppler (2006) oder Reichertz und Englert (2011).

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Kissmann, U. (2016). Gibt es objektive Gesten und Mimik? Zum leiblichen Gedächtnis als Typisierungen leiblichen Sinns. In: Heinlein, M., Dimbath, O., Schindler, L., Wehling, P. (eds) Der Körper als soziales Gedächtnis. Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen – Memory Studies. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09743-1_8

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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