Zusammenfassung
Nina Berding geht in ihrem Beitrag auf sogenannte Rückkehrprozesse von Ecuadorianer_innen ein, die sich nach vielen Jahren in Spanien insbesondere aufgrund der spanischen Wirtschaftskrise veranlasst sahen, wieder in ihr ‚Herkunftsland‘ zurückzukehren. Die Autorin fokussiert dabei die Dynamiken der Ausgrenzung, die sich hier exemplarisch daraus entwickeln, dass davon ausgegangen wird, dass die Menschen ja in ihre „Heimatländer“, also entsprechend zu den ihnen vertrauten Bindungen und Routinen zurückkehren − eben dahin, wo sie auch ‚hingehören‘. Am Beispiel von Interviewausschnitten, die Berding während ihrer Feldforschung in Ecuador (2012) gesammelt hat, entfaltet die Autorin die Paradoxien im Umgang mit Zugehörigkeit. Einerseits zeigt sie, wie „fremd“ und wenig zugehörig sich die sogenannten ‚Rückkehrer‘, in Ecuador fühlen, da sie sich in den Jahren in Spanien eben dort über ihre lokale Lebenssituation Zugehörigkeit verschafft und verortet haben und andererseits stellt sie den politischen Umgang mit der Rückkehr dagegen und argumentiert, dass über Zugehörigkeit und Diversität vor allem mittels nationalstaatlicher Logiken und bestehender Diskurse verhandelt wird. Auf Basis ihrer Ergebnisse formuliert die Autorin Kritik am gegenwärtigen Umgang mit Zuwanderung und Zugehörigkeit und plädiert für eine veränderte Sichtweise hin zu einem ent-nationalisierenden Blick, der hybride, translokale Zugehörigkeiten erstens zulässt, um zweitens die Potenziale davon nutzen zu können.
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Notes
- 1.
Der Begriff ‚Heimat‘ wird im Folgenden in Anführungsstriche gesetzt, da ich mich von der nationalstaatlichen Bedeutungskonstruktion des Begriffs distanzieren möchte und ‚Heimat‘ dekonstruktivistisch als Bezugsgröße für Verortungsprozesse verstehe.
- 2.
Die Begriffe ‚Remigrant‘ oder ‚Remigration‘ bedeuten im politischen Kontext die ‚Rückkehr‘ der ‚Migranten‘ in das Herkunftsland, nachdem sie über einen längeren Zeitraum hinweg im Ausland gelebt haben. Nach diesem Verständnis haben die Begriffe eine klare nationalstaatlich geprägte Bedeutung, vor der ich mich an dieser Stelle distanzieren möchte. Da ich aktuell noch keinen ‚neuen‘ Begriff vorschlagen kann, der diese transnationalen Prozesse jenseits nationalstaatlicher Prägungen entsprechend den Migrationsrealitäten zu beschreiben vermag, definiere ich den Begriff im vorliegenden Beitrag neu als eine (erneute) Einreise in den jeweiligen ‚Herkunftsstaat‘ und den/die Remigrant_in als eine Person, die (erneut) in ihren ‚Herkunftsstaat‘ einreist.
- 3.
Die Interviewdaten basieren auf den (biografisch-narrativen) Interviews, die ich im Rahmen meiner Abschlussarbeit mit dem Titel „¿Dónde estan los años perdidos …? Remigration und Identität. Eine ethnografische Analyse“ (an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt a. O; Erstbetreuer: Prof. Dr. Werner Schiffauer) in Ecuador und Spanien durchgeführt habe.
- 4.
Die Festlegung auf die Befragung von Menschen mit einer ecuadorianischen Staatsbürgerschaft, die in Spanien lebten und wieder nach Ecuador migriert sind, liegt darin begründet, dass ich mir für meine Forschungsfragen erstens eine typische und bereits seit Langem etablierte Migrationsroute, wie es diejenige zwischen Ecuador und Spanien darstellt, aussuchen musste und mich zweitens aus Zeit- und finanziellen Gründen neben Spanien als Ausgangspunkt auf einen Forschungsort, in dem Fall Ecuador, fokussieren musste. Entsprechend habe ich in Ecuador auch überwiegend mit Personen mit ecuadorianischer Staatsbürgerschaft gesprochen, die die Route Ecuador-Spanien-Ecuador durchlaufen sind.
- 5.
Weitere Informationen zu der Funktion und den Aufgabenbereichen der staatlichen Organisation SENAMI lassen sich auf der Homepage nachlesen: URL: http://www.migrante.gob.ec/la-secretaria/.
- 6.
Die sogenannte ‚Wohlstandsmobilität‘ oder -migration‘ der ‚westlichen Welt‘ könnte hier eine Ausnahme sein, da sie weniger wirtschaftlich und/oder politisch motiviert ist (vgl. dazu Schellenberger 2011).
- 7.
Erwähnung findet die Thematik der hintergründigen Migrationsabsicht im öffentlichen ecuadorianischen Diskurs lediglich im Zusammenhang mit transnationaler Mutterschaft bzw. Elternschaft. Dabei wird Migration in den Medien zum einen als Handlungsstrategie interpretiert, bei der sich der Migrant „für die Familie“ opfert. Zum anderen wird sie im medialen Diskurs aber auch so diskutiert, dass die Migranten ihre „Familie“ dem eigenen wirtschaftlichen Ehrgeiz „opfern“ würden (vgl. Reist 2011, S. 238). Wagner (2010) betont in diesem Zusammenhang, dass die wirtschaftlichen Aspekte teilweise auch als vorgeschobener Migrationsgrund genutzt werden und daneben auch „stille Migrationsgründe“ (Wagner 2010, S.136) wie die Flucht vor Gendergewalt und Genderexklusion, greifen (vgl. ebd.).
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Berding, N. (2016). ‚Heimat‘ und Remigration – eine kritische Betrachtung am Beispiel der Migrationsroute Ecuador-Spanien-Ecuador. In: Behrens, M., Bukow, WD., Cudak, K., Strünck, C. (eds) Inclusive City. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09539-0_8
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