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Intermediale Gattungspassagen und kinematografische Serien in Lateinamerika

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Part of the book series: Neue Perspektiven der Medienästhetik ((NPM))

Zusammenfassung

Welche Konsequenzen sind aus der Beobachtung zu ziehen, dass sich bestimmte Fernsehserien in die Tradition der politique des auteurs einreihen? Hierzu liegt es nahe, die ausführliche Debatte der Fernsehwissenschaft aufzugreifen, die seit etwa Mitte der 1990er Jahre diskutiert, inwiefern sogenannte Qualitätsserien das Fernsehen der Rundfunkära in Frage stellen, das auf ein Massenpublikum ausgerichtet war. Darüber hinausgehend interessiert sich der Beitrag für den intermedialen Zwischenbereich zwischen Fernsehen und Kino, dem jene Serien offensichtlich zustreben. Die kinematografischen Fernsehserien zeigen exemplarisch auf, dass sich mediale Verschränkungen an den Gattungen ausgestalten, die sich zwischen den Medien bewegen. Das Beispiel der brasilianischen Serie Filhos do carnaval (Söhne des Karnevals) (2006/2009) veranschaulicht die intermediale Gattungspassage zwischen Kino und Fernsehen, in der sich das brasilianische Autorenkino des cinema novo mit dem Fernsehen verkreuzt. Eine derartige Vermengung medialer Gegensätze gibt jedoch zu denken auf: Die intermediale Passage der kinematografischen Serien kann nicht als schlichte Erweiterung des televisuellen Genrespektrums verstanden werden. Sie stellt nicht nur das Fernsehen zur Disposition, wie wir es kennen, sondern auch das Kino.

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Notes

  1. 1.

    Siehe die Internetseite von O2 (http://o2filmes.com.br/) sowie die offizielle Homepage von Filhos do Carnaval (http://www.hbo-la.tv/carnaval/default.asp) und den imdb-Eintrag der Serie (http://www.imdb.com/title/tt0805401).

  2. 2.

    Zu HBO siehe u. a. The Essential HBO Reader (Edgerton und Jones 2008) sowie den Sammelband It’s Not TV. Watching HBO in the Post-television Era (Leverette et al. 2008).

  3. 3.

    Die Masse ist das Objekt der Kulturindustrie, sie ist per se kein Subjekt sondern das Ergebnis passiven Konsums zerstreuter Empfänger. Indem diese sich anonym um einen zentralen Sender scharen, dessen immergleiche Mitteilungen sie gleichermaßen ausgesetzt sind, werden sie ununterscheidbar. Zudem erschöpfen sich die Rundfunkbotschaften in leichter Vergnügung, deren Standardisierung jegliche reflexive Eigenleistung seitens der Zuschauer entbehrlich und in ihrer Bejahung der Verhältnisse kritisches Hinterfragen hinfällig macht (vgl. Horkheimer und Adorno 1998, S. 133–153; Adorno 1977, S. 338–343; Flusser 2000, S. 20–27). Peter Sloterdijk beharrt noch 2000 auf der Vorstellung der „programmbezogenen Masse“, in der atomisierte Zuschauer durch ein Programm einheitlich zusammengefasst werden, und in der diese ihre Individualität zugunsten der „Gemeinheit“ des Empfangs aufgeben, was sie zum „Rohstoff […] totalitärer und medialer Herrschaft“ macht (Sloterdijk 2000, S. 17–19). Dass jedoch die Zuschauer einem Einheitsprogramm gleichermaßen erliegen, zweifelt die Kommunikationsforschung schon seit den 1980er Jahren an, insbesondere wenn Gesellschaften so eklatant zerklüftet sind wie in Lateinamerika (vgl. Michael 2010, S. 301–305).

  4. 4.

    Siehe kritisch dazu: Ritzer 2011.

  5. 5.

    MASH (1970) ist der erste Hollywoodfilm seit dreizehn Jahren, der den Grand Prix in Cannes gewinnt. Es folgen The Conversation (1974), Taxi Driver (1976), Apocalypse Now (1979) sowie All That Jazz (1980) (vgl. Thompson 1997, S. 41).

  6. 6.

    Thompson ging es in seiner Studie in erster Linie um jenes „zweite goldene Zeitalter“ des Fernsehen, das mit den hochwertigen Serien Anfang der 1980er Jahre von den Rundfunksendern selbst eingeläutet worden sei. Unter dem Eindruck der kunstvollen Serien, die die bezahlpflichtigen Kabelkanäle ab Mitte des folgenden Jahrzehnts anboten, erhielten Thompsons Erörterungen des „quality TV“ eine neue Relevanz und erscheinen hierfür weiterhin als wichtigste Referenz. Ein Beispiel ist die wichtige Aufsatzsammlung, die von Janet McCabe und Kim Abass ein Jahrzehnt später herausgegeben wurde (2007), siehe insbesondere McCabes einleitende Studie (2007). Das Vorwort stammt von Thompson selbst, der sich nun von der Vorstellung eines neuen goldenen Zeitalters des Rundfunkfernsehens gelöst zu haben scheint und sich stattdessen ganz auf das Phänomen der „Qualität“ konzentriert, die er in eine erste und eine zweite Phase einteilt. Mithin scheint er sie vom Rundfunk (erste Phase) zur Kabelübertragung (zweite Phase) wandern zu sehen (vgl. Thompson 2007). Aber auch jüngere Studien verweisen weiterhin auf Thompsons Argumentation von 1996, wie etwa der Sammelband, der von Robert Blanchet et al. zu „seriellen Formen“ herausgegeben wurde (Blanchet et al. 2011, siehe vor allem die einleitende Studie von Blanchet 2011). Ein jüngstes Beispiel ist Hahn 2013.

  7. 7.

    Dass der Autor die bekannten zwölf „Qualitäts“-Merkmale im Vorwort auflistet, deutet bereits an, dass mit der „Qualität“ ein Strukturwandel des Fernsehens angesprochen ist, in dessen Zusammenhang die Kennzeichen der sogenannten Qualitätsserien relevant sind, jedoch das Phänomen an sich nicht zu beschreiben in der Lage sind (vgl. Thompson 1997, S. 11–17).

  8. 8.

    Hierfür steht der berühmte HBO-Slogan „It’s not television. It’s HBO“ (vgl. Anderson 2008, S. 25). Des weiteren belegen Rezeptionsstudien, die etwa in Deutschland durchgeführt wurden, dass die Serien-Zuschauer die Auffassung vertreten, nicht fernzusehen, sondern Serien zu sehen (vgl. Hahn 2013, S. 14).

  9. 9.

    Siehe zu dieser Frage auch den Sammelband Television After TV (Spigel und Olsson 2004).

  10. 10.

    Die „post-network era“ ist als Spartenfernsehen selbstredend nicht nur „quality TV“ (vgl. Lotz 2007, S. 27–48).

  11. 11.

    Zu Netflix, dem Streaming-Dienst, der eigene Serien anbietet, siehe Thompson (2013).

  12. 12.

    Zu Konzeption und Aufbau von Rede Globo auf der Grundlage des kinematografischen Studiosystems siehe Michael 2010, S. 135.

  13. 13.

    HBO hat in verschiedenen Ländern Lateinamerikas Koproduktionen durchgeführt, darunter beispielsweise die Serie Capadocia in drei Staffeln (2008–2012), die in Mexiko zusammen mit Argos Comunicación gedreht wurde.

  14. 14.

    Die US-networks bauten auf den Strukturen der US-lateinamerikanischen Radioverbünde auf und folgten den großen Werbeagenturen der USA, für deren Kunden ein televisuelles Medium zu errichten war (vgl. Sinclair 1999, S. 12–15).

  15. 15.

    Was die Konfrontation des „quality TV“ mit dem mächtigen Rundfunk für das lateinamerikanische Fernsehen bedeutet, in der die networks unter weitgehender Marginalisierung konkurrierender Medien die Dominanz ihres Einheitsprogramms verteidigen konnten, ist eine Frage, deren Brisanz an dieser Stelle lediglich angedeutet werden kann. Diese richtet sich nicht zuletzt darauf, wie sich die sogenannten Qualitätsserien zu dem wichtigsten Serien-Genre des lateinamerikanischen Rundfunkfernsehens verhalten, den Telenovelas. Deutlich wird jedoch schon an dieser Stelle die Relevanz der Fragestellung für die Erforschung der „post-network era“ auf transnationaler Ebene. Zu den Telenovelas und zu deren Bedeutung für das Programm und die Kultur des network-Fernsehens in Lateinamerika siehe Michael 2010.

  16. 16.

    Eine Ausarbeitung dieses Gattungskonzeptes findet sich in Michael 2010, S. 50–66.

  17. 17.

    Zur Bedeutung der Gattungen in der Poetik des Aristoteles siehe Aristoteles 2002, S. 5.

  18. 18.

    Bei ihrem Bemühen, zwischen „gutem“ Fernsehen und „quality television“ zu unterscheiden, arbeitet auch Sarah Cardwell (2007) heraus, dass letzteres lediglich ein Genre bezeichnet.

  19. 19.

    Christoph Dreher macht den Begriff der Autorenserien stark und weckt die Vorstellung eines „sehr langen Autorenfilms“. Dabei hebt er die Letztverantwortlichkeit des „Creators“ hervor (vgl. Dreher 2010, S. 43–47).

  20. 20.

    Wie Brett Mills einwendet, steht nicht eindeutig fest, worin das Kinematografische am Fernsehen besteht, da das Kinematografische schlechthin fraglich sei. Es bezeichnet vielmehr, so die Argumentation, schlicht die ästhetische Unterlegenheit des Fernsehens und somit dessen Aufwertungsbemühungen (vgl. Mills 2013).

  21. 21.

    Dreher sieht den „Creator“ als eine Art „Chefautor“ und erkennt einen Primat des Drehbuchs über der Regie (vgl. 2011, S. 53–59).

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Michael, J. (2016). Intermediale Gattungspassagen und kinematografische Serien in Lateinamerika. In: Ritzer, I., Schulze, P. (eds) Transmediale Genre-Passagen. Neue Perspektiven der Medienästhetik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09426-3_17

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