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Negative Europäisierung. Die Eurokrise und die Paradoxien der institutionellen Überintegration

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Krise und Integration

Part of the book series: Europa – Politik – Gesellschaft ((EPG))

Zusammenfassung

Die gegenwärtige Krise der Europäischen Union ist als Konsequenz der institutionellen Überintegration des europäischen Markt- und Währungsraumes zu verstehen, der gleichzeitig institutionelle Defizite auf dem Feld der Wirtschafts- und Sozialpolitik gegenüberstehen. Das Spannungsverhältnis dieser asymmetrischen Institutionalisierung bringt Paradoxien hervor, die durch den institutionellen Integrationsmodus der Europäischen Union selbst nicht mehr aufgelöst werden können. Die Effekte davon kumulieren in einer Dynamik negativer Europäisierung, die sich einerseits in der Selbstblockierung des Handlungssystems, andererseits in der Gleichzeitigkeit von fortschreitender Institutionalisierung und gesellschaftlicher bzw. politischer Desintegration manifestieren. Dadurch bildet die Europäische Union als transnational agierendes Institutionengebilde, wie in diesem Beitrag gezeigt wird, den Rahmen einer beispiellosen rekursiven und dadurch selbstverstärkenden Krisendynamik.

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Notes

  1. 1.

    In Anlehnung an den von Scharpf (2011) und Lepsius (2013) verwendeten Begriff der „ökonomischen Überintegration“, aber weiter gefasst, im Sinne von und synonym mit: institutioneller Überdetermination der europäischen Integration.

  2. 2.

    Dessen ungeachtet durchleben die größten und reichsten Volkswirtschaften der Welt nach wie vor schwierige Zeiten mit niedrigen Wachstumsraten, hohen Arbeitslosenquoten und wachsender Staatsverschuldung. „[T]he aftermath of the crash“, beschreibt Zanny Minton Baddoes die Lage, „continues to cast a pall over the global economy. Growth returned. But the recovery has been strikingly lachustre, particulary given the scale of recession“ (Baddoes 2014, S. 3).

  3. 3.

    Siehe auch Tsoukalis 1996; Moravcsik 1998, S. 238 ff., 379 ff.; Judt 2006, S. 602 f.; Majone 2014, S. 20 ff.

  4. 4.

    Allerdings konnte die Europäische Zentralbank in den vergangenen Jahren in einem Prozess schleichender Kompetenzausdehnung im Zuge ihres Krisenmanagements ihr geldpolitisches Mandat deutlich ausdehnen, wobei auf diesem Wege auch sozialpolitische Kriterien wieder an Bedeutung gewinnen. Vor allem durch den unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt (im Rahmen des sogenannten Outright Monetary Transactions-Programms) betreibt die EZB mittlerweile im großen Stile eine Zinssubventionierung, was einer verdeckten Staatsfinanzierung gleichkommt. Diese Politik verstößt nicht nur gegen EU-Vertragsrecht. Indem die EZB damit faktisch die Konkursrisiken von Staaten trägt und als eine Art Versicherung gegen Kapitalverlust von Staaten und Banken aktiv wird, trägt sie zudem wesentlich dazu bei, eine verdeckte Transferunion zu errichten (Illing 2013, S. 35; Peet und LaGuardia 2014, S. 175 f.; Fuest et al. 2014; Sinn 2014, S. 78). Das kann man freilich auch als heimliche europäische Sozialpolitik auffassen, die darauf basiert, dass die Isolierung des Kriteriums Geldwertstabilität aus dem Ensemble jener in Konkurrenz zueinander stehenden makroökonomischen Ziele schleichend wieder rückgängig gemacht wird. Dabei werden Risiken verschleiert, Parlamente umgangen, die Öffentlichkeit (und die Wähler) getäuscht sowie offene politische Auseinandersetzungen vermieden.

  5. 5.

    Im Zeitraum zwischen 1987–1999 flossen insgesamt rund 200 Mrd. ECU in die Strukturpolitik. Für die Förderperiode 2000–2006 wurden die Mittel auf 213 Mrd. ECU festgelegt, 16 Mrd. kamen 2004 für die neuen Beitrittsstaaten hinzu. Im Rahmen der finanziellen Perspektive 2007–2013 verfügte die Kohäsionspolitik insgesamt über 347,41 Mrd. €, was mehr als 35 % des gesamten Unionshaushalts entspricht (Hartwig 2014, S. 421; Bachtler et al. 2013, Kap. 5).

  6. 6.

    Das hat mittlerweile selbst die Kommission erkannt: „Regional economic disparities which were narrowing have stopped doing so, while unemployment has risen rapidly in almost all parts of the EU, poverty and exclusion have also increased“ (European Commission 2014, S. 1).

  7. 7.

    Einen vorläufigen Höhepunkt erlebte die Debatte 2013 im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Zahlen der Europäischen Zentralbank zu den Vermögensverhältnissen in Europa (Der Spiegel 16/2013; FAZ, 22. März 2013, S. 11; FAZ, 28. März 2013, S. 37).

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Bach, M. (2015). Negative Europäisierung. Die Eurokrise und die Paradoxien der institutionellen Überintegration. In: Preunkert, J., Vobruba, G. (eds) Krise und Integration. Europa – Politik – Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09231-3_9

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