Zusammenfassung
Es dürfte unstrittig sein, dass in der Wahrnehmung von Individuen gesellschaftlich wie organisational Entfremdungstendenzen zu beobachten sind. So haben Menschen angesichts steigender gesellschaftlicher Komplexität und Dynamiken den Eindruck, dass sie sich von der Gesellschaft, in der sie leben, entfernen, dass sie nicht mehr ein Teil von dieser sind. Ähnlich sieht es in den Organisationen (Unternehmen, Verwaltungen, Schulen, Krankenhäusern etc.) aus, die den zentralen Teil unseres gesellschaftlichen Lebens ausmachen. Auch dort erleben sich Menschen zunehmend entfremdet. So erscheinen die eigenen Produkte fremd, komplex und nicht mehr erklärbar. So tauchen immer häufiger Veränderungsprojekte auf, deren Sinn auf den ersten Blick nicht mehr wahrnehmbar ist, so werden Entscheidungen und Bewegungen im Management als hektisch und nicht wohl überdacht erlebt. Und trotzdem müssen Menschen darin (konsistente) Leistungen erbringen und sich einbringen. Schließlich findet eine Entfremdung von sich selbst statt, indem man an alledem teilhat, dabei jedoch bemerkt, dass es nicht das ist, was einem selbst entspricht, weil man sich eher als Getriebener denn als selbstgesteuertes Individuum wahrnimmt.
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Notes
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Jäger und Schimank (2008) sprechen in diesem Zusammenhang bezeichnenderweise von einer „Organisationsgesellschaft“, um die heutige Lebens- und Gesellschaftsform, zumindest bei uns im kapitalistisch geprägten System der sozialen Marktwirtschaft, zu beschreiben.
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Wobei kritisch zu hinterfragen ist, ob das denn heutzutage überhaupt noch geht: Welchen übergreifenden Sinn soll denn das Management vermitteln, wenn es selbst nur mehr eine Teilfunktion und Perspektive des Gesamtunternehmens einnimmt – und sich selbst als Getriebener eines andauernd veränderten Umfeldes betrachtet.
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Die einzige logische und wirkungsvolle Schlussfolgerung, um sich wieder der Handlungsoptionen und Verantwortungen zu bemächtigen, wäre die konsequente Störung des Systems, also die Unterbrechung des Systemoperierens. Es geht dann um die Unterbrechung von selbstablaufenden Prozessen. Baecker (2012) hat das in Bezug auf die Funktion des Managements unter der Bezeichnung „Management als Störung“ sehr gut dargestellt.
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Esoterik wird in der alltagssprachlichen Verwendung als Vorwurf der Irrationalität genutzt. Der enge Wortsinn hingegen verweist auf einen spirituellen Erkenntnisweg. Dieser kann aus einer subjektiven Perspektive betrachtet jedoch sehr rational sein. Am Potenzial des individuellen Erkenntnisweges setzt dieser Text an. Nur wer sich „kennt“ und imstande ist, sich zu „spüren“, wird „bei sich“ bleiben und damit kongruent – im Management wird derzeit gerne Authentizität eingefordert – handeln können. Die Beurteilung der Kongruenz erfolgt in erster Linie intraindividuell.
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Für den Bereich der Sozialwissenschaften sei hier noch angemerkt, dass der Soziologe Pierre Bourdieu in seinem Habitus-Konzept auf eine ähnliche semantische Beschreibungslogik wie Sheldrake zurückgreift, ohne freilich diesen Energieansatz im Kopf zu haben. So ist in diesem Buch bei Bauer, E. und Fröse, M. W. (2014) (Kap. 14) nachzulesen: „Bourdieu verknüpft den Habitus mit einem Praxisbegriff, der den Ort markiert, an dem sich Subjekte begegnen, sich in einer relationalen Ordnung reproduzieren, im Feld handeln und damit genau diese Ordnung reproduzieren: Das Feld bestimmt den Habitus und der Habitus das Feld. Der Habitus ist gedacht als körpergewordene, das Feld, korrespondierend dazu, umgebungs- und dinggewordene Geschichte“ (siehe hierzu auch im Original Bourdieu 1987). Aus der in diesem Beitrag entstehenden Energieperspektive wird bei Bourdieu der verbindend-kommunizierende Moment gesehen, der zwischen beiden Perspektiven (der individuellen/menschlichen sowie der gesellschaftlichen/strukturellen) „vermittelt“.
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Gerade hier muss besonders vorsichtig und kritisch hingeschaut werden, um dem naiven Kurzschluss vorzubeugen, dass negative Energien und nicht erfolgreiche Organisationen nicht erfolgreiche Menschen anziehen würden. Dieser Text geht, wie in der Folge noch deutlicher aufgezeigt wird, davon aus, dass Menschen längerfristig erfolgreich sind, wenn sie Dinge tun, die ihnen entsprechen. Räumen Organisationen Menschen den Platz ein, das zu tun, was ihre Potenziale vorsehen, dann dürfte sich darauf aufbauend auch der Erfolg von Organisationen einstellen. Erfolgreiche Organisationen ziehen dann Personen an, die genau dazu einen weiteren Beitrag leisten möchten. Was das Scheitern von Personen in Organisationen angeht, so kann dies auf individueller Ebene ein Zeichen sein, dass es nicht die richtige Organisation, das richtige Umfeld ist, in dem sich gegenwärtig aufgehalten wird. Aus der systemischen Personal- und Organisationsentwicklung ist bekannt, dass der Kontext das Verhalten von Menschen prägt. Eigenschaften werden primär durch den Kontext zugeschrieben. Ein Mensch ist nie per se erfolgreich oder nicht erfolgreich; es sind die Kontexte, die es ermöglichen oder verhindern. Die an dieser Stelle durchaus positivistische Energieperspektive versucht den Einklang zwischen individuellen und organisationalen Kontexten/Energiefeldern herzustellen.
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Um ein drastisches Beispiel zu nennen: Mit dieser Perspektive ließe sich auch fragen, ob die Traurigkeit und die Schwere, die einen bei einem Gang durch das Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers erfüllen, lediglich aufgrund des Wissens um den Ort entstehen, oder ob auch der physische Ort gewisse, zuvor gespeicherte leidvolle Erfahrungen und Energien enthält, die er ausstrahlt und die wir erfahren. Das würde zumindest mit der morphogenetischen Perspektive eines Rupert Sheldrake so zu erklären sein. Er geht ja von einem etwas stärker ortsgebundenen energetischen Konzept aus.
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Gerade in Organisationen sind Interessenkonflikte vorprogrammiert. Organisationen wünschen sich in vielen Fällen immer wieder Handlungen oder Entscheidungen, die nicht das Gefühl einer „Deckungsgleichheit“ auslösen. Aus genau diesem Grund wird aber hier auf die Spezifikation der Langfristigkeit verwiesen. Das Gleiche dürfte auch für Organisationen gelten. Sind nicht jene langfristig erfolgreich, die sich bestimmten Grundprinzipien verschrieben haben oder ihrer Kultur treu bleiben? Das bedeutet nicht im Umkehrschluss automatisch, nicht innovativ sein zu dürfen oder sich in die Gefahr einer negativen Pfadabhängigkeit zu begeben.
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Für Organisationen könnten sich diese Stimmigkeit und das Gefühl des „mittig Seins“ darin zeigen, dass Fluktuationsraten sinken und äußerst gering sind, dass sie zunehmend von Menschen als potenzieller Arbeitgeber gesucht werden, die darauf verweisen, zu glauben, genau dort arbeiten zu müssen, und sich ein längerfristiges Engagement durchaus vorstellen können, dass sie als gesellschaftlicher Ansprechpartner jenseits einer reinen ökonomischen Perspektive aufgesucht werden, wenn es darum geht, Gesellschaft weiterzuentwickeln. Es könnte im positiven Sinne auch bedeuten, dass sie wie „der Schuster, der bei seinen Leisten bleibt“, sich der eigenen Tradition und des Standortes verpflichten, wo sie seit Generationen verweilen. Es könnte bedeutet, dass nicht jeder Trend mitgemacht wird – und dass schließlich dies durch die Kundschaft und die Mitarbeitenden honoriert wird.
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In diesem Kontext dürfte auch der Begriff der Anziehung noch einmal klarer werden. Wir alle kennen das: In Momenten, wo wir uns darauf konzentrieren, Tätigkeiten, soziale Konstellationen, Menschen zu finden, die uns die Chance geben, das zu tun, von dem wir glauben, dass wir dazu „berufen“ sind, fangen wir an sensibel für diese „Kontextelemente“ zu werden. Plötzlich treffen wir Personen, die uns einen entscheidenden Rat geben, plötzlich tun sich Konstellationen in Organisationen auf, die uns ermöglichen, eine Chance wahrzunehmen. In solchen Situationen haben wir das Gefühl, dass wir die richtigen Kontexte anziehen – oder diese uns.
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Yoga und Meditation können zu einem solchen Gefühls- und Wissenszustand führen. Siehe hierzu auch den Text von Gottwald in diesem Buch, der Einblicke in die Meditation gibt (Kap. 4, z. T. mit Bezug auf C. O. Scharmer).
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Siehe zur Veränderungsmüdigkeit, auch „change fatigue“ genannt, z. B. MacIntosh et al. (2007).
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Siehe zu dieser Argumentation vertiefend Dievernich (2014).
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Dievernich, F. (2015). Organisationen als energetische Gebilde verstehen. In: Fröse, M., Kaudela-Baum, S., Dievernich, F. (eds) Emotion und Intuition in Führung und Organisation. uniscope. Publikationen der SGO Stiftung. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07796-9_7
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