Zusammenfassung
Empathie wird in den sozialen Berufen nahezu als definitorischer Bestandteil der Tätigkeit betrachtet, denn ohne Empathie ist gute Krankenpflege nur schwer denkbar. Daher überrascht die Vielzahl der Trainings in diesem Bereich sicherlich wenig (vgl. Kap. 2.4). Diese Trainings zielen grundsätzlich auf eine Steigerung der Empathie bei den TeilnehmerInnen, jedoch bringt diese Idee „mehr ist besser“ verschiedene Schwierigkeiten mit sich. Zum Ersten wird implizit ausgedrückt, dass das bereits vorhandene Maß an Empathie nicht ausreicht, ohne dass eine Diagnostik dies indiziert hat. Zum zweiten wird die Haltung bei den TeilnehmerInnen verankert, dass ein stärkeres Mitfühlen immer besser sei als jede andere Alternative. Das emotionale Einlassen auf andere Menschen, besonders im sozialen Berufsfeld, ist aber auch mit hohen Risiken für die eigene emotionale Stabilität verbunden. Zum Dritten verändern Trainings nicht das Persönlichkeitsmerkmal Empathie, sondern im besten Fall die Sichtbarkeit bzw. die Expressivität des Merkmals, zumeist aber nur Verhaltensweisen, die als empathisch gelten, auch wenn dies nur selten klar definiert wird (Kap. 2.1.1.2). Daraus kann eine riskante Tendenz zu fassadenhaftem Verhalten entstehen, die den äußeren Eindruck des Mitfühlens vermittelt, aber in emotionaler Diskrepanz zum inneren Erleben steht. Diese Spannung muss auf Dauer zu erhöhtem Belastungserleben und kann zu Symptomen des Burnout und psychosomatischen Beschwerden führen.
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Notes
- 1.
Die folgenden Darstellungen stützen sich auf Altmann und Roth (2013).
- 2.
Schmerz wird nach Erkenntnissen von Singer et al. (2004) empathisch auf affektiver Ebene geteilt, auch wenn die sensorischen Informationen für Schmerz nicht aktiviert werden.
- 3.
In der Literatur werden diese Gegenpole Differenzierungen genannt (z. B. Bitschnau 2008; Rosenberg 2003). Der Begriff Gegenpol erscheint jedoch inhaltlich passender.
- 4.
Der vierte Schritt, die Bitte, ist für die Entwicklung des Trainingsprogramms dieser Studie nicht von großer Bedeutung und wird daher hier nicht ausführlich beschrieben. Die Bitte ist ein notwendiger und bedeutsamer Bestandteil z. B. in der Konfliktlösungsarbeit; für die Fokussierung auf Empathie und Selbstempathie ist dieser Schritt aber nicht essenziell (Rosenberg 2012).
- 5.
Es zeigten sich keine bedeutsamen Moderatoren dieses Ergebnisses wie Trainingsmethode oder Setting, abgesehen von der Messmethodik: Effekte der Messungen mit Fremdbeurteilungen in testähnlichen Situationen liegen etwa viermal höher als Messungen mit Selbstbeurteilungen, was laut Butters (2010) über die Leistungssteigerung durch soziale Erwünschtheit in einer testähnlichen Situation erklärt werden kann. Die Selbstbeurteilung ist damit als die konservativere Schätzung anzusehen.
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Altmann, T. (2015). Empathie und Gewaltfreie Kommunikation. In: Empathie in sozialen und Pflegeberufen. Psychologie in Bildung und Erziehung: Vom Wissen zum Handeln. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06645-1_2
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