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Theoretische Grundlage

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Organisation und Devianz

Part of the book series: Organisationsstudien ((OS))

  • 1593 Accesses

Zusammenfassung

Im dritten Kapitel werden die Grundlagen der Systemtheorie nach Niklas Luhmann in ausführlicher Form vorgestellt. Neben der Verortung des Systemtyps Organisation in den gesellschaftlichen Kontext und der Darstellung der allgemeinen Operationsweise von Organisationen, werden vor allem die Charakteristika der formalen und informalen Organisation beschrieben. Dabei wird sowohl auf Zielkonflikte, Hierarchien und Mitgliedschaftsbedingungen eingegangen wie auch das Konzept der „brauchbaren Illegalität“ beschrieben. Anhand der Unterscheidung zwischen entschiedenen und nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen nach Kühl (Organisationen. Eine sehr kurze Einführung, 2010) werden die Typen von Entscheidungsprämissen geschildert und der Mechanismus der Informalität differenziert dargestellt. Damit der Leser auch einen Einblick in den Hintergrund dieser Theorieelemente erhält, werden im Vorfeld sowohl Systembildungsprozesse auf Basis doppelter Kontingenz erläutert wie auch der Mechanismus der Formalisierung anhand zeitlicher, sachlicher und sozialer Generalisierung beschrieben.

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Notes

  1. 1.

    Wie Tacke (2001) diagnostiziert, bewirkt die Ausdifferenzierung des Gesamtsystems Gesellschaft eine Emanzipation und relative Autonomie der Funktionssysteme voneinander. (vgl. Tacke 2001, S. 117 f.).

  2. 2.

    Unter Sinnhaftigkeit soll ein laufendes Aktualisieren von systemrelevanten Möglichkeiten im Zuge des Selektionsprozesses verstanden werden. Der Begriff des Sinns kann in diesem Zusammenhang als Unterscheidung von momentan Aktuellem und einem Horizont an Möglichkeiten definiert werden. Das Prozessieren von Sinn im System ist an dieser Stelle hervorzuheben, weil die durch den Selektionsvorgang negierten Möglichkeiten nicht verschwinden, sondern im System haften bleiben und durch jede Selektion als Nachfolgeaktualität gewählt werden können. (vgl. Luhmann 2006a, S. 100 f.).

  3. 3.

    Im Hinblick auf den zuvor vorgestellten Mechanismus der Komplexitätsreduktion bezeichnet der Begriff der Struktur die Einschränkung eines Spielraums an Handlungsmöglichkeiten. In Bezug auf den Prozess der Selektion, der systemintern einen sinnhaften Aufbau von ausgewählten Relationen ermöglicht, definiert die Struktur im Grunde genommen dann das, was durch die momentane Sinnrekonstruktion in Aussicht gestellt wird. (vgl. Luhmann 2006a, S. 396 ff.) Dass dies wiederum bedeutet, dass Strukturen eigentlich Verhaltenserwartungen darstellen, soll an dieser Stelle bewusst nicht vorweggenommen werden, da eine genaue Erörterung dieses Zusammenhangs in Abschn. 3.3 erfolgt.

  4. 4.

    Im Forschungsfeld der allgemeinen Theorie von Systemen wird zwischen drei Konkretisierungsebenen unterschieden. Während die erste Ebene eine allgemeine Klassifizierung in Systemen umfasst, wird auf der zweiten Stufe konkreter zwischen verschiedenen Systemzuordnungen differenziert. Auf dieser Konkretisierungsebene findet sich neben den Kategorien Maschinen, Organismen und psychischen Systemen, d. h. Menschen in der Gesellschaft, auch die Klassifizierung in soziale Systeme. Da Luhmanns Interesse vor allem dieser Kategorie gilt, wird auf der dritten Ebene konkreter zwischen den verschiedenen Arten sozialer Systeme differenziert. Es wird zwischen Interaktionen, Organisationen und Gesellschaften als Arten sozialer Systeme unterschieden, die sich jeweils an eigenen Bestandskriterien orientieren. (vgl. Luhmann 2006a, S. 15 f.) Unter einem sozialen System soll generell ein Kommunikationssystem verstanden werden, das sich in einem Sinnzusammenhang von sozialen Handlungen äußert, die aufeinander verweisen und sich von einer Umwelt nicht dazugehöriger Handlungen abgrenzen lassen. (vgl. Luhmann 1974, S. 115).

  5. 5.

    Der Begriff der Unterscheidung kann an dieser Stelle mit dem Begriff der Alternative synonym gesetzt werden. Alternativen stellen in dieser Hinsicht eine besondere Art von Unterscheidungen dar, weil sie voraussetzen, dass beide Unterscheidungsseiten bezeichnet werden können. (vgl. Luhmann 2006b, S. 133 f.) Demnach werden mit einer Entscheidung auch die negierten Alternativen mit kommuniziert, sodass neben der als Präferenz gewählten Alternative, in der sich die jeweilige Entscheidung dokumentiert, die ausgeschlossenen Alternativen, d. h. alles andere, was hätte Entscheidung werden können, an der jeweiligen Entscheidung haften bleiben. (vgl. ebd., S. 64).

  6. 6.

    Unter Anschlussfähigkeit soll im Wesentlichen verstanden werden, dass die Kommunikationen des Systems, im Fall der Organisation also die Entscheidung, mit Sinn ausgestattet werden. Anschlussfähige Entscheidungen sind demnach anhand der Strukturen des Systems determinierte sinnhafte Entscheidungen. (vgl. Luhmann 2006a, S. 28 f.).

  7. 7.

    An dieser Stelle wird der Beschreibung Luhmanns, Organisationen als autopoietische und operativ geschlossene Systeme zu betrachten, in verkürzter Form Rechnung getragen. Für einen detaillierteren Zugang vgl. Luhmann 2006b, S. 39 ff.

  8. 8.

    Dass Verhaltenserwartungen durch das Attribut der kontrafaktischen Dauergeltung zeitlich generalisiert sind und dieser Prozess als Normierung bezeichnet wird, wird in Abschn. 3.3.2. genauer erörtert.

  9. 9.

    Dass es sich hierbei um keinen tatsächlichen, sondern einen unterstellten Konsens handelt, der jedoch die Geltung der Norm in gleicher Weise beanspruchen kann, findet in Abschn. 3.3.2 eine nähere Erörterung.

  10. 10.

    An dieser Stelle ist die hier kurz zuvor erörterte Charakteristik von Entscheidungen vor Augen zu halten, die darin liegt, dass Entscheidungen ihre Identität in der Wahl von mehreren Alternativen haben, die sich in der gewählten Alternative dokumentiert. Für eine detaillierte Betrachtung des Entscheidungsbegriffs vgl. Luhmann 2005d, S. 391 ff.

  11. 11.

    Hier ist darauf hinzuweisen, dass bei weitem nicht alle bestandsnotwendigen Erwartungen in der Organisation formalisiert werden können. Funktionsnotwendige Handlungen können bestenfalls über ein grobes Netz an formalisierten Erwartungen strukturiert werden. Ein solches Netz ist im Hinblick auf Umweltanforderungen jedoch weder passend noch ausreichend. (vgl. Luhmann 1964, S. 260).

  12. 12.

    Neben einer formalisierten Sanktionsordnung halten sich Organisationen auch die Option offen, Abweichungen informell zu sanktionieren, wie z. B. über kollegiale oder personalpolitische Sanktionierungen. Informelle Sanktionstypen stellen dabei eine Notwendigkeit für die Organisation dar, weil sie das begrenzte Repertoire formaler Sanktionierungsmaßnahmen ergänzen. (vgl. Luhmann 1964, S. 262 ff.).

  13. 13.

    In diesem Sinne sind Organisationen darauf ausgerichtet, zweckrational zu entscheiden. (vgl. Luhmann 1968, S. 156).

  14. 14.

    Vorerst ist es hinreichend darauf hinzuweisen, dass die jeweilige Mitgliedschaft an eine vorgegebene Stelle gebunden ist, durch die ein Mitglied in der Organisation eine Funktion erhält. (vgl. Luhmann 2006b, S. 225).

  15. 15.

    Nach Luhmann sind Organisationskulturen für die Sozialordnung eines Organisationssystems funktional, da sie, ohne per Entscheidung über Prämissen zu entscheiden, zukünftigen, noch nicht feststehenden Präferenzen Rechnung tragen. Insofern gibt die Organisationskultur der unmittelbaren Gegenwart in der Organisation einen Orientierungsvorrang vor der noch nicht feststehenden Zukunft. (vgl. Luhmann 2006b, S. 249).

  16. 16.

    Dieses Verständnis schließt nicht aus, dass die informale Ordnung der formalen Ordnung zu widerlaufen kann. Informale Erwartungsstrukturen können Mitglieder ebenso zum Zurückhalten von Leistungen motivieren wie zum Erbringen von Leistungen. Die Richtung des Entscheidungsverhaltens der Mitglieder hängt davon ab, welche informelle Erwartungsstrukturen sich im Verhältnis zur Formalstruktur ausgebildet haben. (vgl. Luhmann 2006b, S. 22) Auch daran wird ersichtlich, dass die informale Ordnung im System immer als Folge der Formalordnung zu betrachten ist.

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Culjak, A. (2015). Theoretische Grundlage. In: Organisation und Devianz. Organisationsstudien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06155-5_3

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