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Die uniforme Organisation: Auszehrung der Mitarbeiter als Folge von Konformitätsdruck in Teams

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Die auszehrende Organisation

Zusammenfassung

Teams sollen vieles erreichen: Kosten senken, innovatives Denken fördern oder die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitern steigern. Doch Teams können von der „Wunderwaffe“ auch zum Krankheitsmacher werden, indem sie individuelle Kreativität ersticken oder überfordernde Leistungserwartungen aufbauen. Einengende Meinungs- und Leistungslenkung sind die Folge eines ungesunden Konformitätsstrebens. Aus dem „Wir wollen an einem Strang ziehen“ wird ein „Wir müssen an einem Strang ziehen“. Der Beitrag schildert zunächst das aus der Erfolgsfaktorenforschung stammende Input-Process-Output-Modell; dieses dient als Erklärungsgerüst. Im Hauptteil wird dann der Begriff Konformitätsdruck analysiert. Konformitätsdruck kann einerseits in Form von Meinungszwang, andererseits in Form von Leistungszwang ausgeübt werden. Ein realistischer Blick auf Teamarbeit erscheint dringend erforderlich, denn ein ausgebrannter Mitarbeiter ist sicher schlimm, ein ausgebranntes Team hingegen noch viel schlimmer.

Fortschritt findet man meist dort, wo Menschen in einer bestimmten Situation beschließen, den Gehorsam zu verweigern.

(Halldór Laxness)

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Notes

  1. 1.

    Gänzlich fehlende Konformität in Teams ist sogar schädlich. Ohne Gruppenkohäsion (Zusammenhalt, Wir-Gefühl) etwa kommt es zu Einzelkämpfertum auf Kosten der Gruppenleistung. Zeigen einzelne Teammitglieder nonkonformes Verhalten, indem sie z. B. für alle geltende Regeln geflissentlich ignorieren oder dauerhaft deutlich weniger leisten als andere, und bleibt dies ohne Konsequenzen seitens der Teamführung, so kann auch dies zu erheblichen Frustrationen und aufgestauten Aggressionen bei den übrigen Teammitgliedern führen (vgl. von der Oelsnitz und Busch 2012, S. 145).

  2. 2.

    Hier gibt es Parallelen zur Theorie der öffentlichen Meinung. Nach der deutschen Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann (1916–2010) hängt die Bereitschaft vieler Menschen, ihre Meinung bei emotional aufgeladenen Themen offen auszusprechen, von der subjektiv wahrgenommenen Mehrheitsmeinung ab. Es kann etwa der Fall eintreten, dass eine durch die Massenmedien vertretene Meinung, die eigentlich eine Minderheitsmeinung darstellt, als Mehrheitsmeinung erscheint. Dies führt dazu, dass die eigentliche Mehrheit in der Bevölkerung zu einer Minderheit wird. Die veröffentlichte Meinung verdrängt also die öffentliche Meinung. Eine Schweigespirale wird in Gang gesetzt, vgl. Sander 2008. Ähnliches kann auch in Gruppen auftreten. Ein Gruppenmitglied hält sich mit seiner Meinung zurück, in der irrigen Annahme, nur eine Einzelmeinung zu vertreten, obwohl eigentlich die (schweigende) Mehrheit der Gruppe auf seiner Seite ist.

  3. 3.

    Yukl nennt elf proaktive Einflusstaktiken: durch stichhaltige Argumente überzeugen; den persönlichen Nutzen bei der Zielperson herausstellen; an emotionale Werte und Ideale appellieren; der Zielperson bei persönlichen Anliegen beratend zur Seite stehen; Hilfe und Ressourcen zur Verfügung stellen; Einschmeicheln; auf die freundschaftlichen Verbindungen zwischen beiden Seiten verweisen; ein Tauschgeschäft anbieten; Koalitionen schmieden; an die Legitimität erinnern (z. B. auf organisationale Regeln, Verfahren, Verträge oder Präzendenzfälle verweisen); Druck ausüben (z. B. durch Drohungen, häufige Kontrollen oder hartnäckiges Bestehen auf einem Punkt) (vgl. Yukl 2013, S. 205).

  4. 4.

    Mobbing bezeichnet einen rechtlich bislang nicht klar umrissenen Begriff für diverse gezielt gegen eine Person gerichtete böswillige Handlungen von einer Person oder mehreren Personen am Arbeitsplatz. Der Pionier auf diesem Gebiet, Heinz Leymann (1932–1999) sprach dann von Mobbing, wenn Mitarbeiter einer von 45 konkret beschriebenen Handlungen in feindlicher Absicht mindestens einmal wöchentlich über mindestens sechs Monate ausgesetzt sind. Mobbingrelevante Handlungen ordnete er in fünf Cluster: Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen; Angriffe auf die sozialen Beziehungen; Angriffe auf das soziale Ansehen; Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation (z. B. Zuweisung sinnloser oder erniedrigender Aufgaben); Angriffe auf die Gesundheit (z. B. Denkzettel verpassen, sexuelle Belästigung), (vgl. Leymann 2009).

  5. 5.

    „Nicht alle Menschen werden zu Unmenschen, wenn sie in Not geraten. Selbst unter den mörderischen Bedingungen des Nationalsozialismus gab es Menschen, die ihre Autonomie bewahrten, die dem gesellschaftlichen Druck widerstanden und an ihren eigenen Gefühlen und ihrem Moralempfinden festhielten. Diese Tatsache führt für Arno Gruen zu der alles entscheidenden Frage, die weit über psychologische Erklärungsversuche hinausgeht: Was zeichnet solche Menschen aus? Was unterscheidet sie von all den anderen, die sich gehorsam unterwerfen und die Menschlichkeit verraten? „Hier finden wir die Antwort auf die große Frage: Was ist der Mensch?“, so Arno Gruen. Der „heilige Rest“ steht dafür ein, dass auch etwas anderes möglich ist als das, was das Schreckbild des „Homo homini lupus“ glauben macht. „Dabei ist es nicht wichtig, wie viele Menschen dieses Verhalten wählen. Und wäre es nur einer, belegte diese Ausnahme die Lüge““ (Schiffer 2008, S. 109 f.).

  6. 6.

    In dem 1979 erschienenen Film „I wie Ikarus“ des französischen Regisseurs Henri Verneuil findet sich eine längere und sehenswerte Szene, die dem Milgram-Experiment nachempfunden ist.

  7. 7.

    Nur am Rande bemerkt: Dieser Umstand wird bei den aktuellen Diskussionen über elektronische Kampfführung (z. B. den Einsatz bewaffneter Drohnen) viel zu sehr vernachlässigt. „Sauber“ ist diese Kampfführung nur insofern, als sie die moralischen Skrupel bei den Tätern ausschaltet. Aus dem Nahkampf ist ein Videospiel geworden.

  8. 8.

    Bei der Aufgabenbewältigung hat sich ein Team etwa zu fragen, ob es regelmäßig seine Ziele überprüft (und an geänderte Umstände anpasst), ob die Zusammenarbeit gut funktioniert (z. B. im Hinblick auf die Informationsweitergabe oder das Entscheidungsverhalten) und ob die eingesetzten Verfahren und Arbeitsweisen die richtigen sind. Auf zwischenmenschlicher Ebene ist zu klären, ob sich Teammitglieder selbst unter hoher Belastung wechselseitig Hilfestellung geben, ob auftretende Konflikte offen angesprochen, konstruktiv gelöst und nicht nachgetragen werden, ob Teammitglieder einander neue Fähigkeiten beibringen und ob allgemein eine freundschaftliche und vertrauensvolle Atmosphäre den Arbeitsalltag bestimmt (vgl. West 2012, S. 10 f.).

  9. 9.

    In seinem Buch „Die einsame Masse“ – einer der ersten soziologischen Bestseller weltweit – ging der amerikanische Forscher David Riesman (1909–2002) davon aus, dass in modernen, westlich geprägten Industriegesellschaften der außengeleitete Mensch dominiert (vgl. Riesman 1977, S. 35 ff.). In seinem starken Streben nach äußerer Anerkennung verhält er sich überkonform gegenüber Erwartungen aus seiner Umwelt (z. B. übertriebene Markenorientierung bei Jugendlichen). Wie eine „Radar-Anlage“ (S. 41) empfängt er Signale aus der Umwelt, die ihn zu häufigen Programmwechseln seines Verhaltens veranlassen. Dem gegenüber steht der innengeleitete Mensch, dessen „seelischer Kreiselkompass“ (vgl. S. 32 f.) durch die elterliche Prägung in Gang gesetzt wird. Seine Eltern haben ihm Prinzipien und Lebensziele vermittelt, die eine ausgeprägtere Ich-Stärke und charakterliche Autonomie bewirken. Dies lässt ihn resistenter gegenüber Konformitätsdruck von außen werden (vgl. ausführlicher zu den Bedingungen von Selbstwertgefühl, Branden 2010). Dieser Typ sei charakteristisch für das Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert gewesen. Und schließlich gibt es noch den traditionsgeleiteten Menschen, der sich vor allem an gesellschaftlich überlieferten Werten und Ordnungsvorstellungen orientiert. Dieser Typ sei vor allem im Mittelalter, d. h. in feudalen Ständegesellschaften vorherrschend gewesen. Der konformitätserzeugende Hauptantrieb des traditionsgeleiteten Menschen ist die Furcht vor Schande, des innengeleiteten Menschen das Schuldgefühl und des außengeleiteten Menschen eine diffuse Angst (vgl. S. 40 f.). Folgt man Riesmans These, so spricht dies für eine generelle Abnahme nonkonformen Verhaltens in modernen Gesellschaften und damit auch in betrieblichen Arbeitsgruppen. Trotz berechtigter methodischer Einwände gegen die realitätsverkürzende Bildung von Idealtypen hat Riesman sicherlich zeitüberdauernde und nachdenkenswerte Gedanken zum Thema Konformität formuliert.

  10. 10.

    Brainstorming fördert das zwanglose Vorbringen von Ideen in einer Gruppe. Bei der Nominalgruppentechnik entwickelt vorab jedes Teammitglied in Einzelarbeit eine Lösung. Die Lösungen werden dann in der Gruppe vorgestellt und diskutiert. Varianten sind denkbar (z. B. anonymisierte Lösungsvorschläge und anonymisierte Bildung von Ranglisten der einzelnen Lösungsvorschläge; Bildung von Zweier- oder Dreiergruppen, die nacheinander ihre Ergebnisse präsentieren). Zu weiteren Techniken bzw. Beeinflussungsmöglichkeiten der einzelnen Phasen einer Diskussion, dargestellt am Beispiel eines Konferenzablaufs (vgl. Pullig 2000, S. 195 f.).

  11. 11.

    Nemeth et al. weisen allerdings zurecht darauf hin, dass es einen psychologischen Unterschied macht, ob jemand aus Überzeugung („mit Herzblut“) gegen etwas argumentiert (authentic dissent) oder ob er dies nur tut, weil er diese Rolle zu spielen hat. Da Widerspruch auch Antipathie und Widerspruch auslösen kann, sollte zudem die Rolle des Advocatus Diaboli im Team rotieren (Nemeth et al. 2001, S. 708 f.).

  12. 12.

    Hierzu gehört auch die Frage, ob sog. Whistleblower – Mitarbeiter, die eklatante Missstände in ihrem Unternehmen öffentlich machen – als illoyale Nestbeschmutzer oder mutige Helden, verabscheuungswürdige Denunzianten oder Menschen mit vorbildlicher Zivilcourage zu betrachten sind. In der Regel fällt die Antwort auf diese Frage in der Geschichte und der Gegenwart meist eindeutig aus – und zwar kulturübergreifend wie der aktuelle Fall Edward Snowden zeigt.

  13. 13.

    Einfluss nimmt hierbei die kollektivistische bzw. individualistische Prägung einer Gesellschaft (vgl. Bond und Smith 1996).

  14. 14.

    Unverkennbar sind hier die Parallelen zum Riesman’schen außen- und innengeleiteten Menschentyp (s. o.).

  15. 15.

    Zu einem führungsbezogenen Überblick über das auf den amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923–1994) zurückgehende Konzept der Salutogenese, das nicht nach den krankmachenden, sondern nach den gesundheitsfördernden Faktoren einer Arbeitssituation fragt (vgl. Weibler 2012, S. 513 ff.).

  16. 16.

    Zu einem umfassenden Überblick über Themenfelder und Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (vgl. Ulich und Wülser 2010; Bamberg et al. 2011).

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Über den Autor

Busch, Dr. Michael W., war Akademischer Rat und Habilitand am Lehrstuhl für Organisation und Führung, Institut für Unternehmensführung der Technischen Universität Braunschweig. Zuvor studierte er Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz und promovierte danach an der Technischen Universität Ilmenau. Daneben nahm er Lehraufträge an der Wissenschaftlichen Hochschule Lahr und der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Braunschweig wahr. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Team- und Exzellenzforschung, der Personalführung sowie der Organisationstheorie. Zuletzt erschienen ist „TEAM: Toll ein anderer macht’s“ (2012).

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Busch, M. (2014). Die uniforme Organisation: Auszehrung der Mitarbeiter als Folge von Konformitätsdruck in Teams. In: von der Oelsnitz, D., Schirmer, F., Wüstner, K. (eds) Die auszehrende Organisation. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05307-9_7

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