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Theoretische Grundlagen und relevante Forschungsergebnisse zum Thema häusliche Unterstützungsarrangements bei Demenz

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Zwischen Fremdfürsorge und Selbstfürsorge

Part of the book series: Soziale Arbeit als Wohlfahrtsproduktion ((SOAW,volume 3))

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Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden mögliche Einflussfaktoren auf die Gestaltung von Unterstützungsarrangements in der häuslichen Umgebung von Menschen mit Demenz markiert. In einem ersten Schritt werden die beiden theoretischen Konzepte der „sozialen Netzwerke“ und der „sozialen Unterstützung“ betrachtet. Auf diesem Fundament werden Stressbewältigungsstrategien und Copingformen in Bezug auf den Umgang mit Demenz diskutiert. Anschließend wird die Familie als Ort primärer Fürsorge systematisch vorgestellt. Es wird anhand empirischer Analysen deutlich herausgearbeitet, wie bedeutsam familiale Unterstützungsformen einerseits sind, aber auch welchen prekären Situationen die beteiligten Akteure andererseits ausgesetzt sind.

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Notes

  1. 1.

    Unter einem egozentrierten Netzwerk wird das um eine Person (ego) verankerte soziale Netzwerk (alteri) verstanden. In der Behindertenhilfe werden egozentrierte Netzwerke auch dazu genutzt, die Integration bzw. Desintegration von Menschen mit Behinderung zu beschreiben. So vertritt Kirschniok (2011) die These, dass die „wohlfahrtsstaatliche Behindertenhilfe in Deutschland zu Netzwerkbeschränkungen im egozentrierten Netzwerk eines Menschen mit Behinderung beiträgt“ (S. 45).

  2. 2.

    Die Einteilung der NetzwerkpartnerInnen erfolgt in der Literatur sehr heterogen. So zitiert Kirschniok (2011, S. 51) eine Studie, in der Familie, FreundInnen und NachbarInnen im Bereich der primären Bezüge gezählt wurden. Davon abgegrenzt werden öffentlich organisierte Netzwerke der sekundären Netzwerkebene zugewiesen. Selbst die Zuordnung zu der Gruppe der FreundInnen, NachbarInnen und/oder Bekannten ist nicht immer eindeutig. Zum einen mag dies dem Umstand geschuldet sein, dass eine Person Mitglied in mehr als einer Gruppe sein kann. Zum anderen werden die Begrifflichkeiten in der Literatur nicht immer eindeutig verwendet. Einen Vorschlag machen Reichert et al. (2003), indem sie Freundschaft durch eine „emotionale Verbundenheit“ (21) und die Gruppe der FreundInnen in Bezug auf das Alter und die Lebensstile als homogene Gruppe charakterisieren, während nachbarschaftliche Beziehungen häufig eine emotionale Distanz aufweisen, sich aber andererseits durch eine räumliche Nähe beschreiben lassen. Bekanntschaften sind demgegenüber „die am wenigsten verbindliche Form informeller außerfamiliärer Beziehungen“ (ebd., S. 22). Für die AutorInnen zeigen die Schwierigkeiten in der Einteilung in Supportgruppen, dass „die Lebenssituation älterer Menschen komplexer und divergenter ist, als das (sic!) Theorien und Begrifflichkeiten sie vollständig repräsentieren könnten“ (ebd.). In dieser Untersuchung kommt erschwerend hinzu, dass die Interviewee die Begrifflichkeit FreundIn und Bekannte/Bekannter oftmals synonym benutzen.

  3. 3.

    In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe social support und soziale Unterstützung synonym verwendet.

  4. 4.

    Vgl. dazu die Ausführungen zu sozialer Unterstützung und Coping in diesem Kapitel oder bei Nestmann (1988, S. 43). Das Verhältnis von Copingstrategien und sozialer Unterstützung wird in der Literatur unterschiedlich diskutiert. Nach Shumaker und Brownell (1984, S. 25) können beide als verbundene Phänomene betrachtet werden, stellen allerdings keine synonymen Konstrukte dar. So kann nach Meinung der Autorinnen soziale Unterstützung unabhängig von Stressbewältigungsstrategien, beispielsweise Entspannungstechniken, existieren und Bewältigungsressourcen (Geld, Kompetenzen etc.) und Copingstrategien können ohne social support, also individuell gegeben sein (vgl. ebd.). Der Zusammenhang beider Phänomene wird beispielsweise dann deutlich, wenn soziale Unterstützung als „coping resource“ (ebd.) interpretiert und damit unterstellt wird, dass in günstigen Fällen auf Ressourcen und Kompetenzen der UnterstützerInnen zurückgegriffen werden kann (vgl. Nestmann 1988, S. 43).

  5. 5.

    Die Inanspruchnahme von unterschiedlichen Hilfeformen hat allerdings auch etwas mit der Morphologie von sozialen Netzwerken zu tun. So geben bereits Röhrle und Stark (1985, S. 31 f.) einen guten Überblick über Studien, die einen Zusammenhang in der Morphologie von Netzwerken und bestimmten PatientInnenkarrieren vermuten lassen. Nach diesen Ergebnissen sind Netzwerke von schizophrenen PatientInnen meist deutlich kleiner und bestehen vornehmlich aus wenigen Angehörigen und Professionellen. Die AutorInnen ziehen daraus den Schluss, dass Netzwerke „eine nicht unwesentliche psychologische Bedeutung bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen haben können“ (ebd., S. 31).

  6. 6.

    Also die Zugehörigkeit zur Gruppe der Angehörigen, NachbarInnen, ArbeitskollegInnen, FreundInnen und/oder Professionellen.

  7. 7.

    Der häufig mit dieser Forderung einhergehende Appell einer stärken Verbindung von alltäglichen, natürlichen Netzwerken mit professionell organisierten und institutionalisierten Hilfen („linkage“) ist nicht neu und wurde bereits in den 1980er Jahren diskutiert (vgl. exemplarisch von Kardorff und Stark 1987, S. 219 ff.).

  8. 8.

    Die stärkere Nutzung des Begriffs bürgerschaftliches Engagement im Vergleich zu dem des Ehrenamts kann als „Wandel in der Sicht des Ehrenamtes“ (Mildenberger 2012, S. 168) betrachtet werden. Damit verbunden sind veränderte Erwartungshaltungen der gesellschaftlichen und politischen Akteure (vgl. Olk und Hartnuß 2011, S. 147). Betrachtet man die wissenschaftliche Verwendung der Begriffe, so muss konstatiert werden, dass „ganz offensichtlich keinerlei Unterschiede zwischen bürgerschaftlichem Engagement und freiwilligem Engagement gemacht werden“ (ebd., S. 149). Für eine nähere Auseinandersetzung sei an dieser Stelle auf das „Handbuch bürgerschaftliches Engagement“ von Thomas Olk und Birger Hartnuß (2011) verwiesen.

  9. 9.

    Daher mag es nicht verwundern, dass in diesem Kapitel häufig auf Literatur aus den 1980er Jahren zurückgegriffen wird. Als mögliche Ursachen für diese Beobachtung führt Nestmann (2005) an, dass im Gegensatz zur professionellen Unterstützung informelle Hilfe meist in „andere alltägliche Interaktionen“ (S. 350) verwoben sei, so dass sie von der Wissenschaft übersehen werde. Unterstützung gehört eben zur „‚Normalität‘ einer menschlichen Sozialität und Gemeinschaft“ (ebd.). Zudem, so führt der Autor aus, gibt es bei alltäglichen Hilfeleistungen durch die Familie, Verwandte, NachbarInnen häufig keine klare Rollenzuschreibung und reziproke, teilweise sehr komplexe Unterstützungsbeziehungen, die von wechselnden Funktionen gekennzeichnet sind (vgl. ebd.).

  10. 10.

    Häufig bezieht sich die Literatur zur sozialen Unterstützung bei FreundInnen explizit oder implizit auf Frauenfreundschaften, da sie deutlich häufiger Unterstützung leisten. Ein Autor, der gezielt die geleistete soziale Unterstützung in Männerfreundschaften untersucht hat, ist Steve Stiehler (2005, S. 385 ff.).

  11. 11.

    Hier kann die Hauptbezugsperson UnterstützungsgeberIn und der hilfebedürftige Mensch UnterstützungsempfängerIn sein. Auch die Konstellation, dass die Hauptbezugsperson UnterstützungsempfängerIn ist und andere Familienmitglieder (beispielsweise der Ehemann) Unterstützungsgeber ist denkbar. Ausschlaggebender Hinweis ist hier, dass in engen familialen Konstellationen das Geben von Unterstützung häufig als selbstverständlich betrachtet wird.

  12. 12.

    Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass im Fachlexikon der Sozialen Arbeit kein Artikel zu sozialen Netzwerken vorhanden ist, sondern an entsprechender Stelle auf den Artikel zum sozialen Kapital verwiesen wird. Eine generelle Umdeutung von sozialen Netzwerken als soziales Kapital scheint, den oben genannten AutorInnen folgend, jedoch nicht unproblematisch.

  13. 13.

    So stellt Günther (2005) die steigende Bedeutung der nachbarschaftlichen Hilfen heraus, die als nahraumbezogene Unterstützungsleistung unter bestimmten Bedingungen dazu beitragen, dass ältere Menschen mit steigendem Unterstützungsbedarf länger in der häuslichen Umgebung verbleiben könnten. Außerdem hängt nach Meinung der Autorin die Wirksamkeit professioneller Unterstützung maßgeblich davon ab, ob im Wohnumfeld zusätzliche informelle Hilfen abgerufen werden können. Allerdings verweist Günther (2005, S. 436 f.) zu Recht darauf, dass, aufgrund der unausgeglichen Reziprozität informeller Hilfen unter der gender-Perspektive die Forderung nach einem Ausbau nachbarschaftlicher Hilfen eine Mehrbelastung der Frauen bedeuten würde. Der Umstand, dass nachbarschaftliche Hilfen Hilfeleistungen sind, die auf dem Reziprozitätsprinzip beruhen, also nicht umsonst zu haben sind, veranlasst die Autorin (2005) zu der Konklusion, dass diese Hilfeform „kein Allheilmittel ohne Risiken und Nebenwirkungen“ (S. 439) darstellt.

  14. 14.

    Aymanns (1995, S. 26 ff.) unterscheidet dabei vier Wirkformen sozialer Unterstützung auf den Bewältigungsprozess: Den Einfluss von sozialer Unterstützung auf Kontroll- und Kompetenzerwartungen, auf ereignisbezogene Kognitionen, auf ereignisbezogene Emotionen und auf die Ausdauer in den Bewältigungsanstrengungen.

  15. 15.

    In diesem Kontext versteht Böhnisch (2010) die Sozialpädagogik/Sozialarbeit in Anlehnung an Siegfried Bernfeld als „gesellschaftliche Reaktion auf die Bewältigungstatsache“ (S. 219).

  16. 16.

    Für eine Vertiefung positiver Wirkungen von Stress vgl. Zimbardo et al. (2008, S. 485 ff.).

  17. 17.

    Vgl. zum Phänomen der kognitiven Bewertung Lazarus und Folkman (1984, S. 31 ff.).

  18. 18.

    Einen etwas ausführlicheren Überblick geben beispielsweise Philipp-Metzen (2008, S. 69 ff.) und Peuckert (2008, S. 167 ff.).

  19. 19.

    Der Begriff bezeichnet Familienformen, die durch eine künstliche Befruchtung einer Ei- oder Samenspende entstanden sind. Dadurch ergeben sich beispielsweise neue Themen wie die „doppelte Vaterschaft“, da es hier sowohl einen biologischen als auch einen sozialen Vater gibt.

  20. 20.

    Einen guten Überblick über aktuelle Familienformen liefert Peuckert (2008).

  21. 21.

    Runde et al. (2003, S. 17) begründen die fehlenden Steuerungseffekte der Pflegeversicherung in diesem Punkt u. a. damit, dass das zeitliche Kontingent der Pflegesachleistungen so gering ausfällt, dass der Großteil der Angehörigen, „die sich solidarisch zeigen würden, aber erwerbstätig sind und mehr zeitliche Entlastung benötigen, für die Pflege verloren“ (S. 17) bleiben. Dies hat zur Folge, dass die häusliche Pflege eigentlich auf Arbeitslose oder geringfügig Beschäftigte angewiesen ist (vgl. ebd.).

  22. 22.

    Philipp-Metzen (2008) führt als einen in der öffentlichen Diskussion häufig vernachlässigten wichtigen Grund für die vermehrten Singlehaushalte an, dass die Großelterngeneration in der Regel nicht mehr in den Haushalt der Kinder zieht, „wofür als Gründe u. a. bessere technische, finanzielle und gesundheitliche Ressourcen genannt werden“ (S. 100). Auch scheint die Bedeutung einer „Intimität auf Abstand“ insgesamt zuzunehmen.

  23. 23.

    Diese Ergebnisse stärken die in dieser Untersuchung vertretene Auffassung der enormen Bedeutung der Reziprozität von Unterstützungsleistungen über die Lebensspanne (vgl. 3.1.4.1).

  24. 24.

    Philipp-Metzen (2008) spricht in diesem Zusammenhang von „multilokalen Mehrgenerationsfamilien“ (S. 98), denn entscheidende Merkmale familialer Beziehungen treffen auch auf diese Form zu, beispielsweise die lebenslange, nicht aufkündbare Verbundenheit (vgl. ebd.).

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Frewer-Graumann, S. (2014). Theoretische Grundlagen und relevante Forschungsergebnisse zum Thema häusliche Unterstützungsarrangements bei Demenz. In: Zwischen Fremdfürsorge und Selbstfürsorge. Soziale Arbeit als Wohlfahrtsproduktion, vol 3. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05273-7_3

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-05272-0

  • Online ISBN: 978-3-658-05273-7

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