Zusammenfassung
In diesem Beitrag stelle ich Denk- und Arbeitswerkzeuge für Gründer vor, die ihnen helfen, aus einer Idee ein tragfähiges Geschäft zu entwickeln.
Die heutige Betriebswirtschaftslehre (BWL) oder Business Administration sieht die Welt recht eng. Sie hat Werkzeuge entwickelt, um bestehende Organisationen zu beschreiben, Prozesse zu optimieren, bestehende Märke zu analysieren, bestehende Kundenbedürfnisse zu analysieren und um Branchen und deren Wettbewerbsintensität zu erklären, um daraus abzuleiten, welche optimale Strategie umgesetzt werden soll. Diese heutigen Werkzeuge sind auf Bestehendes und deren Optimierung ausgerichtet.
Im Technologie- & Innovationsmanagement wird erforscht, wie aus technologischen Innovationen durch F&E neue Produkte entwickelt werden können, die durch Patente geschützt werden. Die dafür entwickelten Werkzeuge sind gut für bereits bestehende Produktionsunternehmen geeignet.
Trotz all der Forschungsarbeit und der daraus gewonnenen Erkenntnisse helfen die klassischen Denkwerkzeuge nicht zu erklären, wie ganz neue Geschäftsmodelle im Internet entstehen oder entstanden sind. So ist iTunes von Apple keine technologische Innovation, sondern eine Neukonfiguration von bestehenden Technologien und Komponenten zu einem neuen Geschäft. Ist iTunes nun ein Produkt mit patentierbarer Technologie oder ein Servicegeschäft? Kunden interessiert das nicht. Sie haben mit Begeisterung die Lösung angenommen, die ihnen erlaubt, legal Musik online zu kaufen und zu verwalten.
Welcher Branche gehört Google an? Ist es ein Medienhaus, weil es von Anzeigen lebt? Ist es ein Telefongerätehersteller, weil es das meist gekaufte Betriebssystem von Handys verschenkt? Ist es eine Entwicklungshilfegesellschaft, da es der Welt das Wissen der Welt auffindbar und damit nutzbar macht? Oder gar ein Dieb, da es von den Inhalten anderer lebt?
So wie wir diese Geschäfte mit den heutigen Werkzeugen kaum verstehen können, so helfen die klassischen Werkzeuge der BWL wenig, aus einer Idee ein tragfähiges und langfristiges Geschäft zu entwickeln. Aber genau das ist die Hauptaufgabe von Unternehmern. Unternehmer sind keine Manager. Sie müssen in diesem Sinne nichts optimieren, sie müssen aus einer Idee ein Unternehmen aufbauen.
Gründer brauchen zwei neue Werkzeuge: Einerseits brauchen sie neue Denkboxen, aus welchen Elementen und Bausteinen ein Geschäft besteht und wo sie überall innovieren können, andererseits benötigen sie einen Prozess, um die Denkboxen mit Inhalt zu füllen.
Die für Gründer notwendige Denkbox ist das jeweilige Geschäftsmodell mit all seinen Komponenten; den Gestaltungsprozess dazu nenne ich Geschäftsmodelldesign. Beide beschreibe ich in diesem Beitrag.
Schlüsselwörter
- Geschäftsmodelldesign
- Geschäftsdesign
- Geschäftsmodell als Analyseeinheit
- Value Proposition
- Geschäftsstruktur
- Ertragsmodell
- Unternehmensgeist
- Analyseeinheiten für Strategie
- Customer Insights
- Jobs-to-be-done
- Grenzen der Betriebswirtschaftslehre
- Discovery driven planning
- design thinking
- Aravind Eye Hospital
- Business Plan
- Grenzen der BWL
- Agile Prozesse
Dieser Beitrag ist bewusst als Streitschrift formuliert und nicht als wissenschaftliche Aufarbeitung aller wissenschaftlichen Artikel zum Thema. Ziel ist, eine Diskussion anzustoßen, damit wir Gründern bessere Werkzeuge an die Hand geben können. Wir brauchen nicht theoretisch „perfekte“ Werkzeuge, sondern Werkzeuge, die sich in der Gründungspraxis bewähren und die zu mehr und besseren Gründungen führen. Businesspläne haben das Ziel nicht erreicht (Ripsas et al. 2008). Jetzt kann man argumentieren, dass wir in der Ausbildung versagt haben und einfach nur besser unterrichten müssen, wie Gründer Businesspläne schreiben, oder man kann die Hypothese aufstellen, dass Businesspläne und die meisten Werkzeuge der BWL einfach die falschen Werkzeuge sind, da sie mit der Realität von Gründern wenig gemeinsam haben und zu stark von der Idee der Planbarkeit der Umwelt und von einem Machbarkeitsverständnis geprägt sind. In diesem Beitrag argumentiere ich, dass wir neue Werkzeuge brauchen. Ich möchte eine Diskussion anstoßen, welche Werkzeuge wir genau brauchen und wie wir diese anschließend auch vermitteln können.
Die Grundideen zu diesem Beitrag stammen aus meiner Dissertation „Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie“, die ich 2001 an der Universität St. Gallen geschrieben habe. Während meiner wissenschaftlichen Arbeit wurde mir klar, dass die traditionellen Analyseeinheiten in der Strategie nicht die Veränderungen erklären, die durch das Internet ausgelöst werden. Aus dieser Erkenntnis ist das Denken in Geschäftsmodellen entstanden, das u. a. Osterwalder und Pigneur (2010) aufgenommen und popularisiert hat. Im Text verwende ich Teile meiner Dissertation (Stähler 2001) und eines aktuellen Artikels „Geschäftsmodellinnovation oder sein Geschäft radikal neudenken“ (Stähler 2014). Im Herbst 2015 erschien beim Murmann Verlag, Hamburg, ein Arbeitsbuch unter dem Titel „Das Richtige gründen: Werkzeugkasten für Unternehmer“ mit den hier beschriebenen Werkzeugen. Ich bedanke mich bei der Wolfsburg AG für die freundliche Unterstützung.
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Menschen sind nicht irrational. Irrational scheinen sie nur für andere Menschen zu sein, die nicht den Referenzrahmen verstehen, in dem diese Menschen denken. So ist ein Mensch nicht schizophren, wenn er einerseits in 3-Sterne-Restaurants geht und andererseits zu McDonald´s. Beide „Restaurants“ offerieren Essen, aber sie stehen nicht im Wettbewerb und befriedigen auch kein gemeinsames Bedürfnis. McDonald´s bietet schnelle Verpflegung für den Mittag, während ein Essen bei einem Spitzenkoch eine Belohnung für alle Sinne ist.
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Dieser Beitrag ist zu 30 % auf langen Zugfahrten geschrieben worden.
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Ydstie (2011) spricht von einer Selbstzahlerrate knapp über 50 %.
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Stähler, P. (2018). Geschäftsdesign – von der Idee zum tragfähigen Geschäftsmodell. In: Faltin, G. (eds) Handbuch Entrepreneurship. Springer Reference Wirtschaft . Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04994-2_22
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