Zusammenfassung
Die Frage, welche sozialen Merkmale eines Individuums für seine sozioökonomischen Lebensbedingungen ebenso wie für seine Chancen der Inanspruchnahme von Menschenrechten von entscheidender Bedeutung sind, kann mit guten Gründen damit beantwortet werden, dass Staatsbürgerschaft einen in beiderlei Hinsicht zentralen Faktor darstellt. Denn zum einen sind Menschenrechte nach wie vor überwiegend primär durch die nationalstaatliche Gesetzgebung gewährleistet, also gewöhnlich nur in dem Maß einklagbar, wie dies die nationalstaatliche Gesetzeslage und Rechtsprechung zulässt. Zum anderen ist Staatsangehörigkeit im Kontext einer durch ungleiche wirtschaftliche Entwicklung zwischen den Regionen der Weltgesellschaft und Nationalstaaten sowie eine weitgehend nationalstaatlich konturierten Sozialstaatlichkeit (vgl. Bommes 1999) in hohem Maß ersichtlich folgenreich für die Wahrscheinlichkeit, gravierenden sozioökonomischen Benachteiligungen zu unterliegen. In seiner Auseinandersetzung mit der Frage nach den strukturellen Ursachen sozialer Ungleichheiten argumentiert Reinhard Kreckel (2006, S. 3) deshalb, dass „die materiellen Lebenschancen der Menschen zum weitaus größten Teil, nämlich zu zwei Drittel bis drei Viertel, durch den geografischen Ort auf der Weltlandkarte bestimmt sind“. Folglich seien „Pass und Visum heute zu den wichtigsten Institutionen sozialer Ungleichheit“ (ebd.: S. 4) zu rechnen.
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- 1.
Dies betrifft zum einen die Fragen, ob eine Person Staatsangehöriger oder staatenlos ist sowie welchem Staat sie angehört. Zum anderen wird in der EU und der Bundesrepublik eine Hierarchisierung von Staatsangehörigkeiten vorgenommen, die sowohl für die Einreise- und Aufenthaltsmöglichkeiten, als auch für den Zugang zum Arbeitsmarkt folgenreich ist.
- 2.
Allerdings hat die Europäische Union 2004 mit der sogenannten Qualifikationsrichtlinie die bis dahin geltenden Mindeststandards für den Flüchtlingsschutz verbessert (vgl. dazu Markard 2009).
- 3.
Menschenrechtlich begründete Forderungen, die an die Antidiskriminierungspolitik gerichtet werden, haben regelmäßig dann zu Kontroversen geführt, wenn – so im Fall des Entwurfs für ein Antidiskriminierungsgesetz (BT-Drucksache 15/4538) und im Fall des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes – diesbezügliche Einschränkungen erwartet wurden (vgl. dazu die Hinweise bei Bielefeldt und Follmar-Otto 2005, S. 4 ff.).
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Scherr, A. (2014). Staatsbürgerschaft als Schnittstelle von sozioökonomischer Ungleichheit und menschenrechtlich folgenreicher Diskriminierung. In: Diskriminierung und soziale Ungleichheiten. essentials. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04716-0_5
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