Zusammenfassung
Hunger und Ernährungsarmut scheinen für die bundesdeutsche Wirklichkeit im Jahr 2013 ungewöhnliche Topoi. Wer nach Phänomenen von Hunger in unserer Überflussgesellschaft sucht, wird sofort konfrontiert mit der Frage: Wie viele sind es? „Wie viele sind es?“, so Paugam (Die elementaren Formen der Armut. Hamburg, 2008, S. 8), diese Frage habe er „immer wieder, um nicht zu sagen bei jedem“ seiner Vorträge zu Armut gehört – als „könne man nicht über Armut sprechen, ohne sie quantitativ zu bestimmen“. Begeben wir uns also zunächst in die Welt der Zahlen zum Thema Hunger und Ernährungsarmut in Deutschland. Hunger und Ernährungsarmut sind allerdings – und das ist ein systematisches Problem – keine festen Größen in den Massendatensätzen der für Deutschland relevanten Statistik. Deswegen gelingt hier allenfalls eine Annäherung auf Grundlage von empirischen Indizien.
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Notes
- 1.
In der DDR gab es im Abstand von drei bis fünf Jahren regelmäßig Verzehrserhebungen, zuletzt im Jahr 1989. Obwohl die Daten nicht vergleichbar sind, zeigen sich abgesehen von planwirtschaftlich bedingten Einschränkungen des Konsumverhaltens durchaus Parallelen im Vergleich zur Entwicklung in Westdeutschland: Auch im Osten nahmen Individualisierungstendenzen zu und es findet sich eine verstärkte Orientierung an Gesundheits- und Rationalitätseffekten sowie an Genuss und Qualität (Prahl/Setzwein 1999, S. 86 f.).
- 2.
Zur Aussagekraft von Armutsquoten im Mikrozensus im Vergleich zum SOEP 1996 vgl. kritisch Strengmann-Kuhn (2003, S. 37 ff.).
- 3.
Vgl. http://www.oecd.org.
- 4.
Laut Statistischem Bundesamt liegt die Armutsquote in Deutschland im Jahr 2006 bei 13,9 % (Destatis 2008, S. 169) – hier wird allerdings von anderen Berechnungsgrundlagen ausgegangen (a. a. O., S. 165).
- 5.
Dass Ernährungsarmut in Wohlstandsgesellschaften mit erhöhtem Fleisch- und Zuckerkonsum und mit einer insgesamt ungesünderen Ernährung einhergeht, wissen wir auch aus internationalen Studien (etwa Fine et al. 1998) und aus den Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP). Auch Bourdieu (1987, S. 288 f.) zeigt empirisch: Je kleiner der Geldbeutel, desto nahrhafter, fetthaltiger und schwerer verdaulich sind die Nahrungsmittel. Seine kritische Frage lautet, ob einem letztlich schmecke, wozu man sozial sowieso verdammt sei.
- 6.
Dem einseitigen Bild des Fastfood essenden Armen widersprechen aktuelle Studien aus USA: Die Befragten mit dem geringsten Einkommen frequentierten Fastfoodrestaurants deutlich seltener als besser Verdienende (Gallup 2013).
- 7.
Hünecke et al. (2004, S. 20 f.) auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe der Amtlichen Statistik in Deutschland (EVS); aktuelle Daten aus der EVS-Erhebung von 2008 liegen noch nicht vor.
- 8.
Der Großteil von 29 % bewegt sich zwischen 300 und 499 €. Der hohe Anteil derer, die nicht kalkulieren, dürfte an dieser Verhältnismäßigkeit nichts Grundlegendes ändern.
- 9.
Die Zeit, 5.3.2009. Über deren Ernährung ist wenig bekannt, eine kleine qualitative Studie von 1995 (Kutsch) gibt einen ersten Eindruck.
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Pfeiffer, S. (2014). Hunger und Ernährungsarmut in Deutschland: Eine Annäherung über empirische Indizien. In: Die verdrängte Realität: Ernährungsarmut in Deutschland. essentials. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04665-1_3
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