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Poulantzas und die Apokalypse

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Theorien der Politischen Ökonomie im Film
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Zusammenfassung

Unter dem Eindruck der Globalisierung erleben auch die staatstheoretischen Debatten der 1970er Jahre Renaissance in der Politikwissenschaft. Gleichzeitig spielen „ideologische Grabenkämpfe“ weniger eine Rolle; vielmehr werden die sehr anspruchsvollen theoretischen Schriften dieser Zeit als heuristische Inspirationsquelle betrachtet. Dieser Beitrag widmet sich einem der bedeutendsten (marxistischen) Staatstheoretiker, welcher in dieser Zeit sein zentrales Hauptwerk geschrieben hat: Nicos Poulantzas mit seiner Staatstheorie. Die Erkenntnis von Poulantzas, dass der Staat kein Wesen hat, sondern vielmehr ein gesellschaftliches Verhältnis ist, zieht unterschiedliche Implikationen nach sich. Diesen oftmals sehr abstrakten Aussagen, welche vielfach auf die theoretischen Debatten der (damaligen) Zeit gemünzt sind, soll sich in diesem Kapitel anhand der Interpretation von unterschiedlichen Szenen des Films ‚Apocalypse Now’ genähert werden. Hierbei wird in diesem Beitrag die These vertreten, dass in dem Film unterschiedliche Formen der Staatlichkeit dargestellt und die Paradoxien und Widersprüche der Institutionen in kraftvollen Bildern umgesetzt werden. Anhand dieser Darstellung sollen in diesem Kapitel einige zentrale Aussagen von Poulantzas expliziert und illustriert werden.

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Notes

  1. 1.

    Zu nennen ist hier vor allem die s. g. Staatsableitungsdebatte, welche sich bemühte den Staat aus der Zirkulation der Ware abzuleiten (vgl. hierzu auch den Beitrag „We feed Karl Marx“ in diesem Bd.). Diesen Ansatz hielt Poulantzas für stark verkürzt. Einer der zentralen Vertreter dieser Debatte in Deutschland, Joachim Hirsch, welcher von Poulantzas auch namentlich in der Staatstheorie kritisiert wird (Poulantzas 2002, 78 f.), ist einer der wichtigen Vertreter der neo- poulantzanischen Debatte der letzten Jahre und hat insbesondere die Neuveröffentlichungen zentraler Texte kommentiert und eingeleitet.

  2. 2.

    Die Idee des Verständnisses von Staat als gesellschaftliches Verhältnis hatte Poulantzas bereits 1975 in „Klassen im Kapitalismus heute“ für den Begriff des Kapitals formuliert. Hier versuchten ebenfalls wichtige (marxistische) Theoretiker seiner Zeit, das Kapital als in sich geschlossene Entität zu fassen und hieraus den bürgerlichen Staat abzuleiten, die s. g. Staatsableitungsdebatte in der BRD (Kannankulam 2009).

  3. 3.

    Aktuelle Globalisierungsdebatten würden an dieser Stelle (nach Poulantzas) in die gleiche Falle tappen, indem der Staat – zumeist ausgehend von der hobbesschen Vorstellung – als eigenständiges Subjekt betrachtet wird.

  4. 4.

    Dies exemplarisch genannt, da es das prominente Beispiel für Poulantzas selber in seiner Staatstheorie darstellt, denn es kam in den 1970er Jahren zu einer weitest gehenden Lähmung des portugiesischen Staates. Auf der einen Seite standen die staatlichen Apparate den vielfältigen gesellschaftlichen Experimenten im Land positiv gegenüber, es fand sich jedoch kein praktikabler Weg, die Veränderungen der gesellschaftlichen Praktiken in der nötigen Eile auch in den staatlichen Institutionen zu verwirklichen, weshalb Staat und Gesellschaft sich quasi gegenseitig lähmten, obwohl sie die Möglichkeit (und nach Poulantzas auch den Willen) gehabt hätten, sich zu unterstützen.

  5. 5.

    Gemeint ist hier z. B. die Szene an der Do-Lung Brücke, an welcher Soldaten bereits bei der Anfahrt versuchen vom Boot mitgenommen zu werden, um dem Ort und somit auch ihrem Kommando, welches dort weitestgehend nicht mehr zu existieren scheint, zu entkommen.

  6. 6.

    Das Wort Dispositiv, welches Poulantzas in seinem Buch häufig verwendet, stammt aus der militärischen Sprache. Das französische Wort ‚dispositif‘ „… bezeichnet die (materiellen) Vorkehrungen, die eine strategische Operation durchzuführen erlaubt.“ (Erklärende Fußnote bei Foucault 1977: 29)

  7. 7.

    Etymologen gehen davon aus, dass das Wort Barbaren seine Wurzel im Wort „Bla-Bla“ hat, und somit eine Beschreibung für Menschen darstellt, die keine verständliche Sprache sprechen. Dies ist das Außen dieser zentralistischen Welt. Für Poulantzas sind die Barbaren der Ausdruck des homogenisierten Innen des staatlichen Territoriums, denn „…diese Barbaren sind gerade ein Nicht-Ort.“ (Poulantzas 2002: 132). Die Frage nach der neuen Aufteilung der Welt in Orte und Nicht-Orte wird im nachfolgenden Kapitel zu Hardt und Negris Empire Theorie vertieft.

  8. 8.

    Diese Interpretation folgt einer weit verbreiteten „Lesart“ des Films, bzw. der hier verwendeten Technik, die insbesondere auf den Zusammenhang abhebt, dass nicht nur das Gesicht von Kurtz immer im Halbdunkel bleibt, sondern auch der gesamte Film düsterer wird. In der Dokumentation „Hearts of Darkness“ erklärt jedoch Sophia Coppola, die Ehefrau von Francis Ford Coppola, dass ihr Mann diese Technik auch gewählt habe, da Marlon Brando mit starkem Übergewicht zu den Dreharbeiten erschienen war und Kurtz in der Buchvorlage als schlank beschrieben wird. Daher sind Ganzkörperaufnahmen von Marlon Brando nur in den Zusatzszenen des Director’s Cut zu sehen. Wie weit man hier also mit der Interpretation gehen kann ist fraglich.

  9. 9.

    Mit Bezug auf Poulantzas wird hier zumeist von einem Dollar-Wallstreet-Regime gesprochen, welches es den USA nach dem Ende des Bretton Woods-System ermöglichte, eine neue imperiale Macht zu errichten (Bieling 2006: 228).

  10. 10.

    Zur Kritik dieser Ansätze, bzw. zu Globalisierungstheorien vgl. Joseph 2012.

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Hamenstädt, U. (2014). Poulantzas und die Apokalypse. In: Theorien der Politischen Ökonomie im Film. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03949-3_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-03949-3_6

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-03948-6

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