Zusammenfassung
In subjektwissenschaftlich-kritischer Perspektive auf den derzeitigen Bildungsdiskurs fokussiert Konstanze Wetzel in ihrem Beitrag „Selbst-Bildung zwischen alltäglicher Lebensführung und biografischem Sinn-Entwurf“ auf die oft ausgeblendeten, gleichwohl unausweichlichen Zusammenhänge von Bildung mit Leiblichkeit und Sinnlichkeit. Unter Rekurs u.a. auf Husserls Lebensweltkonzept prüft sie das im Lebenswelt- und Alltagsbegriff eingelagerte kritische Potenzial, mit dem es für die Soziale Arbeit möglich werden kann, Bildung gehaltvoll als biographische – ausdrücklich emanzipative – Sinnbildungsprozesse von Menschen zu begreifen. Dazu betrachtet sie drei miteinander verwobene, differente Spannungsfelder, in denen sich Lern- und Bildungsprozesse realisieren. Neben ihrer mental-sprachlichen, körperlichen und personal-biografischen Situiertheit wird die grundsätzliche gesamtgesellschaftliche Vermitteltheit jeder Biographie im dynamischen Kräftespiel von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betont und Bildung als soziales Konzept ausgewiesen.
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Notes
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Ein anderer theoriegeschichtlicher Zusammenhang ergibt sich aus den Beziehungen zwischen den Konzepten des „Selbst“ und denen der „Bildung“ im Kontext der klassischen deutschen Philosophie (und Pädagogik), wie sie sich zwischen 1770 und 1830 herausgebildet hatten (vgl. dazu Taylor 1996).
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Vgl. zur pädagogischen Relevanz des Konzepts der Leiblichkeit Meyer-Drawe (2001) und Rittelmeyer 2002; zu verweisen ist hier auch auf die Beiträge in Bilstein und Brumlik (2013), auch wenn dort das Konzept des „Körpers“ favorisiert wird, die allerdings in ihrem Verständnis einen hohen Grad an Überschneidungen mit dem der Leiblichkeit im von mir verwendetet Sinne aufweisen.
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Dieses Verhältnis wurde in der Phänomenologie von Anfang an kontrovers diskutiert: Während Merleau-Ponty (z. B. 2003, S. 28 ff.) ganz radikal von einem Primat der Wahrnehmung gegenüber dem Denken ausging, verfocht – in der Tradition von Kant – Cassirer die gegenteilige These von der Wahrnehmung durch den Begriff hindurch (vgl. zu den Diskussionen zwischen Cassirer und Husserl Möckel 1998, § 12); demgegenüber nahm Husserl (1992, §§ 25–3 u. 56) – in direkter Auseinandersetzung mit Kant – eine „mittlere“ Position ein.
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Vgl. hierzu ausführlich Holzkamp-Osterkamp (1976, Kap. 4.3 „Wesen und Entstehungsbedingungen motivierter und erzwungener Lebenstätigkeit des Menschen“ sowie Kap. 5.5. „Reinterpretation der Freudschen Konzeption des ‚Über-Ich‘ und der ‚Identifizierung‘ durch Ausbau des kritisch-psychologischen Konfliktmodells: Kindliche Vergesellschaftung als Verarbeitungs- und Abwehrprozeß“); vgl. zur Bedeutung dieses psychosozialen Konfliktmodells für das sozialpädagogische Handeln – im Anschluss an das Verstehens-Konzept von Dilthey – Braun et.al. (1989, Kap. 2.2).
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Vgl. hierzu Habermas (1988, S. 190 ff., 197 f. u. 205 f.). In Bezug auf den „internen Zusammenhang zwischen Strukturen der Lebenswelt und Strukturen des sprachlichen Weltbildes (…), kommt der Sprache und der kulturellen Überlieferung gegenüber allem, was zum Bestandteil einer Situation werden kann, eine in gewisser Weise transzendentale Stellung zu. Sprache und Kultur decken sich weder mit den formalen Weltbegriffen, mit deren Hilfe die Kommunikationsteilnehmer ihre Situation gemeinsam definieren, noch erscheinen sie als etwas Innerweltliches. Sprache und Kultur sind für die Lebenswelt selbst konstitutiv. Weder bilden sie eine der formalen Welten, denen die Kommunikationsteilnehmer Situationsbestandteile zuordnen, noch begegnen sie als etwas in der objektiven, sozialen oder gar subjektiven Welt. Die Kommunikationsteilnehmer bewegen sich, indem sie eine Sprechhandlung ausführen oder verstehen, so sehr innerhalb ihrer Sprache, daß sie eine aktuelle Äußerung nicht als ‚etwas Intersubjektives‘ in der Weise vor sich bringen können, wie sie ein Ereignis als etwas Objektives erfahren, wie sie einer Verhaltenserwartung als etwas Normativem begegnen oder einen Wunsch, ein Gefühl als etwas Subjektives erleben bzw. zuschreiben. Das Medium der Verständigung verharrt in einer eigentümlichen Halbtranszendenz.“ (Habermas 1988, S. 190).
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Wetzel, K. (2015). Selbst-Bildung zwischen alltäglicher Lebensführung und biografischem Sinn-Entwurf. In: Dörr, M., Füssenhäuser, C., Schulze, H. (eds) Biografie und Lebenswelt. Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, vol 20. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03835-9_5
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