Skip to main content

Annäherungen an das Feld: Das Referendariat zwischen anhaltender Kritik, und Reformbemühungen

  • Chapter
  • First Online:
  • 4366 Accesses

Part of the book series: Rekonstruktive Bildungsforschung ((REKONBILD,volume 1))

Zusammenfassung

Mit den empirischen Untersuchungen der Konstanzer Projektgruppe „Lehrereinstellungen“ um Gisela Müller-Fohrbrodt, Bernhard Cloetta und Hanns-Dietrich Dann (1978) erweckte das Referendariat Mitte der 1970er Jahre breiteres wissenschaftliches Interesse. Im Mittelpunkt stand der Einstellungswandel angehender Lehrerinnen und Lehrer, der unter dem Schlagwort des „Praxisschocks“ als berufssozialisatorische Problematik gedeutet und auf problematische Ausbildungsstrukturen zurückgeführt wurde.

Während aktuellere Untersuchungen zur Wahrnehmung des Referendariats dessen berufssozialisatorische Bedeutung unterstreichen, legen sie eine Fokussierung auf die die Ausbildungsphase kennzeichnende erstmalige handelnde Auseinandersetzung mit der schulischen Praxis in der Lehrerrolle nahe. Auf diese richtet sich das Belastungserleben, das eine Konzeption des Berufseinstiegs als „survival stage“ (Fuller/Brown 1975) plausibilisiert.

Eine Rekonstruktion der spezifischen Krisenhaftigkeit des sich im Referendariat vollziehenden Einstiegs in die berufliche Praxis verspricht Aufklärung nicht nur über die Gründe für das Belastungserleben, sondern gleichzeitig über die Gründe der vielfach Ausdruck findenden Diffusität desselben.

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Die Auswahl dieses Beispiels begründet sich darin, dass es in den vier Fallrekonstruktionen um Referendarinnen und Referendare geht, welche diese Ausbildung in Niedersachsen absolvierten. Die Ausführungen basieren im Wesentlichen auf der „Verordnung über die Ausbildung und die Zweiten Staatsprüfungen für Lehrämter“ des Landes Niedersachsen (im Folgenden: PVO-Lehr II), auf den Durchführungsbestimmungen zur PVO-Lehr II (im Folgenden: Durchführungserlass PVO-Lehr II), auf den Informationen, welche die 18 niedersächsischen Studienseminare auf ihren Homepages zur Verfügung stellen, sowie auf den im Rahmen der pädagogischen Fallarbeit im Austausch mit den Referendarinnen und Referendaren gesammelten Informationen (vgl. Kap. 5.3.2).

  2. 2.

    Pointiert kommt dieser Anspruch, kumulativ an das Studium anzuknüpfen, in einer Darstellung des Studienseminars Lüneburg zum Ausdruck: „An der Universität werden im wesentlichen fachwissenschaftliche Qualifikationen gefordert, im Studienseminar darüber hinaus aber auch die ganz anders gearteten, für den Beruf grundlegenden Fähigkeiten zu Kommunikation und Kooperation, zu erzieherischem Umgang mit Kindern und Jugendlichen, zu Lehre und Unterricht. Das fachwissenschaftliche Interesse des/der Studienreferendars/in muss mit der pädagogischen Aufgabe verbunden werden, d. h. die Auseinandersetzung mit der Sache muss zu einem Mittel der Erziehung werden“ (Studienseminar Lüneburg 2008, S. 1). Daran schließt eine Abgrenzung gegenüber einem tradierten Bild der Praxisausbildung an: „Schwerpunkt der Ausbildung im pädagogischen Seminar ist nicht die Vermittlung und Aneignung von Rezepten aus der Praxis für die Praxis, gewissermaßen eine Meisterlehre für pädagogisch richtiges Verhalten, sondern die kritische Reflexion wichtiger, der Berufstätigkeit zugrunde liegender Prinzipien und Einstellungen“ (ebd., S. 3, Hervorhebung im Original).

  3. 3.

    Innerhalb der PVO-Lehr II wird der Zweck der Ausbildung folgendermaßen definiert: „Durch den Vorbereitungsdienst sollen die Auszubildenden befähigt werden, den Lehrerberuf in mindestens zwei Fächern im jeweiligen Lehramt auszuüben.“ (PVO-Lehr II, § 2, S. 2).

  4. 4.

    Zwar werden im Studium inzwischen drei jeweils mindestens vierwöchige Praktika absolviert. Jedoch kann und soll der tatsächliche Handlungsdruck schulischer Praxis im Praktikum nicht simuliert werden (vgl. Makrinus 2012, S. 206).

  5. 5.

    In den letzten Jahren wurde diese Zeit faktisch um ein halbes Jahr reduziert, indem die formal als Ausnahme vorgesehene Option einer Verkürzung der Ausbildungszeit (PVO-Lehr II, § 5) zum Regelfall wurde. Der Erhebungszeitraum dieser Untersuchung fiel in eine Übergangsphase, so dass die Ausbildungszeiten der Referendarinnen und Referendare, welche im Mittelpunkt der Fallrekonstruktionen stehen, bereits z. T. verkürzt wurden. Im Rahmen der im Juli 2010 die PVO-Lehr II ablösenden „Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst“ (APVO-Lehr) wurde die Ausbildungszeit in Niedersachsen regulär auf 18 Monate verkürzt.

  6. 6.

    In Niedersachsen gibt es derzeit 18 Studienseminare für das Gymnasiallehramt. Hinsichtlich der Verteilung der Referendarinnen und Referendare auf die Studienseminare können diese zwar Wünsche angeben, jedoch erfolgt eine Zuteilung letztlich durch das zuständige Ministerium. Die Ausbildungsschule wird durch das Studienseminar zugeteilt. Bei der Zuteilung spielt auch der Aspekt der Unterrichtsversorgung an den Schulen eine Rolle.

  7. 7.

    Tatsächlich existieren kaum gesicherte Erkenntnisse über die Ausbilderinnen und Ausbilder der zweiten Ausbildungsphase. Deren Rekrutierung und Ausbildung scheint in nur sehr geringem Maße formal geregelt zu sein (Walke 2004).

  8. 8.

    Gefordert wird im Rahmen eines besonderen Unterrichtsbesuchs ein Stundenentwurf, in dem detailliert die Stundenplanung dargestellt und gerechtfertigt werden soll.

  9. 9.

    Während dieser Prüfungscharakter z. T. auch sprachlich in der Verwendung der Bezeichnung „Lehrprobe“ zum Ausdruck kommt (exemplarisch: Homepage des Studienseminars Meppen: http://www.studienseminarmeppen.de/(23.06.2011)), wird dieser in den Ausbildungsbeschreibungen andernorts dezidiert zurückgewiesen (Studienseminar Lüneburg 2008, S. 8 f.).

  10. 10.

    Bedenkt man den Prüfungscharakter eines Unterrichtsbesuchs, so wird deutlich, dass mit dieser Gestaltung auch die Nachbesprechung Teil dieser Prüfung wird. Getestet wird die Fähigkeit der Referendarin bzw. des Referendars zur Selbstreflexion, welche es im der Rückmeldung vorausgehenden Statement unter Beweis zu stellen gilt.

  11. 11.

    Der Umfang dieser Arbeit, in der es in aller Regel um eine didaktische Planung, die Durchführung und die Reflexion einer Unterrichtseinheit geht, soll 50 Seiten nicht überschreiten. Die Bearbeitungszeit beträgt zwei Monate (PVO Lehr II, § 13).

  12. 12.

    Eine systematische und aktuelle Zusammenstellung der Ausbildungsstrukturen in den Bundesländern liegt nicht vor. Einen ersten Überblick liefern Lenhard (2004) sowie Bölting und Thomas (2007). Einen Einblick in die organisationale Struktur der zweiten Phase in Nordrhein-Westfalen bieten Neu-Clausen et al. (2011).

  13. 13.

    Abgeleitet wurde dieses Modell aus einer Metaanalyse von ca. 300 Studien zum Themenbereich des Berufseinstiegs von Lehrerinnen und Lehrern (Fuller und Brown 1975, S. 25 f.).

  14. 14.

    Der „Aufbau und die Pflege einer pädagogisch-vertrauensvollen Schüler-Lehrer-Beziehung“ scheint den Ergebnissen der Befragungen zufolge jedoch nicht belastend zu sein (Reese 2006, S. 365 f.). Annegret Reese verweist in diesem Zusammenhang auf die Differenz dieses Ergebnisses zu Befragungen bereits ausgebildeter Lehrerinnen und Lehrer, welche die Lehrer-Schüler-Beziehung als zentralen Belastungsfaktor angäben. Hinsichtlich einer möglichen Erklärung führt die Autorin an, dass die Referendarinnen und Referendare ggf. mehr Zeit hätten, die Beziehung zu ihren Schülerinnen und Schülern zu pflegen. Gegen diese Überlegung spricht jedoch, dass, wie erwähnt, der Zeitdruck zumindest in der Wahrnehmung der befragten Auszubildenden den größten Belastungsfaktor darstellt. Insofern erscheint die alternative Überlegung naheliegender, der zufolge für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer die Gestaltung der Lehrer-Schüler-Beziehung auf Grund drängenderer Themen noch nicht im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit steht. In dieser Lesart stellt die herausgearbeitete empirische Auffälligkeit eine weitere Bestätigung der von Fuller und Brown am Anfang der beruflichen Praxis verorteten „survival stage“ dar.

  15. 15.

    Ähnlich argumentiert Livia Makrinus im Rahmen ihrer Untersuchung zur „biographischen Relationierung von Schulpraktika und Praxiserfahrungen während des Vorbereitungsdienstes“ (2012). Darin führt sie aus: „Die Bilanz des Studiums ist geprägt von der Gegenwartsperspektive im Vorbereitungsdienst. Es ist anzunehmen, dass je nach Erfahrungsqualität im Vorbereitungsdienst, die Erlebnisse der Studienzeit idealisiert bzw. abgewertet werden“ (Makrinus 2012, S. 213).

  16. 16.

    Es handelt sich damit um eine Vollerhebung aller Referendarinnen und Referendare eines Jahrgangs im Gymnasialbereich (Werner-Bentke 2006, S. 11).

  17. 17.

    Ausdruck findet dieses Bedürfnis auch im breiten Angebot von auf das Referendariat ausgerichteter Ratgeberliteratur (Böhmann 2002; Kostka und Köster 2005; Oehmig 2005; Pfister 2006), welches als kommerzialisierte Antwort auf den sich aus dem diffusen Belastungserleben ergebenden Orientierungsbedarf gelesen werden kann.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Fabian Dietrich .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

About this chapter

Cite this chapter

Dietrich, F. (2014). Annäherungen an das Feld: Das Referendariat zwischen anhaltender Kritik, und Reformbemühungen. In: Professionalisierungskrisen im Referendariat. Rekonstruktive Bildungsforschung, vol 1. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03525-9_2

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-03525-9_2

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-03524-2

  • Online ISBN: 978-3-658-03525-9

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics