Skip to main content

Die Veränderung pädagogischen Denkens durch die Erfahrung mit Technik

  • Chapter
  • First Online:
Hans Blumenberg: Pädagogische Lektüren
  • 1680 Accesses

Zusammenfassung

Käte Meyer-Drawe konstatiert zu Beginn ihres Beitrags, dass Blumenberg eine undidaktische Schreibkultur gepflegt habe, die seine Texte voraussetzungsreich und herausfordernd mache, damit aber zugleich das grundsätzliche Problem sprachlicher Äquivalenz bewusst halte, das sich gerade angesichts umgreifender Technisierung nicht umgehen lasse. Denn die von Blumenberg herausgearbeitete neuzeitliche Technisierung der Lebenswelt – in der Theorien nicht weiter zur Erklärung, sondern als entwerfende Vorwegnahme zur potentiellen Veränderung der Wirklichkeit dienen – betreffe auch das Feld der Erziehung. Pädagogisches Handeln trage eine neuzeitlich-technische Signatur, weil es sich hierbei um einen Vorgriff auf das handle, was aus dem Menschen zu machen sei. Eine Dämonisierung der Technik, der Blumenberg stets argwöhnisch gegenüberstand, muss sich hieran keineswegs anschließen. Problematisch erscheine aber, so Meyer-Drawe, die zunehmende Naturalisierung des Technischen, die gegenwätig in der Päagogik durch eine breite unkritische Rezeption neurowissenschaftlicher Literatur zum Ausdruck komme.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Zur Bedeutung von Blumenbergs Anthropologie vgl. Müller 2005 und 2011.

  2. 2.

    Zur Rekonstruktion des Blumenberg’schen Gedankengangs vgl. Blumenberg 1976 sowie Dierse 1992 und 1995.

  3. 3.

    Frank Wistuba verdanke ich den Hinweis, dass der Ahornsamen in der Sicht der Bionik ein natürliches Vorbild für Propeller abgibt. Der Ahornsamen nutzt die Dynamik jedoch als Auf- und nicht als Abtrieb. Es bedarf allerdings eines Perspektivwechsels, um nicht länger Vögel als fliegende Vorbilder nachahmen zu wollen.

  4. 4.

    Am Beispiel der Klingel veranschaulicht Blumenberg den Verbergungsprozess der Bedingungen sowie der Komplexität des Technischen. Die mechanische Klingel ermöglichte uns noch die Erfahrung des Zusammenhangs mit der eigenen Handlung, etwa im Ziehen der Schnur oder dem Drehen des Schalters. Die elektrische Klingel lässt unser Tun unspezifisch werden (man kann mit dem Finger, bei vollen Händen aber auch mit dem Ellenbogen oder sogar der Nase zudrücken) und verbirgt den menschlichen Funktionsanteil. Einsicht wird im wortwörtlichen Sinne unmöglich. Die Funktion dominiert (Blumenberg 1996a, S. 36 f.).

  5. 5.

    Blumenberg zitiert hier Nietzsche: „Man geht zu Grunde, wenn man immer zu den Gründen geht.“ (Blumenberg 2006, S. 639).

  6. 6.

    In den vorliegenden Erörterungen werden Sokrates und Platon in ihrem gemeinsamen Anliegen, einen reichen Bildungsbegriff zu entfalten, betrachtet. Es geht also nicht darum, ihre Differenzen zu bestimmen. Neben der Tatsache, dass die Literatur, die sich mit dieser Frage befasst, kaum noch zu überschauen ist, sollen Platons Bedenken ernst genommen werden, dass das Geschriebene „überall umher schweift“ und wohl nicht immer auf den Schutz des Vaters zählen kann. (Platon 1990, 275 d) Schließlich kann noch erwähnt werden, dass die für Platons Denken typische Ideenlehre, wie man sie auch immer deuten mag, im Höhlengleichnis keine entscheidende Rolle spielt. Zur Kritik an Blumenbergs Auslegung des Höhlengleichnisses vgl. Niehues-Pröbsting 1999; darauf Bezug nehmend Meyer-Drawe 2008; Niehues-Pröbsting 2012.

  7. 7.

    Zu der herausragenden Bedeutung der Biopolitik in Maria Montessoris Reformkonzept vgl. Reiß 2012.

  8. 8.

    Es ist hier nicht der geeignete Ort, um die wichtige Auseinandersetzung Blumenbergs mit dem Anfang wiederzugeben. Abermals ist Husserl ein wichtiger Herausforderer, weil er mit der transzendentalen Reduktion an einen Anfang des Erkennens gelangen will, und zwar nach Descartes‘ Vorbild. Es zeigt sich jedoch, dass es einen voraussetzungslosen Anfang nicht geben kann. Immer liegt ihm etwas voraus, so etwa die Lebenswelt dem Erkennen. Wie an anderen Stellen auch stößt man hier auf eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu Foucaults Kritik an der Anthropologie.

Literatur

  • Blumenberg, H. (1951). Das Verhältnis von Natur und Technik als philosophisches Problem. Studium Generale, 4, 461–467: ZAK.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (1953). Technik und Wahrheit. In Actes du XI. Congrès International de Philosophie. Brüssel 20. bis 26. August 1953. Bd. II: Épistemologie (S. 112–200). Amsterdam: Nauwelaerts.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (1976). Selbsterhaltung und Beharrung. Zur Konstitution der neuzeitlichen Rationalität. In H. Ebeling (Hrsg.), Theorie-Diskussion. Subjektivität und Selbsterhaltung (S. 144–207). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (1980). Nachdenklichkeit. In Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch. II. Lieferung (S. 57–61). Heidelberg: Lambert Schneider.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (1996a). Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie. In H. Blumenberg (Hrsg.), Wirklichkeiten in denen wir leben (S. 7–54). Stuttgart: Reclam.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (1996b). Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik. In H. Blumenberg (Hrsg.), Wirklichkeiten in denen wir leben (S. 104–136). Stuttgart: Reclam.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (1998a). Lebensthemen (Aus dem Nachlaß). Stuttgart: Reclam.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (1998b). Paradigmen zu einer Metaphorologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (2002). Zu den Sachen und zurück (Aus dem Nachlaß) (In M. Sommer, Hrsg.). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (2006). Beschreibung des Menschen (Aus dem Nachlaß) (In M. Sommer, Hrsg.). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (2009). In A. Schmidt & B. Stiegler (Hrsg.), Geistesgeschichte der Technik. Mit einem Radiovortrag auf CD (Aus dem Nachlaß). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Blumenberg, H. (2010). Theorie der Lebenswelt (In M. Sommer, Hrsg). Berlin: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Dierse, U. (1995). Hans Blumenberg: Die Zweideutigkeit des Menschen. Reports on philosophy (Vol. 15, S. 121–129).

    Google Scholar 

  • Grabau, C. (2013). Leben machen. Pädagogik und Biomacht. München: Fink.

    Google Scholar 

  • Honnefelder, L. (2001). Was wissen wir, wenn wir das menschliche Genom kennen? Die Herausforderungen der Humangenomforschung – Eine Einführung. In L. Honnefelder & P. Propping (Hrsg.), Was wissen wir, wenn wir das menschliche Genom kennen? (S. 9–25). Köln: DuMont

    Google Scholar 

  • Janich, P. (2009). Kein neues Menschenbild. Zur Sprache der Hirnforschung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Kant, I. (1911). Kritik der reinen Vernunft. Zweite Auflage 1787. In Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Kant’s gesammelte Schriften (Bd. III). Berlin: G. Reimer.

    Google Scholar 

  • Merker, B. (1999). Bedürfnis nach Bedeutsamkeit. Zwischen Lebenswelt und Absolutismus der Wirklichkeit. In F. J. Wetz & H. Timm (Hrsg.), Die Kunst des Überlebens. Nachdenken über Hans Blumenberg (S. 68–98). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Meyer-Drawe, K. (2007). Menschen im Spiegel ihrer Maschinen (2. Aufl.). München: Fink.

    Google Scholar 

  • Meyer-Drawe, K. (2008). Höhlenqualen. Bildungstheoretische Provokationen durch Sokr­ates und Platon. In R. Rehn & C. Schües (Hrsg.), Bildungsphilosophie. Grundlagen, Methoden, Perspektiven (S. 36–51). Freiburg: Alber.

    Google Scholar 

  • Montessori, M. (2010). Von der Agrikultur zur Homokultur. In W. Böhm (Hrsg.), Maria Montessori. Einführung und zentrale Texte (S. 83–90). Paderborn: Schöningh.

    Google Scholar 

  • Müller, O. (2005). Sorge um die Vernunft. Hans Blumenbergs Anthropologie. Paderborn: Mentis.

    Google Scholar 

  • Müller, O. (2010). Zwischen Mensch und Maschine. Vom Glück und Unglück des Homo faber. Berlin: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Müller, O. (2011). „Die res cogitans ist eine res extensa“. Sichtbarkeit, Selbsterhaltung und Fremderfahrung in Blumenbergs phänomenologischer Anthropologie. In M. Moxter (Hrsg.), Erinnerung an das Humane. Beiträge zur phänomenologischen Anthropologie Hans Blumenbergs (S. 15–38). Tübingen: Mohr Siebeck.

    Google Scholar 

  • Niehues-Pröbsting, H. (1999). Platonvorlesungen. Eigenschatten – Lächerlichkeiten. In F. J. Wetz & H. Timm (Hrsg.), Die Kunst des Überlebens. Nachdenken über Hans Blumenberg (S. 341–368). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Niehues-Pröbsting, H. (2011). Blumenberg und Nietzsche. In M. Moxter (Hrsg.), Erinnerung an das Humane. Beiträge zur phänomenologischen Anthropologie Hans Blumenbergs (S. 191–209). Tübingen: Mohr Siebeck.

    Google Scholar 

  • Niehues-Pröbsting, H. (2012). „Von den schönsten Gütern das erste“. Platons Konzept der Bildung im Kontext von Sichtung, Sophistik und Rhetorik. In B. Frischmann (Hrsg.), Bildungstheorien in der Diskussion (S. 105–129). Freiburg: Karl Alber.

    Google Scholar 

  • Nietzsche, F. (1988). Nachgelassene Fragmente 1885–1887. In G. Colli & M. Montinari (Hrsg.), Friedrich Nietzsche. Kritische Studienausgabe (Bd. 12, 2. Aufl.). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

    Google Scholar 

  • Olde, V. (2010). „ADHS“ verstehen? Phänomenologische Perspektiven. Opladen: Budrich UniPress.

    Google Scholar 

  • Pascal, B. (o. J.). Gedanken. (Nach der endgültigen Ausgabe übertragen von W. Rüttenauer. Mit einer Einführung von R. Guardini). Bierfelden, Basel: Schibli-Doppler.

    Google Scholar 

  • Platon. (1990). Phaidros. In G. Eigler (Hrsg.), Werke in acht Bänden (Bd. 5). (Übersetzt von F. Schleiermacher & D. Kurz. Bearbeitet von D. Kurz. Griechischer Text von L. Robin, A. Diès & J. Souilhé. 2. Aufl). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

    Google Scholar 

  • Rehn, R. (Hrsg.). (2005). Platons Höhlengleichnis. Das Siebte Buch der Politeia. Griechisch – Deutsch (Übersetzt und erläutert von R. Rehn. Mit einer Einleitung von B. Mojsisch). Mainz: Dieterich’sche Verlagsbuchh.

    Google Scholar 

  • Reiß, M. (2012). Kindheit bei Maria Montessori und Ellen Key. Disziplinierung und Normalisierung. Paderborn: Ferdinand Schöningh.

    Google Scholar 

  • Schaller, K. (1997). Die Maschine als Demonstration des lebendigen Gottes. Johann Amos Comenius im Umgang mit der Technik. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.

    Google Scholar 

  • Stöcklein, A. (1969). Leitbilder der Technik. Biblische Tradition und technischer Fortschritt. München: H. Moos.

    Google Scholar 

  • Valéry, P. (1995). Anmerkung und Abschweifung (1919). In J. Schmidt-Radefeld (Hrsg.), Zur Ästhetik und Philosophie der Künste. Paul Valéry Werke (Bd. 6, Frankfurter Ausgabe in 7 Bänden) (S. 62–101). Leipzig: Insel.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Käte Meyer-Drawe .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2016 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Meyer-Drawe, K. (2016). Die Veränderung pädagogischen Denkens durch die Erfahrung mit Technik. In: Ragutt, F., Zumhof, T. (eds) Hans Blumenberg: Pädagogische Lektüren. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03477-1_11

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-03477-1_11

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-03476-4

  • Online ISBN: 978-3-658-03477-1

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics