Zusammenfassung
Angesichts der Wichtigkeit des privaten Konsums ist dessen analytische Durchdringung und theoretische Einbettung von zunehmender Bedeutung für die Sozial- und Kulturwissenschaften. Der Beitrag nähert sich dem Konsumieren als dynamischem Prozess sozialen Handelns, welcher von den jeweils dominanten Wertvorstellungen einer Gesellschaft maßgeblich geleitet ist. Wir basieren unsere Untersuchung des Markthandelns der Konsumenten auf drei maßgeblichen zeitgenössischen Dynamiken des sozialen Wandels: (i) soziostrukturell induzierten Veränderungsdruck, (ii) soziokulturelle Wandlungserscheinungen und eine (iii) selbstinduzierte Transformation der Märkte. Sodann werden diese Dynamiken in ihren Auswirkungen auf Wertschöpfungsketten, Produktionsprozesse sowie die Rolle des Konsums selbst besprochen. Dabei zeigt sich, dass der zusehends hervortretende Prozess einer Moralisierung der Märkte auf die Einbettung individuellen Verhaltens in die Kultur der umgebenden Gesellschaft verweist.
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Notes
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Die Weltbank erläutert diese Zahlen wie folgt: „Household final consumption expenditure (formerly private consumption) is the market value of all goods and services, including durable products (such as cars, washing machines, and home computers), purchased by households. It excludes purchases of dwellings but includes imputed rent for owner-occupied dwellings. It also includes payments and fees to governments to obtain permits and licenses. Here, household consumption expenditure includes the expenditures of nonprofit institutions serving households, even when reported separately by the country. This item also includes any statistical discrepancy in the use of resources relative to the supply of resources.“
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Die Weltbank erläutert diese Zahlen wie folgt: „Household final consumption expenditure (formerly private consumption) is the market value of all goods and services, including durable products (such as cars, washing machines, and home computers), purchased by households. It excludes purchases of dwellings but includes imputed rent for owner-occupied dwellings. It also includes payments and fees to governments to obtain permits and licenses. Here, household consumption expenditure includes the expenditures of nonprofit institutions serving households, even when reported separately by the country. This item also includes any statistical discrepancy in the use of resources relative to the supply of resources.“
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Allfällige Beispiele finden sich fast tagtäglich in den Nachrichten landesweit verbreiteter amerikanischer Medien: In einem Artikel der NBC News vom 02.08.2012: (http://www.msnbc.msn.com/id/48459722/ns/business-stocks_and_economy/#.UBrtSnBm0i4): „Only a handful of chains representing roughly 13 % of the U.S. retail industry report monthly sales. Major chains that don’t report include Wal-Mart Stores Inc. and J.C. Penney Co. The figures are based on stores open at least a year and are a key measure of retailers’ health because they exclude newly opened and closed stores. Economists watch the numbers because consumer spending accounts for 70 % of U.S. economic activity” (jeweils unsere Betonung). Oder in einem Auszug aus den NPR News: „Weak consumer spending was the main reason the economy grew at an annual pace of just 1.5 % in the April-June quarter. That’s slower than the 2 % growth rate in the January-March quarter this year. Consumer spending drives roughly 70 % of growth“; sowie in einem Beitrag „5 economic indicators to watch“ (http://www.bankrate.com/finance/investing/5-economic-indicators-to-watch-1.aspx#ixzz22QTR2D5v): „Consumer spending accounts for 70 % of gross domestic product.“
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Im neunten Kapitel seiner Allgemeinen Theorie behandelt John Maynard Keynes (1936, S. 92–93), die von ihm sogenannten „subjektiven und gesellschaftlichen Antriebe“ der Bereitschaft zum Enthalt von bzw. zum Verbrauch. Keynes erwähnt acht Beweggründe nicht zu konsumieren, gespeist durch Motive wie Vorsicht, Voraussicht, Berechnung, Verbesserung, Unabhängigkeit, Unternehmenslust, des Stolzes, und des Geizes. Für den Verbrauch erwähnt Keynes Motive wie Genuss, Kurzsichtigkeit, Freigiebigkeit, Fehlrechnung, Prahlerei und Verschwendung. Die Summe der objektiven (beispielsweise das Realeinkommen oder die Differenz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen) und (dahinter liegenden) subjektiven und sozialen Faktoren ergeben die Verbrauchsfunktion, die zumindest auf kurze Sicht relativ stabil sei.
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John Maynard Keynes (1936, S. 94) ist bewusst, dass sich der gesamtgesellschaftliche Kontext des Verbrauchs zu wandeln vermag, betont aber, dass sich seine allgemeine Theorie „nicht mit den Folgen weitragender gesellschaftlicher Änderungen oder mit den allmählichen Wirkungen langfristigen Fortschritts beschäftigen“ wird (siehe aber Keynes 1930).
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Apple gerät aufgrund der Arbeitsbedingungen seines Zulieferers Foxconn [www.foxconn.com] regelmäßig weltweit in die Schlagzeilen. War es zunächst die hohe Selbstmordrate der dort beschäftigten MitarbeiterInnen, so wurde zuletzt eine Massenschlägerei zum Aufhänger der Berichterstattung.
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Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ein ab 2006 vorbereitetes internationales Handelsabkommen, wurde im Winter 2011/2012 plötzlich durch massive mediale Berichterstattung zu einem Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte. Die Befürchtungen, dass dieses Anti-Piraterie-Abkommen die Freiheit des Internet auf Basis völkerrechtlicher Regelungen beeinträchtigen könnte, führte zu weltweiten Protesten. Im Juli 2012 schließlich lehnte das Europäische Parlament die Ratifizierung des von einer Reihe Industrienationen bereits unterzeichneten Vertrages ab.
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Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: auch wenn britische und irische Käufer der beliebten Marke KitKat ihren Schokoriegel aus herkömmlich gehandeltem Kakao bevorzugen würden, sie könnten einen solchen nicht erwerben. Seit 2010 hat Nestlé für diese Märkte nur noch zertifizierte Fair Trade Schokolade im Programm. Eine plastische Vorstellung des von uns skizzierten, unterschwelligen Prozesses erhält man, wenn man sich vorstellt, dass etwa ein Kunde an der Supermarktkasse mit Nachdruck einen Schokoriegel aus „unfairem Handel“ verlangte.
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Stehr, N., Adolf, M. (2014). Der Konsum der Verbraucher. In: Meffert, H., Kenning, P., Kirchgeorg, M. (eds) Sustainable Marketing Management. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02437-6_4
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