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Das Drogenproblem in Deutschland und den USA

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Part of the book series: Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit ((PERSOA,volume 17))

Zusammenfassung

Anknüpfend an die theoretische Betrachtung sozialer Probleme wird der konstruktivistische Ansatz nachfolgend genutzt, um das Drogenproblem in Deutschland und den USA sowie seine soziale Kontrolle in Form der Drogenpolitik zu analysieren. Ein besonderes Augemerk wird dabei auf den historischen Kontext der Herstellung des Drogenproblems und der Herausbildung der drogenpolitischen Leitbilder gelegt.

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Notes

  1. 1.

    Nach Kemmesies (1995a: 9) kann Drogenpolitik als die Gesamtheit an Bestrebungen, Zielsetzungen, Wert- und Normhaltungen definiert werden, die den Umgang mit Drogen und ihren Gebraucherinnen und Gebrauchern in einer Gesellschaft bestimmen.

  2. 2.

    Den Konstruktivismus zur Analyse des Drogenproblems zu nutzen und damit dessen ‚Gemachtheit’ zu betonen, bedeutet nicht, seine Existenz anzuzweifeln und davon auszugehen, dass es ohne Weiteres anders zu definieren oder wegzudenken wäre (vgl. Reinarman 2005: 29; Schabdach 2009: 18). Entscheidend ist jedoch, dass die ‚Realität’ des Drogenproblems als durch menschliches Handeln hergestellt verstanden wird. Zugrunde gelegt wird damit ein gemäßigt konstruktivistisches Verständnis, nach dem ein soziales Problem die Summe aus sozialem Sachverhalt und seiner Thematisierung bzw. Problematisierung ist (vgl. Scheerer 1993: 79f.).

  3. 3.

    Mit dieser Sichtweise geht zudem einher, dass Drogenkonsumierende als durch die Droge fremdbestimmt und determiniert gelten und jede Möglichkeit eines regulierten, kontrollierten Konsums ausgeschlossen wird (vgl. ausführlicher hierzu: Dollinger/Schmidt-Semisch 2007: 9 ff.).

  4. 4.

    Hier besonders zu erwähnen ist der Chinese Exclusion Act (1882), der eine zehnjährige Einwanderungssperre für ChinesInnen in die USA festlegte und durch nachfolgende Gesetze immer wieder verlängert wurde.

  5. 5.

    Die Handelsbeziehungen zwischen England und China waren bis 1820 relativ unausgeglichen. China, das bereits 1729 den Konsum und Handel mit Opium strengeren Regeln unterworfen und schließlich 1799 den Import vollständig verboten hatte, exportierte Tee und Seide nach England, kaufte umgekehrt aber kaum etwas von den Engländern. Ab 1820 intensivierte England den Export bengalischen Opiums nach China und konnte damit in den Folgejahren die Handelsbilanz mit China deutlich zu seinen Gunsten verschieben und sich eine dominierende Handelsposition in China verschaffen (vgl. Scheerer 1982: 27; Holzer 2002: 52).

  6. 6.

    Ebenso gab es eine protestantische Missionierung der philippinischen Bevölkerung.

  7. 7.

    Mit der Niederlage im Ersten Opiumkrieg wurde China gezwungen, fünf Vertragshäfen abzutreten bzw. für den internationalen Handel zu öffnen. Ermöglicht wurde damit auch der Aufbau von Missionsposten. Nach dem Zweiten Opiumkrieg konnten sich dann die Missionare frei in China bewegen (vgl. Holzer 2002: 55f.).

  8. 8.

    Mit dem chinesisch-amerikanischen Vertrag von Wanghia hatte sich die USA bereits 1844 gegen den Opiumhandel ausgesprochen und diesbezüglich jeglichen Handel von US-AmerikanerInnen nach China unter Strafe gestellt.

  9. 9.

    In Shanghai nahmen insgesamt dreizehn, in Den Haag zwölf Nationen teil. Unter anderem waren dies die USA, China, England, Deutschland, die Niederlande und Frankreich.

  10. 10.

    Die Bedeutung von Religion für die Position der USA wird zum einen darin deutlich, dass sich ihre Delegation in Shanghai und Den Haag aus Geistlichen zusammensetzte, zum anderen aber insbesondere darin, dass beide Konferenzen unter dem Vorsitz des US-amerikanischen Bischofs Brent standen.

  11. 11.

    Nach Musto (1973: 43f.) spielten dessen Verabschiedung rassistische Argumente erneut eine wichtige Rolle, indem beispielsweise Kokain als direkter Auslöser von (sexueller) Gewalt und Kriminalität unter Afroamerikanern dargestellt wurde.

  12. 12.

    Der Begriff bürgerte sich seit den 1920er Jahren in New York ein, da die Konsumierenden dadurch überlebten, dass sie in industriellen Abfällen (‚junk’) nach Kupfer, Blei, Zink und Eisen suchten und als ‚junkmen’ durch die Stadt zogen (vgl. Courtwright 1982: 85).

  13. 13.

    Die Übertragung des Abstinenzgedankens auf den Drogendiskurs lässt sich mit Becker (1966: 152f.) damit erklären, dass mit der Durchsetzung der Alkoholprohibition die MoralunternehmerInnen ihre Ziele erreicht hatten und dadurch gewissermaßen beschäftigungslos wurden. „The success of a crusade, therefore, leaves the crusader without a vocation. Such a man, at loose ends, may generalize his interest and discover something new to view with alarm, a new evil about which something ought to be done“ (ebd.: 153).

  14. 14.

    Besonders deutlich illustriert sich das Moralunternehmertum Anslingers anhand seiner Kampagne gegen Marihuana in den 1930er Jahren, die 1937 schließlich zum Verbot von Cannabis führte. Über die Medien verbreitete Anslinger zahlreiche Horrorszenarien von Kriminalität und Gewalt im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum, wobei er vor allem mexikanische Immigranten aber auch Afroamerikaner als ‚gefährliche Konsumenten’, die US-amerikanische Mittelschicht-Jugend als die ‚gefährdeten KonsumentInnen’ herausstellte. Erneut war damit eine Anti-Drogen-Kampagne deutlich rassistisch gefärbt (vgl. Reinarman 1994: 95).

  15. 15.

    Eine Ausnahmestellung kam Pervitin zu, das als Mittel zur Leistungssteigerung eine breite Verwendung im Militär fand. Hier wurde gewissermaßen die Leitidee der Rassenhygiene zugunsten der Leistungssteigerung vernachlässigt (vgl. Holzer 2007: 216).

  16. 16.

    Diese Verordnungen hatten zum Ziel, ‚minderwertiges Erbgut’ an der Reproduktion innerhalb der ‚arischen Rasse’ zu verhindern. Da der Konsum von Alkohol und Drogen als ein Faktor für die ‚rassische Degeneration’ angesehen wurde, konnten die KonsumentInnen auf Grundlage dieser Gesetze verfolgt werden. Die wichtigsten Verordnungen in diesem Zusammenhang waren das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (Sterilisationsgesetz), das „Gesetz gegen Gewohnheitsverbrecher“ und das „Ehegesundheitsgesetz“ (vgl. Holzer 2007: 131 ff.).

  17. 17.

    So zum Beispiel die Reichsarbeitsgemeinschaft für Rauschgiftbekämpfung (1934) und die Reichszentrale zur Bekämpfung von Rauschgiftvergehen (1935). Die Reichsarbeitsgemeinschafft beschäftigte sich erstmals mit der Prävention von illegalen Drogen. Sie wurde 1939 in die Reichsstelle gegen die Alkohol- und Tabakgefahren umbenannt und 1947 als Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren wieder gegründet, die bis heute die zentrale Präventionsorganisation in Deutschland ist. Aus der Reichzentrale zur Bekämpfung von Rauschgiftvergehen gingen im Nachkriegsdeutschland die Rauschgiftdezernate hervor (vgl. Holzer 2007: 114 ff. sowie 161 ff.).

  18. 18.

    Nach Holzer (2007: 495 ff.) war die Drogengebrauchssituation in der DDR durch eine sehr geringe Prävalenz illegaler Drogen und geringe Aktivitäten seitens des Gesetzgebers charakterisiert. Zudem entwickelte sich auch keine vergleichbare jugendliche Drogensubkultur.

  19. 19.

    Mit dem Boggs Act wurde bei einer Erstverurteilung wegen eines Drogendelikts eine Haftstrafe von mindestens zwei bis maximal fünf Jahren verhängt, bereits bei der Zweitverurteilung lag das Strafmaß bei mindestens fünf bis maximal zehn Jahren, bei jeder weiteren Verurteilung wurde das Strafmaß auf zehn bis 20 Jahre festgesetzt. Mit dem Narcotics Drug Control Act wurden die Strafmaße des Boggs Act erhöht bzw. erweitert: Eine Erstverurteilung wegen Drogenbesitzes konnte mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden, eine Zweitverurteilung mit bis zu 20 Jahren und weitere Verurteilungen mit bis zu 40 Jahren. Der Verkauf von Drogen wurde bei der Erstverurteilung bereits mit einem mindestens fünfjährigen Freiheitsentzug bestraft, eine Zweitverurteilung zog ein Mindeststrafmaß von zehn Jahren nach sich. Die Abgabe von Heroin an Minderjährige wurde mit mindestens zehn Jahren bis zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe sanktioniert. Auf Empfehlung der Geschworenen konnte auch die Todesstrafe verhängt werden (vgl. Briesen 2005: 179 ff.).

  20. 20.

    Nach Briesen (2005: 252) waren Heroinkonsumierende nach wie vor überwiegend Jugendliche der sozialen Unterschicht bzw. Angehörige ethnischer Minoritäten.

  21. 21.

    Begründet wurde diese Disparität mit der hohen Schädlichkeit von Crack. Heftige Kritik erfuhr das Gesetz durch seine rassistische Ausrichtung, da unter den neuen Regelungen vor allem Angehörige ethnischer Minderheiten zu langen Haftstrafen verurteilt wurden.

  22. 22.

    Erst im Jahr 2000 wurde der Civil Asset Forfeiture Reform Act verabschiedet. Seither müssen die Strafverfolgungsbehörden beweisen, dass der zu beschlagnahmende Besitz durch kriminelle Aktivitäten erwirtschaftet wurde. Insofern liegt die Beweispflicht mittlerweile bei den Behörden und nicht wie zuvor bei der/dem Beschuldigten (vgl. Mauer/King 2007: 6).

  23. 23.

    Nach Christie/Bruun (1991: 62 ff.) basiert die internationale Drogenpolitik im Wesentlichen auf sechs Konstrukten: 1) Drogenkonsumierende verlieren unweigerlich die Kontrolle über ihren Konsum und werden so zum Sklaven der Droge. 2) Alle KonsumentInnen werden kriminell, um ihre Sucht zu finanzieren. 3) Alle illegalen Drogen sind gleichermaßen gefährlich. 4) Der Konsum von Cannabis mündet unweigerlich in den Gebrauch härterer Drogen, so dass ‚weiche’ und ‚harte’ Drogen mit gleicher Strenge bekämpft werden müssen. 5) Drogen machen abhängig, daher ist jede(r) ein potenzielles Opfer und kann die/der nächste Abhängige sein. 6) Dealer sind gefährlich und handeln ohne jegliche Skrupel, für ihre Geldgier verführen sie andere zum Drogengebrauch, rühren selbst aber keine Drogen an.

  24. 24.

    Jungblut (2004: 57) verweist darauf, das eine derartige Verbotspolitik der gesellschaftlichen Legitimation bedarf. Diese wird erreicht, indem proklamiert wird, durch das Drogenverbot eine ‚drogenfreie’ Gesellschaft herbeiführen oder Drogen zumindest so kontrollieren zu können, dass Konsum und Handel weder das Individuum noch die Gesellschaft schädigen.

  25. 25.

    In den meisten Bundesländern ist z.B. die obere Grenze für den Eigenbedarf bei Cannabis auf 6 Gramm festgelegt (Niedersachen, Berlin und Bremen: 15 g). Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sehen zudem die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung für den Besitz von 1 Gramm Heroin oder Kokain (Bremen: 2 g, Schleswig-Holstein: 3 g) vor. Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um Richtwerte für die Höchstgrenzen. Die Richtwerte für „nicht-geringe“ Mengen liegen nach der Rechtsprechung des BGH unter anderem bei 1,5 Gramm Heroin, 5 Gramm Kokain und 7,5 Gramm Cannabis. Diese Werte orientieren sich dabei an dem Wirkstoffgehalt (und nicht der Gesamtmenge) der beschlagnahmten Substanzen.

  26. 26.

    So wurde z. B. durch die Änderung des BtMG im Jahr 2000 die Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen (§ 10 a BtMG) erteilt. 2009 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung“ beschlossen, das durch eine BtMG-Änderung die rechtlichen Voraussetzungen für die Überführung der staatlichen Heroinvergabe in die Regelversorgung geschaffen hat.

  27. 27.

    Allerdings ist die Ausgestaltung der Drogenhilfe zwischen den einzelnen Bundesländern und Regionen äußerst unterschiedlich. Die regionalspezifischen Unterschiede, wie sie beispielsweise für Frankfurt (mit einem weitläufigen Ausbau niedrigschwelliger Angebote) und München bzw. Bayern (wo keine Konsumräume existieren und auch sonstige niedrigschwellige Angebote in nur geringem Umfang bestehen) beobachtet werden können, lassen sich einerseits als Reaktion auf regionale Szenestrukturen und eine ‚Problemkonzentrierung’ verstehen, andererseits spiegeln sich hierin auch die drogenpolitischen Leitbildorientierungen und das drogenpolitische Wollen und Können der einzelnen Bundesländer und Kommunen wider (vgl. Kemmesies 1995a: 36f.).

  28. 28.

    Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die bundesweite Drogengesetzgebung (federal drug laws). Zu berücksichtigen ist, dass sich aufgrund der stark föderalen Strukturen der USA die Drogenrechtsprechung zwischen den einzelnen Bundesstaaten zum Teil erheblich unterscheidet (wie dies bspw. für ‚medizinisches Marihuana’ gilt). Grundsätzlich sind aber die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten dem Bundesrecht untergeordnet (vgl. Heun 2007: 232).

  29. 29.

    Die gleichen Strafmaße galten bis 2010 für den Besitz von 3 Gramm Crack, wenn es sich um eine Zweitverurteilung handelte, sowie für ein Gramm der Substanz bei einer Drittverurteilung (§ 844 (a) CSA).

  30. 30.

    1966 wurde zwar der Narcotic Addict Rehabilitation Act als nationales Gesetz erlassen, womit eine Strafaussetzung zugunsten einer Therapie für harmlose Drogendelikte (z. B. einfacher Drogenbesitz für den persönlichen Gebrauch) ermöglicht wurde, mit der Intensivierung des ‚War on Drugs’ unter Reagan in den 1980er Jahren wurde diese gesetzliche Regelung jedoch wieder zurückgenommen (vgl. White 2005: 92f.).

  31. 31.

    Einige Bundesstaaten, wie New York, haben dies mittlerweile (unter bestimmten Voraussetzungen) in ihrer Gesetzgebung geändert (vgl. Kap. 7).

  32. 32.

    Der Controlled Substances Act stellt lediglich den Verkauf von Drogenparaphernalia unter Strafe. Eine Übersicht zu der jeweiligen Rechtsprechung der einzelnen Bundesstaaten findet sich unter http://www.temple.edu/lawschool/phrhcs/map.htm (abgerufen am 23.02.2010).

  33. 33.

    An dieser außenpolitischen Orientierung illustriert sich die bereits mit der Entstehung der Opiumfrage zu beobachtende Prämisse der US-Drogenpolitik, dass die internationale Bekämpfung der Drogenherstellung und des Drogenhandels letztlich die Verfügbarkeit illegaler Drogen und damit auch deren Konsum in den USA reduziert (vgl. Wyler 2008: 2). Die USA üben dabei starken Druck auf die Drogenanbauländer (im Wesentlichen: die Länder Lateinamerikas und Mexiko) aus, indem sie ihre finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung an die Kooperationsbereitschaft dieser Länder bei der Drogenbekämpfung knüpfen. Wird eine solche Kooperation verwehrt, werden Teile der Wirtschaftshilfe gestrichen und es können weitere wirtschaftliche Sanktionen verhängt werden. Deutschland setzt in seiner außenpolitischen Drogenpolitik demgegenüber weniger auf repressive, sondern stärker auf entwicklungspolitische Maßnahmen in den Anbauländer (vgl. Friesendorf 2001: 15).

  34. 34.

    Dies beinhaltet lediglich die Ausgabe von Bundesgeldern. Ein größerer Anteil der Ausgaben für Drogeninterventionen wird von den einzelnen Bundesstaaten aufgebracht (vgl. Miron 2008), hierzu liegt jedoch kein zusammenfassender Bericht vor.

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Bernard, C. (2013). Das Drogenproblem in Deutschland und den USA. In: Frauen in Drogenszenen. Perspektiven kritischer Sozialer Arbeit, vol 17. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01330-1_3

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