Zusammenfassung
Kaum eine mathematische Disziplin prägt das Bild der Mathematik so sehr wie die Algebra, und zwar positiv wie negativ. Auf der einen Seite wird die Algebra als die Hilfsdisziplin gesehen, in der traditionell Algorithmen eingeübt wurden, um Berechnungen mit Zahlen durchführen zu können. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten werden allgemein sehr gering geschätzt. Dies kommt u. a. in der Meinung zum Ausdruck, dass all dies heute überflüssig sei, weil es ja ‚der Computer‘ viel besser könne. Andererseits gilt die Präzision der Algebra und ihre unbestreitbaren Erfolge, insbesondere in der Frage des Gleichungslösens als ein Musterbeispiel dafür, wie Mathematik sein soll. Nicht zuletzt deshalb bildet die Algebra einen Grundpfeiler der Lehramtsausbildung, der sich allerdings manchmal als kaum zu überwindende Hürde für die Studierenden erweist. Die klassische Algebra-Vorlesung ist durch den Dreiklang „Gruppen, Ringe, Körper“ definiert; ihr Ziel ist der Satz über die Nichtauflösbarkeit der allgemeinen Gleichung fünften oder höheren Grades. So bedeutend dieser Satz ist, so viele Nachteile handelt man sich ein, wenn man dieses so verfolgt, dass der Satz am Ende des Semesters wirklich bewiesen werden kann. Denn es bleibt praktisch keine Zeit für anderes. Im Folgenden soll ein Konzept für eine „Algebra für Lehramtskandidaten“ vorgestellt werden, das von folgenden Forderungen ausgeht. (1) Die Veranstaltung ist in dem Sinne professionell, dass sie sich an dem künftigen Beruf der Studierenden orientiert und zwar in einer expliziten und für die Studierenden einsehbaren Weise. (2) Das bedeutet inhaltlich, dass auch der Algebrastoff der Schule (der v. a. Gegenstand der Mittelstufe ist) aufgenommen wird. Es handelt sich um Themen wie Stellenwertsysteme, Teilbarkeitsregeln, Zahlbereiche. Dies soll aus höherer Sicht behandelt werden, so dass die Studierenden Einsicht in die Begriffsbildungen und die Zusammenhänge erhalten. (3) Die Veranstaltung zeigt den Studierenden auch die Tiefe der Mathematik, und zwar so, dass sich für sie neue Welten (zum Beispiel algebraische Zahlen) erschließen. (4) Die Veranstaltung zeigt auch die Breite der Mathematik: Zu jedem Thema wird es Überblicke über weiterführende Themen geben. Zum Beispiel wird beim Thema Primzahlen auch der Primzahlsatz erläutert. Ferner wird jedes Thema auch in den historischen Kontext eingebettet, so dass die Entwicklung der Fragestellungen, Begriffe und Sätze erkennbar wird.(5) Schließlich wird auch deutlich, dass es sich bei der Algebra um ein aktuelles Forschungsgebiet handelt. So werden in der Vorlesung beispielsweise moderne Anwendungen wie Codierungstheorie und Kryptographie thematisiert. Methodisch geht die Veranstaltung konsequent so vor, dass von vorhandenem Wissen der Studierenden ausgegangen und dieses erweitert wird. Zahlreiche Elemente zum konstruktiven Wissenserwerb werden eingeführt (Übungsaufgaben während der Vorlesung, kleine individuelle Projekte usw.).
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Literatur
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Beutelspacher, A. (2013). Alles nur Formelkram? Konzept einer Algebra für Lehramtsstudierende. In: Allmendinger, H., Lengnink, K., Vohns, A., Wickel, G. (eds) Mathematik verständlich unterrichten. Springer Spektrum, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00992-2_13
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