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Zusammenfassung

Doch der Kommunikationsbegriff zeigt seine operationalistisch-differenzialistische Struktur nicht nur in dem, was er sachlich-inhaltlich bezeichnet: Vielmehr ist jede einzelne Kommunikationseinheit als Operation in sich differenzialistisch gebaut, indem sie als Synthese von drei Komponenten bzw. Selektionen konzipiert ist: Information – Mitteilung – Verstehen. Es handelt sich um eine analytische Unterscheidung, in der sich theorielogisch die drei Sinndimensionen – sachlich, zeitlich, sozial – wiederfinden.

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Notes

  1. 1.

    An dieser Stelle ist also noch nicht zu unterscheiden, ob es sich um mündliche, schriftliche oder Massenkommunikation handelt.

  2. 2.

    Müsste ausschließlich Information beobachtet werden, geriete das psychische System schnell an die Grenzen seiner Informationsverarbeitungskapazitäten. Ein Zuviel an Redundanz läuft hingegen Gefahr, dass die (psychische) Aufmerksamkeit verloren geht. Information und Redundanz sind demnach gleichermaßen notwendig, um die Aufmerksamkeit als psychische Voraussetzung zu gewinnen und zu erhalten.

  3. 3.

    Dieser Zustand ist umfassend gemeint: Wissen, Erfahrungen, Emotionen, Sehnsüchte etc. im Fall von psychischen Systemen, Entscheidungen, Systemgeschichten etc. im Fall von Organisationen als den einzigen sozialen Systemen, die im eigenen Namen kommunizieren können.

  4. 4.

    In den Worten Luhmanns: „Information ist eine Differenz, die den Zustand eines Systems ändert, also eine andere Differenz erzeugt.“ (GdG I: 190)

  5. 5.

    Sicherlich: Die bloße, unmittelbare Wahrnehmung einer Information mag es nicht geben – bestenfalls im Moment der Geburt und der nachfolgenden Momente –, sie ist immer schon eine über Sozialität – mithin über Körper, Gestik, Laute, Sprache – vermittelte. Aber hier geht es um die Unterscheidung, ob die Information selbst wahrgenommen wird oder ob sie durch andere mitgeteilt wird.

  6. 6.

    Dass die Wahrnehmung sich dabei der Sprache als einem symbolischen Medium bedient, bezeugt die strukturelle Kopplung zwischen psychischen und sozialen Systemen. Zudem ist natürlich auch die Wahrnehmung der Mona Lisa eine sozial erzeugte und strukturierte: Welchen Grund sollte es ansonsten geben, dass sich jährlich Millionen von Besuchern vor einem Gegenstand aus Farbe und Leinwand drängeln, der über 600 Jahre alt ist und sich hinter einer dicken Glasscheibe befindet?

  7. 7.

    In der Literatur wird dies auch als „»vicarious learning«“ oder „»economy of cognition«“ bezeichnet, wie Luhmann ausführt (GdG I: 192).

  8. 8.

    Auch die selbst wahrgenommenen Informationen sind immer schon seligiert, aber eben durch das System selbst. Dem psychischen System erscheinen sie als das Unmittelbare, da dem eigenen Wahrnehmungsapparat direkt entspringend. Die mitgeteilte Information wird hingegen keinesfalls als zweifelsfrei und unbedingt zutreffend wahrgenommen. Denn Informationen sind Selektionen, damit sind sie kontingent, und eben deshalb „setzt Kommunikation einen alles untergreifenden, universellen, unbehebbaren Verdacht frei, und alles Beteuern und Beschwichtigen regeneriert nur den Verdacht.“ (SoSy: 207)

  9. 9.

    Auch wenn die Sender-Empfänger-Unterscheidung aus der Kommunikations-Übertragungstheorie stammt, die die Systemtheorie ja gerade kritisiert, wird sie hier doch verwendet, da sie die beiden Positionen: wer etwas sagt, wer etwas versteht deutlich markiert.

  10. 10.

    Siehe auch Abschn.  4.3: Verstehen, S. 42.

  11. 11.

    Informationen, Mitteilungen, Verstehen – bei allen drei Komponenten der Kommunikation handelt es sich um Selektionen. Deshalb kann Luhmann formulieren: „Jede dieser Komponenten ist in sich selbst ein kontingentes Vorkommnis.“ (GdG I: 190) Damit lässt sich Kommunikation pointiert beschreiben als „Prozessieren von Selektion.“ (SoSy: 194)

  12. 12.

    Dass Luhmann trotzdem im Fall von Kommunikation ausschließlich von Information spricht, hat wohl vor allem Akzentuierungszwecke, um die Differenz von Information und Mitteilung zu schärfen, deren Wahrnehmung (= Verstehen) eine Kommunikation ja allererst emergieren lässt.

  13. 13.

    Wobei dies nicht kausal verknüpft ist, denn das Neue des Mitteilenden kann für den Verstehenden redundant sein, so wie umgekehrt die redundante Mitteilung für den Verstehenden Unbekanntes kommunizieren kann.

  14. 14.

    Der Ursprung der Übertragungstheorie sind die mathematisch-technischen Überlegungen von Claude E. Shannon, in denen er die Störanfälligkeit technisch übermittelter Informationen berechnet (Shannon & Weaver 1949). In seiner Informationstheorie geht es explizit um die Qualität technisch übertragener Signale, es geht explizit nicht um Sinnbezüge, trotzdem wurde sein Modell Grundlage vieler Kommunikationstheorien.

  15. 15.

    Um es nochmals zu betonen: Natürlich ist das, was verstanden wird, nicht völlig beliebig, die Kontingenz wird eingeschränkt. Was ein System als Information seligieren kann bzw. sollte, ist „entlang von Möglichkeitsanzeigen“ (SoSy: 100) konditioniert durch Sprache (Syntax, Semantik, Pragmatik), durch Institutionen, kulturelle Muster und Schemata, mithin durch Strukturen als Erwartungsstrukturen wie Gesellschaften sie ausbilden, um Kommunikation überhaupt erst zu ermöglichen. Bei Sprache und kulturellen Mustern handelt es sich um interne Strukturen, die ein psychisches System im Laufe seiner (Selbst-)Sozialisation erworben bzw. ausgebildet hat.

  16. 16.

    Wenn er es denn überhaupt als Information wahrnimmt, denn auch das ist ja eine Eigenleistung des Empfängers.

  17. 17.

    Luhmann betont entsprechend – und entgegen Habermas –, dass durch Kommunikation „in keiner Weise und in keinem Sinne ein »gemeinsames« (kollektives) Bewußtsein hergestellt werden kann, also auch Konsens im Vollsinne einer vollständigen Übereinstimmung unerreichbar ist und Kommunikation statt dessen funktioniert.“ (GdG I: 82)

  18. 18.

    Wenn von drei Selektionen die Rede ist, dann ist dies operativ bezogen auf eine einzelne Kommunikationseinheit.

  19. 19.

    Siehe auch Abschn.  3.1: Medium und Form, S. 23.

  20. 20.

    Um dies zu können, bedarf es gewisser psychisch-physischer Voraussetzungen, die jedoch außerhalb der Kommunikation liegen, Luhmann: „Kommunikation kommt überhaupt nur zustande, wenn jemand im Groben versteht oder vielleicht auch missversteht, aber jedenfalls soweit versteht, dass die Kommunikation weiterlaufen kann, und das liegt außerhalb dessen, was man durch bloße Benutzung von Sprache schon sicherstellen könnte. Es muss jemand erreichbar sein, muss hören oder lesen können.“ (ESys: 79)

  21. 21.

    Diese Bedeutung kann natürlich auch darin bestehen, etwas als redundant wahrzunehmen. Wenn eine Information von einer Mitteilung unterschieden wird (= Form), dann kann auf der Seite der Information weiter unterschieden werden, ob diese als informativ oder als redundant eingestuft wird.

  22. 22.

    Das, was psychisch verstanden wurde, kann natürlich – und dies ist ja meistens der Fall – in der Anschlusskommunikation mitgeteilt bzw. deutlich werden, aber dies geschieht dann auf der Ebene der Kommunikation. Das psychisch Verstandene bleibt der Kommunikation operativ prinzipiell unzugänglich (Autopoiesis, operative Geschlossenheit).

  23. 23.

    So der alte Sinn von communicatio als das Herstellen von Gemeinsamkeit des Erlebens (vgl. GdG I: 201).

  24. 24.

    Das psychische Verstehen stellt im Sinne Kants eine regulative Idee dar, die man unterstellen muss, um das nachfolgend in einer Anschlusskommunikation sich manifestierende Verstehen plausibilisieren zu können. Das psychische Sinn-Verstehen ist nur kommunikativ existent, es ist ein Medium, das nur über seine Formen wahrnehmbar wird.

  25. 25.

    So kann Luhmann Habermas entgegenhalten, dass die Systemtheorie, bei der die Einheit einer kommunikativen Operation mit dem Verstehen endet (und somit Kommunikation nicht als Handlung begriffen wird), es völlig offen lassen kann, was dann geschieht, vor allem, „ob man zu dem Verstandenen Ja oder Nein sagt. Wozu haben wir denn das Nein in der Sprache? Was erzeugt wird, ist nicht Konsens im normalen oder idealen Falle mit bedauerlichem Misslingen und mit bedauerlichen Abweichungen in allen anderen Fällen, sondern was erzeugt wird, ist eine Bifurkation. Der Prozess, der an dem Punkt des Verstehens angekommen ist, kann das, was verstanden ist, als Prämisse weiteren Kommunizierens entweder übernehmen oder ablehnen.“ (ESys: 302f.)

  26. 26.

    Luhmann hat hier zweifellos mündliche face-to-face Kommunikationen vor Augen. Doch die einzelnen Kommunikationseinheiten müssen nicht zwingend zeitlich direkt aufeinander folgen, wie dies bei schriftlicher, massenmedialer und digitaler Kommunikation der Fall ist.

  27. 27.

    Es kann sich natürlich auch später zeigen, etwa bei schriftlicher Kommunikation (Brief, Email) oder auch gar nicht, was zu erheblichen gesellschaftlichen Veränderungen führt, siehe auch Abschn. 6.4: Geschriebene Sprache, S. 118ff., Kap. 7: Kommunikation: technisch offline vermittelt, S. 132ff., Kap. 9: Kommunikation: digital online vermittelt, S. 178ff.

  28. 28.

    Wenn Luhmann von „kommunikativem Geschehen“ spricht, hat er mithin operativ eine einzelne Kommunikationseinheit im Blick, die mit dem psychischen Sinn-Verstehen abgeschlossen wird. Er akzentuiert damit, dass Annahme oder Ablehnung bereits einer zweiten Kommunikationseinheit angehören.

  29. 29.

    Dies gilt insbesondere für den Fall der mündlichen Kommunikation, in der das Verstehen durch die Anschlusskommunikation direkt unter Beobachtung steht.

  30. 30.

    Auch Berghaus übersieht, dass dies ausschließlich für mündliche Kommunikation, also Interaktionen, gilt, denn bei schriftlicher oder massenmedialer Kommunikation offenbart sich das Verstehen eben nicht mehr unmittelbar anschließend in einer vierten Selektion, die damit zur ersten wird.

  31. 31.

    Luhmann unterscheidet die beiden Bifurkationen nicht dezidiert: Mal hat er das Sinn-Verstehen im Blick, wenn er vom Erfolg der Kommunikation spricht (vgl. SoSy: 218), dann wieder das Differenz-Verstehen, wenn es im Hinblick auf die drei Unwahrscheinlichkeiten von Kommunikation um die Frage geht, ob eine Kommunikationsofferte überhaupt angenommen wird (vgl. SoSy: 217f.).

  32. 32.

    Kommunikation muss ja nicht zwingend über Sprache erfolgen, auch Gesten sind möglich.

  33. 33.

    Eben deshalb haben Watzlawick et al. (2003) Recht, wenn das erste Axiom lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (S. 53), denn in Interaktionen liegt es nicht in der Hand von Alter, ob sein Handeln als Kommunikation aufgefasst wird. Allerdings gilt dies eben nur bei Kommunikation unter Anwesenheitsbedingungen.

  34. 34.

    Spätestens ab der zweiten Kommunikationseinheit handelt es sich also um ein sozial produziertes Ereignis, an dem mindestens zwei psychische Systeme beteiligt sein müssen.

  35. 35.

    Werden die Sinnformen nicht kommuniziert, dann ist bereits bei der operativen Bifurkation die Weiche gestellt worden, einen Kommunikationsakt mit dem psychischen Sinn-Verstehen zwar zu beenden, ihn aber nicht mit einer zweiten Kommunikationseinheit fortzusetzen.

  36. 36.

    Auch dies ist ein starkes Argument gegen die auf Konsens zielende Kommunikationstheorie von Jürgen Habermas. Luhmanns soziales Verstehen als Anschlussmechanismus ist nicht auf gelingendes Verstehen oder gar intersubjektive Verständigung im Habermaschen Sinne (1995) ausgelegt, es schließt auch mehr oder weniger weitgehende Missverständnisse als normal mit ein (vgl. SoSy: 196). Luhmann: „Auch Mißverstehen ist mithin Verstehen. Was sollte es denn auch anderes sein? Die Differenz von richtig/falsch Verstehen wird am Verstehen artikuliert.“ (Luhmann 1986, S. 86)

  37. 37.

    Man kann den Dissens natürlich auch verschweigen, ihn also im Psychischen belassen und auf der Ebene der Kommunikation trotzdem weitermachen – ein weiteres empirisches Indiz für die strikte operative Trennung zwischen psychischen und kommunikativen Operationen.

  38. 38.

    An anderer Stelle heißt es: „Man hat den Prozeß soziokultureller Evolution zu begreifen als Umformung und Erweiterung der Chancen für aussichtsreiche Kommunikation, als Konsolidierung von Erwartungen, um die herum die Gesellschaft dann ihre sozialen Systeme bildet“(SoSy 219).

  39. 39.

    Auch Luhmann konzediert, dass Kommunikation auf Annahme ausgerichtet sein muss, um konstruktiv Gesellschaft zu konstituieren. Sein Kommunikationsbegriff ist jedoch – entgegen Habermas – umfassender gebaut, indem er ausdrücklich auch Dissens miterfasst: „Oft wird mehr oder weniger implizit unterstellt, Kommunikation ziele auf Konsens ab, suche Verständigung. Die von Habermas entwickelte Theorie der Rationalität kommunikativen Handelns baut auf dieser Prämisse auf. Sie ist jedoch schon empirisch schlicht falsch. Man kann auch kommunizieren, um Dissens zu markieren, man kann sich streiten wollen, und es gibt keinen zwingenden Grund, die Konsenssuche für rationaler zu halten als die Dissenssuche. Das kommt ganz auf Themen und Partner an. Selbstverständlich ist Kommunikation ohne jeden Konsens unmöglich; aber sie ist auch unmöglich ohne jeden Dissens.“ (SozA 6: 119)

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Thye, I. (2013). Kommunikation: analytisch. In: Kommunikation und Gesellschaft - systemtheoretisch beobachtet. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00439-2_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-00439-2_4

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