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Wissenschaftstheoretische Grundlagen

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Zusammenfassung

In verschiedenen soziologischen Fachbüchern, auf Fachkongressen und Fachveranstaltungen wird auf die Krise der Soziologie verwiesen. Soziologie als wissenschaftliche Disziplin gerät im direkten Vergleich zu den Naturwissenschaften ins Hintertreffen. Für die Sozial- und Naturwissenschaften werden vergleichbare wissenschaftstheoretische Erklärungsvoraussetzungen gefordert. Bereits in Traditionelle und kritische Theorie (1937) und in Erkenntnis und Interesse (1973) bezweifeln Max Horkheimer und Jürgen Habermas dieses Erfordernis. Sie gehen in dieser Frage von einer grundlegenden Differenz zwischen den Erklärungsperspektiven der Natur- bzw. der Sozialwissenschaften aus.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Dahms 1998; Endreß 2002; Scheffer/Schmidt 2009. In diesen Schriften werden wissenschaftstheoretische Fragen eingehend bearbeitet, die sich auf die Theoriebildung der Soziologie beziehen.

  2. 2.

    Vgl. Dahms 1998, S. 320–401. Die Forderung nach vergleichbaren wissenschaftstheoretischen Ansprüchen hat zur Kontroverse zwischen dem logischen Positivismus, dem amerikanischen Pragmatismus und dem kritischen Rationalismus auf der einen Seite sowie der Frankfurter Schule auf der anderen Seite geführt. Um nicht den gesamten Diskurs nachzeichnen zu müssen, wird ausschließlich auf die letzte Auseinandersetzung von 1969, die als „neuer Positivismusstreit“ bekannt geworden ist Bezug genommen. In diesem Streit wird beabsichtigt, eine methodologische Klärung innerhalb der jeweils verwendeten Wissenschaftstheorie herbeizuführen. Obwohl die Differenz zwischen dem Wissenschaftsbegriff von Karl R. Popper/Hans Albert und Theodor W. Adorno/Jürgen Habermas sehr gering ist, bezeichnet Theodor W. Adorno Karl R. Popper als Positivisten. Unter Positivismus wird eine Wissenschaftsauffassung verstanden, die mit Beobachtungen und Experimenten beginnt, durch induktive Generalisierung daraus Hypothesen gewinnt und aufgrund einer anschließenden Verifikation Wissenserwerb beansprucht. Dieses Verfahren lehnen Theodor W. Adorno/Jürgen Habermas und Karl R. Popper/Hans Albert ab. Durch Verwendung einer deduktiven Methode versucht Karl R. Popper Lösungsvorschläge für ein Problem zu entwickeln, die vorerst gültig sind bis die Falsifikation misslingt. Diese Methode wird in der Wissenschaftstheorie als Karl R. Poppers Kritizismus bekannt. Selbst wenn die dialektische Methode viele Übereinstimmungen mit Karl R. Poppers Kritizismus beinhaltet, verfolgt Theodor W. Adorno den Weg, die Einschätzung des Bestehenden über die Vorstellung einer richtigen Gesellschaft zu ermitteln. Mit diesem Anspruch wird ein methodologischer Rettungsversuch unternommen, der aber letztlich ohne Beweis auskommen muss. Die frühe Kritische Theorie insistiert in diesem Zusammenhang auf einer jedem Faktum vorgeordneten Totalität. „Es gibt soziologische Theoreme, die, als Einsichten über die hinter der Fassade waltenden Mechanismen der Gesellschaft, prinzipiell, aus selbst gesellschaftlichen Gründen, den Erscheinungen so sehr widersprechen, daß sie von diesen her gar nicht zureichend kritisiert werden können“ (Adorno 1971, S. 132). Den bestehenden Gemeinsamkeiten zum Trotz, besteht der Hauptunterschied zwischen Theodor W. Adorno/Jürgen Habermas und Karl R. Popper/Hans Albert in ihrer unterschiedlichen Auffassung über die Grundintention einer Wissenschaftstheorie.

  3. 3.

    Vgl. Habermas 1985a, S. 306–330; Horkheimer 1995, S. 205–219. Beide Autoren wenden sich der interdisziplinären Wissenschaftskonzeption der Kritischen Theorie zu.

  4. 4.

    Vgl. Durkheim 1977, S. 466–480. Die Soziologie wird zuallererst von Émile Durkheim als Krisenwissenschaft bezeichnet, obwohl vorsoziologische Denker wie Claude Henry de Rouvroy de Saint- Simon oder Karl Marx bereits weit früher auf gesellschaftliche Krisen hinweisen. Nach deren Beobachtung werden die Krisen in ihrem Ursprung durch soziale Umwälzungen hervorgerufen, die in engem Zusammenhang mit den Folgeerscheinungen der Französischen Revolution stehen. Émile Durkheim wendet sich den gesellschaftlichen Krisen zu, um auf die Gefahr von Anomie und eine fehlende Moral hinzuweisen. Beide Phänomene sind nach seinem Verständnis in der Lage, die gesellschaftlich notwendige Integrationskraft zu mindern und dadurch die Gesellschaft im Ganzen zu gefährden.

  5. 5.

    Vgl. Adorno 1993; Horkheimer 1977; Marcuse 1998. In allen drei Schriften werden Vorschläge zur Einordnung des gesellschaftstheoretischen Anspruchs unterbreitet.

  6. 6.

    In den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird Max Horkheimers Theorieverständnis immer pessimistischer. Er geht in dieser Zeit von einem Niedergang der Individualität aus, verursacht durch die zunehmende Auflösung der bürgerlichen Familie. Die bürgerliche Familie wird nach Max Horkheimers Meinung beeinflusst durch das Aufkommen von Sozialisationsagenten, die wiederum von der Kultur-, Kunst- und Medienindustrie hervorgebracht werden. In der „Kritik der instrumentellen Vernunft“ geht er auf die zuvor angesprochene Analyse ein. Darin beschreibt er die Verwandlung der objektiven Vernunft zu einer instrumentellen subjektiven Vernunft, die das Soziale grundlegend verändert. „Nicht auf die Technik oder das Motiv der Selbsterhaltung an sich ist der Niedergang des Individualismus zurückzuführen; es ist nicht die Produktion per se, sondern es sind Formen, in denen sie stattfindet – die Wechselbeziehungen der Menschen im spezifischen Rahmen des Industrialismus“ (Horkheimer 1997, S. 145).

  7. 7.

    Vgl. Weber 1080, S. 1–11. Max Weber begründet und erklärt hier die methodologischen Grundlagen der Soziologie.

  8. 8.

    Vgl. Habermas 1969, S. 146–168. Jürgen Habermas stellt hier die Geltungsansprüche der verschiedenen Wissenschaftsprogramme einander gegenüber.

  9. 9.

    Vgl. Horkheimer 1980d, S. 1–33. Die Forderung, das Glück der Menschen zu verwirklichen wird in Philosophie und Sozialforschung bereits 1933 von Max Horkheimer erhoben. „Die ökonomische Theorie der Gesellschaft und der Geschichte ist nicht aus rein theoretischen Motiven, sondern aus dem Bedürfnis entstanden, die gegenwärtige Gesellschaft zu begreifen; denn diese Gesellschaft ist dazu gelangt, eine immer größere Anzahl Menschen von dem auf Grund des allgemeinen Reichtums an wirtschaftlichen Kräften möglichen Glücks abzusperren. Im Zusammenhang damit bildet sich auch die Vorstellung einer besseren Wirklichkeit, welche aus der heute herrschenden hervorgeht, und dieser Übergang wird zum Thema der gegenwärtigen Theorie und Praxis“ (S. 33).

  10. 10.

    Vgl. Weber 1988, S. 489–540; Adorno 1971, S. 81–101. In diesen Texten wird auf den Werturteils- und Positivismusstreit genauer eingegangen.

  11. 11.

    Vgl. Honneth 2000, S. 89–92. Die Bedeutung der Linkshegelianer für ein soziologisches Verständnis der Kritischen Theorie wird hier näher begründet. „Unter den linken Schülern Hegels, also von Karl Marx bis zu Georg Lukács, galt es als Selbstverständlichkeit, daß die Theorie der Gesellschaft ihren Gegenstand nur in dem Maße einer Kritik unterziehen dürfte, in dem sie in ihm ein Element ihres eigenen kritischen Gesichtspunktes als soziale Wirklichkeit wiederzuentdecken vermochte; daher bedurfte es für die Theoretiker stets einer Gesellschaftsdiagnose, die dazu in der Lage sein mußte, ein Moment der innerweltlichen Transzendenz zum Vorschein zu bringen“ (S. 89). Die bestehende Verbindung mit dem linkshegelianischen Erbe erfordert es, die soziale Wirklichkeit als unmittelbare Quelle aller theoretischen Vorannahmen kenntlich zu machen. Soziologisch von Interesse ist hier, dass sich daraufhin Rationalität mit einer Forderung nach Emanzipation verbindet. Auf diesem Weg besteht die Möglichkeit, auch die Konstitution von Institutionen kritisch zu untersuchen, um darin Anzeichen für eine vereinseitigte Rationalisierung kenntlich zu machen.

  12. 12.

    Vgl. Adorno 1976. Die Studien zum autoritären Charakter bilden einen Teil der Autoritarismus- und Vorurteilsforschung des Instituts für Sozialforschung in den USA. In dieser Studie wir über Fragebögen die Anfälligkeit von Personen für Antisemitismus, Ethnozentrismus, politischem Konservatismus und Faschismus untersucht.

  13. 13.

    gl. Honneth 2008, S. 11–33, 2009b, S. 3–32. In diesen Texten verweist Axel Honneth auf eine pluralistisch angelegte Gerechtigkeitstheorie.

  14. 14.

    Vgl. Butler 2008; Celikates 2009; Spurk 2006. In diesen Schriften wird auf Bedeutung der Kritik als methodologisches Instrument näher eingegangen.

  15. 15.

    Vgl. Honneth 2000, S. 74–77. Literaturkritik wird hier von dem besonderen Typus der welterschließenden Kritik abgegrenzt. Gesellschaftsromane wie z. B. Thomas Manns „Buddenbrocks“ beansprucht ebenso eine Form von erschließender Kritik. Mit literarischen und rhetorischen Mitteln wird eine bestimmte Darstellungsform gewählt, um den individuellen Blick über die direkten Verhältnisse hinauszuführen. Mit der in den „Buddenbrocks“ beschriebenen Verfallsgeschichte einer bürgerlichen Familie in Lübeck wird die bürgerliche Welt insgesamt in Frage gestellt. Fortschritt und Erfolg verbinden sich hier unmittelbar mit Fragwürdigkeit und Vergänglichkeit. Damit liegt auch eine Form von erschließender Kritik vor, die aber eng im Rahmen einer fiktionalen Überprüfbarkeit gehalten wird.

  16. 16.

    gl. Habermas 1995a, S. 9–45; Honneth 2007a, S. 57–69; Marcuse 1998, S. 21–38. Die rekonstruktive Gesellschaftskritik bildet in der Kritischen Theorie den bevorzugten Zugang zum sozialen Feld.

  17. 17.

    Vgl. Habermas 1998a, S. 15–60. Jürgen Habermas nimmt hier zur Begründung von rekonstruktiver Kritik in der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung Stellung.

  18. 18.

    Vgl. Adorno 1997a, S. 147–148. Hier geht er näher auf das wechselseitige Verhältnis von Gesellschaft und Individuum ein.

  19. 19.

    Vgl. Honneth 2009. Axel Honneth verweist hier auf den Begriff der Sozialpathologie zur Kennzeichnung von Beeinträchtigungen der individuellen Lebensumstände.

  20. 20.

    Vgl. Habermas 1987. Jürgen Habermas geht hier auf die Beeinflussung des verständigungsorientierten Handelns durch strategische Interaktion näher ein.

  21. 21.

    Vgl. Weber 1980, S. 12–20. Max Weber begründet den Begriff der Rationalität und weist ihm eine methodologische Bedeutung zu.

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Ludwig, C. (2013). Wissenschaftstheoretische Grundlagen. In: Kritische Theorie und Kapitalismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00209-1_3

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