Zusammenfassung
Bei unserer vorhergehenden Betrachtung konnten wir die mannigfachen Versuche, Vorbereitungen und Bereitschaften einer Patientin beobachten, die durch ihre männliche Einstellung bedingt waren. Die resultierende Furcht vor dem Manne war so groß, daß jede Knüpfung einer Liebesbeziehung verhindert war, bis die Behandlung sie ermöglichte. In sehr vielen Fällen sieht man den männlichen Protest in einer scheinbar entgegengesetzten Weise zum Ausdruck kommen: die Patientinnen knüpfen ununterbrochen neue Beziehungen an, die freilich leicht verkümmern und von den seltsamsten Schicksalen bedroht sind. Auch Ehen zu schließen sind sie ein- oder mehrere Male fähig, ebenso sie wieder aufzuheben. Sehr häufig brechen die heftigsten Leidenschaften der Liebe durch, die alle Hindernisse überwinden können, durch sie meist nur gesteigert werden. Die gleichen Erscheinungen kann man bei männlichen Nervösen beobachten. Bei näherer Betrachtung findet man die bekannten Züge des Neurotikers wieder, in erster Linie seine Herrschsucht, die sich wie seine anderen Charaktere der Liebesbeziehung als eines Vehikels bedienen, um sich beweisbar durchzusetzen. Die Sehnsucht alles haben zu wollen, drückt sich auf diesem Wege derart aus, daß alle Männer, zuweilen alle Menschen zum Ziele der Eroberung gemacht werden, wobei die Koketterie und das Zärtlichkeitsbedürfnis, die Unzufriedenheit mit dem erreichten Lose gar sehr in die Halme schießen.
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© 1928 J.F. Bergmann in München
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Adler, A. (1928). Nervöse Prinzipien. — Mitleid, Koketterie, Narzissismus. — Psychischer Hermaphroditismus. — Halluzinatorische Sicherung. — Tugend, Gewissen, Pedanterie, Wahrheitsfanatismus. In: Über den Nervösen Charakter. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-99709-9_7
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